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Nummer 114 - 26. Jahrgang „eter breit. 1 Ut. Osfertengebübren für Selbstabholer 20 bet Uebersendung durch die Post außerdem Portozuschlag. Einzel-Nr. 1V L. Sonntags-Nr. IS VeschäM'cher Teil: Artur Lenz in Dresden. SLckilsctie Mittwoch, den 18. Mai 1927 Am Kalle M-erer Genialt erlischt I«8e Verpflichtung auf Lieferung sowie Erfüllung v. Änzeigenaustrtigen u. Leistung v Schadenersatz. Für undeutl. u. d. Fern, ruf übermitt. Anzeigen übernehmen wir keine Be» antwortung. Unnorlangt eingesandte u. m. Riickport« nicht versehene Manuskripte werd. nicht aufbeivahrl , Sprechstunde der Redaktion 2—3 Uhr nachmGtags Sauptschriitleiter: Dr lg. Desczyk, Dresden, volksMung Gesch«»t»ft«lle, Druck «ud »«ela«: «Mcu-Gesellsqast sür «erlag und Druckerei. Filiale Dresden, Dresden-«. >. Poliersirake N. Femnis 21012. Für christliche Politik und Kullur Redaltt»« der «üchfitcheu lv»ltt»«it«u, Dre»de».«ltltadt l, PaUe^lwtze N. F-rnrns Ml« Tiranastrese und Völkerbund Von Arpad Török, Belgrad. Wir geben diese Ausführungen Törüks, ber der ipaneuropa-Meivegung nahesteht, wieder im Hinblick aus das Interesse, das die Entwicklung des Völker bundes naturgemäß in Deutschlaird findet, aber ohne uns mit allen Einzelheiten des Artikels zu identifizieren. D. Red. Es ist nun wieder einmal GelegenlM der. um gegen den Völkerbund ins Feld zu ziehen. Es wird auch zewiß nicht an Stimmen fehlet«, die ihn« seine neuerliche Schwäche vorwersen, die sich auf ihre prophetische Weis sagung berufen, wonach der Völkerbund nur ein Instru ment in den Händen der Großmächte ist, um die Besiegten liederzuhalten. Von einer solchen Flut von Vorwürfen kann man leicht mitgerissen werden: denn wahrlich, die Schwäche des Völkerbundes scheint so arg zu sein, daß er es gar nicht wagt, die Kraftprobe zu bestehen. Er weicht ihr aus. um wenigstens das an Prestige zu bewahren, was nach einem solchen Rückzug übrigbleiben kann. Es steht gewiß jederinann das Recht zu, an öffentlichen Ein richtungen Kritik zu üben. Man muß aber dabei auch ge wisse Selbstkritik üben. Wenn inan es tut, so wird inan sich sagen müssen, daß ein allzu strenger Maßstab doch nur dann am Platze «st, wenn das Objekt der Kritik von dein, was es vorstellt, und wofür es gelten möchte, stark abweicht. Wer sich als Meister ausgibt und als Stümper entpuppt, der soll mit den« strengsten Maße der Kritik gemessen werde««. Wozu aber dem Schwach« seine Schwäche vorwersen? Der Völkerbund ist keine Einrichtung, um den Frieden auf alle Fälle zu sichern, der Völkerbund ist nur ein Versuch, um kriegerische Möglich keiten auszuschalten. Wenn man also das letzt« Verhal ten des Völkerbundes, bzw. das seiner Hauptstützen, ai« die sein Maße mißt, so wird man es zugeben müssen, daß es eine weise Politik war, die den Sproß vor dro hender Vernichtung geschützt hat. Diese Apologie gilt aber nur dem Völkerbund, nichtEuropa! Der Völkerbund ist eine politische In stitution: er kann nach der konkreten Idee gemessen werden, die er verkörpert, Europa ist aber ein Teil ge schichtlichen Lebens, es kann und muß danach gemessen »verden, inwiefern es seinem geschichtlichen Sinn ent spricht und vor alleni inwiefern es seinen Lebenswillen durchzusetzen vermag. Was ist eigentlich geschehen? In einem alten Wetterwinkel Europas hat ein werdender Napoleon in die Windstille hineingeblasen. und es ist ihm auch tatsächlich gelungen, Besorgnis und Unruhe zu stiften. Mussolini hat seine schützende Hand über Albanien ausgestreckt. So weit wäre alles in Ordnung. Diese Großmut kennt aber keine Grenzen und stellt sonder barerweise keine Bedingungen. Er ist bereit, Albanien auf alle Fälle zu schützen. Albanien darf sich also, als ungezogener Knabe, alle Streiäie erlauben, ohne von der verdienten Strafe ereilt zu «verden, weil es unter dem Protektorate Mussolinis immun ist. Für den Nach barn muß eine solche Situation mit dem Augenblick be unruhigend werden, als er die Ueberzeugung gewinnt, daß Albanien auch wirklich die Fähigkeit besitzt, den un gezügelten Knaben zu spielen und Mussolini seinem Schützling das Spiel niemals verderben wird. Jugosla wien protestiert, aber ganz vergeblich. Mussolini nimmt die schützende Hand nicht von Albanien. Im Gegenteil, er selbst stellt den Kläger. Er wittert Kriegsvorberei tungen und alarmiert Europa. Man wird nervös, man spricht vom Krieg, man interveniert, man beschwichtigt. Mussolini bleib aber standhaft. Er gibt seinen Stand punkt nicht auf. Und der Lorbeerkranz des diplomati schen Sieges windet sich allmählich um sein Haupt. Die ganze Situation hat etwas Tragikomisches an sich. Mussolini ist nicht im Recht, das steht außer Zwei fel. Er hat sich am Balkan einen Brückenkopf angelegt, der ihm jeden aggressiven Vorstoß ermöglicht. Daß er nicht im Recht ist, wäre noch das kleinere Uebel, das grö ßere besteht darin, daß sich gaiiz Europa diesem Unrecht wldersetzt, aber Italien seinen Willen mit einer beispiel losen Unverfrorenheit trotzdem durchsetzt. Europa ist dar in einig, daß der Grund der neuesten Krise der italieni- sche Imperialismus ist, Europa ist in der Auffassung einig, daß sich Iugoslavien durch den Tiranapakt in sei ner Sicherheit bedroht fühlen muß, und schließlich ist Europa in der Absicht einig, Italien von seinem Vorhaben «bzubrinste» und den Balkan aus den drohenden Krallen Mussolinis zu befreien. Hier das einige Europa, dort das vereinsamt« Ktailieu- und trotzdem — es klinot zwar Die Arbelterparkel nlmmk zum Prokesk gegen -le Gewerkschattsvorlaae vorMustg an -en Urilerhaussitzurigeri nicht mehr teil London. 17. Rtat. Im englischen Unterhaus ist es gestern zu einer besonders feierlichen Form der parlamentarischen Ob struktion gekommen, die selbst in der Geschichte des englischen Parlamentes ihresgleichen sucht: Die gesamt« Fraktion der Labour Party lArbeiterpartei) hat zum Protest geg » ndie Gewerkschaftsvorlage der Regierung den Sitzungs. saal verlassen. Die unmittelbare Beranlassung zu diesem Schritt war ein Antrag des Ministerpräsidenten Baldmin, der einen Arbeits plan für die Erledigung der Vorlage Vorsicht, nach dein das Gesetz bereits in 16 Tagen fertig üurchbe raten sein soll. Der Arbeiterführer Eignes hielt daraus eine heftige Rede, in der er die Aktion der Regierung als „verächtlich und schamlos" bezeichnet«. Er erklärte, die Opposition werde sich nicht an dieser Aktion beteiligen, indem sie an den Verhand lungen über die Gewerkschaftsvorlage teilnohme: sie werde viel- mehr zum P rote st gegen die K n edel rings-und Ein schüchterungspolitik der Regierung das Haus verlassen. Hierauf verließ die gesamte Arbeiterpartei unter ironischem Ge lächter der Regierringsanhänger den Sitzungsraum. Sofort nach Verlassen des Hauses hielt die Arbeiterpartei eine Sitzung ab. um die Lage zu erwägen. Es «klautet, daß die Arbeiterpartei vorläufig di« Absicht Hab«, an den Unterhaussitzungen nicht teil zunehmen. bis der sogenannte „Guillotine-Antrag" erledigt ist, und erst zurückzukehren, ivenn die Debatte über Ausschuß- anträge zur Gewerkschaftsvorlage wieder ausgenommen werde. Nachdem die Arbeiterpartei heut« die Sitzung des Unter hauses verlassen lgrtte, erklärte Llo«)d George, er werde, da er ein Gegner der Gewerkschaftsvorlage sei, gegei« den Antrag Baldwins stimmen. Im Anschluß daran wurde der Antrag Bald- wln mit SSS gegen 13 Stimmen angenommen, * Die politischen Gegensätze in England spitzen sich mehr und mehr. Mit Bebauern sieht man, wie die Arbeiterpartei, die unter Macdonald die Regierung 1S24 in vorbildlicher und maß voller Weise geführt hatte, sich mehr und mehr radikali- sier 1. Auf der anderen Seite nehmen die Konservativen, im Hochgefühl ihrer unbestreitbaren politischen Macht, eine immer schroffere Haltung «tu. In beide» Parteien wirken sich so die Folgen des Generalstreiks aus, den England auch heute noch weder wirtscl-aftlich noch politisch iibenvnnde» <>at. Der Ausaininenbruch des Generalstreiks im vorige«^ Jahre ivar eine Niederlage der Gerverkscliasteii, aber vielleicht!! iir gleichem Maße eine Niederlage des gemäßigten Flügels der konservativen Partei. Valöwin, der Führer dieses Flügels,- steht zwar noch an der Spitze der Regierung. Maßgebend aber! sind offenbar nunmehr die Männer der ..scharten" Richtung, vor allem der Ersatzkanzler Churchill und der Innenminister Joynjon Hicks. Wenigstens innenpolitisch. Außenpolitisch hält Chamberlain, der gleichfalls als Vertreter einer maßvollen konservativen Politik zu gelten hat, ihnen die Wage. sSo erklärt es sich auch, daß Rußland gegenüber außenpolitisch' immer neue Beweis« der britischen Geduld gegeben werden, während in London der Innenminister die Gebäude der russi schen Handelsgesellschaft von der Polizei durchsuchen läßt.« Die Gewerkschaftsvorlage, die die konservative Regierung unter dem Eindruck des Generalstreiks eingebracht hat. soll die Wiederkehr einer ähnlichen Katastropl-e mit allen Mitteln verhindern. Er stellt den allgemeinen Streik unter Ausnahmebestimmungen, die gegebenenfalls die sofortige Auf lösung von Gewerksä>ast«n ermöglichen, s.,Guillotine-Para graph".) Der Streik soll nur noch als Mittel im Wirtschafts- Kampf einzelner Beruf« erlaubt sein. Im Kampfe gegen diese Vorlage hat nun die Arbeiter partei selbst zum äußersten Mittel geschritten und im Unterhaus die parlamentarische Arbeit niedergelegt. Damit hat auch hier die radikale Richtung gesiegt. Nicht meh» Macdonald, der .Sprecher" der Opposition, ist in Wirklichkeit führend, sondern Gewerkschaftsführer wie Clynes und Cook. Ob die Arbeiterpartei mit ihrem Ausmarsch aus dem Parla ment, der ziveisellos zunächst eine aufsehenerregende Demom stration bildet, gut getan hat, muß sich erst zeigen. Ein Streck ist niemals ein Mittel, um produktiv Arbeit zu schassen, auch nicht im Parlainent. Außerdem wird sich auch dieser Streik auß di« Dauer nicht aufrechterhalten lassen. Und das Gesetz kommt! doch zustande bei der Stärke der Konservativen, auch ohne Arbei terpartei. — So scheint es, als hätte sich di« Arbeiterpartei durch ihren Atismarsch aus dem Parlament nur die Voraussetzungen paradox — in Europa die Kraft, in Italien dieMacht. Wie wollen wir diesen Widerspruch lösen? Die Kraft allein bedeutet noch keine Macht. Erst durch den Willen zur Tat wird die Kraft zur Macht. Solange dieser Wille fehlt, bleibt jede Kraft wirkungslos. Wer selbstder Wille zur Tat wird sein Ziel niemals in systemlosen Aktionen erreichen kön nen, sondern nur in einem organisierten Vonvärtsdrän- gen. Europa hat diesmal bewiesen, daß ihm jeder Wille zur Tat noch fehlt. Das, was wir in dieser Angelegen heit erlebt haben, ist Einzelhandlung gewesen, die an dem konsequenten Widerstand Italiens naturgemäß scheitern mußte. Immerhin kann aus dieser Krise sehr viel ge lernt werden. Gewiß ist der Völkerbund solchen Ab gaben noch nicht gewachsen, diese bestehen aber trotzdem weiterhin. Denn wäre es eine Angelegenheit, die eben nur die beteiligten Parteien angeht, würbe der Ablaus der Krise über die Grenzen der interessierten Staaten hin aus keine Wellen schlagen, wozu dann das eisrige Be mühen einiger Großmächte, zu schlichten und auszuglei chen? Warum hat Europa mit nervöser Gespanntheit aufgehorcht, als die Krise ausbrach, wenn es an dem Gan zen nicht mehr als platonisches Interesse hatte? Es ist eben an dieser Märe außerordentlich interessiert und hat das deutliche Empfinden an den Tag gelegt, daß es sich hier um keine isolierte Angelegenheit handelt, sondern um eine europäische, par excellence. Es waren aber zwei Bedingungen gegeben: die Kraft zum erfolg reichen Handeln einerseits und das unmittelbare und organische Interesse andererseits. Warum hat Europa nicht gehandelt? Weil sich Kraft und Interessiertheit noch immer nicht zum Machtwillen verdichten konnten. Das ist gewiß eine Schwäche, eine große Schwäche, aber noch keine unüberwindliche Schwää>e. Die Aufgabe der Politik besteht eben darin, solchen Naturnotivendig- keiten Form zu geben. Es steht doch außer Zweifel, daß in der ganzen Krise ein geschichtliches Glied gefehlt hat, dessen Platz in schwachen Konturen immerhin wahrnehm bar «var. und das ist Europas Wille zur Tat. Der Völkerbund, der diesen Willen verkörpern sollte, ivar aktionsunsähig. Um diesen Platz schließlich doch aus- zusüllen, mutz entweder der Völkerbund gvkräftigt wer den, oder aber was praktisch-politisch noch aussichtsvoller wäre, eine Organisation geschaffen werden, die den euro päischen Machtwillen zum Ausdruck bringt. Wir wollen dabei ganz besonders betonen, daß dies kein ideologischer Wunsch ist. Es ist keineswegs gleichwertig, wenn man die Forderung nach einem gesamteuropäischen Macht saktor stellt, oder etwa nach weltstaatlicher Organisation. Während letzteres heute noch mit Recht als Utopie »indis kutabel ist, ist für erstere bereits in der Gegenwart schon der geschichtliche Platz freigemacht. Die letzte Krise ist das deutlichste Dokument hierfür. Europa hat dabei ge fehlt. aber nicht im Sinne eines Nichtvorhandenseins, sondern im Sinne eines Fernbleibens. Datz es hierher gehörte, daß es in die Krise mit Recht emgreifen konnte, ergibt sich aus zwei Umständen. Erstens wird von jeder kriegerischen Entwicklung ganz Europa bedroht. Zivei- tens hat es den Wunsch und hätte auch die Kraft dazu gelsabt, einen friedlichen Ausgleich zu schaffen. Es fehlte lediglich an der Organisation mit einen« sicheren Aktions radius Heute kann die Ausrede auf Schwierigkeiten und nationalen Sonderwillen nicht mehr überzeugen. So lange es sich eben nur um eine ideologische Forderung handelt, «nag so etwas noch ziehen, liegt aber eine poli- tisä)e Notwendigkeit vor, so muß in politischer Handlung die Form gefunden werden. Mit der sinkenden Kurve des Völkerbundes geht weder die Völkerbundidee, noch die Paneuropa-Idee unter. Nicht weil der Völkerbund unnötig, oder unmöglich ist, sinkt sein Prestige, sondern «veil er noch immer nicht jene Farm gefunden hat, die gegenwärtig gebraucht wird. Die Regenerierung des Döl- kerbundes kann aber erst einsetzen, nachdem die Reorga nisation durchgeführt ist. Diese Reorganisation kann aber doch nur darin bestehen, daß in erster Linie die- jenigen Kräfte gesammelt und zu einer größeren Wirk samkeit zusammengefaßt werden, bei denen gleichlaufende Bestrebungen und Interessen vorhanden sind