Suche löschen...
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 25.01.1910
- Erscheinungsdatum
- 1910-01-25
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-191001253
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19100125
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19100125
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-01
- Tag 1910-01-25
-
Monat
1910-01
-
Jahr
1910
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezug»-Preis sttt Leipzig »ud Vorort» durch «irr» Lräarr und Spediiru« tu« Hau» «bracht: v« H monatl., L.7V »trrteljt-rl. Sei unser« Filialen ». Sn nahmestrüen abaeholtr 7S monatl., >.TS »irrttlMrl. vnrch dir Pocht innerhalb Deutschland« und der deutsche» Kolonien viertrljchhrl. S.GO »o««tl. lLÜ auSschl. Povbeftrllaeld. gern« in Belgien, Dänemark, den Dvnaustaate», Italien, Lurembura, Rtederlande, Nor- weaen, Ocherrrich - Ungarn, «ntland, Schweden, Schwei, u. Spant«. I» alle» übrigen Staaten nur direkt dnrch di» «eschästlftell» de» Blatte» «chtltlich. Da» Leipziger Lageblatt erscheint wächott- Uch 7 mal und ztoar moqea«. Mtonnement^lnnahine r Ungnftn»Platz 8, bei unseren Drägern, Filialen, Spediteure» und Annahmestelle», sowie Postämter» und Briefträgern. Di« ringln« Rümmer kostet 1« Redaktion und Mrschäftssteller Johannilgass« 8. Frrnsprecher: 14692, 14696, 146SL eWMrTagMM Handelszeitung. ÄmLsvkatt des Mates und des Makizeiamtes der Ltadl Leipzig. Anzeigen-Preis fstr Inserate au» Leipzig und Umgebung di« kgespaltene Petit,eile 25 -z, finanzielle Änzeigea 60 Reklame» l don au«wä«z 60 ^s, Reklamen 1.20 vom Ausland SO-tz, finanz. Anzeigen 75»^ ReNamen l.LO Inseraten. Behörden >m amtllchcnDeil40^. Beilagegebühr ö p. 7 -.ulend exkl. Post gebühr. sdeschäilsanzelu. > an bevorzugter Stelle im Preise erhöht. Uabati nach Dari Festerteilte Aufträge können nicht zurück gezogen werden. Für oa» ärschernen an bestimmten lagen und Plätzen wird keine Garantie übernommen. «»zeigen. Annahme: LugustuSplatz bei sämtlichen Filialen u. allen Annoncen- Expedinonen des In- und «»«lande». Haupt-Filiale Berli» Lar! Duncker. Her-ogl. B>yr Hofbuch» handiung, Lügowsl atze 10. (Lelevdon Vt. Ar. tooO). Haupt-Filiale Dresden: Eeestrahe 4,1 (Telephon 4621). Nr. 24. Dienstag 25. Januar 1910. 104. Jahrgang. Dar wichtigste. * König Friedrich August wird Mitte Februar die Stadt Leipzig besuchen. sS. Lpzg. Ang.) * Die diesjährige Denkschrift über die Entwicklung des Kiautschau-Gebiets ist dem Reichstag zugegangen. lS. Dischs. R.j * Der Deutsche Wirtschaftsausschuß ist am Montag vormittag im Reichsamt des Innern zu einer Sitzung zusammengetreten. Den Gegenstand der Beratung bildeten die Handelsbeziehungen zu Frankreich und Nordamerika. * Der Bund derJndustriellen hielt am Montag in Berlin seine 14. Hauptversammlung ab. Die Versammlung sprach sich einstimmig gegen die Schisfahrtsabgaben aus. lS. d. bes. Art.) * Die Verhandlungen des ungarischen Kabinetts Khuen- Hedervary mit den Parteien gelten als gescheitert. lS. Ausl.) * Wie aus Rom telegraphiert wird, ist nach V er Übung großer Wechselfälschungen der Herzog von Campobollo, ein Neffe des Kardinals Rampolla, mit einer Soubrette aus Florenz geflüchtet. lS. Verm.j * Aus Buchara werden schwere Unruhen zwischen Sunniten und Schiiten gemeldet. lS. Ausl.) Atolonrale Jahresbilanz. In den letzten Tagen sind die amtlichen Jahresberichte über die Entwickelung unsrer Kolonien dem Reichstag zugegangen, nachdem ihm bereits vor einigen Wochen der Haushaltsetat für die Schutzgebiete vvrgelegt worden war. Auf diesem Material baut sich für die Oeffent- lichkeit die koloniale Jahresbilanz auf. Der wesentliche Inhalt beider Veröffentlichungen ist bereits bekannt. Es genügt also für unsre Be trachtung die Zusammenfassung der Endergebnisse und die Erörterung derjenigen Faktoren, aus denen sich diese Ergebnisse zusammensetzen. Auch diesmal wieder schließt die Jahresbilanz in materieller Hinsicht mit einem erheblichen Gewinn ab. Der Handel unsrer Kolonien hat fast aus der ganzen Linie eine ansehnliche Zunahme erfahren, wie folgende Uebersicht erkennen läßt: Einfuhr Ausfuhr Gesamthand«! Ostafrika 25 786 771 2k 10 873 856 '2k 36 660 627 2l Kamerun 16 788 864 „ 12 163 881 „ 28 952 745 „ Togo 8 509 380,, 6 893 324,, 15 402 704,, Südwestafrika 33 178 994,, 7 795 305,, 40 974 299,, Südkolonien 5 090 204 „ 6 052 609 „ 11 142 813 „ Samoa 2 502 826,, 2 671 233,, 5 174 059,, 1908/9 Zusammen: 91 857 039 K 46 450 208 2k 138 307 247 1907/8 dagegen: 88 742 625 2k 41163 630 2c 129 906 255 .tk Die Einfuhr der Kolonien hat demnach um 3,1 Millionen, die Ausfuhr um 5,3 Millionen und der Gesamthandel um rund 8i/s- Millionen zugenommen. Auch der Anteil Deutsch lands am Handel der Kolonien hat sich etwas gehoben, von 62 auf 63 v. H., und wird hoffentlich oder wahrscheinlich mit jedem Jahr weiter steigen, wenn sich einerseits unsre Industrie bemüht, dieses Absatzgebier zu erobern und anderseits die Regierung es mehr als bisher zu ver meiden sucht, daß überflüssige fremde Elemente sich allzusehr in unsern Kolonien breitmachen. Von den Gründen für die Veränderungen im Handelsumsatz wird bei den einzelnen Kolonien die Rede sein. An sich ist die erwähnte Zunahme im Vergleich zu den Gesamthandelsziffern des Deutschen Reichs ja gewiß nicht hervorragend. Aber es muß in Be tracht gezogen werden, daß die Kolonien eben immer noch im Anfang ihrer Entwickelung sich befinden und daß das noch im Entstehen be- grifscne Verkehrsnetz natürlich noch keine volle Wirkung auszuüben ver mag. Wenn man ferner bedenkt, daß die Handelsentwickelung in den letzten zehn Jahren stetig gewesen ist, so gewinnen die oben angeführten Zahlen an Bedeutung. Man kann mit Sicherheit annehmen, daß in weiteren zehn Jahren, wenn die Kolonien Wer ein fertiges und ab gerundetes Eisenbahnnetz verfügen, der Handelsumsatz der Kolonien in der Statistik des Deutschen Reiches eine Rolle spielen wird. Wichtiger als die äußerlich erkennbaren Fortschritte, wie sie in der Hondelsentwickelung zum Ausdruck kommen, scheinen uns verschiedene Erfolge unsrer Kvlonialpolitik zu sein, die sich nicht zahlenmäßig aus drücken lasten, aber immerhin erhebliche materielle Vorteile für die Zu kunft gewährleisten. Da ist zuerst das wachsende Vertrauen zu nennen, das den Kolonien von der öffentlichen Meinung entgegengebracht wird. Ueber Kapital mangel haben die in den Kolonien arbeitenden Unternehmungen nicht mehr zu klagen, denn nicht nur die Großbanken und die Industrie be teiligen sich in steigendem Maße an der Erschließung unsres über- seeischen Besitzes, sondern auch das Privatkapital sucht mehr und mehr Anlage in Kolonialwerten. Auch der kleine Mann steht nicht zurück, wie die wachsende Zahl der Ansicdlungsluftigen beweist. Doch das ist eine Erscheinung, die schon seit zwei bis drei Jahren zu beobachten ist. Der moralische Gewinn in der kolonialen Jahresbilanz des verflossenen Jahres besteht namentlich darin, daß sich im Schoße der Kolonialverwal tung eine Wandlung zugunsten der Richtung vollzogen hat, die man als „nationale Kolonialpolitik" zu bezeichnen pflegt. Die Grundlage dieser Richtung bildet die Besiedelung geeigneter Gebiete der Kolonien durch Reichsdeutsche. Während bisher der Staatssekretär als geistiger Urheber derjenigen Richtung galt, die in den Eingeborenen das wichtigste Akti- dum der Kolonien erblickte und der Entstehung deutschen Volkstums in diesen skeptisch, ja sogar <ck>lehnend gegenüberstand, hat er sich jetzt als Anhänger des Besiedlungsgedankens bekannt und diese Wandlung in seinen Anschauungen dadurch bekräftigt, daß er den Bau der Eisenbahn nach dem Kilimandjarogebiet, dem Ansiedlerland pur oxoeUonao, ener gisch betreibt, und wenigstens bei der Budgetkommission des Reichstags bereits durchgesetzt hat, ausdrücklich mit der Begründung, daß sie zur Besiedlung jenes Gebiets notwendig sei. Ob er dabei noch irgendwelche Hintergedanken hat, wollen wir vorläufig dahingestellt sein lassen swir haben sie neulich schon angedeutet) und uns der Tatsache freuen, daß die Bahn gebaut und daß es mit der Besiedlung endlich ernst wird. Auch die Budgetkommission hat die Vorlage als ein Zeichen guten Willens genommen und ist mit Herrn Dernburg sein säuberlich ver fahren, als es gegen seine Diamantenpolitik ging. Allerdings hätte sie gegen die überlegene Sachkenntnis des Staatssekretärs auch gar nicht aufkommen können, um so weniger als Dernburgs Diamantenpolitik für sich in Anspruch nehmen kann, daß sie die Interessen des Fiskus nicht außer acht läßt. Ob auf der anderen Seite statt des heimischen Großkapitals nicht besser die Bevölkerung der Kolonie an dem Gewinn der Tiamantenfundc hätte beteiligt werden können, ist wieder eine andere Frage. Am allerbesten, das haben wir neulich betont, wäre es gewesen, wenn der Fiskus alles eingeheimst hätte. Aber vielleicht läßt sich Dernburg bei der Begünstigung des Großkapitals von dem Ge danken leiten, der auch etwas für sich hat, daß er nämlich das Groß kapital bei der weiteren Erschließung der Kolonien noch manchmal brauchen wird. Freilich ist dieser kapitalistische Einschlag seiner Politik nicht sonderlich volkstümlich, und seine allzu üppige Entwickelung nach drücklichst zu bekämpfen. Denn es geht natürlich nicht an, daß der kleine Mann, der Ansiedler, in harter Arbeit der Kolomalwirtschaft das Rückgrat schafft und das Großkapital nur die mühelos erreichbaren Ge winne einheimst. Nachdem der Staatssekretär nun aber zu erkennen gegeben hat, daß er dem deutschen Siedler überall da eine Stätte schaffen will, wo für ihm ein Fortkommen möglich ist, so wird man ein Auge auch da zudrücken müssen, wo Dernburg auf seinem ureigensten Gebiet, dem der großkapitalistischen Gründung, arbeiten will, soweit dies nicht dem allgemeinen Interesse allzusehr zuwiderläuft. Denn er hat aus diese Weise die Wirtschaftsentwickelung der Kolonien immerhin in Schwung gebracht. Wie denn überhaupt durch seine Sachkenntnis auf wirtschaftlichem Gebiet die kolonialpolitische Erörterung im Reichstag qualitativ nur gewonnen hat. Gerade in neuester Zeit ist dies so recht zutage getreten. Und auch das ist als ein Gewinn zu buchen. Jetzt erst ist der genaue Wortlaut dex Depesche der Lüderitzbuchter an die Budgetkommission in der Diamantensache bekannt geworden. Er ist derart, daß man nachträglich der Kommission nur zustimmen kann, wenn sie die Depesche ohne weiteres als erledigt betrachtete. Hoffentlich finden die Lüderitzbuchter einen geeigneteren Vertreter als Herrn Kreplin, denn sonst ist es um ihre Wünsche in Zukunft schlecht bestellt. Damit soll natürlich nicht gesagt sein, daß nun in der Kolonial politik alles in bester Ordnung ist. Vielmehr ist noch mancher tote Punkt zu überwinden. Vorausgesetzt, daß Dernburg wirklich gewillt ist, die Zugeständnisse, die er den Anhängern der nationalen Kolonial politik neuerdings gemacht hat, auch wirklich zu erfüllen, scheint es uns, daß zurzeit die Haupthemmungen draußen in den Kolonien liegen. Womit wir bei den einzelnen Kolonien angekommen wären. Hinsichtlich Ostafrikas ist im Augenblick weiter nichts zu sagen, als daß das Ergebnis der wirtschaftlichen Arbeit, soweit es sich in den Handciszahlen spiegelt, dank der Politik des Gouverneurs von Rechen berg, ein ziemlich klägliches ist, obwohl doch eigentlich gerade für diese Kolonie in den letzten Jahren vom Mutterland am meisten getan wor- den ist. Obwohl dieses Thema im letzten Jahr zum Ueberdruß behan deln werden mußte, läßt es sich nicht vermeiden, daß wir angesichts des neuesten Jahresberichts demnächst wieder mit Nachdruck auf di« Hem mungen Hinweisen, die die Anschauungen des derzeitigen Gouverneurs für die Kolonie mit sich bringen. Hier ist nicht der Platz dafür. Süd- westafrika hat sich unter dem Einfluß der Diamantenfunde recht erfreulich entwickelt. Aber auch die Ansiedler sind nicht müßig gewesen und haben durch ihre tüchtige Arbeit die Farmwirtschaft wieder ein er hebliches Stück vorwärts gebracht. Der Viehbestand wächst zusehends, und auch die Wollschafzucht weist vielversprechende Anfänge auf. Und wenn nun noch Dernburg seine guten Beziehungen zur Hochfinanz, die sich an den Diamanten gütlich tut, ein wenig zugunsten der Farmwirt schaft ausnützen würde, so könnte das seinen sonstigen Plänen nur dien lich sein. Die Ansiedler harren immer noch des versprochenen Kredit instituts und sie erwarten mit Recht, daß von dem unverhofften Dia mantenreichtum etwas für die Förderung des wichtigsten Erwerbszweigs der Kolonie abfällt. So sehr man sich freuen kann, daß Dernburg der Kolonie mit den Diamanteneinnahmen ein abgerundetes Eisenbahnnetz schaffen will, so möchte man doch wünschen, daß ein langgehegter Wunsch der Farmer durch Schaffung eines billigen Kredits verwirklicht wird. Auch in Kamerun geht es vorwärts, obwohl der Handelsumsatz gegen das Vorjahr zurückgegangen ist. Aber das hat hier weiter nichts auf sich, denn im vorletzten Jahr war der Aufschwung so fabelhaft, daß man mit einem Rückschlag rechnen mußte. Der Umsatz des verflossenen Jahres übertrifft immerhin den von 1907 bedeutend. Unerfüllte Ver sprechungen wirken anders«iL^,auch hier hemmend, wie wir unlängst an dieser Stelle auseinandergefebt haben. Es handelt sich um den Bau der Südbahn Kribi—Ebolowa, der dem Lande nur nützen könnte. Es wäre der Kolonialverwaltung zu raten, daß sie sich diese Angelegenheit baldigst reiflich überlegt. Die übrigen Kolonien bieten weiter keinen Anlaß zu besonderen Erörterungen. In Togo ist alles in Ordnung. Auf Samoa wird fortgewurstelt, ein Glück nur, daß wenigstens der Handelsumsatz sich etwas gehoben hat. Der Rückgang des Handels auf Neu-Guinea kommt nicht überraschend. Der vielbesprochene und — leider vergeblich — vielbekämpfte Zolltarif konnte natürlich nicht ohne nachteilige Wir kung bleiben. In Kiautschau drängen die Verhältnisse allmählich auf ein« reinliche Scheidung von Militär- und Zivilverwaltung hin, worüber ein andermal zu reden sein wird. Jassen wir alles zusammen, was uns das Kolonialjahr 1908/9 und der Jahreswechsel gebracht hat, so können wir zum ersten Male sagen, daß wir mit einer gewissen Befriedigung rückwärts und mit guter Hoffnung vorwärts blicken können. Wenn die Kolonialverwaltung, in sonderheit Dernburg, sich nun noch bemüht, unsern Landsleuten in den Kolonien, auch wenn sie einmal schwer zu ertragen sein sollten, mit mehr Geduld und menschlichem Verstehen gegenüberzutreten, und ein erträg liches Verhältnis zwischen heimischer Verwaltung und den Kolonien her zustellen, so wird das Ergebnis unserer Kolonialarbeit sich sicherlich von Jahr zu Jahr besser gestalten. Die letzten Tage dürften dem Staatssekretär wohl bewiesen haben, wieviel ein wenig Anpassung an die Wünsche und Anschauungen der Allgemeinheit zuwege bringt. Der Vrcniö -es Tsehivaganpalastes. sVon unserem Ko n st a n t i n o p e I er X.-K orrespondenten.) * Konstantinopel, 21. Januar. Ein böses Geschick schien über dem malerisch am Bosporus gelegenen, von Sultan MeLschid erbauten und von seinem Nachfolger, dem Sultan Asis erweiterten und prunkvoll ausgestatteten Palast von Tschiragan von allem Anfang an zu walten. Nur kurze Zeit wurden in den feen haften Räumen des Palastes pomphafte Feste gefeiert, dann wurde Sultan Asis vom Thron gestürzt und lebte als Staatsgefangener in Tschiragan, bis er seinem Leben selbst ein Ende machte. Sein Nach folger, der unglückliche Sultan Murad V., wurde nach einer Negierungs zeit von tragischer Kürze ebenfalls vom Throne gestoßen und, wie sein Vorgänger, im Tschigaranpalaste gefangen gehalten, wo er kümmerlich sein Leben fristete, bis ihn nach langen Jahren der Tod von seinen Qualen befreite. Und schließlich — der letzte absolutistische Herrscher, Abdul Hamid, hatte bei seiner Entthronung noch den einen Wunsch, im Tschiraganpalast wohnen zu dürfen, um hier, wo er geboren war, auch zu sterben, ein Wunsch, der bekanntlich nicht erfüllt wurde, da die Machthaber es anders beschlossen hatten. Als im vergangenen Jahre Mehmed V. als erster konstitutioneller Herrscher den Thron der Osmancn bestieg und das Erbe seiner Vor fahren antrat, schenkte er das prunkhafte Gebäude dem Volke, dessen Vertreter in dem Palast zum Wohl des Landes über Fortschritt und Gesetze beraten sollten. Vor kurzer Zeit erst wurde das neu und ent sprechend eingerichtete Palais seiner Bestimmung übergcbcm und kurze Zeit nur war das Ministerium Hilmi Pascha in den Räumen ver sammelt; ehe noch Hakki Pascha, der neue Großwesir, den Volks vertretern sein Programm vorlegen konnte, ist das Wahrzeichen ehe maligen höfischen Pompes ein Raub der Flammen geworden, und nur schwarze Manern ragen noch aus rauchenden Schutthaufen hervor. Als am Mittwoch, 19. Januar, gegen Uhr morgens vomGalata- turm die Feuersahne webte, wodurch die Feuerwehr alarmiert wurde, '.ons'le man nock nicht genau, in welchem Stadtteil eigentlich ein Brand ausgebrochen sei. Selbst ein Teil der Feuerwehr wußte es nicht, denn als 20 Minuten nach dem Alarm die Wache vom Cbichanä Karakal glücklich versammelt und bereit war, fuhr sie gerade in — entgegen gesetzter Richtung ab. Inzwischen war aber die Hauptwache von der Taximkasernc im Laufschritt an der deutschen Botschaft vorüber durch den Vorort Beschiktasch nach der Brandstelle geeilt, konnte aber mit ihren unzu reichenden Löschgeräten fast gar nicht eingreifen. Ueberdies war im ganzen Palais das Wasser abgesperrt, und diesen Uebelständen allein ist es zuzuschreiben, daß das ganze Palais bis auf die Mauern nieder brannte. Mit knapper Mühe rettete man noch einen großen Teil der Archive sowie einen Teil des Mobiliars, die kostbaren Gemälde und Schmuckstücke dagegen konnten nicht gerettet werden. Als ich gegen 6 Uhr abends nach vielen Schwierigkeiten doch die Erlaubnis erzwungen hatte, mich der Brandstelle zu nähern, starrten mir bloß die nackten Mauern entgegen, die sich grotesk von dem Hintergründe des blauen Bosporus abhoben. Neber die Entstehung des furchtbaren Brandes schwirrten die un glaublichsten Gerüchte durch die Stadt, und man neigte der Ansicht zu, daß es sich um eine Brandstiftung handele, was sich indessen bald als unwahr herausstellte, denn wie die sofort cingeleitetc Untersuchung genau ergab, ist die Entstehung des Feuers in einem Defekt an der Zentralheizung zu suchen. sNeuerdings neigt die Untersuchungs kommission, wie bereits telegraphisch gemeldet, wieder zu der Annahme eines verbrecherischen Anschlags. D. Red.) Ein ganz „aufgeklärter" Türke versicherte mir sogar: „Allab will kein Parlament." — Noch abends wurden von der Regierung an die Provinzbcbördcn und an die Vertreter im Auslande eingebende Depeschen versandt, worin als Brandursache ein Schaden an der Heizungsansage angegeben ist. Der Wert des Palais von Tschiragan bezifferte sich auf ungefähr 50 Mil lionen Mark. - Spät abends veröffentlichte die Negierung einen Bericht, daß durch die Vernichtung des Palastes die Sitzungen des Parlaments keine Unter brechung erleiden würden, daß die Negierung Schritte unternommen habe für eine anderweitige Unterkunft der Volksvertreter, und daß das neue Kabinett Hakki, wie es bestimmt war, am Sonnabend sein Pro gramm verlesen werde. Innina Borowska. In Krakau rollt jetzt die Tragödie der Janina Borowska vor den Geschworenen dem Ende zu. Und nicht nur in Krakau, nicht allein im Schwurgcrichtssaal, wo die eleganten Damen der Krakauer Gesellschaft sich ganz dem Zauber der dunklen Abenteuer hingeben dürfen, lauscht man von Akt zu Akt. Auch das Ausland horcht nach der alten polnischen Stadt hinüber, wo Janina Borowska um Haupt und Freiheit ringr: aus dem Sensationsprozeß löst sich schwere Schicksalsgewalt, und die Anklage gegen die eine leuchtet grell in die Sturmnacht wogender Leiden schaft, unaufhaltsam der Tiefe zugedrängter Menschlichkeit. Das Tri bunal bleibt der Spiegel, der auch die andern, die nicht die Helden dieses Mordes sind, erblassen macht, wenn nur ein Blick in diesen Spiegel das müde Gesicht der Borowska z«igt. Janina Borowska sitzt matt im Tragestuhl, der ihr die Anklage bank ist, ihr Leib scheint von den Ereignissen zerbrochen, die sie vor die Richter brachten. Wegen Mordes. Tie Zeugen kommen und gehen, wenn sie an der Borowska vorbeikommen, verneigen sie sich. Stumm drückt ihr ein Professor die Hand, der, wie die andern, die man um der Klarheit willen rief, in ihrer Sache aussagen soll. Und ihr Mann tritt in den Saal — der Mann, den sie betrog — und spricht ihr zu. Ein- mal vergibt er sich und das Weh springt mit heißem Schrei aus der Brust; aber gegen die Frau hat er dennoch leise Worte voll schonender Rücksicht, eine fast unerklärliche Zartheit, und er bringt ibr, die in Hast den Beschlich ihres Schicksals erharrt, das Töchterchen ins Gefängnis, das einen Schimmer Trosteshclligkeit um die Kranke breiten soll. . . . Denn alle Wege bleiben dunkel, auf die bislang diese Frau ibr Fatum trieb. Die russische Spionin, die Oesterreichs Regierung in ihr verfolgte, war die Borowska nicht: nur die Romantik, der Hauch un gewöhnlicher Persönlichkeit blieb ibr aus jenem früheren Prozeß, der Nimbus und — die Straße zum Mord. Um des Anwalts willen, der sie vom Spionageverdacht damals reinigen konnte, verläßt sic den Gatten. Zeugen bckirndcn heute in Krakau, wie beiß und wirr und voll von Schmerzen für die Borowska der Pfad dieser Liebe war, Zeugen
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite