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Amtsblatt des Kgl. Bezirksgerichts zu Freiberg, sowie der Kgl. Gerichtsämter u. der Stadträthe zu Freiberg u. Brand. .4-164. ekschetar l. je». Wkchest. ui. tu. für den and. Ua-, Znser. «erden di« B. 11 U. für nächste Sk. angen. Sonnabend, 18. Juli. «Kei» »tuuljihrli A) M«. werten die,tfpalt«ne Zeile »»er »er« Raum mit 1 istgr. berechnet. 1874. * Freiberg, den 16. Juli 1874. Gerade am vierten Jahrestage jener denkwürdigen Ereignisses in EmS, welche- den Anfang zu dem welterschütternden Um schwung in der Stellung der europäischen Nationen zu einander bildete, richtet eine ruchlose Hand die Mordwaffe auf den Mann, dem wir vorzugsweise die Neubildung des deutschen Reichs danken. Der Genius Deutschland- wandte die Gefahr von ihm ab und wollte nicht, daß der Tag, der Deutschlands stolze Erhebung be zeichnet, zugleich ein nationaler Unglückstag werde. Noch ist der Schleier nicht gelüftet, welcher die geheimen Fäden des Verbrechens bi» zu seinem eigentlichen Ursprünge verhüllt. Nur die Freud», daß dem Mörder sein blutiges Handwerk nicht gelungen, und der innige Dank gegen Gott, dessen allmächtige Hand die Kugel von ihrem Ziele ablenkte, vermögen dem Sturm der Entrüstung über die Frevrlthat da- Gleichgewicht zu halten. So hat ihn denn Gott errettet vor der Hinterlist und Nieder tracht seiner Feinde und hat damit der jungen Schöpfung des deutschen Reiches den Mann erhalten, dessen hohe geistige Befähi gung und starke Willenskraft beim weiteren Ausbau unseres deutschen Vaterlandes noch viel zu thun finden wird. Sobald aber tiefer Gedanke auf alle wahren VaterlandSsreunde zu wirken beginnt, regen sich auch zugleich die ersten Reflexionen über die Schandthat und ihren Urheber. Die Frage liegt so nahe: was in aller Welt konnte den Magdeburger Böttchergesellen zu einem Mordversuch auf Bismarck treiben? Die Zukunft wird die bestimmte Antwort darauf nicht schuldig bleiben. Ist es wahr, daß Kullmann Mitglied des katholischen GesellenvereinS in Salzwedel ist und daß man ihn vielfach im Verkehr mit einem katholischen Priester gesehen hat, so möchte man fast Mitleid mit einem Menschen fühlen, der allem Anscheine nach durch finstere Mächte seiner eigentlichen Sphäre entrissen und zu einem blinden, willenlosen Werkzeuge der politischen oder religiösen KanatiSmuS herabgewürdigt worden ist, dem man den Grundsatz eingeprägt hat: der Zweck heiligt die Mittel — und wäre das Mittel selbst Meuchelmord. Fürwahr, diese That ist ein neues Moment aus dem erbitterten Kampfe, der gegen die Kultur des neunzehnten Jahr hunderts, gegen das neue protestantische deutsche Kaiserreich, gegen die neue kirchenpolitische Gesetzgebung von einer Seite her geführt wird, die den Wahlspruch: „man muß Gott mehr gehorchen, als den Menschen" im Munde, des Teufels Anschläge aber im Herzen, Gist und Dolch in der Hand führt! Die Früchte aller Aufrei- MM in Reden und in Schriften fangen an zu reifen und es ist hohe Zeit die Augen weit zu öffnen, und dem verbrecherischen Treiben der Finsterlinge ein laute- Halt zu gebieten. Tief wäre es zu beklagen, wenn das erbitterte Volk den Mörder gelyncht hätte, denn jetzt dürfen wir hoffen, über die moralischen und intellektuellen Urheber der That Aufklärung zu erhalten. Nicht ohne Interesse ist übrigen- eine Mittheilung der „Spen. Ztg.", aus welcher hervorgeht, daß Fürst Bismarck den Gedanken, eines Tages vielleicht von Mörderhand zu fallen, schon vor Jahren mit sich herumgetragen hat. Es war damals, erzählt di» erwähnte Zeitung, in einer parlamentarischen Soirüe beim Reichskanzler von der wunderbaren Fügung die Rede, daß trotz der furchtbaren Er bitterung der Franzosen gerade gegen seine Person und trotz Außer achtlassung aller Vorsichtsmaßregeln bei seinem öffentlichen Auf treten niemals ein Mordversuch gegen ihn unternommen worden sei. Darauf äußerte Fürst Bismarck: „sein Leben stehe in Gotte- Hand und er sei stets bereit, dasselbe der Sache Deutschland- zu opfern. Uebrigens," fügte er hinzu, „gebe e- Meuchelmörder leider auch im Frieden so gut, wie im Kriege." Und lächelnd bemerkte er noch: „ES wäre vielleicht gar keine üble Einrichtung, wenn man, wie für das Wild, auch für exponirte Minister eine Schonzeit ein- führte, während deren nicht auf sie geschossen werden dürste, dann wüßte man doch, woran man wäre." Die Aeußerungen errtgten große Aufmerksamkeit. Kurz vorher hatte die Geschichte eines ge wissen Westerwelter gespiett, welchem man die Absicht eines Atten tats auf den Fürsten zur Last legt«; die klerikalen Blätter hatten sich damals sehr über dieses „Attentat" moquirt, welches sie für „eine Erfindung Stiebers" ausgaben. Die Ansicht aber wurde schon damals ausgesprochen, daß allerdings das Leben Bismarck'-, bei fortgesetzter Appellation der ultramontanen Partei an den religiösen Fanatismus, bedroht sei. Taaesgeschichte. Am 15. Mittags stattete der deutsche Kaiser den Fürstinnen Schönburg und Dietrichstein und dem Grafen Wimpffen Besuche ab. Nach der Hoftafel erfolgte um 4z Uhr die Abreise. Die Hof staaten, der Graf und die Gräfin Wimpffen verabschiedeten sich von dem deutschen Kaiser im Hotel Elisabeth. Nach herzlicher Um armung wurde Se. Majestät von dem Kaiser von Oesterreich und dem Kronprinzen, welche preußische Uniformen trugen, zum Wagen geleitet. Am 15. Abends 8 Uhr traf Se. Majestät der deutsche Kaiser von Ischl in Salzburg ein und reiste am 16. Morgens mit Extra post nach Gastein ab. Eine offizielle Verabschiedung hat nicht stattgefunden. — Außerordentlich zahlreich sind di« Sympathie-Tel«gramme, die dem Fürsten Bismarck au» allen Theilen Deutschland» zuge- gangen find; von Berlin, Breslau, Bremen, Köln, München, Stuttgart, Karlsruhe rc. rc. haben Magistrat, Stadtverordnete und Bürgerschaft ihrer Freude über die glückliche Fügung des Himmel», welche die Gefahr vom Reichskanzler abwandte, Ausdruck gegeben. — Der Kissinger „Saale Ztg." entnehmen wir noch folgende nach dem Attentat geschehene Einzelheiten: Nachdem (am 13. Abend») eine Deputatton de» StadtmagtstratS dem Fürsten ihren Glück wunsch ausgesprochen hatte, geschah gleiche» bei dem Fackelzug durch eine Deputatton von Kurgästen, bei welcher der von dem Attentäter in die Hand gebissene Hofsänger Lederer von Darmstadt den Sprecher machte. In seiner Erwiderung sagte Fürst BiSniarck r „Meine Herren, ich danke ihnen für die Glückwünsche, die Sie mir so passend gerade durch Herrn Lederer zum Ausdruck bringen, der dabei noch schlechter weggekommen, als ich selbst. Denn nach mir hat er wenigstes wie ein Mann geschossen, Herrn Lederer aber