Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 16.03.1908
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1908-03-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19080316021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1908031602
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1908031602
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-03
- Tag 1908-03-16
-
Monat
1908-03
-
Jahr
1908
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bepl-»'Prei» m« direkt durch u»d Nr 75 s«-t» - Qurch dt, Vit ^» de^de« : u«d der ! SLdM.. beftellgeld Di» «t»M>, Nummer koitr« Ich M^, Rrduktt»« »ud Sr»«dttt»»: gohEchgayeL kelevd—Nr. 14SSL Nr. it«S. Nr. 1k«t. Abend'Ausgabe v. MMerTagMall Handelszeituug. Ämtsölaü -es Rates imd -es Nolizeiamtes -er Lta-t Leipzig. Lnzeigeu-Preit »> » fdr Anter«»« »ul Lew»»- »ad Umgedua- di» -aesvalteae Petitzeile 2S VI., ttaaiuleÜ« t»»«,«. Sö V., NeName» l d» «u-w-rt» SO Pi., N»0«mr» 1.20 chk-: d»m Nurland S0W., staan». >u»et-«»7LW.. Nkklamr» l^0 Di Inserat« v. Dedtrde» »a amüiche» Dev 40 V. Dellage-edüdr dDt. P. Dausend «xkl. Post, -edühr. ch«s<dtst»an»ei-«n an bevorzugter Stelle im Preise rrd-bt. Nabatt »ach Laris Jesiertetlt« Nustrtae kiuuen nicht zurück- »e»»-e» »erde», ffür da« «rscheinm an ieftuamtan Lagen und PlL»en wird kein« Garantie üderuummen «nzeigen. Nanadme: Nu-ust»«pI»H bei stmtlicheu Filiale« u. allen Lnnoncen- Gkpeditiaiien de« Au- und Lurlande«. Haudt-chUial« verliur I-rl Dancker, -erza-l. vayr. -afdoch- handluug, LützowKrade 10. (lelexhoa VI. Nr. 4M3). Montag 16. März 1908. 102. Jahrgang. Var wichtigste vonr Lage. * Den Bundesrat wird in dieser Woche die Münznovelle beschäftigen und diese wird dann sofort dem Reichstag zugehen. (S. DtschS. R.) * England verbindet mit seinem Vorschlag, einen General gouverneur von Mazedonien durch die Mächte einzusetzen, eine Garantie der Integrität dieser türkischen Provinz. (S. Ausl.) * Die Regierung von Haiti hat eingewilligt, die Tod' eSstraf« der auf die Konsulate geflüchteten Empörer in Verbannung umzuwandelu. IS. Ausl.) Sozratdemokvatie und 18. Marz. Sechzig Jahre sind in diesem Jahre seit den revolutionären März, tagen des Jahre» 1848 verflossen. Während das liberale Bürgertum sich begnügen wird, sich dessen zu erinnern, was aus der politischen Sturm- und Drangperiude des roten Jahres mit ihren mancherlei Ausschreitungen an schätzbaren Gütern für die politische Freiheit des Volkes gewonnen worden ist, und auch nicht vergessen wird, daß noch viele liberale Forde, ruugen unerfüllt blieben, für die im Nahmen des Parlamentarismus ui Gegenwart und Zukunft weiterzulämpfen ist — sucht die Sozialdemokratie die Erinnerung der Märztage zu ihren Gunsten auSzunützen. Vor allem soll der 18. März hierzu dienen. Insonderheit möchte sie sich an diesem Tage al» die Vorkämpferin für ein demokratisches Wahlrecht in Preuhcn zeigen. Hieß es ursprünglich, daß an ihm der Versuch gemacht werden solle, eine allgemeine ArbestSruhe zu proklamier», so wurde bald ein anderer Weg eingeschlagcn: man trat in Form von Bitten und Gesuchen an die Arbsitgeberkreise heran, um einen freien Tag zu gewinnen. Dieser Weg ist vergeblich gewesen. Die Arbcitgeberschaft antwortete ablehnend. Ja — noch mehr. Große Arbeitgeberverbände haben durch Erklärungen, die sie iN D« litzten Lag«, veröffentlichte«, klar und deutlich zu verstehen -e. geben, daß sie feder willkürlichen Arbeitseinstellung am 18. März mit.Ent. lchsun-on und Aussperrungen entgegentreten werden. ES ist kaum anzü- nehmen, daß. wenn auch nur in irgend bemerkmiSwertem Maße, von feiten ddr Arbeitnehmer diese Absage mit e,ner Kraftprobe beantwortet wird. Dazu ist nicht nur dis wirtschaftliche Lage gar nicht angetan, die jedem Streik so ungünstig wie möglich ist, es fehlt auch in den gewerkschaftlich organisierten Lrbeiterkreisen dieNeigung, eine solche Kraftprobe in Szene zu setzen, da man durchaus nicht dre Begeisterung für die revolutio näre Romantik in dem Maße besitzt, daß man um ihretwillen sich wirt schaftlichen Schädigungen aussetzen möchte. Das hat das Organ des Buch, druckerverbandes offen ausgesprochen, und ihm sekundiert jetzt das Blatt de» Zentralverbandes der Zimmerer. Es schreibt: »Die RevolutionSromantik hat unter den Gewerkschaftlern nicht mehr zahlreiche Freunde. Bedeutet das aber eine Verflachung, eine Schwäche? Wer kann heute noch im Ernste an einen Barri kadenkampf denken? Gesetzt den undenkbaren Fall, es gelänge den deutschen Arbeitern, sich an einem Tags durch Gewalt in den Besitz der Macht zu bringen. Würde damit die Herrschaft dauernd verbürgt sein? Abgesehen davon, daß die Reaktion Schritt um Schritt unS eine plötzlich durch einen glücklichen Handstreich erbeutete Macht wieder nehmen würde, so könnten wir doch auch ohnedem mit der Macht nicht» anfangen, wenn sie sich nicht stützen kann auf die Erkenntnis der Masse. Und iefe Erkenntnis ist eben — darüber wollen wir uns doch nicht täuschen — noch nicht so tief gedrungen, daß wir uns auf sie ver lassen können. Da» .Hosianna", mit dem wir heute begrüßt würden, verwandelte sich bald genug in da» »Kreuziget ihn". Durch bloße Ge waltakte kann nur ein Staatswesen aufgebaut werden, da» entschlossen ist, seine Macht durch brutale Gewalt zu behaupten. Der Sozialismus will das nicht und kann das nicht. Er muß deshalb warten, bis seine Stunde gekommen ist. . . Wir ehren die Barrikadenkämpfer von 1848 al» Märtyrer. .. . Wir wollen e» ihnen an Charakterfestigkeit gleich, tun. Sehen wir jetzt, nach 60 Jahren ein, daß der Weg, von dem jene Helden meinten, er werde sie zum Ziele führen, nicht der richtige war, erkennen wir vielmehr, daß die Besitzergreifung der Herrschaft nur die Frucht vorheriger geistiger AuSrsifung sein kann, dann haben wir uns losgelöst von einer Utopie und gewinnen festen Boden unter unseren Füßen." Trotz dieser offenbaren Abneigung weiter Arbeiterkreise, den 18. März im Sinne der sozialdemokratischen Parteileitung zu begehen, ist wohl an- zunehmcn, daß sich genügende Maßen finden Werder», die namentlich in Berlin schon die für die Tagesstunden geplanten Versammlungen besuchen und vielleicht auch auf den Straßen demonstrieren werden. Man schreibt uns hierüber aus Berlin: »Die Parteileitung arbeitet mit Hochdruck, um, wie der Berliner sagt, anständig durch da» Tor zu kommen. Die Bureau» der Ortsverwal tungen der Zentralverbände der Gewerkschaften sollen am 18. März, nach, mittags 1 Uhr, geschlossen werden, so daß man alle die zahlreichen Be- amten in die Versammlungen dirigieren kann. Auch die Frauen werden mobil gemacht. Folgenden Aufruf hat die Vertrauensperson in Berlin erlassen: »Die Frauen standen bisher mit unmündigen Kindern und Idioten auf einer Stufe. Nun abex wpllsiz wir endlich Freiheit und Menschen, rechte erobern. , . . Am Nachmittag de» 18. März treten wir zu sammen, um in Massenversammlungen Protest zu erheben gegen die Schmach der Volksentrechtung. Genossinnen! Kommt zahlreich in die von den Genossin veran stalteten Versammlungen. Protestiert abermals dagegen, daß Ihr als rechtlos und minderwertig behandelt werdet. Der Wille des Volkes tue sich kund, er wird der Macht der Reaktion ein Ende bereiten!" Voll wird man ja die Versammlungen bekommen, zumal da auch eine Anzahl kleinerer Lokale für die Versammlungen gewählt ist, und eS ja jetzt einen großen Haufen von Arbeitslosen gibt, die sich leicht an de» Versammlungen beteiligen, wozu noch die Masse derer kommt, die überall dort sind, »wo etwa» los ist". Nur wird diese ganze Demonstration, da» kann man schon heute sagen, nicht den Charakter einer Kundgebung der organisierten Arbeiterschaft darstellen. Daß auf der andern Seite die Polizei aller tun wird, um durch ein großes Aufgebot von Schutzmannschaft jeder Ruhestörung entgegenzu. wirken» ist ebenfalls schon bekanntgegeben. So ist der Verlauf der ganzen Aktion jetzt schon vorau»zusehen, irgendwelche Ueberraschungen sind kaum zu erwarten, und die Erfahrungen, die der 11. Januar brachte, werden den Massen hoffentlich rechtzeitig die Lehre gegeben haben, daß sie nichts Törichteres tun können, als ihren Demonstrationen einen Charakter zu geben, der polizeiliche» Einschreiten im Interesse der öffentlichen Ruhe und Ordnung berechtigt erscheine« lassen kann. Lleinene-arr» Lage. (Don unserem Pariser ^Korrespondenten.) Pari», 15, März. - Clemenceau Sieger, doch von seiner Partei verlassen, das ist der Ein. druck, der heute, nach der Freitagssitzung der Kammer fortbesteht. Die Interpellation de» ehemaligen Krieg-ministerS Berteaux war nur ein Vorwand für die radlkak-sozialistische Partei, als deren geistigen Chef man Clemenceau anzusehen gewohnt war, einmal geschloßen gegen das Kabinett zu stimmen, um ihm zu zeigen, daß man von ihm genug hat. Um Berteaux scharten sich alle hervorragenden Persönlichkeiten de» Radikal-SozialiSmuS, der frühere Minister des Innern Dubief, der frühere Marineminister Pelletan usw., und auch die Gruppe Doumer, Delcasss usw. Dir Latten schon über die doppelte Schlappe berichtet, die das Ministerium erlitten bat, al» über die Wiedereinstellung Joseph Reinach» in da» Korps der Reserveoffiziere beraten wurde; auch den katholischen Offizieren wurde die Wiedereinstellung zugestanden, und obendrein, ent. gegen den Wünschen der Regierung, allen wegen Disziplinarvergehen ent. lafsenen Beamten die Acmter zurückgegeben. Inzwischen hörte man, Clemenceau beabsichtige, im Senat, wenn dort die von der Kammer ange nommene Vorlage zur Abstimmung komme, die Vertrauensfrage zu stellen. Berteaux interpellierte, wie ein Ministerium sich erkühnen könne, einem Gesetz, da» von einem der Häuser angenommen worden sei, im anderen Widerstand zu leisten; die Vertrauensfrage hätte in der Kammer gestellt werden müssen. Clemenceau antwortete, er könne nicht einwilligcn, daß die wegen Streik« oder antunilitaristischer Wühlereien entlassenen Beamten, von denen sich einige noch heute ihrer Vergehen rühmten, wieder ihre Plätze erhielten; die wenige: schuldigen Beamten werde die Regie, rung durch Einzelmatzregeln gern wieder einstellen. Barthou, der Minister der öffentlichen Arbeiten, hielt ein« sehr energische Ansprache; wenn «elftere von ihm weggejagte Postbeamte in die Verwaltung zurück, berufen würden, werde er keinen Tag länger an ih-er Spitze bleiben. Ma» rief ihm zu: .Dann demissionieren Sie; denn die Kammer hat bereit» die Iurückberufung beschlossen." Berteaux machte einen neuen Borstotz; die Kammer könne nicht ihr Votum Widmrufen; er brachte folgende Tagesordnung ein: .Die Kammer, entschlossen, ihr Votum über die Diedereinftellung der entlassenen Beamten aufrechtzuerhalten, geht zur Tagesordnung über." Wenn Männer wie Doumer oder Delcasse hier für Beamte eintraten, die gegen ihre Vorgesetzten revoltiert und gar in Streik getreten waren, konnte man versichert sein, daß eS ihnen nur darum zu tun war, Clernen- ceau zu stufen. Aber die gemäßigten und katholischen Parteien standen wie ein Mann hinter der Regierung; sogar der größte Teil der Rechten schonte da» Kabinett und enthielt sich der Abstimmung. Der Tage-ord» nung Berteaux' wurde die Priorität mit 311 gegen 169 Stimmen ver. weigert. Doch es gibt Regierungssiege, die teuer zu stehen kommen; cs ist schon eine harte Nuß für Georges Clemenceau, sich sagen zu müssen, daß er der Mann der gemäßigten Parteien, beinahe der Rechten ge- Feuilleton. Sich einem geistigen Beruf widmen, um Geld zu ver dienen, ist schlechthin gemein. Diesterweg. Die Lheater-rtonresfiorr. Bon Staatsanwalt Dr. Kurt Heinzmann sLeipzig). Die deutschen Bühnen teilen sich in Hof-, Stadt- und Privattheater. Aus dieser Scheidung ergeben sich nicht unwesentliche finanzielle, poli tische und künstlerisch« Unterschiede. Mit wenigen Äusncchmen in den kleinsten Residenzstädten werden die Hoftheater aus Rechnung des Souveräns durch einen Inten danten geleitet. Der Monarch leistet Zuschüsse, die sich in den größeren deutschen Köniasresidenzen bis auf etwa 800 000 jährlich beziffern. Die Stadttheater werden an einen Unternehmer (Direktor) ver pachtet. Dieser bezahlt meist eine Pachtsumme, erhält aber seinerseits in der Regel eine Subvention, die ost in Naturalleistungen besteht. Einige kleine Hoftheater werden gleichfalls an einen Unternehmer ver- pachtet, führen also nur nominell den Titel einer Hofbühne. Anderseits lassen einige Kommunen, in dem Bestreben, der Kunst eine regere För derung zu widmen (insbesondere Frankfurt a. M. und Mannheim), nach Art der Hofbühnen ihr« Städttheater auf eigene Rechnurw durch einen Intendanten fuhren. Die Privattheater endlich erhalten keiner lei Subvention. Während also in finanzieller Hinsicht die Hofbühnen am besten, die Privatbübnea am schlechtesten stehen, sind anderseits in politischer Beziehung die Hoftheater am abhängigsten, die Privat- theater am freiesten gestellt. Denn allzu ängstlich« Intendanten be- schränken ihren (Kpielplan einerseits auf die klassischen Stücke, di« den Ruf der Ungefährlichkeit allmählich ersessen haben und wählen, um ja nirgends anzustotzeu, von der zeitgenössischen Literatur überwiegend nur die faden, schablonenhaften Produkte einiger Modeschwankfabrikanten aus. Die städtische» Bühnen stehen auch hier in der Mitte und sind durch den sogenannten .Theaterausschuß zumeist nur wenig in ihrer Bewegungsfreiheit gehemmt. In künstlerischer Beziehung müßt« naturgemäß den Hof bühnen di« führende Rolle zustehen, vorausgesetzt, daß sie von literarisch oder musikalisch befähigten Persönlichkeiten geleitet w«rden. Bebauer- licherwess« ist nun in Deutschland durch di« Einführung der höfischen Kavalierintendanz gerade dl« Leitung der ersten Bühnen, anstatt sie Fachleuten anzavertrauen, in die Hände hochgeborener Dilettanten ge- legt. Daß di« Stadt- und Privattheater, wenn nicht ein Künstter oder Schriftsteller von stark ausgeprägter idealer Gesinnung an ihrer Spitze steht, höhere künstlerische Ziele finanziellen Tendenzen opfern, ist be greiflich, weil menschlich. Insbesondere seit der Gründung von Privattheatern nahmen nun die L-chauspielunternehmungen den Charakter eine« „Gewerbe betriebes" an und gaben dadurch zu besonderen Maßregeln Anlaß, di« als „Th eat erpolizei" bezeichnet werden. In der Theater Polizei offenbart sich di« bindende, zwingende Autorität des Staates, und diese ist zur Vermeidung jeder Willkür am besten gesetzlich ae- regelt. BolksbildunaSstätte» sollen die Theater sein. Die Pflege der drama tischen Kunst haben sie zur Aufgabe. Aber durchaus nicht alle Buhnen fassen ihre Aufgabe von dieser idealen Seite auf; ihre Leistungen entsprechen oft keineswegs den An forderungen, die an ei» Kunstinstitut zu stelle» sind. Solange sie aber nur künstlerisch mangelhafte Darstellungen bieten, ist zu einem Einschreiten des Staates keine Veranlassung gegeben. Aber es besteht die Gefahr, daß die 2Heater auch Aufführungen bieten, di« in poli tischer und sittlicher Hinsicht gefährlich werden können. Aus diesem Grunde macht sich eine Ueberwachung der Theater nötig. Durch dies« soll dafür gesorgt werden, 1) daß nur geeignete und befähigte Per sonen die Leitung von Theatern übernehmen; 2) daß bedenkliche Stücke von den Bühnen ferngehalten werden. Die Theaterpolizei äußert sich daher: 1) in der Theater konzession; 2) in der Theaterzensur. Die letztere kann ent weder so gehandhabt werden, daß für jedes auszuführende Stück aus- drücklich vorher eine Genehmigung zu erteil«» ist — oder so, daß die Behörde von jedem Stücke nur Kenntnis erhält und dadurch in die Lage gesetzt wird, einzeln« Stellen zu streichen oder auch die Aufführung des ganzen Stückes zu untersage». Freilich steht die Zensur bis zu einem gewissen Grade im Widerspruche mit dem fast in jeder deutschen Verfassung niederaelegten Grundsätze, daß jeder Staatsbürger feine Meinung frei in Dort und Schrift äußern darf. Trotzdem aber wird di« Theaterzensur im Interesse der öffentlichen Sicherheit und Sittlich keit kaum zu entbehren sein. Denn zum Zirkus und zum Tingeltangel soll die deutsche Schaubühne nicht herabsinken. Fast in allen modernen Kulturstaaten, insbesondere auch in England, dem parlamentarischen Musterstaat. ist die Theaterzensur ziemlich allgemein anerkannt. Trotz dem mangelt ihr leider in Deutschland noch immer eine einheitliche ae- setzlich« Regelung Ein mcht ganz unwesentlicher Vorteil d«r Konzession und Zensur liegt darin, daß all« öffentlichen Interessen berücksichtigt und im voraus die nötigen Schranken gezogen werde» können. Hinterdrein abzuwehren und Unheil zu hemmen, ist viel schwieriger, und selten ohne Verletzung bereit- entstandener Rechte und Interessen möglich. Nur muß gegen ungehöriae Versagung der Erlaubnis — sei es aus Willkür, lei es aus Begrenztheit d«S geistigen Horizontes — dem Bewerber das Rechtsmittel der Beschwerde eröffnet werden, und zwar womöglich vor ein«m kollegialen Gerichtshof« von Juristen und Fachmännern; min destens aber sind Sachverständige vor der Entscheidung zu hören. Ein AufsichtSrecht der Regierung aber ist US durchaus berechtigt anzuerkennen. Denn das Aufsöhren von Schauspielen — d. h. die biLIich« Darstellung menschlicher Handlungen in Rede, Gesang und Gebärde — ist eine Kunst, di«, je nach dem Gegenstände der Darstellung, al- Mittel der VolkSerziehung und allgemeinen Erholung dienen, aber auch szumal in politisch bewegten Zeiten) die schlimmsten Laster und Leidenschaften in den Zuhörern und Zuschauern wachrufen kann. Die Konzession insbesondere existiert schon so lange, al- eS überhaupt Privattheater gibt; sie ist weit älter, al- der sogenannte .Poliz«istaat". Auch bei der Einführung der Gewerbefreihcit (1869) wurde in Deutschland das Konzefsionssystem beibehalten. Durch die Gewerbeordnung wurden zunächst die Beichränkungen auf gewisse Kate gorien theatraliicher Darstellungen für unzulässig erklärt — eine Be stimmung, durch die besonders in« Befugnisse der Hoftheater, gewisse Stücke ausschließlich zur Aufführung zu bringen, beseitigt werden sollten. Nur Zuverlässigkeit für den beabsichtigten Gewerbebetrieb war zunächst erforderlich. Bei allen Gewerbekonzessionen luchte der Reichs tag dem Ermessen der Verwaltungsbehörden engere Schranken zu ziehen; die leidige Prüfung des „Bedürfnisses", bei der so leicht Will kürlichkeiten und Bevorzugungen unterlaufen, fiel deshalb weg. Darauf beruht 8 32 der Gewerbeordnung vom 21. Juni 1869. In den siebziger Jahren aber hatten sich auf dem Gebiete des Theaterwesens bedenkliche Zustände entwickelt: Eine Reihe von Bühnen war entstanden, deren Leitern es zum Teil au d«r erforderlichen Bildung und Befähigung zur Theaterdirektion, zum Teil auch an den notwendigsten Mitteln sehlt«. Zahlreich« Bühnenleiter bankrottierten. Nach geltendem Rechte war keine Abhilfe möglich, da die Vorschrif ten der Gewerbeordnung über die Zuverlässigkeit der Theaterunter nehmer zu unbestimmt lauteten. In zwei Erkenntnissen hatte daS preußische Oberverwaltungsgericht die Ansicht ausgesprochen, daß unter Zuverlässigkeit nur die sittliche Qualifikation dcS Betreffenden, nicht auch entsprechende Bildung und ausreichende Mittel zu verstehen seien. Selbst Bankrotteure erhielten daraufhin die Konzession. Diese Verhältnisse gaben zu Petitionen an den Reichstag und parlamenta rischen Initiativanträgen Anlaß. Das Resultat war das Reichsgesetz vom 15. Juli 1880, das den 8 32 der Gewerbeordnung zweifach umänderte: Die Erlaubnis zum Ge werbebetriebe sollte dann versagt werden, wenn di« Behörde auf Grund von Tatsachen die Ueberzeugung gewänne, daß der Nachsuchende die zu dem beabsichtigten Gewerbebetriebe erforderliche Zuverlässigkeit, ins- besondere in sittlicher (alt), artistischer (neu) und finanzieller Beziehung (neu) nicht besäße. In den achtziger und neunziger Jahren machte sich dann besonders der Mangel geltend, daß di« Konzession von den Behörden zu leicht erteilt, daß sie auch auf veränderte Unternehmen ausgedehnt wurd«, und daß sie auch bei dem Verluste der nötigen Er- fordernisse nicht entzogen wurde. Diesen Forderungen wurde eine weitere Gewerbenovelle im wesent- lichen gerecht, di« vom Reichstage am 22. Juni 1896 angenommen, vom Kaiser am 6. August 1896 publiziert wurde. Der maßgebende Artikel 2 dieses Gesetzes wurde bei der neuen Redaktion der Gewerbeordnung vom 26. Juli 1900 als § 32 wiederum in das letzter« Gesek eingeschoben. Diese wesentliche Bestimmung lautet: „Schauspielunternebmer bedürfen zum Betriebe ihres Gewerbes der Erlaubnis. Dieselbe gilt nur für da? bei Erteilung der Erlaubnis bezeichnete Unternehmen. Zum Betriebe eines anderen oder eines wesentlich veränderten Unternehmens bedarf es einer neuen Erlaubnis. Die Erlaubnis ist zu versagen, wenn der Nachsuchende den Besitz der zu dem Unternehmen nötigen Mittel nicht nachzuweisen vermag, oder wenn die Behörde aus Grund von Tat sachen die Ueberzeugung gewinnt, daß derselbe die zu dem beabsichtigten Gewerbebetriebe erforderliche Zuverlässigkeit, insbesondere in sittlicher, artistischer und finanzieller Hinsicht, nicht besitzt." Prinzip-ell ist asso beute für die Konzession di« Reichsgesetzgebuna maßgebend. Der lande-- gesetzlichen Regelung aber verbleibt: 1) die Erteilung von Vorschriften
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite