Volltext Seite (XML)
Erscheint tiiglich «ach«, mit Ausnahme der Eoan-». Festtage. Bezugspreis r Vierteljahr!. 1 Mk. SV Pf. (ohne Bestellgeld). Post-Bestellnummer 8888. Bei autzerdeutschen Postanstalten laut ZeitungS-PreiSliste. Ginzelnu««er 10 Pfennige. Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit. vncbOnielktlei, keäalttioi» und SercbilMtteNrr Presde», Pilluitzer Straße 43. Inserate werden die «gespaltene Petitzeile oder deren Raum mit 18 Pf. berechnet, bei Wiederholung bedeutender Rabatt. Redaktions-Sprechstunde: 11—1 Uhr. Fernsprecher: Amt I. Nr. IS 66. 235. Katholiken r Theresia. Donnerstag, den 15. Oktober 1903. Protest«»«-»: Hedwig. 2. Jahrgang. Eine Umgestaltung des Reichstages. Die Stimmen jener Heilärzte tauchen immer zahl reicher auf, welche das fressende Geschwür der Sozial demokratie am monarchischen Staatsorganismus äußerlich zu behandeln Vorschlägen, statt auf Verbesserung der Lebens säfte ihr Augenmerk zu richten. Im ..Grenzboten" kommt nun auch Herr Professor Delbrück mit einem Vorschläge, der zu lebhaften Erörterungen Anlaß geben wird. Er ver- langt von der Regierung bei Bekämpfung der Sozial demokratie einen festen Willen und eine feste Hand und meint, eine entschlossene Regierung würde auf freudige Heerfolge zu rechnen haben. Als Ziel für die Regierung stellt Professor Delbrück die Revolution von oben hin. Er sagt, es würde wieder der Satz gelten: „Wenn Revolution sein soll, so wollen wir sie lieber machen als erleiden." Herr Delbrück denkt dabei selbstverständlich nicht an schwere Gewalttaten, seine Vorschläge klingen vielmehr, so obenhin genommen, verhältnismäßig harmlos. Er verlangt zunächst, daß keine neuen Gesetze mehr geschaffen werden sollen, deren Handhabung den Sozialdemokraten zu Gute kommen würde. Das ist leichter gesagt als getan, denn bei dem Geiste unserer Verwaltung und unserer Polizei kommt nach- gerade jedes Gesetz der Sozialdemokratie zu gute; überdies findet sich in unseren alten Gesetzen und Einrichtungen so vieles Agitationsmaterial für die Sozialdemokratie, daß dieselbe auf neue Gesetze ganz gut verzichten könnte. Zur Stärkung der Macht und des Einflusses der Regierung verlangt Delbrück die Schaffung einer Neichstags- mehrheit, die „in allen natürlichen Lebensfragen zuverlässig ist," und die auch die „zufälligen Mehrheitsbeschlüsse des Reichstages," die er für ein großes Unglück hält, für die Zukunft unmöglich machen soll. Diesen Zweck sucht Del brück zu erreichen durch eiue „Erweiteruug des Reichs tages", uud zwar in folgender Weise: Die Zahl der Reichstagsabgeordneten soll von 307 auf etwa 500 erhöht werden. Die bisherige Zahl der Abgeordneten würde ans Grund des geltenden Wahlrechtes, sofern man dessen Kern noch nicht antasten will, zu wählen sein. ES kämen aber über 100 neue Reichstagssitze hinzu, und zwar durch Verleihung von Nirilstimmen an die Städte mit mehr als 100000 Einwohnern, an die Hochschulen, die Handels-, Land wirtschafts- und Handwerkerkammern. Herr Delbrück nennt diese Auffüllung des Reichstags mit einer Ständever tretung, die dem Zwecke dienen soll, eine gesicherte Regie rungsmehrheit bilden zu helfen, einen „annehmbaren Aus gleich für Tagegelder." Der hier ausgesprochene Gedanke, daß der Reichstag für die Bewilligung von Tagegeldern sich bereit finden würde, seine demokratische Grundlage in solcher Weise verschustern zu lassen, verrät eiue vollständige Unkenntnis der Stimmung der weitaus überwiegenden Mehrheit des Reichstages. Nicht zufrieden damit, die Zusammensetzung des Reichs tages zu verschlechtern, will Delbrück die Stellung der Ne gierung noch weiter stärken durch Errichtung eines Ober- Hauses, einer ersten Kammer des Reichstages. Er weist darauf hin, daß in den Vereinigten Staaten von Nordamerika und in Frankreich das allgemeine Wahlrecht sein Linderungsmittel durch den Senat finde, in Italien, Oesterreich-Ungarn und Großbritannien in den Oberhäusern. Delbrück vergißt aber dabei, daß für das Deutsche Reich die Verhältnisse ganz anders liegen, als für jene Staaten, »veil dasselbe ein Bundesstaat ist. Für die Neichsgesetz- gebung »vürde ein solches Reichs-Oberhaus sich als ein schlimmes Hemmnis erweisen. Schon Bismarck hatte bei Aufstellung der Verfassung des Nordd. Bundes und später derjenigen des Deutschen Reiches den Gedanken der Schaffung eines Oberhauses, ebenso wie eines Bundes- oder Neichsministeriums mit aller Entschiedenheit bekämpft, und er wußte wohl, warum er es tat. Heute »vürde die Schaffung eines solchen Oberhauses lediglich eine Schwächung des Reichstags und einen überaus bedenklichen Macht- znwachs der Negierung bedeuten. Wir wissen nicht, ob die Vorschläge des Professors Delbrück von ihm selbst ansgehen, oder ob es sich um einen im Einverständnisse mit der Negierung aufgelassenen Versuchsballon handelt. Soviel aber glauben »vir mit aller Bestimmtheit zu wissen, daß, vielleicht mit Ausnahme der Scharfmacherparteiei», der Reichstag in seiner gegen wärtigen Zusammensetzung jeden Versuch, diese Vorschläge in die Tat umznsetzen, einmütig zurückiveisen »vürde. Politisch e Rundschau. Deutschland. — Was ist der Evangelische Bund? Die Antwort giebt die „Köln. Vztg." in einen» Artikel „zur Geschichte des Ev. Bundes" folgendermaßen: „Eine Schar von Pastoren mit ihrem engeren Anhang, nach Abzug dessen nicht viel übrig bleibt. Die paar „Mitläufer", darunter der katholisch getaufte Prophet, der dem Bunde in der Tägl. Rundschau mit Psalter und Harfe sein Lob singt, machen den Bnndeskohl nicht fett, lind was die Herren Prediger »vollen, erkennen »vir ja jetzt am besten an dem Kesseltreiben gegen die Krenz- zeitung, dessen tieferen Sinn man in manchen Politischen Kreisen noch gar nicht versteht. Deshalb einige Worte zur Aufklärung. Die Kreuzzeitnng ist und will sein ein Organ der konservativen Partei, und demzufolge vertritt sie auch in kirchenpolitischen und konfessionellen Fragen den Stand punkt, der in den Parlamentarischen Fraktionen des Reichs- und Landtages in dieser Beziehung der herrschende ist. Das gefällt aber den antirömischeu Pastoren nicht, denen es keineswegs genügt, daß schon der Reichsbote die ihnen zu sagende politische Richtung vertritt. Sie »vollen, daß die Kreuzzeitung sich nach ihnen richtet und nicht nach der kon servative»» Partei, und kalkulieren, daß, »venu sowohl die „Kreuzzeitung" als der „Reichsbote" an die Spitze ihres politische»» Programms den Kampf gegen Ron» setzen, die ganze konservative Partei nnloim volon» mitgerissen »vürde. Ist es aber erst soweit gekommen, dann wird — so hoffen sie — auch die Staatsregierung folgen und sich au die Spitze eines neuen KulturkampfaufgcbotS stellen, das der katholischen Kirche den Kampf nnsagt. Und des halb suchen sie jetzt die „Kreuzzeitung" durch Drohungen, Eiiischüchterungen, Jntrignen und Angriffe aller Art dahin zu bringen, daß sie klein beigibt und sich ans den kon fessionell-hetzerischen Standpunkt des Reichst»oten stellt. So ist es zu verstehen, daß Pastor Fi keusch er (Fürth) die „Krenzzeitung" in Ulm das „Kreuz des deutsche»» Volkes" nannte; sie glauben eben, ihr Ziel nicht erreichen zu können, so lange die „Krenzzeitung" ihnen »och das Widerspiel hält." — Die Polcnpolitik der Regierung wird unentwegt weiter verfolgt. Jetzt wnrde ein Rundschreiben an die Kreisschulinspektoren Brombergs gerichtet, ii» dem angefragt wird, ob sich Schwierigkeiten bei der Einweihmig von Schulgebäuden durch katholische Geistliche ergeben haben, indem diese auf die Anwendung der polnischen Sprache bestände»» haben und ob es sich in diesem Falle nicht empfiehlt, von der Mitwirkung katholischer Geistlicher Ab stand zu nehmen. Die Angelegenheit bedarf unbedingt der Aufklärung. Die Negierung müßte die Gründe nennen, welche so gewichtig sind, daß sich damit die Unterlassung der kirchlichen Einweihmig der Schule rechtfertigen läßt. — Die Hakatistcn suchen in den deutschen katholischen Vereinen ihren Einfluß geltend zu machen, um einen Keil zwischen die Deutschen und die Kirchenbehörde zu treiben. So wurde bei der Konferenz des Verbandes deutscher katholischer Vereine an» 11. d. M. in Posen der Antrag gestellt, der Verband solle die kirchlichen Verhältnisse der deutschen Katholiken im Posenschen dem preußischen Episkopat unterbreiten, damit in der nächsten Bischofskonferenz in Fulda Rat und Abhilfe geschaffen werde. Ter Antrag siel, ebenso weitere, die nur zur Spannmig geführt hätten. Angenommen dagegen »vnrde der Antrag, der Verband solle Schritte unternehmen, damit zunächst iimner mehr und mehr deutsche katholische Beamte in der Provinz Pose»» angeslellt und dadurch die Lage der deutschen Katho liken verbessert »vürde. Tie erzbischöfliche Behörde ist durchaus nicht abgeneigt, billigen Wünschen der deutschen Katholikei», soweit möglich, eiitgegenznkoinmen. Dabei ist jedoch zu betonen, daß nicht die Vereine der deutsche»» Katholiken, sondern die Pfarreingesesseneu als die legitime Vertretung der Bevölkerung zu gelten haben. — Wieder ein Tncllopfcr. Der am Sonnabend bei einem Pistolendnell in der Spellener Heide bei Wesel schiver verletzte Leutnant Schreiner vom 57. Jiisanteriercgiment ist der „Essener Volkszeitung" zufolge am Montag gestorben. Nun beginnt die alte Prozedur. Der lebende Duell- -> 1 Blei iin Herzen. Erzählung von I. N. von der Lans. Aus dein Holländischen übersetzt von L. van Her in siede. (2U. Fortsetzung.) (Nachdrnck verboten.) Aber auch auf Konrad wirkte der Umgang mit seinem ue»»en Freunde äußerst günstig. Dessen Fleiß und Arbeit samkeit trieben auch ihn zu ernsterein Studium an. Viele Abende saßen sie in Konrads höchst elegantem und gemüt lichen Studierzimmer beisammen, ganz unter Büchern ver graben. Zur Erholung aber machten sie ausgedehnte Spaziergänge, die Konrad weit besser bekamen, als die lauten Gelage, deren Held und Mittelpunkt er früher so oft gewesen »var. Kein Wunder, daß Doktor de Vries den jungen Mann, der seinem Sohne in so »vahrhaft fördernder Weise zur Seite stand, mit offenen Annen empfing. Während er über der Unterhaltung mit den» jungen Weever den Kutscher vergaß, der schon lauge vor der Türe hielt, hatte Konrad mit seiner Mutter ein nicht weniger lebhaftes Gespräch. Als er mit herzlichem Gruß bei ihr eintrat, erhob sie sich kaum von dein Sofa, um ihm die Hand entgegenzu- strecken. heftige Migräne vorschützend. „Das tut mir aber sehr leid. Mama, daß Du gerade heute Kopflveh hast", sagte Konrad mit enttäuschter Miene, vor ihr stehen bleibend, „ich hatte mich so darauf gefreut, Dich durch »nein frühzeitiges Erscheinen zu überraschen. . . Ist das so plötzlich gekommen? Man hat mir wenigstens unten nichts davon gesagt. Soll ich Papa rufen?" „Der ist eigentlich Schuld daran, der Mann hat so sonderbare Ideen, die mich immer »vieder von neuern auf regen", gab seine Mutter ärgerlich zur Antwort. „Was hat eS denn jetzt »vieder gegeben? Papa war ja ganz guter Dinge?" „O, gegeben hat es eigentlich nichts, aber ich kann nicht leiden, daß Dein Bater so gar nicht weiß, was sich gehört. Er hätte Dir verbieten müssen, den jungeil Mann — wie heißt er nur? — mitzubringen." „Wen — Adolf Weever, meinst Du?" „Ja, wie kommt es Dir nur in den Sinn, Dich mit einem solchen Menschen einzulassen?" „Mit einem solchen Menschen?" wiederholte Konrad erstaunt. „Ja. weißt Tu denn nicht, daß seine Mutter eine Person ist. die mit Stickereiarbeit für die Magazine ihr Brot verdienen muß? Frage Henriette nur, die auf Estella Rosiners Empfehlung an Unterricht bei ihr genommen hat. Müssen »vir nicht vor Schau» vergehen, wenn unsere Be kannten den Sohn einer solchen Arbeitsfrei» hier im Hanse als Deinen Frennd und unseren Gast antreffen?" In ihrer Entrüstung schien die Daino ihr Kopflveh ganz vergessen zu haben, denn sic »var aufgesprungen und schüttelte ihren Kopf mit solcher Vehemenz, die ihrer Migräne unmöglich zuträglich sein konnte. „Aber ich bitte Dich, Mama!" rief Konrad, der Mühe hatte, sein Lachen zu verbeißen, „wie kannst Du Dich darüber nur so alterieren! Ich habe wirklich nie daran ge dacht, mich zu erkundigen, was Fran Weever tut und treibt, mit durch die Welt zu kommen, ich weiß »nr. daß sie irgendwo in Nordbrabant lebt. Aber wenn sich alles auch so verhält, wie Du sagst, so ist das doch kein Grund, um ihren» Sohn die Türe zu weisen. Er ist ein sehr netter und gescheidtcr junger Mann, auf den Papa große Stücke hält." „Ja. wenn »vir alle jungen Leute, für die der sich interessiert, hier empfangen wollten, das gäbe eine nette Gesellschaft! Ich gebe mir soviel Mühe, um mit den aristokratischen Kreisen in Berührung zu kommen, und ihr stellt euch rnir beharrlich in den Weg. Dir nehme ich eS »veiter nicht übel. Konrad, denn Du bist noch etwas jung, aber Dein Vater müßte verständiger sein und Dir ein schärfen, niit welchen Freunden Du umgehen mußt, um in der Welt voranzukommen. Du hast doch noble Bekannte genug an der Universität, »vie Junker van Beest oder Wetzlar und noch viele andere, warum bringst Du die nicht mit, statt eines solchen Tölpels? . . . ." aber nur einen Freund, ihn nicht! „Bekannte habe ich genug, und der heißt Adolf Weever!" Nun, »vie Dn willst, aber ich empfange Wo denkst Dn hin?" fuhr sie zornig ans. „Das ist ja Dein Ernst nicht, Mamachen!" entgegnete Konrad. während er sich zn ihr setzte und vertraulich ihre Hand umfaßte. „Aber, lieber Jnnge!" sagte die Mutter, die, »vie der Sohn wnßte, sich sehr leicht von seiner Zärtlichkeit über winden ließ, in ganz anderem Ton. „nimm doch Vernunft an. Nächsten Sonntag habe ich die Familie Rosiner ganz familiär znm Diner eingeladen. Wie kann ich denn einen solchen plninpen Menschen den feinen Herrschaften vorstellen? Ich glaube, Estella wäre im Stande, ans das Gewerbe seiner Mutter anznspielen ..." „Da »vürde sie bei mir aber schlecht ankommen. ich »vürde ihr die Antwort nicht schuldig bleiben!" rief jetzt Konrad mit einem zornigen Anfflackern seiner dunklen Augen. „Da haben »vir cs ja schon!" erividertc die Mama, „wegen eines solchen Freundes würdest Dn nnsere besten Freunde vor den Kopf stoßen!" Konrad hatte eine spöttische Entgegnung ans den Lippen, aber er nnterdrückte sie, mn seine Mutter nicht noch mehr zn reizen. Er wußte aus Elfaiirung. »vie er sie zu be handeln hatte, mn sie heriimziibriiigeu. „Na, ich verspreche Dir," sagte er, „mich all Deinen Gästen und der schönen Estella gegenüber von meiner liebens würdigsten Seite zn zeigen, wenn Dn meinem Freunde Adolf gegenüber ein wenig gnädig sein willst. Du brauchst ihn Deinen Gästen nicht einmal vorzustellen, darauf ist'er garnicht versessen. Wem» Dil Gäste hast, so gehen »vir einfach ans und essen in irgend einer Restauration." „Aber dann müssen »vir Dich auch entbehren!" „Das macht ja nichts aus in den paar Tagen, die mein Freund hier verbringen will. Wenn er fort ist, gehöre ich euch wieder ganz und gar an. Ist eS mm gut, Mamachen?" fragte er, ihr freundlich in die dingen schauend. (Fortsetzung folgt.) .,-s..