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Weißerih-Zeitung. M Amts- und Auzeige-Mt der Königlichen Gerichts-Jemter und Stqdtrilthe zu Dippoldiswalde und Fraucnsiein. Vrrankvsrllicher Nedaltrur. Carl Fehnr in VippoMswal-r. Erscheint Dienstags und Freitags. Zu beziehen durch alle Postanstalten. TageSgefchichte. l s Dippoldiswalde, den 29. October. Gestern wurde der 12. Patriotische Unterhaltungsabend unter ebenso erfreulicher Theilnahme auf hiesigem Rathhaus saale abgehalten, als der 11. am 21. October. Der Vortrag des Hrn. Schuldirector Engelmann behan delte am ersten Abend die Zeit von der Leipziger Völker schlacht bis zum Einzug der Verbündeten in Paris, am zweiten die Zeit vom ersten bis zum zweiten Pariser Frieden einschließlich des Wiener Congresses. Es gaben diese beiden Vorträge Gelegenheit, so manche Vergleichung mit unserer Zeit anzustellen, die erfreulicherweise diese in entschiedenem Vortheile vor den Jahren 1814 und 1815 zeigte. Diesmal, dies ging aus den Vorträgen deutlich hervor, sei entschieden gegründete Hoffnung vorhanden, daß die Federn der Diplomatiker nicht wieder verderben würden, was das Schwert des Kriegers er rungen. — Während am 21. October nicht weniger als 9 verschiedene Feldpostbriefe zum Vortrag kamen, was deS Guten freilich zu viel war, so hörten wir diesmal nur einen, dafür aber noch andere von Herrn Jehne zusammengestellte interessante Zeitungsnotizen, unter Anderem eine kurze Biographie Vater Moltke's aus Anlaß seines 70. Geburtstages u. A. m. — SangeS- kundige Herren und Damen waren auch diesmal bereit, durch den Vortrag patriotischer und anderer Lieder eine angenehme Abwechselung in die Unterhaltung zu bringen, wie auch Herr Musikdirector Fischer am 21. October durch Quartettmusik erfreute. Der nächste Unterhaltungs abend soll ausnahmsweise nicht nächsten Freitag, sondern erst Sonnabend stattfinden, und hofft man auch bei diesem auf recht zahlreiche Betheiligung. — Aus einem Feldpost-Briefe eines sächsischen Offiziers. (Der Redaction der Weißeritz-Zeitung gütigst überlassen.) (Schluß.) Wie schon oben bemerkt, kreuzen sich in den soge nannten neutralen, d. h. unbesetzten Ortschaften unsere Bestrebungen mit denen der Herren Franzosen, denen bei solchen Gelegenheiten der Wein allerdings oft sauer gemacht wird. Die erste Blumenlese haben freilich leider auch hier die französischen Freischützen, die Franc- tireurS, gehalten. Nachdem die Bewohner der Um gegend von Pari« auf Befehl der Regierung, um uns die Lebensmittel zu entziehen und auf die Einschüchte rungen der FranctireurS hin, ihr Hab und Gut im Stich gelassen oder vergraben haben, sind diese sauberen Raubgesellen überall herum gezogen und haben zerstört, geplündert, niedergebrannt nach Herzenslust. In Paris wird dann glauben gemacht, wir, resp. die sogenannten „preußischen Ulanen" hätten diese Verwüstungen ange richtet. Daß dann von unfern Leuten nachträglich noch Manches umgestürzt und ruinirt wird, ist bedauerlich, aber erklärlich. Zumal Anfangs, als wir täglich die Quartiere wechselten, wurden diese auch täglich schlechter; denn Jeder suchte seine neue Wohnung auf Kosten der alten, mithin der Nachfolger, möglichst gut herzustellen. Was für Gesichter werden vollends die beklagenswerthen Eigenthümer machen, wenn sie zurückkehren und ihre Häuser leer von ihrem Eigenthum, dafür angefüllt 'mit tausend fremden Dingen, oft aus meilenweit entfernten Ortschaften, vorfinden werden? Wenn dann Madame L. zu Madame N. zum Kaffee geladen und dieser der Eingeladenen in ihren eignen Tassen aus der Kanne ihrer Muhme gereicht wird, und sie dabei am Tische ihrer Gevatterin auf dem Sopha ihrer Base sitzt: so giebt dies entweder tausend Lust, oder nach Befinden auch Trauerspiele, falls das Mißtrauen hinzukommt, ob das allgemeine Changement nicht etwa zu kleinen absichtlichen Vertauschungen geführt haben möge. — Ihr könnt Euch unser Lagerleben gar nicht komisch genug denken. Wenn wir nicht auf Wache sind, liegen wir etwas östlich zurückgezogen in Chelles. Dort hat das ganze 107. Jnf.-Reg., 2 Schwadronen Cavallerie und 2 Batterieen Artillerie (Freiberger) nebst einem De tachement Pioniere Standquartiere bezogen, so daß man, wenn man von Feldwache (jeden vierten Tag) kommt, stets wieder sein Quartier bezieht. In Folge dessen haben wir uns in Chelles möglichst häuslich eingerichtet und geriren uns ganz als Herren von Haus und Hof. Ich bewohne mit noch einem Offizier, unfern Dienern und meinen Pferden ein ganzes Haus. Es ist sehr niedlich, doch mit prächtigem großen Garten und gehört einem Notar, dessen auf dem Boden herumgeworfenes Archiv wieder in Fach und Ordnung gebracht zu haben, ich mir zum Verdienste rechne. MeubleS fanden wir wenig vor, haben uns daher anderweit mit erreichbarem Bedarf versehen. Vor Allem wird regelmäßig eine Fuhre voll MeubleS, Geschirr, Gläser, Gardinen, Matratzen rc. mit von Feldwache „nach Hause" genommen. Diese Sachen stammen zum Theil aus unserer Feld wache Ville Evrard, einer mit allen Vorräthen ver sehenen, Prächtig eingerichteten, der Stadt Paris ge hörigen Irrenanstalt im Werthe von mehreren Millionen (Francs), die deshalb bisher auch noch nicht direct be schossen worden ist und uns ein leidlich sicheres comfor- tableS Wachlocal bietet ; theils aus den vor uns liegenden Ortschaften Neuilly, Nogent rc., sind also den Feinden, so zu sagen, aus den Zähnen gerissen. Unsere Stühle und Spiegel stammen aus derselben Kalkhöhle, wo die