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Mittwoch. Nk. 6«. — 12. März 183« EelHzia. Di, Zeitung erscheint mit Ausnahme des Montag« täglich und wird Nachmittag« 4 Uhr au«< gegeben. Preis für das Vierteljahr 1Thlr.; jede einzelne Nummer 2 Ngr. Mutscht Mgmeim Zeitung. «Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz!» Zu beziehen durch all, Postämter de« In- und Auslandes, sowie durch die Vrpedikion in Leipzig (Querstraße Nr. 8). InsertlonSgebühr für den Raum einer Zeile 2 Ngr. Deutschland. Preußen. Berlin, 10. März. Die Neue Preußische Zeitung meldet Folgendes: „Der Generalpolizeidirector v. Hinckeldey ist, wie wir soeben hören, heute Vormittag bei einem Duell tödtlich in die Brust getroffen und wenige Minuten nachher gestorben. Die nähern Details dieses traurigen EreigmsseS sind uns noch unbekannt. Als Gegner nennt man den Hrn. v. Rochow auf Plessow." In Uebereinstimmung hiermit wird dem Dresdner Journal aus Berlin »om 10. Marz Nachmittags telegraphirt: „Hr. Generalpolizeidirector v. Hinckel- dey ist heut« durch Hrn. v. Rochow, Mitglied des Herrenhauses, im Duell erschossen worden." — Die Berliner Feuerspritze berichtet über «inen schrecklichen Vorfall, der sich am 6. März in dem Gasthof Zum Einsiedler in Potsdam ereig- nete: „Der in Berlin, Oberwasserstraße Nr. 10, wohnhafte Zahnarzt Jan son traf am Vormittage des 6. März mit seiner Frau und seinen beiden Kindern (einem Mädchen von 10 Jahren und einem Knaben von 8 Jah- ren) in Potsdam ein und stieg dort im Gasthofe Zum Einsiedler ab. Die Familie bat um ein Zimmer, da sie über Nacht bleiben wollte. Man ent sprach diesem Begehren sehr gern, und die Familie legte sich anscheinend früh zu Bett. Am nächsten Morgen ließ sich Niemand hören, ebenso ver- , nahm man den ganzen Tag über nicht das geringste Geräusch in dem -Zimmer. Endlich am Nachmittage gewann man die Ueberzeugung, es müsse der Familie ein Unglück zugestoßen sein; man holte Polizeibeamte und drang in Gegenwart derselben mit Gewalt in daS Zimmer. Ein trau rigem Anblick bot sich dar. Man erblickte vier Leichen. Die beiden Kinder lagen nebeneinander, die Mutter und der Vater waren in der Nähe nie- dergtsunken. Nähere Untersuchungen ergaben, daß alle vier Personen durch Anwendung einer bedeutenden Quantität Chloroform erstickt waren. Der Vater Hatte erst die beiden Kinder, dann die Frau, dann sich getödtct. Auf dem Tische fand man zwei Briefe, den einen vom Vater, den andern von der Mutter unmittelbar vor dem Tode geschrieben. Diese Briefe, welche o «inen traurigen Einblick in den Seelcnzustand der Verstorbenen gewähren, laut«» wie folgt. Der Mann schreibt: Unverschuldetes Unglück hat uns zur Verzweiflung gebracht, die Verzweiflung hat unS zu dieser That getrieben. Unsere beiden Kinder konnten wir uns nicht entfchließen zurückzulassen, denn wir haben nie eine andere Freude gehabt als sie. Die Kosten un ser« Begräbnisses wird sich meine Familie gewiß nicht weigern zu erstatten, umio- wentgtr, da wir bitten, es recht einfach einzurichten. Man möge unS in den Kleidern be erdigen, welche wir tragen. An Geld lege ich den Rest von Z THlrn. 1 Sgr. her, der unsere Rechnung hoffentlich decken wird, widrigenfalls der übrige bescheidene Nachlaß dazu verwendet werden müßte. Zuletzt noch bitte ich, behandeln Sie uns in Ihrem Denken und in Ihrem Thun mit Schonung, wie sie das Unglück stets verdient. Rich tet nicht, auf daß ihr nicht gerichtet werdet. Der Brief der Frau lautet: Sie sehen hier die Leiche einer unglücklichen Mutter vor sich. Bitte, wer Sie auch sein mögen, gehen Sie nicht roh oder schonungslos mit uns um. Denn lieblos und schonungslos ging leider die Menschheit unser ganzes Leben lang mit uns um. Wie Bluthunde und Hyänen hat man uns zu Tode gehetzt. ES sind dies allein die Be weggründe, die uns zu der That gebracht. Gott wird uns nicht verdammen, wenn dse Menschen eS auch thun sollten. Wir scheiden mit gutem Gewissen, denn von uns ist vorsätzlich Niemand gekränkt worden. Cie sind jetzt alle Fremdlinge um unS, han deln Sie aber deswegen doch menschlich. Gott wird de» letzten Liebesdienst, den Sie ' uns als Christen erweisen, nicht »»belohnt lassen. Noch um Eins bitte ich, gestatten , Sie neugierigen Gaffern nicht, uns zu beschauen. Ueber die Verhältnisse der Familie erfährt die Feuerspritze Folgendes: Der Zahnarzt Janson stammt aus Elbing, seine Ehefrau ist eine geborene Rie- bisch aus Danzig, er ist etwa 4» Jahre, sie etwa 36 Jahre alt. Früher wohnte dir Familie in Königsberg. Dieselbe hat sich erst vor etwa 1'/- Jahr hier niederge- < lassen. Die Praxis des Mannes als Zahnarzt ging schlecht und derselbe befand sich fortwährend in der drückendsten Noth. In der früher» Wohnung vermochte Janson die Miethe nicht zu bezahlen, »nd er mußte dieselbe daher mit Zurücklassung aller sei ner Habseligkeiten verlassen. Dessenungeachtet micthete er sich in der Oberwasserstraße Nr. 1v am 1. Ja», d. Z. eine große Wohnung, nahm Möbel zur Miethe aus und richtete sich herrschaftlich ein. Er glaubte, durch eine solche glänzende äußere Aus stattung seine Praxis zu- heben. Aber er fand sich getäuscht uud gerictb noch tiefer , tn Schulden, sodaß die Zahl der ihn besuchenden Executoren größer war als die set- > ner Patienten. Zuletzt litt die Familie Mangel an den nothwendigstcn Lebensbcdürs- Men. und da dem Manne die Kraft fehlte, diese unglückliche hoffnungslose Situa- . tion länger zu ertragen und der Charakter der Frau überhaupt ein etwas cxaltirter war, so reifte allmälig der Plan zu der gräßlichen That. ^AuS dem Regierungsbezirk Merseburg, 8. März. Vor kurzem sind bei einigen Zeugfabriken unsers Departement wiederum ansehnliche Be- ' stesiungen auf wollene Deck«« für Rechnung der französischen Regie- rung gemacht worden. — Um dem großen Mangel an Volksschullehrern, der, wie überall in Preußen, so und namentlich auch hier fühlbar gewor- den, zu begegnen, hat die Staat-regierung beschlossen, «in neues evange- lischtS Schullehrerseminar für den Regierungsbezirk Merseburg zu grün- ' den, und soll der Sitz dieser Anstalt da- Schloß zu Freiburg an der Un strut werden. — Mehre adelige Damen im Kreise Querfurt gehen damit um, eine sogenannte Samariterherberge zu gründen. Baiern, -s- Aus Franken, 7. März. Der Münchener Volksbott fährt in seinen Enthüllungen fort und veröffentlicht in seiner neuesten Num- mer ein Ausschreiben des bischöflichen Ordinariats Passau, vom 28. Juli 1855, an seinen „gesammten DiöcesankleruS" (also nicht bloS den ,,jüngern"), die Verbreitung von Zeitungsnachrichten betreffend. Das selbe ist weit milder gefaßt als daS mehrerwähnte Ausschreiben des erzbi- schöflichen Generalvicariats Bamberg, droht auch nicht mit Einschreitungen auf Grund des Kanonischen Rechts. Doch ist folgende Stelle immerhin bezeichnend genug: „Demzufolge versehen wir uns also vertrauensvoll zu unserm gesammten DiöcesankleruS, daß derselbe sich nie dazu herbeilasst, Denen sich beizugescllen oder Mitwirkung zu gewähren, welche in ZeilungS- blättern geringschätzig, verdächtigend, hämisch, spöttisch oder wegwerfend über ihre Mitmenschen oder gar über Vorgesetzte und obrigkeitliche Perso nen sich auslassen, deren allenfallsige Versehen, Fehler und MiSgriffe scho nungslos verbreiten, oder auch gern darin sich gefallen, vereinzelte Ausge- bürten lhierischer Roheit und Ausgelassenheit, die hier und da leider zu tage treten und die keine Obrigkeit auch bei dem besten Willen ganz wird verhüten können, als den Zustand einer ganzen Provinz hinzustellen. Ucbri- genS hoffen wir schließlich auch noch, daß unser DiöcesankleruS stets der Mahnung des großen Wcltapostels gedenken und derselben gewissenhaft nachkommen werde, wenn er schreibt: «Ich ermahne, daß vor allen Din gen Bitten, Gebete und Fürbitten geschehen für Könige und für alle Obrigkeiten, damit wir ein ruhiges und stilles Leben führen mögen in aller Gottseligkeit und Ehrbarkeit.»" Ferner erwähnt der Volksbole, daß um dieselbe Zeit auch an das bischöfliche Ordinariat Regensburg ein Regie- rungsrescript desselben Inhalts, wie das der Regierung von Niederbaiern, erlassen worden ist, daß aber dieses Ordinariat das fragliche Ansinnen ab- gelehnt hat. Der in Speier erscheinende Christliche Pilger, gleichfalls ein katholisches Blatt, schreibt: „Den jungen Geistlichen in Bamberg möchten wir zurufen: Fahret fort mit dem Löwenmulh und der Weisheit eines ju gendlichen Daniel, welche über die fleischliche Klugheit der Kinder dieser Welt, ihre Lüge und Heuchelei einen so wunderbar herrlichen Triumph davongetragcn hat, die katholische Sache zu vertreten, und selbst mit den tiefergehenden Normen des Kanonischen Rechts wird man euch nichts an- haben können." Württemberg. §H Stuttgart, 8. März. Die heutige Kammer verhandlung in Eisen bah »fachen hat gelehrt, daß eS unserer Regierung bei Ausbildung unsers Bahnsystems vor allem um die Gewinnung des kürzesten Wegs nach Sachsen zu thun ist. Obwol die Kammer ihren drin gendsten Wunsch nach sofortiger Ausführung einer internen Bahnlinie am obern Neckar (von Plochingen nach Rottenburg) aussprach und den eine sofortige Exigenzvorlage zu diesem Zweck verlangenden Antrag der volkS- wirlhschaftlichen Commission mit 77 gegen 11 Stimmen annahm, wurde doch vom Ministertisch (Finanzminister v. Knapp) nicht nur keine Zusage gemacht, im Gegentheil für die Bahn nach Nördlingen die Priorität ent schieden in Anspruch genommen, da hierdurch der Umweg über Augsburg oder Frankfurt nach Sachsen erspart und eine Abkürzung von etwa 25 Wegstunden erzielt werde. Zu der heutigen Verhandlung hatte die betref fende Schlayer'sche Motion Anlaß gegeben. — Bekanntlich hat sich in Würl- temberg etwa vor einem halben Jahre ein „Verein zur Sammlung de- Volks Gottes in Jerusalem" gebildet. Er besteht aus Anhängern der pietistischen Richtung. Es sollen nun bald Commissare dieser schwäbischen Latterday Samts ins heilige Land abgeordnet werden, um die Verhältnisse zu inspiciren; der Verein hat ein größeres Hofgut in einem württembergi» schen Oberamtsbezirke angekauft, was als der vorläufige Sammelplatz die nen zu sollen scheint. Es ist zu erwarten, daß die Zeit die Leute nüchtern machen und diese palästinensische Colonisation hindern wird, welche mit der orientalischen Krise in einigem Jdeenzusammenhange steht. Hannover. Die Zeitung für Norddeutschland schreibt auS Hannover vom 8. März: „Vor einigen Tagen war hier ein Gerücht über eine neue Disciplinaruntersuchung gegen den OhergerichtSässessor Planck wegen der in Bremen erschienenen Broschüre verbreitet (von der Patriotischen Zeitung). Bisjetzt hat sich aber dasselbe nicht bestätigt, und wir zweifeln umsomehr daran, daß es sich bestätigen wird, als selbst von sehr entschiedenen politi- schen Gegnern Planck s anerkannt wird, daß jene Broschüre in durchaus wissenschaftlichem Ton und Geiste gehalten sei und eine staatsrechtliche Er örterung bilde, die wol wissenschaftlich bekämpft, nicht aber gerichtlich ver folgt werden könne." Thüringische Staaten. ZAuS Thüringen, 9. März. Wir haben wiederholt darauf hingedeutet, daß man ernstlich damit umzugehen scheine, den zwischen dem Großherzogthum Sachsen-Weimar und den schwarz-