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.1 UN- Tageblatt. Amtsblatt für die königlichen und städtischen Behörden zn Freiberg und Brand. Lermttvortticher Redakteur Julius vrauu i» Freiberg. -- « Erscheint jeden Wocherttaa Abend« S Uhr für dm I andern Tag. Preis vierteljährlich 2 Mark 2S Pf., I » zweinumaüich 1 M. SV Pf. u. ekmwnatl. 7b Pf. I . 31. Jichr,«,, Sonnabend, dm 13. Dezember. Inserate werd« bi» Vormittag» 11 Uhrimgenvm. l mm und beträgt der Drei» für die gefpalt««Zelle I oder derm Raum 1b Pfennige. s v« Ver Haufirhan-el. Am Mittwoch gab eine Petition des Setlermetster Steyer und Genossen gegrn den Haustrhandel mit Seiler- waaren der Zweiten Kammer erwünschte Gelegenheit, über haupt auf das Prinzip derartiger Handelsspekulationen einzugehen und die Regierung zu einer Erklärung darüber zu nöthigen, in welcher Richtung eine Abänderung der jetzigen Gewerbegesetzgebung zu erwarten sei. Vom Mi- nistertische wurde durch Herrn Geh. Regierungsrath Meusel geantwortet: „Weil die Revision der Gewerbeordnung sich noch im vorbereitenden Stadium befindet, kann über die Richtung und da» endliche Resultat dieser Revision hier eine weitere Mittheilung nicht gemacht werden. Dagegen bin ich in der Lage zu konstatiren, daß die dem Reichskanzler gemachten Vorschläge der sächsischen Regierung die Tendenz der Einschränkung des Gewerbebetriebes im Umherziehen verfolgen. Die verschiedenen speziellen Anträge, die von Seiten der sächsischen Regierung an den Reichskanzler gerichtet worden sind, kann ich nicht füglich hier auf zählen. Allein ich will bemerken, daß unter Anderem vorgeschlagen ist, die örtliche Anmeldungspflrcht der Hausirer allgemein vorzuschreiben, und daß namentlich auch zur Erwägung gegeben worden ist, ob sich nicht der Gewerbebetrieb im Umherziehen überhaupt innerhalb der einzelnen Verwaltungs- resp. Regierungsbezirke abhängig machen lasse von dem Maße des vorhandenen Bedürf nisses, wie es schon in Bezug auf gewisse Kategorien von Gewerbtreibenden im Umherziehen, nämlich Diejeni gen, welche unter 8 59 der Gewerbeordnung fallen, ge schieht und Rechtens ist. Was die Frage der kommunalen Besteuerung der Wanderlager anbelaugt, so unterliegt auch dieser Gegenstand der Erwägung und Berathung. Vor allen Dingen handelt es sich darum, das Hinderniß aus dem Wege zu räumen, welches die sächsische Regie rung bisher noch in 8 8 des Freizügigkeitsgesetzes erblicken zu müssen glaubte, worauf wiederum diejenigen Bestim mungen unserer Gemeindegesetzgebung beruhen, welche ebenfalls als einer wirksamen kommunalen Besteuerung der Wanderlager im Wege stehend bisher angesehen worden find. Es ist zu hoffen, daß sich in nicht ent fernter Zeit auch dieses Hinderniß beseitigen lassen werde, da das Entgegenkommen von Seiten der Reichs- regierung zur befriedigenden Regelung dieser Angelegen heit, soviel 8 8 des Freizügigkeitsgesetzes betrifft, nach dem bisherigen Verlauf der Sache angenommen wer den darf." Es ist eine von der Statistik längst nachgewiesene That- sache, daß diejenigen Berufszweige, welche der Erzeugung, Bearbeitung und Veredelung von Waaren gewidmet sind, bet Weitem nicht so an Angehörigen zugenommen haben, als die mit Vertheilung der Waaren beschäftigten Katego rien. Das ist an sich schon bedauerlich; denn sobald vom Handelsverkehr mehr Leute leben wollen als unbedingt nothwendig ist, so werden die Waaren unnütz vertheuert und der Produktion die Kräfte entzogen. Noch schlimmer wird die Sache dadurch, daß gerade diejenigen Arten des Handels, deren Uebergewicht am schädlichsten wirkt, am üppigsten emporschießen. Wir rechnen hierzu auch den Hausirhandel. Es liegen uns Schmöllers Zusammen stellungen vor und darnach wuchs beispielsweise im preußi schen Staate innerhalb des Zeitraumes von 1837 bis 1861 die Zahl der Hausirer um mehr als das Doppelte. Es kamen nämlich auf 100000 Einwohner in der Provinz 1837: 1861: Preußen 29 93 Posen 69 127 Brandenburg 112 213 Pommern 112 180 Schlesien 155 265 Sachsen 131 383 Westfalen 194 324 Rheinland 101 293 Hausirer; ihre Zunahme ist also innerhalb eines Menschen alters eine ganz bedeutende. Und sie dauert seit 1861 jedenfalls in verstärktem Maße fort. Ist aber diese große Ausdehnung nothwendig oder auch nur ungefährlich? Wir möchten das sehr stark bezweifeln. Der Hausirhandel ist nothwendig und erfüllt eine volks- wirthschastliche Mission, wo die Vertheilung der Waaren noch in den Anfangsstadien begriffen ist; wo es an leb haftem Verkehr, an Mittelpunkten für das Geschäft fehlt und wo also einem Bedürfnisse genügt wird, wenn die Waaren von Haus zu Haus feilgeboten werden. Auf dieser niedrigen der wirthschaftlichen Ent wickelung befinden wir uns aber Heutezutage nicht mehr. Eisenbahnen, Straßen, der erleichterte Postpacketvelkehr sorgen jetzt dafür, daß die Kunden selbst in den abge legensten Gegenden sich ohne große Mühe alles Dasjenige verschaffen können, was sie wirklich brauchen. An Angebot von Waaren ist überhaupt kein Mangel; Preiskourante, Waarenproben, Geschäftsempfehlungen bringt fast jeder Postbote dem Kunden täglich in's Haus. Die Zeit, wo man in abgelegenen Dörfern sehnsüchlig dem Hausirer ent gegensah, welcher allerhand neue Sachen mitbrachte, ist längst vorüber. Was also soll noch der Hausirer? Er kann höchstens durch Zudringlichkeit und Mundfertigkeit die Leute veranlassen, das zu kaufen, was sie nicht nothwendig brauchen. Diese Wirkung aber ist wirthschaftlich ein großes Uebel. Daß die Hausirer außerdem aber, wie die Wanderlager, dem stehenden Gewerbebetriebe eine schädliche Konkurrenz bereiten; daß der Käufer beim Hausirhandel nur selten eine Gewähr für die Güte der Waaren hat, das wollen wir nur ganz kurz andeuten, weil über diesen Punkt wohl Einigkeit herrscht. Wohl aber muß auf die schweren sitt lichen Gefahren hingewiesen werden, welche insofern ent stehen, als der Hausirhandel vielfach nur zum Schutzmantel für Vagabondenthum, Müssiggang, allerhand Laster und sittliche Verwahrlosung dient. Schon darum wäre es ge boten, diesem Zweige des Handels etwas größere Aufmerk samkeit von Seiten des Staates zu schenken, als es neuer- d'.ngs geschehen ist. „Die Fortdauer des Gewerbebetriebes im Umherziehen auf der Bildungsstufe, worauf sich Deutschland befindet, ist eine merkwürdige Erscheinung; eine Nothwendigkeit der selben ist durchaus unerweislich" — so schrieb Rönne schon 1851. Und wir brauchen nur auf das oben angeführte Wachsthum innerhalb des Zeitraumes von 1837 bis 1861 hinzuweisen, um den Nachweis zu führen, daß der nach Rönne's Ansicht nicht nothwendige Hausirhandel zahlreiche kräftige Hände der produktiven Arbeit entzieht, bei welcher sie recht gut zu brauchen wären. Mit einem Wort: der Hausirhandel ist heute nicht nur nicht nothwendig, sondern absolut schädlich. Darum fort mit ihm! TageSjHau Freiberg, 12. Dezember. Das preußische Abgeordnetenhaus genehmigte gestern die von der Kommission zur Eisenbahnvorlage beantragten und von uns in Nr. 286 namhaft gemachten Resolutionen, betreffend die für die Eisenbahnverwaltung maßgebenden Grundsätze, unter Aufforderung an die Regierung, der gegebenen Zusage gemäß noch in gegenwärtiger, oder doch in nächster Session die entsprechenden Gesetzentwürfe vorzutegen. Abgelehnt wurde der Antrag Roeckerat's, betreffend die Zu stimmung des Landtags zur prozentualen Erhöhung der Tarife. Die Berathung der auf Eisenbahnräthe bezüglichen Bestimmungen und Resolutionen wurde hinter die heute stattfindende dritte Lesung der Eisenbahnvorlage zurückgestellt. — AuS Berlin kommt die Nachricht von der in Aussicht stehenden frühen Berufung des Reichstages im nächsten Jahre, so daß ein Zusammentagen der Reichsvertretung'mit dem preußischen Landtage abermals eintreten dürste, wenn gleich die preußische Regierung wiederholt den Wunsch quS- gesprochen hat, die Landtagssession möge sich nicht bis in's Frühjahr erstrecken. Der Reichstag geht einer sehr wichtigen und inhaltreichen Session entgegen, die Aufgaben, mit denen er sich zu befassen haben wirb, sind in weiteren Umrissen bereits bekannt. Neben der Vorlegung des Entwurfes über die Verlängerung der Etats- und Legislaturperioden wird ihn die Verlängerung des Sozialistengesetzes beschäftigen, unentschieden ist es noch, ob das Gesetz über die Eisenbähn- tarife ebenfalls zur Berathung kommen wird. Der preußische Landtag hat sonach alle Ursache, die ihm jetzt vom Minister des Innern vorgelegten fünf Gesetzentwürfe über den Aus bau der Verwaltungsreform so schnell als möglich in An griff zu nehmen. Jedoch traten gestern unter dem Vorsitz des Präsidenten Köller die Delegtrten der Fraktionen zu sammen und sprachen sich nahezu einstimmig dahin aus, die erste Lesung der Verwaltungs- und Reformgesetze erst nach den Ferien vorzunehmen. — Den Börsenblättern zufolge haben die Verhandlungen der Delegiiten der rheinischen Eisenbahn mit den Kommiffarien der Negierung zur Einigung der Unterzeichnung des vorläufigen Vertragsentwurfs nicht geführt. Die Hauptdtfferenz bildet, daß die Regierung pro 1879 nur eine Dividende von 7 Prozent gewähren will, während die Delegtrten der rheinischen Bahn eine früher angesammelte Reserve beanspruchen, welche diese Dividende auf etwa 8>/z Prozent erhöhen würde. — Der Kaiser em pfing gestern Nachmittag den 2 Uhr 30 Min. eingetroff nen Grafen Schuwaüff, welcher sich sodann zum Kronprinzen begab. Ueber die Schulbildung der Rekruten der deutschen Armee und Marine bringt das Oktoberheft der Monatshefte zur Statistik des deutschen Reichs ausführliche Mrttheilunqen, aus denen hervorgeht, daß von den 143119 im Eclatzjahr 1878/79 eingestellten, bezw. geprüften Rekruten 2574 gleich 1,80Proz. weder lesen noch ihren Namen schreiben konnten. Von diesen letzteren kommen 1936 aus den östlichen Theilen des Reichs, nämlich den Provinzen Ost- und West preußen und Posen und aus dem Regierungsbezirk Oppeln, was mehr als 8 Proz. der Schulbildung gänzl ch er mangelnde Rekruten in den dortigen Landeslheiien ergiebt. Aus allen anderen Bezirken des preußischen Staates kommen nur 332 Rekruten ohne Schulbildung gleich '/» Proz.; aus Baiern 101 gleich V» Pcoz ; Sachsen 19 gleich 1/4 Proz. ; Württembe g 3 gleich 0,05 Proz. ; Baden 3 gleich 0,06 Proz; Elsaß-Lothrtngen 149 gleich 3 Proz.; Hessen 6 gleich 0,2 Proz.; Mecklenburg-Schwerin 8 gleich 0.4 Proz. ; Braunschweig 6 gleich 0,6 Proz. Der kleine Rest der gänzlich Btldungslosen vertheilt sich auf Anhalt mit 4, Koburg-Gotha mit 2, Sachfin-Weimar, Oldenburg, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Altenburg, Waldeck mit je 1. Die hier nicht genannten deutschen Staaten stellten Rekruten, welche die, freilich sehr bescheidenen, Anforderungen der nach tz 12 der Rekruttrungsordnung angestellten Prüfung sämmtlich erfüllten. Der volkswirthschaftliche Ausschuß des österreichische« Abgeordnetenhauses hat die Verlängerung der Handelsver träge mit Deutschland und Frankreich angenommen. Eine gemeinsame Ministerkonferenz beriech gestern über die Ver handlungen des mit Deutschland abzuichli ßenden Vertrages und nahm die Berichte der österrerchifch-ungarischen Bevoll mächtigten über ihre Berliner Mission entgegen. — Das ungarische Unterhaus nahm unverändert den Gesetzent wurf über die Militärtaxe und die Verlängerung des fran zösischen Handelsvertrages an Dre Regierung brachte eine Vorlage über die theilweise Bedeckung des nächstjährigen Defizits durch Beschaffung von 14 Millionen Gulden im Wege der Kreditoperation ein, nämlich entweder durch Ver äußerung von 14 Millionen Gulden Goldrenten von noch