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Donnerstag. AeiPzig. Die'Zeitung erscheint »m Ausnahme des Montags täglich und wird Nachmittags 4 Uhr auS- gegeben. Preis für das Vierteljahr I'/, Thlr.; jede einzelne Nummer 2 Ngr. — Nr. 26. — St. Januar >856, DtilWt Mgtintiilk Zeitung. «Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz!« Zu beziehe» durch all« Postämter des In- und Auslandes, sowie durch die tKrpedition i» Leipzig (Querstraße Nr. 8). Znsertionsgebühr für den Raum einer Zeile 2 Ngr. Deutschland. Frankfurta. M., 28.Jan. Die Bundesversammlung stimmte in ihrer Sitzung am 24. Jan. über ein Pensionsgesuch mehrer vormals schleswig-holsteinischer Offiziere ab. Die Reclamationscommission hatte in einer früher» Sitzung Vortrag über dasselbe erstattet, und so sehr sie auch die hülfsbedürftigc Lage der Bittsteller anerkannte und den Wunsch aus sprach, cs möchten die hohen deutschen Negierungen denselben, wie cs be reits mehrfach geschehen, wirksame Unterstützung, insbesondere durch Auf nahme in ihre Dienste, zuwcnden, so vermochte sie doch, in Anbetracht der bezüglich der Unterstützung solcher Offiziere schon früher aufgestellten und bisher festgehaltenen Normen, im gegebenen Falle keinen die gewünschte Pen- sionsbcwilligung aus Bundesmittcln befürwortenden Vorschlag zu machen, und es wurde, übereinstimmend mit ihren Anträgen, beschlossen: der Re klamation keine Folge zu geben. Hierauf kam eine Eingabe des Karl Over- weg zu Naumburg a. d. S. zur Verhandlung, mit welcher er der Bundes- Versammlung eine Druckschrift zur Berücksichtigung überreicht hatte, be titelt: „Ursachen der jetzt so oft wiederkehrenden und lange anhaltenden Theuerungcn und praktische Mittel dagegen." Die Versammlung hielt bei aller Anerkennung der wohlmeinenden Absicht des Verfassers, dessen Vor schläge, welche im Wesentlichen gesetzliche Beschränkungen des freien Handels mit Getreide und Lebensmitteln bezielen, einstimmig für zur Berücksichtigung nicht geeignet, überließ jedoch bei der Wichtigkeit des Gegenstandes die Fragest ob überhaupt und in welcher Richtung etwa durch gemeinsame Maßregeln von Bundcswegen der Theucrung cntgegenzuwirken sei? noch einer nähern Prüfung des bestehenden handelspolitischen Ausschusses. (Frkft. Bl.) Preußen. tBerlin, 29. Jan. Oesterreich ist gegenwärtig, wie man in hiesigen namhaften Kreisen andeuten hört, mit einer Vorlage in Betreff seiner Friedensvorschläge an Rußland, welche der deutschen Bun desversammlung gemacht werden soll, beschäftigt. Die diesseitige Regie rung soll, wie cs heißt, hinsichtlich dieses Schrittes Oesterreichs bereits in Kcnntniß gesetzt sein. Ob rücksichtlich der dem Deutschen Bunde zu ma chenden Vorlage ein Einverständniß zwischen Oesterreich und Preußen er zielt werden wird, darüber möchten einstweilen noch keine Anhaltepunkte, die eine feste Meinungsäußerung begründen, vorliegcn. Bekanntlich wird bei jeder Vorlage an den Bund seitens Preußens oder Oesterreichs ein vorheriges Einverständniß der beiden deutschen Großmächte wenigstens an gestrebt. Der Zweck der in Rede stehenden Vorlage Oesterreichs soll die Beistimmung des gcsammten Deutschland zu den österreichischen Friedens- Vorschlägen sein, mit einem Worte, der Deutsche Bund soll diese Friedens- Vorschläge auch zu den seinigen machen und dieselben mit seiner ganzen Fülle des Ansehens und der Machtstellung unterstützen. — In Bezug auf die Betheiligung Preußens bei den demnächst bevorstehenden Fricdensbe- ralhungen hört man, daß es namentlich England ist, welches dieser Theil- nahme Preußens Hindernisse in den Weg legen möchte. Preußen dürfte sich aber auf Bedingungen, an welche seine Bethciligung etwa geknüpft werden sollte, schwerlich einlassen. Die Mitgewährleistung des zu schließen- den Friedens durch Preußen möchte von den andern Mächten, besonders aber von Rußland und der Türkei gerade dringend gewünscht werden. Eine bestimmte Auffoderung an die diesseitige Regierung soll bisjetzt aller dings noch nicht ergangen sein. -^-Berlin, 29. Jan. Vor uns liegt der Bericht der Verfassungs- commission über den Antrag des Abgeordneten Wagener, im Art. 4 der Verfqffungsurkunde die Worte: „Alle Preußen sind vor dem Gesetze gleich, Standesvorrechte finden nicht statt", zu streichen. Es bildet dieser Antrag gleichsam den ersten Schnitt in die eigentliche Wurzel der Verfas sung, und wir wollen auf den betreffenden Bericht der Verfassungscom- Mission darum etwas ausführlicher zurückkommen; eS ist dies auch deshalb um so geeigneter, als der Gang des fraglichen Berichts auch für die an dern Anträge von ähnlicher Bedeutung, welch« der VerfaffungScommission noch vorliegen, als maßgebend betrachtet werden kann. Die Commission war zuvörderst der Meinung, „daß dergleichen allgemeine und vieldeutige Sätze in der Verfassungsurkunde besser nicht ständen". Gleichwol erklärten mehre Mitglieder sich gegen jetzt zu bewirkende Streichung. Der erste Satz: „Gleichheit vor dem Gesetz", hieß es von dieser Seite, gebe, richtig ver standen, einen guten Sinn, und auch der zweite Satz: „keine Standes- Vorrechte", lasse sich vertheidigen, wenn man nur den Begriff „Stand" ge hörig begrenze. Auch sei «in Bedürfniß zur Streichung jener Worte nicht vorhanden. Die ausdrückliche Aufhebung würde in weiten Kreisen Mis trauen erregen und dem ruhigen Fortschritt der Gesetzgebung eher hinder lich sein, wie denn überhaupt, so nöthig auch die Verbesserung der Ver- fassungsurkunde sei, vor zu vielem Rütteln an derselben gewarnt werden müsse. Hierauf wurde von andern Seite behauptet, daß jene Sätze, nach ihrem natürlich««, jedem Unbefangenen zuerst sich barbierenden Sinn, zumal ! wenn man an ihren bekannten Ursprung sich erinnere, nicht den von eini gen Mitgliedern der Commission darin gefundenen unverfänglichen Sinn, sondern „die Nivellirung nach den Principien der Revolution" auö- sprächcn. Die erste Französische Revolution habe diese und ähnliche Sätze zuerst in die Verfassungsurkunden hineingebracht, und wir ver danken sie lediglich den Stürmen des Jahres 1848, also der Zeit, wo man unsere ständische Verfassung, jede ständische Gliederung und überhaupt viele der ,/bcstbegrünbcten Ungleichheiten" habe abschaffen und diese Abschaf, fung durch solche Aussprüche habe einleiten wollen. In diesem ihrem na- türlichen Sinne würden sie in weiten Kreisen, in und außerhalb der Be hörden und der Häuser des Landtags, verstanden. Der Sinn, daß kraft der Gleichheit vor dem Gesetz eben die materielle Ungleichheit der Rechte aufrcchtgehalten werden solle, sei nicht vereinbar mit jenem notorischen Ur sprünge des Satzes. Auch stimme dieser „gute Sinn" mit dem unmittel bar folgenden, gleichsam zur Erklärung beigefügten Satze: „StandeSvor- rcchte finden nicht statt", nicht überein, indem diesem Satz« nur durch eine sehr gezwungene Interpretation der als möglich behauptete gute Sinn un- tergelegt werden könne. Ein revolutionäres Princip, ja das Grundprincip aller Revolutionen, dir Gleichmacherei, im feindlichen Gegensätze zu der auf dem göttlichen Gesetze ruhenden, in der Geschichte entwickelten Rechtsord- nung mit ihren mannichfachen Ungleichheiten und Standesunterschieden — dieses Grundprincip sei durch die angegriffenen Sätze in unsere Verfassung eingeführt, eine radical« Unwahrheit, welche als solche unser Staatswesen in seinen Wurzeln vergifte, es nicht zur Ruhe kommen lasse und bei nächster Gelegenheit neue verderbliche Ausbrüche in Aussicht stelle. Durch künst liche Interpretation könne zwar allerdings diesen Sätzen jener andere Sinn untergelegt werden; gleichwol aber sei der zunächst sich darbietende revolmio- näre Sinn der Sätze schon vielfach heilsamer Gesetzgebung hemmend in den Weg getreten, z.B. der „hochwichtigen neuen Anerkennung unserer ständischen Verfas sung". Esseidamals diesesHindernjß nur schwer überwunden worden. Auchs«! zu besorgen, daß unsere angehenden Beamten, Richter und Staatsmänner, welche, die Landesgesctze und di« Berfaffungsurkunde studirend, eher durch den nächsten, den revolutionären, Sinn derselben irre, als durch jene schwierige und künst liche Auslegung auf den „rechten Weg" werden geleitet werden, zumal wenn die „Einwirkungen übelgesinnter Lonangeber" hinzuträten. Es spreche daher allerdings ein „praktisches Bedürfniß" für den Antrag. Aber noch viel dringender trete dieses Bedürfniß hervor, wenn man erwäg«, welch un berechenbares Uebel eben die Nothwendigkeit jener so künstlichen Interpreta tion selbst sei. Sie ziehe Denen, die sich darauf berufen, also insbesondere der Regierung und der conscrvativen Partei, den Argwohn und (den Vor- Wurf „rabulistischer Gesetzesverdrehung" zu, einen Vorwurf, der selbst in den Kammern oft lautgeworden. Diesen Vorwurf könne man, so unge recht und so kränkend er sei, dtnnoch Denjenigen kaum verdenken, die an den natürlichen durch die Geschichte der Entstehung bestätigten Sinn sich hielten und die „nicht gewohnt oder nicht fähig" seien, Gesetze auS d«m Zusammenhänge des bestehenden Rechts „auszulegen", eine „Operation", wenn, wie in diesem Falle, vieldeutige und verfängliche Aussprüche, die un- serm gesammten Rechtsstande widersprächen, absichtlich in die LandeSgesche hineingtbracht worden seien. Es sei daher nicht zu verwundern, wenn selbst wohlgesinnte Männer, deren GewisscnSbedenken Achtung und Schonung verdienten, stutzig würden und Maßregeln und Gesetzen ihre Zustimmung versagten, welche, wie sehr sie sie auch billigen, mit dem nächsten Wortsinn dieses Artikels der beschworenen Verfassungsurkunde im Widerspruch zu stehen schienen. Nicht die Streichung dieser Sätze, sondern ihr Fortbestehen würde Er bitterungen, Unruhe und Argwohn erzeugen; die Streichung dagegen würde „be ruhigen". „Je mehr diese Urkunde", heißt es sodann schließlich von der Verfas sung, „der königlichen Auffoderung vor der Beschwörung gemäß, gereinigt werde von denjenigen Sätzen, di« den «Stempel ihres Ursprungs im Jahre 1848» allzu sichtlich an sich trügen, desto mehr würden die in der Urkunde ent haltenen realen Garantien unsers Rechts und unser«r Freiheiten dem gan zen Lande, namentlich der großen conservativen Partei lieb und werth werden." So weit von den Ausführungen des CommifsionsberichtS. Kommt es Ihnen bei Vorstehendem nicht so vor, als läfin Sie eine Rundschau in der Kreuzzcitung? Man erkennt hier nur zu sehr den Vogel an seinen Federn, und es würde darum Jedem klar sein, daß Hr. v. Gerlach Verfasser des Berichts sei, wenn man auch nicht wüßte, daß Hr. v. Gerlach Präsident der Verfassungscommission ist. Ein höchst interessantes Moment ist es in dem Bericht übrigens, daß Hr. v. Gerlach eingesteht, daß Alles, was gegen die betreffende Bestimmung im Art. 4 der Verfassung bisjetzt geschehen ist, nur durch eine „gezwungene künstliche Interpretation" geschehen konnte und daß dieses Geschehene seine rechtliche Anerkennung eben erst durch die Streichung jener Worte erhalten könnt. Beizufügcn ist noch, daß bei der Abstimmung in der Commission der fragliche Antrag, nachdem auch der von Seilen de-