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Nummer 151 — 26. Jahrgang kmol wöch. Bezugspreis fllr Juli 3.00 Mk. einschß. SO L. bei Uebersendung burch bie Post autzerbem Portozuschlag. Einzel-Nr. 10 L, Gonntags-Nr. 20 lSeschästlicher Teil: Artur Lenz in Dresden, Siickllscke Sonntag, den 3. Juli 192« Im Falle höherer Gewalt erlischt se5e Verpflichtuni Anzeigen antwortuna. Unverlangt eingesandte u. m. Rückportos nicht versehene Manuskripte werd. nicht aufbewahrt.j Sprechstunde der Redaktion 2—3 Uhr nachmittags Hauptschriftleiter: Dr. G. Desezyk, Dresdens voMmung «rfchitftSstell«, Druck «. «erlag: »ermmUa, für Verlag »nd Druckerei. Filiale Dresden. DreSdeu-A- >, Polierslratzel?. FernrusUlMr. Voltschecklonto Dresden rros. Bankkonto: «tadtbaul Dresden Nr. «171» Für christtiche Politik und Kultur Redaktion der Sächsischen «olkSzestnna Dresdeu-Slltstadt l. Policistrai,« l7. Fernruf Mit und rl012. Abgründe Jene Zeitungsleser, die nach Sensationen und Skandalen suchen, sind während der letzten Monate wahrlich auf ihre Kosten gekommen. Da war der Mord prozeß Broicher in Köln, der Mordprozeß Grasavescu in Wien, der Prozeß Kolomak und der gegen die Duisbur- ger Kindermörderin, der Mordprozeß Straßer in Har- bürg und der Mordprozeß Kleinert in Berlin, schließlich der Doppelmord der Jugendlichen in Steglitz. Eine ge waltige Fläche bedruckten Papieres ist mit derlei Skan dalgeschichten bedeckt worden, und wenn man das aus Sensationssucht dieser Art für Zeitungen ausgegebe- ne Geld zuin Wohnungbau verwenden könnte, wäre Tau senden von Familien geholfen. Wir haben uns der ausführlichen Berichter stattung über diese Prozesse mit Bewußtsein ent halten. Was an privaten Verhältnissen unglücklicher Menschen in den Gerichtssälen verhandelt wird, geht neben dem Richter den Priester und den Arzt an. Kei neswegs aber sind die Einzelheiten eines solchen Prozes ses bestimmt für die Tageszeitung, deren Bericht Erwach senen und Jugendlichen, gesund und krankhaft veranlag ten Menschen in gleicher Weise zugänglich ist. Man hat es bei dem Freispruch der Frau Grosaoesei, die ihren Mann aus Eifersucht niedergeschossen hatte, erlebt, daß der Freispruch eine andere Frau veranlaßte ihrem Manne zuzurufen: „Wenn Ich dich niederschieße, geschieht mir nichts!" und daß dem ersten Mord ein zweiter Mord folgte. — Wir halten es also nicht für unsere Ausgabe, die Eiuzelfälle zu untersuchen, uns klüger zu dünken als die Richter (die ihren Spruch vor dem Gesetz, vor ihrem Gewissen und vor Gott zu verantworten haben) und etwa zu prüfen, ob dies oder das anders beurteilt und bewertet werden muß. Wohl aber halten wir es für unsere Pflicht, einige grundsätzliche Erwägungen ange sichts dieser Fülle von Skandalprozessen anzustellen. Um zerrüttete Ehenhat es sich fast ausnahms los in diesen Prozessen gehandelt. Da wird der Dr. Broicher von einer Frau angestiftet, ihren Mann unter Mißbrauch des dem Arzte geschenkten Vertrauens zu vergiften. Da erschießt die Reich Grosavescu ihren Mann, den sie zu dem berühmten Sänger gemacht hatte, weil der berühmt Gewordene sich schöneren Frauen zu- ivendet. Da vergiftet der Kaufmann Straßer seine Frau, die er hoch hat versichern lassen, nachdem er ihre Mitgift durchgebracht hat. Der Bauer Kleinert erschlägt den Schwiegersohn, weil der mit Mißhandlungen seine Frau dazu zu bewegen versucht, das Gut auf ihn überschreiben zu lassen. — So verschieden die Motive der Tat in die sen Fällen sind, eine Voraussetzung ist bei allen gegeben: Die Ehe ist zerstört schon vor der Katastrophe. Haß und Mißtrauen sind an die Stelle von Liebe und Vertrauen getreten. Erwägen wir nun: Das sind nur die besonderen Fälle, in denen unerträgliche Verhältnisse oder ein schwa cher Charakter zur Explosion gedrängt haben. Wie tau sendfach aber wiederholt sich das Bild der zerstörten Ehe dem, der mit offenen Augen im Leben Umschau hält! Wenn man an den ausgetürmten Mietshäusern unserer Städte vorüber^eht, fragt man sich: Gibt es auch nur eines unter diesen Häusern, ln denen nicht der Kampf zwischen Mann und Frau an der Tagesordnung ist. in dem nicht das Bild der zerfallenen Familie den Nach barn zur Gewohnheit geworden ist? Zerrüttete Ehen sind heute etwas so Alltägliches, daß die Aufmerksamkeit erst durch einen katastrophalen Ausgang stärker erregt werden kann. ! Die Jugend, die in solchen Familien heran- wächst, muß mit Notwendigkeit ergriffen werden von der Zerstörung der Seel«, die die Eltern einander angetan Haben. So stehen denn neben den Schreckenstaten der miteinander zerfallenen Gatten die Verzweiflungstaten Jugendlicher. War die Duisburger Kindermörderin nicht ein Mädchen, dessen Triebe unter den Eindrücken des .Elternhauses sich ms Krankhafte entwickelt hatten? Wa ren die Selbstmörder von Steglitz. Schneller u. Stephan, nicht von einem krankhaft entwickelten Kameraden ver führt? Spielte solche Verführung nicht bei der Lisbeth Senker Die Welt (Illustrierte Wochenbetlage) Die deutschen Sender (Funkbeilage) Unterhaltung und Wissen Kirche und Welt Literarische Beilage Filmrundschau Turnen. Sport und Spiel MW i»tt FlMlAM l« W Die letzten Verhandlungen -er Generalversammlung des Katholischen Deutschen Frauenbundes Machtvoll, wl« di« Tagung begonnen, war auch die Kundgebung, mit der am Donnerstag abend der Kaih. Deutsche Frauenbund seine Beratungen abschlotz. Frau Ministerialrat Weber eröffnete die leiste öffentliche Schlußversammlung init einem Telegramm, das, im Namen des heiligen Vaters, Kardi nal Gasparri gesandt hatte: Der heilig« Vater geruht, den Aus druck der Ergebenheit entgegenzunehmer. und wünscht, dag die Versammlung zum Wachsen des christlichen Lebens beitrage im Leben des einzelnen, der Familie, der Gesellschaft, und indem er das Wirken des Kathol. Frauenbundes hoch «inschätzt, sendet er vou Herzen den ap^tolischen Segen. Mit besonderer Freud« und oft unterbrochen vom Jubel der Versammlung wurde auch die Begrüßung einer Deutsch-Amerikanerin, auch Mitglied des Kathol. Frauenbundes, ausgenommen. Deutsche Worte aus deut schen Herzen waren es, mit denen die Vundesschwestern aus Amerika ihren deutschen Schwestern Grüße aus ihrer neuen Hei mat brachte und von ihrem Leben drüben erzähle. Es kommen sodann eine Reihe von Entschließungen aus den Arbeitsgemeinschaften zur Erledigung. So nahm die Arbeits gemeinschaft der Haus- und Landfrauen Stellung zu den diese Kreise besonders interessierende Fragen. Eine weitere Ent schließung erkälte, daß nur in der Bekenntnisschule Unterricht und Erziehung voll im Geiste des katholischen Glau bens gestaltet werden könne, daß nur durch sie die Einheitlich keit der Erziehung zwischen der Schuir und dem katholischen Elternhaus ermöglicht werde. Die 10. Generalversammlung des Kathol. Deutschen Frauen, oundes erkennt die Notwendigkeit der körperlichen Ertüchtigung unserer Jugend, sie empfiehlt auch für die Mädchen Turnen, Spiel und Sport, wendet sich aber auf das entschiedenste gegen deren Auswüchse, die heut« vielfach die Gesundheit und gute Sitte bedrohen. Der Kreis der geistigen Berufe beschäftigte sich mit den Problemen vom Wesen der geistige» Arbeit und von den Be ziehungen der geistigen Arbeit zur Lebensnähe. Die Auswirkung der geistigen Kräfte in Kultur, Volkstum, Kirche und Frauen- gemeinschast wurden zum Problem gestellt. Es folgten eine Reihe von Forderungen auf allen Gebieten, wo Frauenschafsen und Frauenwirken gestützt und gefördert werden kann. — „Schaffende und tragende Kräfte im Frauen-Berufsleben der Gegenwart" hieß das Thema des letzten großen Vortrages von Frl. Dr. Krabbel, der di« Generalversammlung ab- schloh. Es wurde zugleich Rückschau auf das in der voransge- gangenen Tagung Erarbeitete wie Vorschau auf die Zukunft in der das Frauen-Berufsleben erst seinem eigentlichen Sinn entgegengesllhrt werden soll. Zum Schluß danke Frl. Webet der Bundesvorsitzenden und gab den Teilnehmerinnen als Gedenken an diese reiche Tagung mit: das Vorbild der Aebtissin von Esse», das zeigt, wie ein reiches Lebe» der Arbeit und doch ein stiller innerer Friede in Zurückgezogenheit möglich ist. — Und das Andenken an das hämmernde Treiben, Schassen und Wirken all der Werktätigen in dieser gastlichen Industriestadt, das sich überall da wicder- findet, wo der Mensch wirket und arbeitet. Nach Orgelvortrag und Chordarbietungen schloß die erste Vorsitzende die 10. Generalversammlung mit herzlichen Dankes und Abschledsworten für alle, die mitgeholfen haben, daß diese Tagung geworden. ^ Der Vortrag des Abends: „Beruf und Leben »füll«"» von Frau Dr. Sollt mann-Guben fand begeistert« Zu stimmung bei den zahlreich erschiene,re» Zuhörern und Teil nehmerinnen. Kaum eine andere Frage ist so brennend gerade für die berufstätige Frau und unsere Jugend, wie die: Kann die berufstätige, die unverheiratete Frau zu Lebensfillle gelan gen? Der Nöten vieler Millionen Frauen gedenkend hat der Katholische Frauenbund seine Bedenken zurückgestellt und sich entschlösse», mit heiliger Ehrfurcht vor den Geheimnissen des Lebens diese, die berufstätige Frau zu tiefst bewegende Frage auf der Generalversammlung zu behandeln. Die frühere Frauenbewegung glaubte, mit dem Beruf sei der Frau zugleich di« Lebensfüll« gegeben. Das ist ein Irrtum. Die Frauen von damals wurde» mit der Inangriffnahme eines Berufes heraus- gehoben aus einem Leben, das leer war. Das Hinaustreten in die Welt und in die Arbeit brachte ihrem Leben einen Sinn, einen Zweck. Sie gewannen Selbständigkeit. Das Bewußtsein, Pionierarbeit zu leisten, gab ihnen Kraft und Freude, Lebens lust. und damit glaubten sie die Lebenssülle zu besitzen. Heute gibt es kaum noch Hindernisse im Frauenberuf, wenigstens grund- sätzlich nicht. Bei dem Eintritt in das Berufsleben kommt der Frau von heute nicht mehr das Siegesbewußtst»», das ihre Vor gängerinnen erfaßte, dazu kommt, daß heute die Frau ganz anders gerüstet in den Beruf geht. Unsere heutige Zeit krankt daran, daß sie den Begriff der Liebe zu eng faßt. Wenn 'wir von Liebe sprechen, so haben wir meistens oder ausschließlich v,e Beziehungen zwischen Mann und Frau im Auge. Solange die meisten den Begriff der Liebe so eng fassen und doch, ins besondere bei der Frau, den Besitz dieser Liebe mit der Fülle des Lebens identifizieren, kann es nicht besser werden. Wir müssen ganz verwirklichen, in der kleinsten täglichen Handlung, was z. B. das „Schwestersein" bedeutet, verwirk lichen, was wir „Brüder" haben dürfen unter den Menschen. Wir dürfe» Freundschaft erleben in ihrer unsagbar beglückenden Fülle, die bedeutet, daß wir die Seele des Freundes in Herzens freiheit fasten und tragen aber auch ertragen. Der Wcrtstnn für den Begriff „Freundsein" ist uns verloren gegangen. Frei, nicht uns anklammcrnd voll Bangigkeit vor der Leere des Lebens sollen wir den Freund lieben, nicht den andern unfrei durch uns werden lassen. Auch die Form der Mütterlichkeit soll nicht darum gepslsgt werden, damit unser Leben ausgefüllt werde, Selbstsucht und Unwahrheit werden Dadurch aufgezogen. Nicht um unscretwillen ist jemand da. Die Mütter sollen die Kinder nicht halten wollen, nicht ihnen die Kraft nehmen, sollen sie leben laste», nicht ver lassen. Sich dem Leben stellen heißt das Schicksal auf sich nehmen wie es herankommt, sich durchkämpfen durch Angst vor Gefahren, ein freudiges „Ja" zu diesem Leben sprechen. Wir brauchen nicht zu verzichten: auch di« Heiligen haben nicht verzichtet. Die Grundvoraussetzung zur Gewinnung aller Lebenssülle ist. daß wir die Liebe erweitern, großmachen, den innersten Raum in uns wirklich öffnen, dann brauchen wir nicht zu fürchten, ob unsere Schale gefüllt werde. So nur werden wir das Erleben der Heiligen kennen lernen: das uns alles, was wir geschöpflich lieben können, transparent wird und hindurch scheint der Glanz Gottes, den lieben zu dürfen mit aller Fülle unseres Herzens unserem Leben die einzig wahre Fülle in der Freiheit der Kinder Gottes geben kann. Kolomak die gleiche Rolle? Und hinter diesen Tragödien einzelner steht die düstere Wolke, die mehr und mehr die Entwicklung des Familienlebens in Deutschland be schattet: der Geburtenrückgang, der in Deutsch land heute einen Stand erreicht hat, wie wir ihn vor dem Kriege in Frankreich wahrnehmen und als ein Zeichen des Niederganges dieses Landes airsahen. Abgründe des Gemeinschaftslebens tun sich hier auf, von denen wir nicht wissen, wie unser Volk über sie hinweg den Weg in die Zukunft finden soll. Die Familie, die Grundlage des staatlichen und gesellschaft lichen Lebens scheint ln ihren Grundfesten unterhöhlt. Der Christ aber — ivas soll er angesichts dieser furchtbaren Dinge tun? Sehr klar ist zunächst, was er nicht tun soll: nicht verzweifelt die Hände zusammenschla- gen ob der verderbten Welt oder gar pharisäerhaft ur teilen über die, die in die Abgründe gestürzt sind. Gewiß ist es christlich, das Seinsollende mit aller Schärfe zu be tonen. Ebenso christlich aber ist es, angesichts des Scha dens an die Besserung mehr als an den Tadel zu denken. Die Gründe der Mißstände muß man klar erken nen, wenn man dagegen ankämpfen will. Die Entwick lung, die zu einer so weitgehenden Erschütterung des Fa milienlebens geführt hat, ist oft genug von christlicher Seite dargelegt worden; wir erinnern nur au die Bücher von Hermann Muckermann. Da aber angesichts der Fülle von Sensationsprozessen es den Anschein hat. als würde über den Einzelfällen das wesentliche übersehen, möch ten wir kurz auf die wichtigsten Dinge Hinweisen: Einmal sind materielle Gründe die Ursache des Verfalls. Krieg und Inflation, Wohnungsnot und Verarmung ha ben unsägliches Elend über Tausende von Familien ge-