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Wilsdruffer Tageblatt Al für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Nr. 263 — 88. Jahrgang Wilsdruff-Dresden Telegr.-Adr.: „Amtsblatt* Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts- gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Postscheck: Dresden 2640 Dreastag, den 12 November 1929 Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Do, .Wilrdeuffer Tageblatt- erscheint an allen Werktags nachmittags S Uhr. Bezugspreis: Bei Abholung in der »eschSftssteHe und den Ausgabestellen 2 AM. IM Monat, Sei Zustellung durch die Boten 2,30 AM., bei Postbestellung 2 NM. zuzüglich Abtrag. -» „ . . gebühr. Einzelnummern lMpsg.AllePolianstallen Wokhenvtatt für Wtlsdruff u. Umaeaend Postbaien und UN,-reAus. träger und Geschäftsstellen 7"— U nehmen zu jeder Zeit B-. stelluugen entgegen. 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Anzeigeunehmen alle Vermittlungsstellen entgegen. s Ausbau der AngestMenverstcherung Unter den sechs Zweigen der deutschen Sozialversiche rung ist die seit 1912 bestehende Angestelltenversicherung zweifellos die finanziell blühendste. Von den radikalen Permögensverlusten der Inflationszeit hat sie sich überaus schnell erholt und sie ergibt jährlich derart hohe Über schüsse, daß sie schon wieder über ein ganz gewaltiges Ver mögen verfügt; bekanntlich hat sie sogar dem Reich in seinen Finanznöten mit einer erheblichen Summe bei springen können. Infolgedessen ist es nicht mehr als recht und billig, wenn ein dem Neichsrat bereits zur Beschlußfassung zu gegangener Gesetzentwurf eine Steigerung der Leistungen vorsieht, die die Reichsangestelltenversicherung den Ver sicherten gegenüber zu leisten hat. Von allerhand kleineren und weniger wichtigen Leistungserhöhungen soll hier ab gesehen werden. Größere Kreise der Angestellten werden aber sicherlich drei Vorschläge, die auf eine nicht un beträchtliche, aber sehr zu begrüßende Erweiterung des Kreises der Rentenempfänger hinauslaufen, besonders interessieren. Da ist zunächst die Bestimmung, daß im Falle einer Scheidung oder einer sonstigen Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft die frühere Ehefrau des Versicherten eine „Witwenrente" erhalten soll, selbstverständlich erst dann, wenn der Versicherte selbst rentenbezugsberechtigt ist. Diese „Witwenrente" der Geschiedenen erlischt aber natürlich in dem Augenblick, wenn die ehemalige Ehefrau sich wieder verheiratet. Und ferner auch unterliegt die Gewährung diefcr Rente noch der Voraussetzung, daß die und solange die Geschiedene bedürftig ist. Wäre es doch auch zweifellos eine unbillige Härte, wenn z. B. einer schuldlos geschiedenen Ehefrau, die also gegenüber dem schuldigen Ehegatten einen Unterhaltsanspruch hat, nach seinem Tode der Ausgleich durch Gewährung einer Witwenrente vorenthalten würde. Natürlich ist dann auch der Fall denkbar, daß — mehrere Witwenrenten nach einem solchen Todesfall gewährt werden müssen. Noch wichtiger erscheint aber ein weiterer Vorschlag des neuen Gesetzentwurfs. Richt allzu selten werden die Fälle sein, in denen der Angestellte auch die Eltern oderdicVorelter nüber wiegendoderganz unterhält, diese also bedürftig sind. Stirbt nun dieser Angestellte, also der Ernährer seiner Angehörigen, und zwar, ohne daß mit seinem Todesfall der Anspruch auf eine Witwenrente entsteht, der Versicherte also nicht verheiratet war, so soll für die Eltern bzw. die Großeltern — nacheinander Vater, Mutter, Großvater, Großmutter — für die Dauer der Bedürftigkeit eine Reute ausgeworfen werden, wenn sie von dem versicherten Angestellten bei dessen Lebzelten hauptsächlich durch seinen Arbeitsverdienst unterhalten wurden. Diese neue „Elternrentc" in der Angcstclltcnversicherung würde übrigens nur den gleich artigen Bestimmungen in der Unfall- und der Invaliden versicherung entsprechen. Und schließlich wird eine bisherige Verwaltungs übung zum besetz erhoben. Bisher erhielt nämlich eine weibliche V^ochcrte, die sich verheiratete, bestim mungsgemäß die Hälfte der von ihr gezahlten Beiträge zurück nicht bloß, wenn sie die Wartezeit erfüllt hatte, sondern die Ncichsvcrstchernngsanstalt verfügte diese Rück erstattung auch dann, wenn jene Voraussetzung nicht ge geben, die Wartezeit noch nicht erfüllt war. Das wird nnn zum gesetzlichen Recht z^m Anspruch, aber auch nur dann, wenn die Wartezeit spätestens drei Jahre nach der Verheiratung erfüllt ist. Wenn — was ja heutzutage viel fach der Fall ist — die Nings Ehefrau ihre versicherungs- hflichtige Beschäftigung weiterbetreibt, so läuft dem heilen Vorschlag zufolge da^ Versicherungsverhältnis trotz W"er Rückzahlung einfach weiter, muß nicht, wie bisher, eine neue Versicherung eingegangen, also etwa auch eine neue Wartezeit angetreten werden. . Neben diesen Hauptpunkten der Leistungssteigerung bringt der neue Gesetzentwurf noch einige organisatorische Änderungen. Aus dem „Direktorium" der Reichsver sicherungsanstalt wird em ,^Vorstand" und an Stelle der je drei Vertreter der Versicherten und ihrer Arbeitgeber in ihm werden künftig vier Delegierte sitzen. Wichtiger ist es, das die Mitglieder des Verwaltungsrats der Reichs anstalt in Zukunft nicht mehr „indirekt", also erst durch gewählte Vertrauensmänner, bestimmt, sondern direkt gewählt werden sollen. Und schließlich werden diesem Verwaltungsrat größere Befugnisse und Selbständigkeiten hinsichtlich der Festsetzung des Haushalts der Anstalt zu erkannt, so daß eine sehr weitgehende Selbstverwaltung Eintritt; beispielsweise soll eine Nachprüfung dieses Haus halts nur noch durch den Verwaltungsrat, aber nicht mehr durch den Rechnungshof stattfinden. Ausbau der Versicherungstetstungen und der Selbst verwaltung — das sind die beiden Absichten des neuen Gesetzentwurfes, mit dem sich zu beschäftigen der Reichstag noch in diesem Jahre Gelegenheit haben wird. Dr. Pr. Schweres Zugunglück in Amerika. Ncwyork. Der Tkrükermekrua Atlantic—Cincinnati w..-de?aEp^ G Wagen stürzten um; sechs Personen Zahl der Verletzten beträgt nach den bls- herrgen Feststellungen etwa 50 Personen. Mills und MMeOm ernennt Zwei neue Reichsminister. Der Reichspräsident von Hindenburg hat auf Vor schlag des Reichskanzlers Dr. Curtius unter Ent hebung vom Amte des Reichswirtschastsministers zum Reichsaußenminister und Professor Dr. Molden- Ha uer zum Reichswirtschaftsminister ernannt. Die end gültige Berufung des Reichsministers Dr. Curtius zum Nachfolger Dr. Stresemanns stand sei, seiner Betrauung Reichsminister des Äußeren. mit den Geschäften des Außenministeriums fast fest, während der ihn im Neichswirtschaftsministerium er setzende Dr. Moldenhauer schließlich unter mehreren bis her genannten Anwärtern erst in den letzten Tagen in den Vordergrund trat. Die offizielle Stimme der Deutschen Volkspartei, del: beide Minister angehören, die Nationalliberale Korre spondenz, bemerkt zu der Ernennung, diese sei eine sichere Gewähr für die Fortführung der bisherigen politischen Linie des Reichskabinetts durch einfache Ergänzung der frei gewordenen MinistersHc, zum anderen liege darin der Verzicht auf eine allgemeine Umstellung, gegen die sich unter den obwaltenden Umständen sehr vieles hätte an führen lassen. Mit der Berufung Dr. Curtius' zum Leiter des Ncichsaußenministeriums. das er schon interimistisch verwaltete, sei ein Wunsch des verstorbenen Reichsaußen- ministcrs erfüllt worden. Stresemann habe in dem per ¬ sönlichen Freund' und engen politischen Gesinnungs genossen Dr. Curtius schon seit langem einen geeigneten Nachfolger gesehen. Dem neuen Wirischastsmimster wird nachgerühmt, daß er im Reichstag und noch mehr in seiner Fraktion als Bearbeiter wirtschaftlicher und sozialer Fragen hervorgetreten sei. Er wisse, daß Wirtschafts - und Sozialpolitik eine unzertrennbare Einheit bildeten. Ebensosehr wie die Entwicklung der Wirt schaft die Betonung des sozialen Gedankens notwendig mache, hänge die Durchführung und Sicherung aller sozia len Maßnahmen von der Prosperität der Wirtschaft ab. Zu diesem Gedanken bekenne sich Dr. Moldenhauer. Professor Dr. Moldenhauer, der neue Reichswirtschaftsminister. Dr. Moldenhauer war bisher Professor an der Universitär Köln. Er ist evan gelisch. Nach dem Studium der Rechts- und Staatswissen schaften in Bonn und Göttingen promovierte er 1899 in Göt tingen und erlangte das Diplom für Versicherungssachver ständige. Nach mehrjähriger praktischer Tätigkeit bei Ver sicherungsgesellschaften habilitierte er sich 1901 an der Handels hochschule in Köln als Privatdozem für Versicherungswissen- schaft und unternahm längere Studienreisen in die ver schiedensten überseeischen Länder. Professor Moldenhauer steht im 53. Lebensjahre, war Mitglied der Preußischen Ver fassunggebenden Landesversammlung und ist seit 1920 Mit glied des Reichstages. Große Rede der Präsidenten Hoover über die Grundsätze der ninerikanislben Friedens- nnd Abrüstungs-Mik Neuyork, 11. November. Anläßlich der Wasfenstillstands- seier hielt Präsident Hoover am Montagabend eine große Rede über die amerikanische Friedenspolitik: Der Weg zum Frieden, so führte er eingangs aus, könne nur verfolgt werden, wenn sich das Land in Verteidigungsbereitschaft befinde. Die Zukunftsaussichten für den Frieden seien heute größer als etwa vor einem Jahr hundert. Aber trotzdem sei der heutige Friede ein bewassneter Friede. Die Zahl der bewassneten Männer in der ganzen Welt belaufe sich einschließlich der aktiven Reserven auf 30 Millionen oder nahezu 10 Millionen mehr als vor dem Weltkriege. Die Waffe des Flugzeuges und andere Zerstvrungsmittel seien weit mächtiger als die im Weltkrieg benutzten Kriegswerkzeuge. Unter den verschiedenen Nationen herrsche immer noch Furcht und Miß trauen und es gebe zunächst keine Bürgschaft dafür, daß der Krieg nicht wiederkomme. Mit Befriedigung aber müsse sestgestellt wer den, daß das System der alten Diplomatie durch freie offene Be sprechungen ersetzt worden sei, durch Besprechungen, deren Endziel die Sicherung des Friedens sei. Der Abschluß des Kelloggpaktes sei der bezeichnelste Schritt auf diesem Wege. Aber man könne mit dem Frieden noch nicht als mit einer unbedingt feststehenden Tat sache rechnen. Man könne nicht einfach sagen, man wolle dem Frie den die Herrschaft überlassen und sich anderen Geschäften zuwen den. Der Friede könne nicht durch Schlagworte oder abstrakte Re densarten herbeigeführt werden. Man könne auf dem Wege zum Frieden nur dann weiterschreiten, wenn man offen die Kräfte in Rechnung stelle, die den Frieden möglicherweise bedrohen könnten. Amerika und jedes andere Land seien verpflichtet, Leben und Eigentum ihrer Bürger zu schützen. Aus diesem Grunde sei der Kellvggpakt geschaffen worden. Aber noch sei viel Konfliktstof? vorhanden. „Wir müssen uns klar darüber sein, daß es zwischen verschiedenen Ländern viele ungelöste Grenzprobleme gibt. Wir müssen offen die Tatsache anerkennen, daß wir und alle anderen Staaten auch in Zukunft in kleine oder große Auseinandersetzun gen verwickelt werden können. Daß für die friedliche Regelung von Auseinandersetzungen bisher unter den Staaten angewandte System ist unzureichend. Amerika ist an allen Methoden inter essiert, die geeignet sind, Streitigkeiten auf friedlichem Wege zu regeln. Die europäischen Staaten seien durch den Völkerbundsver trag Lbereingekommen, ihre Streitigkeiten auf friedlichem Wege beizukegen. Amerika habe es ebgelehnt, diesen Weg zu beschreiten. Aber die Welt habe jetzt den Kellvggpakt. Der Angrsiser müsse in Zukunft im ScheinwerferlichL der Welt stehen und alle Reibungs flächen müssen beseitigt werden. Eine dieser Reibungsflächen sei das Wettrüsten. Niemand könne leugnen, daß die Fortsetzung des Wettrüstens eine Bürde auf dcm Rücken aller Beteiligten dar stelle. Der Präsident kam alsdann aus die Flottenverhandlungen zu sprechen, die eingeleitet worden seien, um die Parität mit Eng land herbeizusühren. Er Hosse auf eine wesentliche Herabsetzung der Flottenstärken als eine Erleichterung der wirtschaftlichen La sten aller Länder. Man müsse über die Verringerung der Kriegs schiffe ein gemeinsames Abkommen treffen. Er glaube nicht, daß sich eine Herabsetzung der Rüstungen durch das Beispiel einer ein zigen Macht erzielen lasten werde. Die Ausgabe der Verteidigungsbereitschaft sei solange nicht gerechtfertigt, bevor die Staaten nicht ihre Friedensideale auf einer stärkeren Grundlage aufbauen könnten, bevor nicht die Furcht die gefährlichste aller nationalen Erregungen sich durch einen Beweis nationaler Ehrenhaftigekit als grundlos herausgestellt habe, bevor nicht die Meinung der Weltösscntlichkeit viele Probe jahre überstanden habe. Eine ausreichende Landesverteidigung er fordere eine militärische Stärke, die der der anderen Staaten ent spreche. Amerika wolle die Stärke seiner Flotte im Verhältnis zu der anderer Länder vermindern. Es sei Aufgabe der anderen zu erklären, wie lies sie heruntergehen wollten. Für Amerika sei keine Zisfer zu niedrig. Ein anderes Streitigkeitsmvment fei die soge nannte Freiheit der Meere. In dieser Frage wolle er folgenden Vorschlag machen, der allerdings nicht etwa einen amtlichen Vor schlag an irgend ein Land darstelle. Er würde alle Schiffe, die aus schließlich mit Lebensmitteln beladen seien, Hospitalschisfcn gleich setzen. Die Zeit sei gekommen, wo Frauen und Kinder nicht mehr ausgehungert werden dürften. Diese Waffe müsse in Zukunft aus scheiden. Die großen Fortschritte der industriellen Entwicklung während des letzten halben Jahrhunderts, so fuhr Hoover dann