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Wchmh-Mms LE M Amtsblatt für die Königliche Umtshanptmannschaft Dippoldiswalde, sowie für die Königlichen Amtsgerichte und die Stadträthe zu Dippoldiswalde und Irauenstein Inserate, welche bei der bedeutenden Auflage des Blattes eine sehr wirk same Verbreitung finden, werden nut 10 Psa. di« Spaltenzeile oder deren Raum berechnet. — Ta bellarische und complicirte Inserate mit entsprechen dem Aufschlag. — Einge sandt, im redaktionellen Theile, die Spaltenzeile M Pfg- Die , „Weißeritz. Zeitung" «scheint wöchentlich drei mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend. — Preis vierteljährlich 1 M. LS Pfg-, zweimonatlich 84 Pfg., einmonatlich 42 Pfg. Einzelne Nummern 10 Pfg. — All« Postan- ltalten, Postboten, sowie die Agenten nehmen Be stellungen an. Verantwortlicher Redacteur: Carl Jehnc in Dippoldiswalde. Nr. 84. Donnerstag, den 17. Juli 1884. 49. Jahrgang. Die Lehrlingsfrage. Die Nothwendigkeit einer gründlichen Reform un seres Kleingewerbes wird jetzt, wo die Macht und die Konkurrenz des Großkapitals und des Grobgewerbes dem Handwerkerstande alle Existenzbedingungen abzu schneiden drohen, immer mehr auf allen den Seiten anerkannt, wo man nicht in manchesterlichen Theorien befangen, sondern aufrichtig gesonnen ist, zu einer vernünftigen Hebung des Handwerkerstandes mit prak tische Hand anzulegen. Es sind bereits nach den ver schiedensten Richtungen hin eingehende Neformvorschläge gemacht worden, die indessen aus mancherlei Gründen sich noch nicht als praktisch durchführbar erwiesen haben. Vor Allem handelt es sich darum, die Stelle zu finden, wo man eine gründliche Reform im Kleingewerbe ein zusetzen hat, und da muß sich denn Jeder sagen, daß dieselbe von unten an durchzuführen ist, denn nur so kann sie zu einem gedeihlichen Abschlüsse gelangen. Es ergiebt sich also von selbst, daß zunächst unser gewerb liches Leyrlingswesen einer zeitgemäßen Nesormirung bedarf, denn im Grunde baut sich der Handwerkerstand doch auf dem Lehrlingswesen aus; wie ist es nun aber heutzutage mit dem Lehrlingswesen beschaffen? Wer ein offenes Auge für die Mängel des Kleingewerbe betriebes hat, wird zugeben muffen, daß vor Allem das Lehrlingswesen sehr im Argen liegt. Es ist nicht nur das frühere, patriarchalische Band zwischen Lehr herrn und Lehrling zerrissen, sondern auch die Rechts verhältnisse sind in bedenklichstem Maße gelockert und infolge hiervon die Qualität sowohl des Lehrherrn, wie des Lehrlings tief herabgedrückt. Weiter kommt hinzu, daß die solide Erlernung heute überhaupt nicht mehr viel gilt, da die Käufer meist Billigkeit der Waare, wenn sie sonst nur einigen Effekt macht, und erst dann ihre Qualität berücksichtigen. Gerade in der jetzigen Zeit spielt diese Neigung eine hervorragende Nolle, schon darum, weil erst in unserer Zeit die mannichfachen, die Qualität fortwährend herabsetzenden und selbst den redlichsten Gewerbsmann fast zur Un solidität zwingenden Ausschreitungen des Handels im kleinen Verkehre zur Herrschaft gelangt sind. Denn die ungesunde Konkurrenz der in erschreckender Weise wachsenden Handeltreibenden untereinander, die Auf suchung der Privatkunden bei mangelnder persönlicher Garantie, die betrügerischen Waarenbezeichnungen rc. sind unbedingt als solche Ausschreitungen zu betrachten, durch welche der Handwerker- und Kleingewerbestand immer weiter herabgebracht wird und es liegt auf der Hand, daß derartige Dinge auch eine gediegene Aus bildung der Lernenden fast zur Unmöglichkeit machen. Die Einsicht, wie nöthig es sei, das Lehrlingswesen vor solchen unheilvollen Einflüssen möglichst zu be wahren und ihm wieder den gesunden Untergrund zurückzugeben, durch den allein der „goldene Boden" des Handwerks ermöglicht wird, greift nun erfreulicher Weise in allen Kreisen, wo man ernstlich das Wohl des Handwerkerstandes will, auch mehr und mehr um sich. Aus dieser Einsicht ist auch der vielangefeindete, vom Reichstage aber bekanntlich angenommene Antrag Ackermann entsprungen: denjenigen Lehrherren, die keiner Innung angehören, das Halten von Lehrlingen von einem gewissen Zeitpunkte an zu verbieten. Der Antrag mag in mancher Beziehung zu weit gehen und wir wollen uns durchaus nicht zu seinem unbedingten Vertheidiger aufwerfen, aber es liegt ihm eine sehr vernünftige Idee zu Grunde, nämlich die, daß die Reform des Lehrlingswesens nicht von einem Einzelnen, nicht vom Lehrherrn als solchen, sondern von einem geschlossenen Ganzen, in diesem Falle also von der Innung, zu geschehen hat. Aus ganz natürlichen Gründen eignet sich die Innung mehr als der einzelne Lehrherr dazu, das ganze Lebrverhältniß zu überwachen und wo es nöthig ist, in dasselbe verbessernd einzu greifen und darum sollte auch der Innung, und nicht den Lehrherren eine Art erstinstanzlicher Jurisdirektion über das Lehrlingswesen zustehen. Unsere Manchester männer sprechen immer von den angeblichen Bestre bungen der „reaktionären Kreise", die wirthschastliche Freiheit, d. h. die Berechtigung eines Jeden, seine wirthschastliche Kraft bestens zu verwerthen, zu be schränken. Mit der wirthschaftlichen Freiheit hat aber das Lehrlingswesen nichts zu thun, denn das Lehr- verhältniß gehört seinem ganzen Wesen nach nicht in das Gebiet des eigentlichen Wirtschaftslebens. Wo es als ein direktes wirthschaftliches Interesse des Lehr herrn und des Lehrlings angesehen wird, dann haben wir es eben nicht mehr mit einem Lehrverhältnisse, sondern mit einer Beschäftigung jugendlicher Arbeiter z» thun; an dem jugendlichen Arbeiter will der Arbeit geber eine billige und bequeme Arbeitskraft haben, und der jugendliche Arbeiter will Geld verdienen. Die Annahme von Lehrlingen hat dagegen den Zweck, ge werblichen Nachwuchs heranzubilden und der Lehrling seinerseits verfolgt doch zunächst die Absicht, das be treffende Gewerbe gründlich zu erlernen. Daher fällt das Halten von Lehrlingen nicht unter den Gesichts punkt der wirthschaftlichen Interessen des Einzelnen, sondern unter denjenigen eines allgemeinen, sozial politischen Interesses. Das Lehrlingswesen ist infolge dessen eine Angelegenheit, welche, wenn irgend eine, nicht nur für das Gewerbe selbst, sondern für die ganze bürgerliche Gesellschaft von höchstem Werthe ist, und von diesem Gesichtspunkte aus muß die ganze Frage gelöst werden. Lokales und Sächsisches. Dippoldiswalde, 16. Juli, Die Hoffnung, daß sich der trübe Wolkenhimmel, der in den Morgen stunden des Montags den Erfolg des Nachmittags in Frage stellte, aufhelle» werde, erfüllte sich vollständig, und so ist denn auch der zweite Festtag unseres dies jährigen Königsschießens zur allgemeinen Zufrieden heit verlaufen. Das gemeinsame Frühstück der Schützen im Zelte war eine von den vorjährigen „Königen", den Herren Teicher und Arnold, eingeführte, mit all gemeinem Beifall begrüßte Neuerung. Während nämlich früher die „Könige" in ihren Wohnungen am Sonn tage ein splendides Frühstück zu geben pflegten, an welchem nach Lage der Sache natürlich nur ein ge ringer Theil der Gesellschaft theilnehmen konnte, hatten die genannten Herren Heuer vorgezogen, dasselbe in einfacherer Weise, aber sämmtlichen Mitgliedern dar zubieten, was denn nun auch zu großer Freude der Allgemeinheit geschah. Zahlreiche Trinksprüche, zumeist zu „ungeheurer Heiterkeit" anregend, belohnten die an sprechende Idee der nunmehr bald abtretenden Re genten, und wurde vielfach der Wunsch laut, daß ihre Nachfolger auf gleichem Pfade wandeln möchten. — Um 3 Uhr erfolgte der Auszug, an dem diesmal auch eine Anzahl Knaben der 1. uno 2. Klasse theilnahmen. Das Vergnügungskomitee hatte denselben 2 Abschieß vögel nebst Schneppern zur Verfügung gestellt und war durch reichliche Beisteuer angenehmer und nütz licher Gegenstände in der Lage, nicht nur den guten, sondern auch den schlechten Schlitzen Prämien und Andenken an das Fest darbieten zu können. An frischem Trünke fehlte es nicht. Indessen wurden die Mädchen unter der Konstitutionseiche mit Kaffee und Kuchen bewirthet und durch Spiele belustigt. Unge schwächte Anziehungskraft übte wie gewöhnlich das Karoussel, sowie die große Psefferkuchenlotterie, während „Fräulein Ronda" mit dem durchsichtigen Oberkörper, und das „Eisweib" — eine unschuldige Robbe — sich allzulebhaster Sympathieen nicht zu erfreuen schienen. Da auch der Abend trocken und warm blieb, so war die recht nette Illumination gut besucht, und lange währte der Verkehr in den größeren und kleineren Schankstätten, sowie im Ballsaale des Schießhanses. — Wenn auch der Dienstag mit vielversprechendem Wetter begann, so ist doch in jetziger Jahreszeit „Ge witterregen nie ausgeschlossen", und wurde uns derselbe denn auch nicht erspart, was freilich den Fortgang des Festes nicht im Mindesten beeinträchtigte, da nach voll endeter Ausgleichung der elektrischen Spannung von Nachmittag 3 Uhr an wiederum das prächtigste Wetter zum Schluß- und Abschiedsbesuche anlockte. Besonders die kleine Welt war in den Nachmittagsstunden stark auf dem Festplatze vertreten, da die unermüdliche Opfer willigkeit der Schützengilde es an Spielen mit Prämien nicht fehlen ließ. Inzwischen war das Schießen nach dem Vogel und später nach der Scheibe munter fort gesetzt worden, und erlangte an ersterem Herr Bäcker meister Schneider, an letzterer Herr Gemeindevorstand Zimmermann in Reichstädt die Königswürde, in welcher ihnen als Marschälle die Herren Holzhändler Aßmann- Obercarsdorf und Bäckermeister Baumgarten zur Seite standen. Dem um 9 Uhr erfolgenden Einzuge, an welchem wiederum Gesang- und Turnverein, sowie die freiwillige Feuerwehr, nebst einer großen Menge an derweitiger „Freiwilliger" theilnahmen und dem, von Lampions begleitet, in der Stadt von zahlreichen ben galischen Flammen undJlluminationsnäpfchen geleuchtet wurde, folgte nach 11 Uhr das von Herrn Pyrotech niker Heller-Dresden hergestellte Feuerwerk, das durch tüchtige Ausführung, geschmackvolles Arrangement und exaktes Abbrennen ungetheilten Beifall errang. Mit dem letzten Böllerschüsse war das in allen Theilen wohlgelungene Fest offiziell geschlossen; aber auf dem Festplütze und in den jetzt in der Thal zu wahren Er holungsplätzen werdenden Restaurants vereinten bei der lauen, angenehmen Temperatur sich Schützenbrüder und Gäste noch lange zum Schlußakte des seit Jahren nicht in gleich gelungener Weise verlaufenen Festes. Möge es Allen wohl bekommen und über's Jahr der Himmel mit gleicher Gunst dem gemüthlichen Dippol- diswaldaer Königsschießen lächeln. — Wir hatten neulich — nicht etwa auf Veran lassung der Betreffenden — einiger Etablissements unserer Stadt Erwähnung gethan, die sich jetzt in wesentlich anderer und schönerer Gestalt dem Auge darstellen, als ehedem. Daß die erwähnten Reno vationen nicht die einzigen sind, die in neuerer Zeit bei uns vorgekommen, ist selbstverständlich, aber ebenso selbstverständlich ist es, daß wir nicht von jeder der selben Notiz nehmen und sie öffentlich besprechen können. Nur was von allgemeinerem Interesse erscheint, mag einen Anspruch darauf erheben. Aus diesem Grunde wollen wir denn auch nicht anstehen, zu erwähnen, daß Herr Restaurateur Heiuold seinen großen, schönen Saal zur „Neichskrone" wesentlich dadurch zur Ab haltung von Concerten geeigneter gemacht hat, daß er durch einen Anbau die Herstellung einer Muschel und besserer Garderoberäume ermöglicht hat, was davon Zeugniß ablegt, daß den. Genannten daran liegt, sich der Zahl intelligenter Wirthe, die ihren Gästen Gutes und Angenehmes bieten möchten, zugezählt zu sehen. — Die nächste Versammlung des Gewerbe vereins (siehe heutige Nummer) bietet einen Ge genstand von so allgemeinem Interesse, daß wir noch besonders uns darauf aufmerksam zu machen gestatten. Altenberg, 13. Juli. Unter ziemlich reger Be theiligung der Gemeindeglieder und Freunden der in neren Mission der näheren und weiteren Umgebung fand heute das Jahresfest des Vereins für in nere Mission für den Bezirk der Amtshauptmann schaft und Ephorie Dippoldiswalde Hierselbst statt. Die Predigt beim Festgottesdienst hielt der Vereins geistliche, Herr Prediger Seidel-Dresden. Nachdem er in der Einleitung in herzgewinnender und anschau licher Weise einen Arbeits- und Festtag einer Kolonie stätte der innere» Mission den gespannt lauschenden Andächtigen geschildert hatte, forderte er nach Pf. 107, I—22 auf: „Preiset mit den Elenden den Herrn, denn 1. er sammelt die Verschmachtenden und Zer streuten, 2. er macht die Gebundenen frei und 3. er bringt Heilung den Kranken." Die ganze Predigt er-