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Freitag —— Nr. 296. 23. October 184«. WM Deutsch«! Allgemeine Zeitung. WM «Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz!-» Ueberblick. Deutschland. * Non der Elbe. Baltische Briefe. * Leipzig. Der Erb prinz Georg von Sachsen-Meiningen, s-Hannover. Der Kronprinz in belle. Die Roggeneinfuhr. Feuer in Northeim. Gustav-Adolf-Verein. — Gustav-Adolf-Stistung in Hamburg. PreuGen. -/-Äerlin- Armenwesen. Die Actienbrücke. Ein Fälscher. * Naumburg. Die Stadtverordneten. s Äus Westpreussen. Gescllcn- vereine. vr. Rupp. Madame Lehmann. *Non der Vder. Preußische und römische Finanzen. — Ein verhafteter Pole. — Pichowski. Defkerreich. Der Erzherzog-Palatin. Die Sträflinge in Wien. Portugal. Interimistische Besetzung des auswärtigen und Finanzministe riums. Die Umstände des MimsterwechsclS. Spanien. Der Hof. Der britische Gesandte. Die Amnestie. Verhaftun gen. Der Ministerwcchsel in Portugal. Großbritannien. Das Morning Chronicle gegen die französischen Blät ter. Die nordischen Höfe und die Montpensier'sche Heirath. Die irische Bedrängniß und die Times. Sir H. Pottinger. Der neue nordamerika nische Gesandte. Die Getreideeinfuhr. 'Frankreich. Die Zeitungen. Die Montpensier'sche Vermählung. Die nordischen Höfe und die spanischen Heirathen. L'Epoque. Die Lruppcn- sendung an die Schweizergrenze. Daß UebungSgeschwadcr. ** Paris. Die Whigs und die Ereignisse in Genf und Portugal. Schweiz. Genfer Zustände. — Oberst Chateauvieux.— Ter Sonderbund. Italien. *Rom. Die Königin der Niederlande. Rom. Commission. — Verhaftungen. Griechenland. * Äthen. Kolettis. Dcligianniß. Streitigkeiten. Der Thronfolger. Hinrichtung. Rechtsfrage. Pe rsonalnachrtchten. Wissenschaft und Ztunsk. * Aus Lachsen. Literarisches. Handel und Industrie. Verkehr deutscher Eisenbahnen im September. * Leipzig- Daß nordostdeutschc Eiscnbahnfystcm. * Leipzig. Börsenbericht. — Wasserstand der Elbe. — Berlin. Ätnkündigungen. Deutschland. *Von der Eide, 2S.Oct. Deutschland hat nicht bloß gegen Dä nemark deutsche Nationalität zu schirmen; unter viel größerer Gefährdung welkt rin Zweig des deutschen Stammes, den der Unternchmungstrieb der Vergangenheit auf fremden Boden verpflanzt hat, in den deutschen Ost- seeprovinzcn des russischen Reichs, und die Lage und der Charakter dieser deutschen Colonien in ihrer Abgeschiedenheit, wo sie zugleich herr schen und dienen, erweckt vielfaches Interesse. Wird auch Deutschland nach dieser Seite hin nicht, wie gegen Dänemark, durch staatsrechtliche Gründe gestützt, nicht durch staatsrechtliche Verpflichtungen, auch nicht durch gleiche politische Interessen aufgefodert, so nimmt doch die Sache des Volksthums und des Glaubens das Mitgefühl, die warme, brüder liche Thcilnahme nicht minder in Anspruch. Daß aber die dortigen Zu stände auch ein allgemein menschliches Interesse ansprechen und einer eben so lehrreichen als anmuthigen Schilderung fähig sind, hat uns jüngst in höchst ansprechender Weise eine Engländerin gelehrt, die vor einigen Jah ren einige Zeit in Esthland zubrachte und das dortige Leben und Trei ben mit eben so viel Gcmüthlichkcit als belebter Klarheit geschildert hat. Die von sachkundiger Hand übertragenen „Baltischen Briefe"*) gewähren eine ungemein angenehme und vielfach belehrende Lccture, sind reich an den lebensvollsten Schilderungen, den cindringendsten Betrach tungen und den interessantesten Zügen zur Kenntniß von Land und Volk in all ihren Schichten. Wir müssen es andern Blättern überlassen, auf die mehr das häus liche, gesellige und gemüthliche Leben betreffenden Mitthcilungen näher rinzugehen, und erlauben uns nur, für einiges, dem Wirkungskreis einer politischen Zeitschrift Näherliegende einige Spalten in einigen Nummern dieser Zeitung in Anspruch zu nehmen. Für heute bemerken wir nur cin- leitungswcise, daß die Verfasserin zuerst, auch Kopenhagen berührend, nach Petersburg geht, und auch über den Eindruck, den schon der Em pfang durch die Zollbeamten, den der ganze Aufenthalt auf sie ge macht, um so Glaubwürdigeres mitthcilt, je geneigter sie im Allgemei nen ist, die lichtere Seite des Lebens aufzufassen, und ze ferner ihr po litische Schwarzfärberei liegt. Sie reist dann im Winter zu Lande nach Esthland, wo ihr, wie es scheint, eine Schwester oder sonst Nahverwandte an einen Baron verheirathet lebt, auf dessen Gute und in Reval selbst ie bis zum nächsten Herbste zubringt. Hier wird nun Häusliches, Geselliges, iandschaftliches rc. sehr eingehend und anmuthig geschildert. VielInteres- anteö übergehend, bemerken wir, daß ein Besuch in der Kirche die Verfas- crin zu einem kurzen Ueberblicke der freilich ziemlich trostlosen Geschichte der Einführung eines sogenannten Christenthums, dort im Gefolge von Unterdrückung und Gcwaltthätigkeit aller Art einherziehcnd und einer dort nicht viel bessernden Kirchenverbesstrung bestimmt. Ihre Versicherung von *) Leipzig, Brockhaus. Zwei Theile. Gr. 12. 2 Lhlr. 2V Ngr. der großen Anhänglichkeit, die wenigstens der Bauernstand, wenn auch ohne höheres Bewußtsein, seiner Kirche beweist, hat sich seitdem nicht ganz bewährt. Von dem kirchlichen Standpunkte der höhern Stände sagt die strenggläubige Engländerin: „Wir finden denselben einer macht losen, armen Kirche gegenüber, deren Diener an Geburt und Einkommen so tief wie möglich unter ihm stehen. Die Pastoren find geachtet, inso fern sie auf den untern Stand einen heilsamen Einfluß üben, wovon der obere den socialen Vorthcil ärntet; sie werden mit einer stolzen Herab lassung zu der Tafel des Grafen oder BaronS gezogen, und enthalten sich ihrerseits jedes Einspruchs gegen den weitverbreiteten Rationalismus, von dem der Adel angesteckt ist, und von dem sie selbst in der Eigen schaft als Hauslehrer nur zu oft die Pflanzer gewesen sind. Im Gan zen scheint das Bcdürfniß der Einführung des Christenthums hier so groß als je, und könnte Luther aus seinem Grabe ausstehen, er würde die Bibel unter diesem Theil der sich zu seinen Lehren bekennenden Ge meinde eben so streng verbannt finden als in den schlimmsten Zeiten der päpstlichen Gewalt." Die Verfasserin findet darin theils ein Zeugniß da für, daß die Reformation zu weit gegangen sei, theils einen „schlagen den Beweis für die Unwirksamkeit einer nickt mit Reichthum, Ansehen und Würde ausgcstattcten Kirche unter Leuten, von denen diese Eigen schaften in hoher Geltung gehalten werden — und wo werden sie daß nicht? Denn welchem andern Grunde können wir in einem Lande, das sich so wenig eines Philosophen als eines Märtyrers zu rühmen hat, die Gleichgültigkeit in Bezug auf die geoffenbarte Religion zuschreiben?" Die Geschichte bietet freilich denn doch Erfahrungen, wo, wenigstens vor übergehend, höhere Eigenschaften und Kräfte jene Güter wirklich ersetz ten, und auch in England selbst möchten wir die religiöse Richtung des Volks nicht auf den Prunk und die Schätze der Hochkirche gegrün det glauben. Von dem gutmüthigen, flachshaarigen Esthcn, wie dort der Edel mann den Bauer, sich selbst aber Esthländer nennt, sagt sie: „Auf sol chen Gütern — zu denen leider der größere Theil der Provinz gehört — die unter einem fortwährenden Eigcnthumswechsel stehen, und wo kein An- hänglichkeitsgcfiihi zwischen Herren und Bauern Wurzel zu fassen Zeit hat, oder wo gerade entgegengesetzte durch rauhe und willkürliche Behand lung geweckt werden, finden wir den Bauer in der That als ein wildes Thier, ohne Empfindung für jede Milde, der er mistraut, unbekümmert um jede Verbesserung, ohne alle Sorge für die. Zukunft, gleich dem Ir länder, ohne seinen Witz, und phlegmatisch wie der Deutsche, ohne sei nen Fleiß. Er leidet lieber-Hunger', als daß er mehr als das Minimum seiner Frohnen arbeitete. Hat er seine Pfeife im Mund und kann er in seinem Wagen liegen, während sein duldendes Weib das willige, kleine, struppige Pferd antrcibt, oder, was auch öfter der Fall ist, während die Letztere nebenher geht, kümmert ihn sein leerer Magen wenig. Biete ihm Lohn gegen Arbeit, so wird er dir mit dem stupidesten, tölpelhafte sten Gesicht antworten, daß, wenn er mehr arbeite, er auch mehr essen müsse. Auf der andern Seite, auf den wenigen Gütern, die seit mehren Geschlechtern abwärts im Besitze derselben Familie gewesen sind, erscheinen die Bauern als ein thäliger, fleißiger, ja wohlhabender Schlag, ihrem Herrn anhängig und sinnreich in manchen Gewerben." Man sieht, Liebe und Einsicht sind überall zum Segen wirksam auf die Menschen; in Be treff ihrer Anwendung ist aber freilich nicht bloß auf guten Willen zu rech nen, sondern auch auf stützende Verhältnisse Rücksicht zu nehmen. Das sagt sie dem Esthen zum Lobe nach, daß, außer dem auch nicht häufigen Diebstähle, sehr wenig Verbrechen bei ihm vorkommen und Mord ganz unbekannt ist. Der Esthe hält es für ein viel geringeres Verbre chen, etwas zu stehlen, was nicht blöken oder quiken kann, als andere Sachen. „So würde cs eine große Sünde sein, ein Schwein oder ein Schaf zu stehlen; ein Külmet Korn aber oder einen Eimer Branntwein zu stehlen ist ein sehr verzeihliches Unrecht." Die Gesetzgebung erlaubt keine Bestrafung ohne Geständniß, „indem sie es wohl weiß, daß kein Esthe etwas lange auf dem Herzen behalten kann. Nicht so sein lufti ger, lebhafter Nachbar, der Russe, dessen Gesetzgebung lange warten könnte auf sein freiwilliges Geständniß. Dieselbe Gewissenhaftigkeit in dessen, die des Esthen Herz unter dem Gefühle des Vergehens öffnet, stahlt es auch in Augenblicken der Gefahr. Kein Soldat in der russischen Armee steht im Feuer besser als Ler verachtete Lschuchone." * Leipzig, 22. Oct. Gestern wurde der Erbprinz Georg von Sachsen-Meiningen unter die Zahl der hiesigen akademischen Bür ger ausgenommen. sHannover, 2V. Oct. Gestern ist der Kronprinz mit seiner Gemahlin und seinem Sohne, dem Erbprinzen, in Celle angekommen, wo er so lange wohnen wird, bis das neue Wohnhaus vollendet ist, das gegenwärtig hier für ihn auSgebaut wird. Zu seinem Empfange waren vielerlei Anstalten in Celle getroffen worden: vor dem Schlosse ein Ehren- bogen errichtet; die Obrigkeiten selbst hatten sich zu einem Festcomite consti-