Volltext Seite (XML)
Nr. L7S — LO. Jahrgang Dienstag den 1. August LVII 4- «rlchimi »«glich nachm, mit «uSnahme der Sonn- und Festtage. «»«gäbe 4 m» .Die steil >n Wort und Rill,- vterteljahrltch ». l« In Dresden durch Boten 8,40 In ganz Deulsch!>uid »ci Haus 8 88 4k; tu Oesterreich 4,4!» X. llo»gob« » ohne tllutlrierte Beilage dterteljlikrlich l,»«0 4t. In Dresden durch Boten 8,40 In ganz Dcutichland frei Hau« 8.88 in Oesterreich 4.0» X - «lnzel-Nr. 40 Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit Inserate werden die SgefpnIIene Petitzeiie oder deren Raum mit 48 T Reklamen mit 80 4 die steile derechnet, bet Wiederholungen entsprechenden Rabatt Vnchdruikeret, Redaktion »nd üieschüftKstelle: Dresden, Ptllnitzrr Strafte 4». — Fernsprecher ItOO FürRückgabe nnverlaugt. Schriftstückekeine VerbindUchkeN »Rote- Presse gegen „rote- Gewerkschaften. Dir korrekte Erledigung des Zwistes im Berliner Zei tungsgewerbe durch deu Vorstand des „freien" Buchdrucker- verbandes sowie die Billigung des Verhaltens desselben durch die Gauleiter ist für den radikalen Teil der soz.-dem. Parteipresse Veranlassung gewesen, die Mitglieder gegen den Vorstand scharf zu machen. Nicht ohne Erfolg, wie Versammlungen in Berlin und Leipzig leider gezeigt haben. Eine Aufwiegelung der Gewerkschaftsmitglieder gegen ihre» Verband ist aber der Tod jeder Gewerkschaftszucht und der schlimmste Feind für eine ruhige gewerkschaftliche Arbeit. Und dem Vorstande des Buchdruckerverbandes muhte dieses gcwerkschaftsschädigende Treiben sozialdemokratischer Preß« radikalinSkis um so ungelegener kommen, als im Buchdruck gewerbe die Erneuerung des Tarifvertrages vor der Türe stcht, bei welcher Gelegenheit nüchternes gewerkschaftliches Wägen und Gewerkschaftszucht ganz besonders geboten und am Platze sind. Gegen das Treiben der „roten" Presse hat nun der Vcrbandsvorstand im „Korrespondent" sich energisch zur Wehr gesetzt. Unterstützung hat er dabei namentlich vom Organ des „roten" Vauarbeiterverbandes, dem „Gr id- stcin", erhalten, der in seiner Nummer 2!>, sich gegen aie Parteiblätter wendend, mit aller Deutlichkeit schreibt! „Wir betrachten es nicht allein als eine Pflicht der ge- samten Gewerkschaftspreise, gegen diese nichtswürdigen Be- fthimpfungen den nachdrücklichsten Einspruch zu erheben, sondern sind der Meinung, das;, wenn die örtlichen Auf- sichtsinstanzen jener Blätter versage», der Parteivorstand sich veranlaßt sehen sollte, die betreffenden Redaktionen zur Ordnung zu rufen. Wo soll das hinaus? Wir lassen keine Gelegenheit voriibcrgehen, die gewerkschaftlich organisiertea Arbeiter der Partei näher zu bringen, sie zum Lesen der Parteipresse zu bewegen, und dann sollen sich die Gewerk schaften von derselben Presse, für die sie wirken, solche Be schimpfungen gefallen lasse»? Es ist gewiß nichts gegen eine Kritik zu sagen, die sich zur rechten Zeit und am rechten Ort um die Förderung der Sacl>e bemüht. Aber ist dies überhaupt noch Kritik? Siclierlich nicht; hier war nichts weiter der Wunsch, als zu beleidigen und zu verletzen. Davor sollten die Gewerkschaften doch wohl geschlitzt sein." Man kann es dem „Grundstein" nachempsinden, wie bitter es sein mag, für all die Zuträgerdienste und Gefällig keiten, die die „freien" Gewerkschaften der sozialdcmokra- tiscl-en Partei erweisen, nachträglich von roten Partei blättern mit Veschinipfungen und Prügeln bedacht zu wer- den. Der Unmut über diese entwürdigende Behandlung ist es daher auch Wohl, der dein „Grundstein" zu nachstehenden Offenheiten bewegt: „Aber dieser Fall rückt auch etwas anderes ins Licht, nämlich den Abstand, der sich zwischen der gewerkschaftlichen Praxis und dem größten Teile der sozialdemokratischen Tagespublizistik aufgetan hat, und der leider gar keine Miene macht, wieder zu verschwinden, sondern im Gegenteil immer größer wird. Bei jeder neuaustauchenden Frage offenbart sich dieser Abstand. In diesem Falle zeigt sich, daß die letzten sechs bis acht Jahre der Entwicklung des Tarifwesens an dem Teile der Parteipresse, deu wir hier im Auge haben, ganz spurlos vorübergegangen sind. Dis Probleme, die mit dieser Entwicklung kamen, die uns in den Gewerkschaften aufs ernsteste beschäftigen, weil sie von weit- reick>eiiden Konsequenzen für das ganze Wesen der Organi sation sind, haben dort so gut wie gar keine Beachtung ge sunden, sind sicher nicht auch nur annähernd gebührend ge würdigt worden. Man steht dem Wesen des Tarifver trages, besonders in seinen entwickelteren Formen, mit sehr geringem Verständnisse gegenüber, und was noch schlimmer ist, man will einscheinend auch nicht zum Ver ständnisse dieser bedeutsame» Erscheinungen kommen. Tie skandalösen Rüpeleien der beiden genannten Blätter (Solingen und Elberfeld. Red. d. „Sozialpolit. Korr.") sind zwar in ihrer Form Ausnahmen, ober der Geist, ans dem sie geboren sind, herrscht auch »och in mancher anderen Zeitung, die sich zwar in der Form weniger schroff aus drückt, der aber ebenfalls die Kraft zum Erkennen der Notwendigkeiten fehlte. Diese Tatsachen sind uns nicht erst heute zum Bewußtsein gekommen, aber sie mußten jetzt einmal ausgesproclM werden." Diese Ausführungen bestätigen das, was über die Wertung dcS Tarifvertrages auf seiten der Sozialdemo kratie auch au dieser Stelle wiederholt gesagt worden ist. Tie letzten Ausführungen des „Grundsteins" werde» dann Vom „Korrespondent" (Nr. 83) eigens noch einmal unter strichen, indem er sich vernehmen läßt: „Es ist genugsam bekannt, daß gerade in de» Redak tionen der radikalen Parteiblätter häufig Leute sitzen, die verdammt wenig vom Gewerkschastswesen verstehen, ge schweige denn vom Tarifverträge und seinen Problemen, die aber dessen ungeachtet ihre Federn in Bewegung setzen, wenn „etwas los" ist. Die Gewerkschaften sind keine Freunde der Politik des nmgc'drehten Spießes; wären sie das, könnten sie oft genug ein Mörtlein drcinreden, wenn die Schlachten zwischen Revisionismus und Radikalismus geschlagen werden. Weil sie sich aber bei solche» Schwierig keiten innerhalb der sozialdemokratischen Partei passiv ver halten, verlangen sie im umgekehrte» Falle die gleiche Reserve, ein ebenso korretteS Verhalten!" Das ist es aber eben, wozu sich die radikalen Partei- blätter niemals verstehen wollen. Sie fühlen sich in der Nolle der Behüter der „Reinheit der Arbeiterbewegung", und wo sie diese bedroht vermeinen, da spielen sie sich als Vormund der Gewerkschaften ans, glauben diesen gute Lehren geben zu dürfen, und wenn letztere von deu Geiverk- schaftsvorständen nicht willig akzeptiert werde», daun gibt's noch ein Mittel, diese b ch zu mache». Die Mitglieder »erden dann gegen die „Arbeiterverräter :»> eigenen Lager" scharf gemacht. Daß diese GewerkschaftSbevor mundung und Gewerkschai .-Hetze von den leitenden Kreisen recht nnliebsam eiupfunde:' wird, kan» man sich lebhaft denken. Und oft mag in Knien wohl der Wunsch laut ge worden sein, hätten wir uns doch mit der Partei nicht so weit eingelassen Aber da? ist nun einmal geschehen; ein Zurück gibt's nicht mebr. Und deshalb wird den leitenden Kreisen nichts anderes il g bleibe», als das auSzulöfseln, was sie sich eingebrockt gao n und sich mit den Situationen abznfindeu, so peinlich sie ihnen sein mögen. Das ist daS Schicksal, das sie sich selbst groß gezogen haben' Bischof v. kettelers soziales Wirken. (Vsn einem ScklUer des vuewigten Bischofs ) HI- lRachdnick vcrlwle».> Wir wurde Bischof v. Ketteler als sozialpolitischer Schriftsteller gewürdigt? Mit allem Nachdrucke möchten wir hervorheben, daß das ganze Interesse, welches Bischof v. Ketteler der soge nannten sozialen Frage schenkte, und was er in dieser Be ziehung gearbeitet und geschrieben hat, nicht aus theo retischem Interesse, noch weniger aus politischen Absichten entsprungen ist, sondern einzig »nd allein aus der christ lichen Liebe zum Volke und insbesondere zum arme n Volke, und aus dem glühenden Verlangen, dessen zeit liches und ewiges Wohl zu fördern und es, und mit ihm die ganze menschliche Gesellschaft, vor dem furchtbaren Unter gange zu bewahren, dem wir zutreiben. Mit diesem Ur teile des Domdekand Tr. Heinrich, des vertrautesten Freundes und Beraters des Bischofs, stimmt völlig über ein, was in den „Letzte» Lebenswochcn Kettelers" ganz allgemein ausgcsprockfen wird, daß man weit irregehen würde, Nxmii man die schriftstellerische Tätigkeit des Bischofs als etwas hinstellen wollte, was von seinem geist lichen bischöflichen Berufe fernab gelegen und eine ganz neue Seite seines Wirkens gewesen sei. Nicht das Ver langen nach dem Ruhme eines geistreicl-en »nd gewandten Autors führte ihm die Feder, sondern die Sorge um da? zeitliche und ewige Wohl und Wehe der Menschen. Ehe er zu arbeiten anfing »nd öfters mitten in der Arbeit kniete er vor seinen! Schreibtische nieder und betete, daß Gott ihm helfe, cttvas Rechtes und Gutes zu sagen. Ganz verschieden war die Aufnahme, svelche das geschriebene Wort des sozialen Mainzer Oberhirten fand. Die sozialdemokratischen Kreise, Lassalle an der Spitze, reklamierten den Bischof als ihren Mann, die Liberalen verschrien ihn als gewöhnlichen Demagoge» und zugleich als miUelalterlichen Utopisten. Die christlichen Sozialpolitiker aber wuchsen allmählich in das richtige Verständnis der Kettelerschen Gedanke» hinein, arbeitete» auf dem Fundamente weiter und hatten schließ lich die Genugtuung, daß der soziale Gesetzesbau des Deutschen Reiches immer mehr in KettelerS Stile sich erhob. Kaum hatte die Arbeiterfrage und das Christentum die Presse verlassen, da betrat am 23. Mai 18E1 Lassalle in Ronsdorf bei Barmen auf dem ersten Arbeiterstistnngs feste als Festredner mit der bischösliclfe» Broschüre in der Hand die Bühne und nachdem er gegen den Nation»! verein und die Schulzc-Delitzscher sich ergangen, fuhr er fort' Endlich hat auch ein rheinischer Kirchenfürst nicht nni hin gekonnt, auch der Wahrheit Zeugnis zu gebe». In einem Buche' „Die Arbeiterfrage" (die Worte „und daS Christentum" ließ der schlaue Redner fort) teile derselbe vollständig seine Ansichten. Unter Lob auf die Gelehrsam keit und den Scharssinn des Bischofs las er längere ihm zusagende Stellen vor, ja er geriet dabei aanz in Ekstase die Zuhörer zollten anhaltenden Beifall, eine Stimme rief sogar: der Bischof von Mainz lebe hoch! Aber auch nicht eine Stimme ließ sich hierauf vernehmen. Das Bedenken des Bischofs gegen Lassallcs Vorschläge, daß die Arbeiter durch Ueberstürzung die ganze Sache verderben könnten, sei unbegründet, da die Arbeiter selbst zu einsichtig seien; das andere Bedenken, ob die Staatshilfe als Eingriff in das von Gott gewollte Privateigentum erlaubt sei, bestehe für ihn und die Versammlung nicht, da sie ja nicht an die Göttlichkeit des Privateigentums glaubten, dazu müsse man politische Rundschau. Dresden, den »t. Juli ,»N. — Die Marokkofrage. Der Kaiser hat die Vorträge des Reichskanzlers und des Staatssekretärs des Auswärtigen Amtes über die Marokkojrage entgegengenommen und sich mit sämtlichen Maßnahmen einverstanden erklärt; er hält insbesondere daran fest, daß Deutschland ausreichende Kompensationen zu geben seum, und daß eine kleine Grenz- regulierung nicht dazu gehört. Auch aus seiten Frankreichs ist man nun entgegenkommender. England hat also seine Trümpfe umsonst ausgespielt. BiSmarck sagte am U. Febr. 1888: „Wir können durch Liebe und Wohlwollen leicht bestochen werden — vielleicht zu leicht — aber durch Drohungen ganz gewiß nicht." „Ein Appell an die Furcht." sagte l8<>8 derselbe Staatsmann, „findet im deutschen Herzen niemals ein Echo". Weder die Engländer noch die Franzosen mögen sich darüber täuschen, daß diese Bismarckschen Worte heute für da- Deutsche Reich ebenso gelten wie vor 23 und -13 Jahren. Sie sollten auch nicht verkenne», daß sich im Lause der Jahrzehnte ein Vorrat an Groll und Bitterkeit gegen die großbritannische Politik und gegen die wachsenden französischen Anmaßungen aufgehäust hat, der in gewöhn lichen Zeiten infolge der Friedlichkeit des deutschen Volkes zurücktritt, der aber, wenn einmal das Maß überschritten ist, das ganze FricdenSgeschwätz der Jntcruaiinualisten wegbläst. ES ist leicht und bequem, zu sagen, das seien nur „einige chauvinistische Schreier", aber die „Köln.Zlg." hatte vor einigen Tagen ganz recht, wenn sie auf die Imponderabilien hinwies. Die liegen hier tatsächlich vor, und wir wiederholen: man soll sich im Auslande darüber nicht täuschen, noch sich täuschen lassen. Deutschland ist entschlossen, eine aktive AuSlandspolttik zu treiben und will die Nolle des stummen Zuschauers aufgeben. Ncber Englands Haltung in der marokkanischen Frage schreibt die „Nordd. Allgem. Ztg.": „lieber die Haltung Englands in der marokkanischen Frage waren nicht sowohl durch Aeußerungen britischer Minister, wie durch Artikel in der Londoner und der Pariser Presse Zweifel entstanden. Die auf diese Weise in die europäische Lage hineingetragene Unruhe zu zerstreuen, >var die Aufgabe, die der Premierminister Asquith sich in der von ihm vor dem Hause der Gemeinen am 27. d. M. ab gegebenen Erklärung gestellt hatte. Der Leiter der eng lischen Regierung bat die in Pariser und Londoner Blättern angekündigte Absicht einer Einmischung Großbritanniens in territoriale Abmachungen anderer Großmächte über Gebiete von Westafrika außerhalb Marokkos als böswillige und völlig grundlose Erfindung zurückgewiesen. Diese be stimmte Absage an deutschfeindliche Drahtnoten in der Presse haben nur erwartet. Daß daneben Herr Asquith den bereits in seiner früheren Erklärung über Marokko enthaltenen Hinweis auf die Wahrung der eigenen Inter essen Englands in Nordafrika unterstrichen hat, kann um so weniger befremden, als gerade die Lage, >vclcl)e im Schell fische» Reiche durch Handlungen außerhalb der Akte von AlgeciraS entstanden ist, auch den Anlaß zu der jüngsten Aktion gebildet und zu den Verhandlungen mit Frankreich geführt hat." Einem großzügige» Ausbau der Biniirnschiffahrts. Wege redete Prinz Ludwig von Bayern am Sonnabend im ein Pfaff sein. Natürlich verschwieg der jüdische Agitator die vom Bischöfe angegebenen Hauptmittel zur Heilung der soziale» Nebel das Christentum und seine Kräfte, voll ständig, Namen wie Religion und sittliches Verhalten wurden nicht einmal genannt. Aus diesem verschmitzten Lobe hat die nationale Legendenbildnng ein Frenndschaftdverhäitnis zwischen Lassalle und Ketteler erdichtet, das sogar zur Taufe des Juden durch den Bischof geführt habe. So schrieb die , Nationalzeitnug" 1873: Bischof Ketteler ist ein ganz ge- wöhnlicl>er Demagoge »nd zwar weil er zugleich religiöse und wirtschaftliche Hetzerei treibt, ein noch schlimmerer und gefährlicherer Demagoge als z. B. Lassalle einer war. der. N eil er mit Recht sich für eine mit Bischof Ketteler wahlver- inondte Nntnr hielt, ans gutem Grunde von Bischof Ketteler sich taufe» ließ, wozu der Bischof auch be- leit war, obwohl die Taufe zugestandenermaßen nur das Substrat zum Freien einer Buhle sei» sollte Nicht Legende, sondern geschichtliche Tatsache ist nn» aber, daß 'Bischof Ketteler Lassalle nie gesprochen, auch nicht getauft hat. Lassalle überhaupt als Jude im Zweikampfe ge fallen ist. In womöglich noch gebässigcrer Weise versuchte der nationalliberale altkatholische Bürgermeister Fischer von Augsburg im Reichstage den Mainzer Oberhirten, der damals selbst Reichstagsabgeordneter war, von der Tribüne herab bloßzustellen. Weil in der „Arbeiterfrage" die letzte Konsequenz des Systems vom absoluten Rechte der jedes maligen Kammermajorität mit den Worten gezogen wurde: „Warum soll denn um deS Himmels willen diese Majorität des Volkswillens auf einmal vor dem Geldbeutel der reichen Liberalen stehen bleiben?, daß auf einmal vor den« Geldbeutel der Millionäre die neue Weltordnnng wie ve»