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MOmfferTageblatt Fernsprecher Wilsdruff Nr. 6 fÜs WllsdsUff UNd ÜMgLgLNd Postscheckkonto Leipzig 28 644 Dieses Blatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amtsgerichts Wilsdruff, des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt sowie die wichtigsten Veröffentlichungen der Ministerien, der Kreishauptmannschast Dresden und der Gemeinden des Amtsgerichtsbezirks Wilsdruff. Verleger und Drucker: Arthur Zschunke in Wilsdruff. Verantwortlich für die Schriftleitung: Hermann Lässig, für den Inseratenteil: Arthur Zschunke, beide in Wilsdruff. Nr. 214. Donnerstag den 16. September 1920. 79. Jahrgang. Amtlicher Teil. Lebensmittelverteilung im Kommunal- verband Meihen-Land. In der Woche vom 19. bis 25. September 1920 werden im Bezirke des Kom- muna.oerbandes Meißen-Land folgende Lebensmittel verteilt: n) auf sämtliche Nährmittellarten, Reihe III, Abschnitt 17 l/4 Pfund Teigwaren, Pfundpreis 2 Mark, 100 Gramm Maisgrieß, Pfundpreis 3,80 Mark. b) auf sämtliche Lebensmittelkarten, Reihe HI, Abschnitt 17 V2 Pfund Kunsthonig, Pfundpreis 7,20 Mark. Die Händler haben sich wegen des Bezuges der Waren unverzüglich mit ihren Handelsstellen in Verbindung zu Netzen. Es wird darauf hingewiesen, daß nicht abbestellte Ware» nicht zurückgenommen werden. Ein Verkauf der Lebensmittel darf vor der angesetzten Zeit nicht erfolgen. Meißen, am 14. September 1920. ^.SA. Nr. 1318 § 111?. Ev Die Amtshauptmannschaft. Fleischversorgung. Im Kommunalverband Meißen-Land einschl. der rev. Städte Nossen, Lommatzsch und Wilsdruff wird in der Woche vom 13. bis 19. September auf den Fleischbezugs schein gegen Abstempelung durch den Fleischer Corned beef verteilt, soweit nicht Frisch fleisch zur Verfügung steht. Es erhalten: a) Personen über S Jahre: bis zu 200 § Corned beef oder, soweit möglich, Frischfleisch; b) Kinder unter 6 Jahren: bis zu 100 K Corned beef oder, soweit möglich, Frischfleisch. Der Kleinverkaufspreis beträgt 8,85 Mark für das Pfund Corned beef. Meißen, am 14. September 1920. Nr. 597 11 L. «oi» Kommunalverband Meißen-Laud. Maul- und Klauenseuche. Unter dem Viehbestände des Stadtgutsbesitzers Emil Bier in Wilsdruff ist die Maul- und Klauenseuche ausgebrocheu. Gemäß FZ 161 flg. der Bundesratsvorschriften zum Viehssuchengesetz wird als Sperr gebiet Wilsdruff-Nord (Grenze unterer Bach) bestimmt. Das Beobachtungsgebiet bildet der übrige Stadtbereich mit Ausnahme des Bahnhofes — Grenze Bahnhofstraße. Für den Sperrbezirk gelten die Vorschriften in KZ 162, 163, 164 und 168, für das Beobachtungsgebiet die Vorschriften in ZZ 166 und 168 der Bundesratsvorschriften zum Viehseuchengesetz — Gesetz- und Verordnungsblatt 1912 Seite 83 ff. — und dis sonstigen von uns hierzu getroffenen Anordnungen. Weitergehende Beschränkungen bleiben ausdrücklich Vorbehalten. Zuwiderhandlungen gegen diese Bestimmungen werden, insoweit nicht nach den Strafvorschriften des Viehseuchengesetzes vom 26. Juni 1909 oder sofern nicht nach anderen gesetzlichen Bestimmungen höhere Strafen verwirkt sind, gemäß ß 57 der säch sischen Ausführungsverordnung zum Viehseuchengesetz vom 7. April 1912 mit Geldstrafe dis zu 1L0 Mark oder mit Haft bis zu 6 Wochen bestraft. Wilsdruff, am 14. September 1920. E« Der Stadtrat. Waffenabgabe. Der unterzeichnete Stadtrat hat auf Grund des Gesetzes über die Entwaffnung der Bevölkerung vom 7. August 1920 im hiesigen Verwaltungsgebäude, Erdgeschoß, eine Waffenavgabestelle errichtet. Diese ist geöffnet nachmittags von 5—6 Uhr. Wilsdruff, am 14. September 1920, «or? Der Stadtrat. In das Güterrechtsregistsr ist heute eingetragen worden, daß die Verwaltung und Nutznießung des Gärtners Friedrich Wilhelm Harzt in Rothschönverg an dem Ver mögen seiner Ehefrau Olga Marie Harzt geb. Göhler in Großenhain, Schloßstraße 1, durch Ehsvertrag vom 28. Juli 1920 ausgeschloffen worden ist. Wilsdruff, am 9. September 1920. Heg-. 145/20 Amtsgericht Wilsdruff. «0 Kleine Zeitung für eilige Leser, * Halbamtlich wird mitgeteilt, daß das Kabinett mit den von einem Berliner Blatt gebrachten Plänen über die Bildung eines engeren Kabinetts sich nicht befaßt bat. * Die Funkenstation Eilvese, an die französische Ansprüche geltend gemacht wurden, bleibt in deutschem Beiitz. * Nach den Pariser Blättern erklärte Giolitti Vertretern der Presse, daß Deutschland zum Völkerbund zugelaffcn werden solle, wenn es den Willen, den Friedensvertrag auszusühren, zum Ausdruck bringe. Ob dieser Zeitpunkt nahe oder fern sei, hänge allein von Deutschland ab. * Die deutsch-böhmischen Linkssozialisten haben sich für eine Verbindung mit Moskau ausgesprochen. * Pariser Journalisten erklärte der italienische Minister präsident Giolitti, daß er an eine formelle Anerkennung der Moskauer Räteregierung nicht denke, wohl aber werde er den russischen Ratevertreter Worowski empfangen. * Das Befinden des französischen Präsidenten Deschanel soll sich durch einen schweren Neroenanfall sehr verschlimmert haben. Man rechnet mit einer baldigen Neuwahl. * Der Friedensvertrag zwischen Rußland und Lettland ist von russischer Seite ratifiziert worden, nachdem die lettische Nationalversammlung schon am 2. September mit der Rati- fizierung vorangegangen war. Das Bündnis v°n Aix les Dams Es ist nicht zu verkennen, daß die französische Staats kunst ihr Ziel, die Vormachtstellung in Europa zu eradeM, mit großer Entschlossenheit, Tatkraft, Umsicht ans Rücksichts losigkeit verfolgt. Und wenn diese Eigenschasten noch dazu mit der nötigen Zähigkeit und Ausdauer betätigt werden und gepaart sind mit allen Künsten der Überredung, der ge schickten Bearbeitung der öffentlichen Meinung und dem sonstigen Zubehör der alten Kabinettspolitik, so kann natur gemäß der Erfolg nicht ausbleiben. Eine andere Frage ist freilich, wie dieser Erfolg beschaffen ist und auf welche Dauer er rechnen darf. Diese Frage ist von besonderer Bedeutung in der jetzt sichtbaren, aus der Zusammenkunft von Aix les Bains hervorgegangenen französisch-italienischen Verständi gung, die einem Bündnis sehr ähnlich sieht. Die Begegnung bedeutet äußerlich ohne Zweifel einen sehr wesentlichen Erfolg der fran-Eichen Politik, und man kann es durchaus begreifen, wenn sowohl Herr Millerand wie die gesamte französische Presse ihre Befriedigung darüber in lauten Tönen verkünden. Aber in der Koalition, die sich gegen Deutschland gebildet hat und die in der französisch- italienischen Entente fortlebt, spricht doch auch England eine sehr große, eine entscheidende Rolle, und es ist nicht Bedeutung, daß Lloyd George, obwohl aus drücklich nach Aix les Bains eingeladen, es vorgezogen hat, unfichtoar zu bleiben. Es wäre verkehrt, daraus den Schluß zu ziehen, daß die englische Politik nun etwa m einem Gegensatz stünde zu den Vereinbarungen zwischen Millerand und Giolitti. Das ist sicherlich nicht der Fall, denn weder ist Millerand so unvorsichtig, eine Politik der offenen Ri valität gegen England zu betreiben, noch ist Giolitti so töricht, sich auf Abwege zu begeben, die ihn von Lloyd Georgs abdrängen könnten. Denn wie die Dinge heute liegen, kann nur durch eine starke Annäherung Italiens an England einigermaßen das drohende Übergewicht Frankreichs aufgehoben werden. Der unzweifelhafte Erfolg Millerands liegt in der mit Italien herbeigeführten allgemeinen Übereinstimmung über die Behandlung der großen politisch-internationalen Probleme, namentlich in bezug auf den Versailler Vertrag. Diese Übereinstimmung bedeutet nichts anderes, wie die Macht- verhältnisse augenblicklich liegen, als daß Italien sich ins Schlepptau Frankreichs begibt. Dafür erhält es von Frank reich das Zugeständnis in der Adriafrage, wonach die Regelung dieser für Italien sehr brennenden und wertvollen Frage durch eine unmittelbare Verständigung zwischen den Interessenten, also zwischen Italien und Jugoslawien herbei geführt werden soll. Dafür stellt natürlich Frankreich seine »guten Dienste' zur Verfügung, nämlich einen sanften Druck auf die Jugoslawen zugunsten der Italiener. Dafür erhält Frankreich wieder gewisse Freiheiten in der Auslegung und Handhabung des Versailler Vertrages. Wie sich diese dann in der Praxis bewähren werden, wird von England abhängen, das sich durch sein Fernbleiben von den Besprechungen von Aix les Bains offenbar freie Hand bewahren will. Unter allen Umständen bleibt als Ergebnis dieser Vereinbarungen eine stärkere französisch-italienische Annäherung, eine Milderung der bisher sichtbar gewordenen politischen Interessengegensätze und da mit eine nicht unbeträchtliche Verschiebung des politischen Schwergewichts Europas nach Westen. Wir sehen jetzt die erste wirksame politisch-diplomatische Folge der deutschen Niederlage, die Rückwirkung, die der Physiognomie Europas das Gepräge gibt und voraussichtlich von längerer Dauer ist. Die wirtschaftliche Rückwirkung wird sich dann gleich falls bald genug einstellen. Frankreich und Italien, die von der »Notwendigkeit der Entente zwischen den beiden großen lateinischen Ländern durchdrungen sind', teilen sich in die Beherrschung des Kontinents, wobei natürlich England immer noch die leitende Rolle des Schiedsrichters vor- behallen bleibt, der aber seine großen Interessen vornehm lich in Asien und Afrika hat. Nebenher wird Italien deshalb immer noch als seine politische Aufgabe betrachten tonnen, Deutschland gegenüber die Rolle des wohlwollenden Gönners und Helfers einzu nehmen und für eine verständige Auslegung des Versailler Vertrages zu wirken. Aber es wird deshalb vorderhand nicht mehr seine Freundschaft mit Frankreich aufs Spiel setzen. Die deutsche politische Welt wird sich darüber klar sein müssen, daß alle Freundschaften der umwohnenden Völker lediglich platonischer Natur find und kein Mensch auch nur den Finger krumm machen wird, um uns zu helfen. Nur wir allein werden uns helfen müßen, wenn wir aus der drückenden Sklaverei heraus wollen. Frankreich erklärt die restlose und genaue Erfüllung des Vertrages von Versailles als eine Lebensnotwendigkeit, und es unterliegt für uns gar keinem Zweifel, daß diese Notwendigkeit be stehen wird, solange Frankreich lebt. Frankreich wird jedes Bemühen Deutschlands, aus dem Versailler Schuldgefängnis befreit zu werden, als eine Bedrohung und als einen feind lichen Akt empfinden. Englisch-russische Auseinandersetzungen. Lloyd George und Kamenew. Vor der Abreise des russischen Unterhändlers Kamenew aus London hatte dieser eine Unterredung mit Lloyd George, die sich anscheinend zu einer grundsätzlichen Abrechnung ge staltete. Lloyd George brachte gegen Kamenew vier An klagen vor: 1. daß er am Verkaufe der kaiserlich-russischen Juwelen in England beteiligt sei, 2. daß er Verhandlungen geführt habe, betreffend die Unterstützung des extremen sozialistischen Blattes „Daily Herald' mit 75 000 Pfund Sterling, 3. daß er Beziehungen mit der britischen Arbeiter organisation gehabt habe, die sich „Council of Action' nennt, und 4. daß Rußland absichtlich die britische Regierung mit Bezug auf die Klausel über die Bürgermiliz im Ent wurf für den Waffenstillstand mit Polen irregeführt habe. Kamenew bestritt die Berechtigung diese Vorwürfe und sagt weiter in einem Brief an ein Parlamentsmitglied, daß er an keiner bolschewistischen Propaganda in Groß-Britannien teilgenommen habe. Er leugnet nicht, der englischen Re gierung Mitteilung von den bolschewistischen Friedens bedingungen, in denen die Klausel von der Arbeitermiliz nicht enthalten war, gemacht zu Haden, aber er macht geltend, daß auf seine Bitte die Regierung von Moskau eingewilligt habe, von dieser Klausel Abstand zu nehmen. Der Ausschuß der englischen Arbeiterpartei hat sich ver einigt, um die Situation zu prüfen, die aus der Abreise Kamenews entsteht. Es wurde beschlossen, keine Aktion zu unternehmen bevor man nicht eine Untersuchung angestellt hat über die Tatsachen, dis die Rücksendung des bolsche wistischen Delegiertenchefs veraniaßt haben, und über die Bedingungen, unter denen die Handelsbeziehungen mit Rußland wieder ausgenommen werden können. Der Kollege Kamenews, Krassin, ist übrigens in London geblieben, so daß von einem tatsächlichen Abbruch der Verhandlungen noch nicht die Liede sein kann. * Der Brand in Irland. Falls der im Hungerstreik verharrende oerhafiete irische Bürgermeister von Cork stirbt, mutz man mit ernsten.Un-