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Dresdner Journal : 25.01.1879
- Erscheinungsdatum
- 1879-01-25
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-187901258
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18790125
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18790125
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1879
-
Monat
1879-01
- Tag 1879-01-25
-
Monat
1879-01
-
Jahr
1879
- Titel
- Dresdner Journal : 25.01.1879
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O 2V Sonnabend, den 25. Januar. 1878. Ldt»a»e»«i>ttpre1»r Iw xwniL ü«ut»ck«L >«t»L» : ^LllrUeN: . . IS Kitrk. )t^drUok: 4 K»u* LO?k. k^ummsr»: 10 kf 4»»»»r^»Id cj« d«ut»e>,su Keieds» tritt kost- uvU 3t»i>p«Irui«cl>I»8 Niuru. losorLteupieis« r kür N«a N»uw «io«- AsspiUteooll kstitroilv SO kf. vot«r „Ling—iwät" äi« 2eit« LV kk. kreekel»«»: PL^Iivk mit »»n^kins dsr 8oav- uoä kei»rt»8k XbsacI» skir cl?a folgenden ^»8- Dres-nerIournal. Verantwortlicher Redacteur: Hofrath I. G. Hartmann in Dresden. Io8er»t«»»»Q»U»e »o,MLrts , Lsixit»: F> Lran«lÄett«r, Lomwi»iooLr äs» Ors«iQ«r äouiULt»; L»»diuF->«rU» Vt»a L«tp»t^ L—l ->r»«U» kr»o>lfu> t «. N : //aa»«nste»x L ko-ter, L»r1>» Vl»»-S»wdarU- kr»^w »LL«L,u^ 7t «td ^to«»e, L»rU»: L dtorntct, /«pa?iäsn<i«^t, Lr»w»o: LcLiotte, Lr»»I»u: Stan-en'» öürssu; vLiouüt, F>. kv«-t ; kr»LLtirrt ». N.! F FaeAe^vok« o. F ^/errman»»- »cde öuodi»i»vdtuo8! NörUt»: 6 ZkMer, L»LL»v»r: <7. 8cLü»»/er, kwä» L»rlm - kr»LLkiu-t ». N. Da«de L vo., L»wdurx: F LVeuäAe», ^4d N«r»u»8ederr Xvoiel. Lipeditdo» äs« OrssNosr dourvtU«, Dresden, ^viv^erstrüsse Xe iv. Nichtamtlicher Theil. Telegraphische Nachrichte». Wien, Donnerstag, 28. Januar, Abends. tW. T. B.) Die von der Rordbahn ergriffene PravkilNvnmprtgel argen die Einschleppung der Pest besteht auch bei der Lemberg Ezernowitz- Jaffyer Bahn, und ist demgemäß aus der Grenz station nach Rumänien ein Wagevwechsel ange- ordnet. (Vgl. die „Tagesgeschichte".) Wien, Freitag, 24. Januar. (Tel. d. Dresdn. Journ.) Die „R. fr. Pr." meldet, daß dir Mit- glirder Oesterreich- und Drutschlavds sich dahin greinigt haben, in der heute zusammentretenden Pestcommisfion folgende Maßregeln zu unverzüg licher Durchführung zu beantragen: l) Entsendung von Aerzten in die von der Epidemie heimgesuchten Städte, um Charakter, Verlauf und räumliche Ausdehnung der Epidemie zu studiren. 2) Unbeschränktes Einfuhrverbot für alle Waaren aus inficirten Gegenden und für gewisse Waaren aus Rußland. 3) Eine 20tägige Quarantäne in allen östlichen und südlichen Einbruchstationen für aus verfeuchten Gegenden kommende Personen. Die österreichische Regierung beabsichtigt, im ReichSrathe eine Vorlage über die Kosten dieser Vorsichtsmaßregeln einzubringen. Vertreter Ruß lands werden zu der beginnenden Konferenz er wartet. Buda-Pest, Donnerstag, 23. Januar, Abends. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung des Finanz ausschusses deS Abgeordnetenhauses berichtigte der Finanzmiuister die Mittheilungen der Journale über seine gestrige Auseinandersetzung dahin, daß nicht 211 Millionen Rente verkauft und 21 Millionen zurückbehalten, sondern 221 Millionen Rente verkauft und nur 11 Millionen zurückbe- halten worden seien. Paris, Freitag, 24. Januar. (Tel. d. Dresdn. Journ.) Dem Vernehmen nach soll der Marschall- Präsident Mac Mahon bei dem gestrigen Empfange im Elysäe dem Präsidenten der Deputirtenkammer, JuleS Gr^vp, erklärt haben, er (Mac Mahon) würde seine Entlassung nehmen, falls den ehe maligen Mitgliedern des Cabinets vom 1k. Mai 1877 der Proceß gemacht würde. Der Schnee liegt hier 50 em hoch. Versailles, Donnerstag, 23. Januar,Abends. (W. T. B.) Zn der heutigen Sitzvng der Depu- tirtevkammer wurde vom Kinanzministrr L<wn Say daS Budget pro 1880 vorgelegt. Die Kammer beschloß, den Antrag Laisant'S (von der Linken), der daraus abzielt, dir Militärdienstzeit auf 3 Jahre herahzumindern, in Erwägung zu nehmen; der Antrag wird demnach zur DiScusfion gestellt werden, obschon man seine Annahme in der Kam- mer selbst für unwahrscheinlich hält. Gegen da» Eade der Sitzung stellte der Bonapartistische De- putirte Laroche-Jouvert den Antrag, daß die Kam mer bei dem fortgesetzten starken Schneefall ihre Sitzungen in Paris abhalte, biS mildere Witte rung eingetreten sei; dem Anträge wurde indeß keine Folge gegeben. Die Kammer beschloß viel mehr, morgen wieder in Versailles zur Sitzung zusammenzntrrtev. Rom, Donnerstag, 23. Januar, AbendS. (Tel d. Dresdn. Journ.) Der Senat hat heute daS Justiz- budget geucbnngt. Im Laufe der Debatte besprach der Justizminister die Bezirhuuge« zwischen der Kirche und dem Staate und drückte die Hoffnung auS, die ruhige, edle Sprache deS Papstes werde eiueu günstigen Eindruck machen und den Bischöfen alS Vorbild dienen. Alle Bischofssitze, für welche dem päpstlichen Stuhle das alleinige Verleihung»- recht zustrht, ausgenommen 4, hätten daS Lxviuu- tur erhalten. Die Schwierigkeit der Frage bestehe für dir Kirche in dem königlichen Patronate; daS Ministerium werde sich bemühen, auch diese Krage zu vereinfachen. Die Zahl der dem königlichen Patronate unterstehenden Bischofssitze betrage gegen 100. Das Ministerium werde überall, wo es mög lich sei, Erleichterungen eintreten lassen, immer jedoch die Rechte der Krone wahren. St. Petersburg, Donnerstag, 23. Januar, Abends. (W. T. B.) Die ,,Agence russe" erklärt die Meldung von neuen Complicationen bei der Unterzeichnung des definitiven Frieden- mit der Türkei mit dem Hinzufügen für unrichtig, daß nach den letzten hier eingegangenen Nachrichten eS sich nur noch um die Regelung von secundären Kragen handle, die sich auf die Kosten für den Unterhalt der Gefangenen bezögen. St. Petersburg, Freitag, 24. Januar. (W. T. B.) An Stelle deS nach Madrid versetzten der zeitigen Gesandten am königl. sächsischen Hofe, Kürsten Michael Gortschakow, ist der Geh. Rath Nelidow zum diesseitigen Gesandten in Dresden ernannt worden. Officieller Mittheilung zufolge ist in Wett- janka seit dem 21., in den andern Orten seit dem 17. d. M. kein weiterer PesterkrankungSfall vor gekommen. In Bestätigung früherer Meldungen wird mit- getheilt, daß der Emir Schir-Ali nicht nach St. Petersburg geht, sondern in Taschkend bleibt. Belgrad, Donnerstag, 23. Januar, AbendS. (W. T. B.) Die Skupschtina hat mit 90 gegen 60 Stimmen die Regierungsvorlage über die Pa- tentsteuer auf offene Geschäfte angenommen. Tagesgeschichte. Dresden, 24. Januar. Der gestrige Hofball (Kammerball) bei Ihren königlichen Majestäten begann Abends H9 Uhr. An denselben haben Theil genom men: Se. kaiferl. u. königl. Hoheit Kronprinz Rudolf von Oesterreich, Ihre königl. Hoheiten Prinz und Frau Prinzessin Georg, Se. königl. Hoheit der Erbgroß- herzog von Baden, Sc. Hoheit Prinz Alexander von Sachsen-Weimar, Ihre Durchlauchten Prinz und Prin zessin zu Liechtenstein und Prinz Otto zu Schaumburg- Lippe. Einladungen waren außerdem ergangen an das diplomatische Corps, die Herren Staatsminister rc. und waren überhaupt gegen 300 Personen anwesend. Se. Majestät der König und Se. königl. Hoheit Prinz Georg hatten die Jnhaberuniform Ihrer österreichischen Regimenter angelegt; Se. k. u. k. Hoheit Kronprinz Rudolf trug die österreichische Marineuniform. Das Souper wurde von 11 bis 12 Uhr von den allerhöch sten und höchsten Herrschaften mit den distinguirtesten Personen im Banketsaale, von den übrigen Festtheil nehmern im Ballsaale eingenommen. Gegen '/ie2 Uhr war das Fest zu Ende. Die Ballmusik war von der Kapelle des Schützenregiments Nr. 108 unter Musikdirector Werner. Heute Vormittag von 10 Uhr an hat Se. l. und k. Hoheit der Kronprinz Rudolf in Begleitung Sr. königl. Hoheit des Prinzen Georg, sowie Sr. Excellenz des Herrn Kriegsministers Generals der Cavallerie v. Fabrice und der Generäle v. Miltitz und v. Rudorfs die Caserne des 2. Grenadierregiments, daS Exercir- hauS der beiden Grenadierregimenter, das Arsenal und die Artilleriecaserne in der Albertstadt besichtigt. Se. k. und k. Hoheit wurde an den Jnfanteriecasernen von dem Offiziercorps des 2. Grenadierregiments empfan gen und nahm von allen Einrichtungen, foune im ExercirhauS von dem stattfindenden Recrutenexerciren eingehende Kenntniß. — Hierauf hat Se. kaiferl. und königl. Hoheit noch mehrere Kunstsammlungen, darunter das Grüne Gewölbe und daS historische Museum, be- sucht. Nachmittags 5 Uhr findet bei Ihren königlichen Majestäten wiederum Hoftafel Statt, an welcher Kron prinz Rudolf, fowie Ihre königl. Hoheiten Prinz und Frau Prinzessin Georg Theil nehmen und zu der auch an die Herren Staatsminister Einladungen er gangen sind. Abends 8 Uhr werden die allerhöchsten und höchsten Herrschaften mit dem hohen Gaste das neue königl. Hoftheater besuchen, wo Verdi'S Oper: „Amelia, oder der Maskenball" zur Aufführung an gesetzt ist, und Nachts 1 Uhr 10 Min. wird sodann Se. kaiserl. und königl. Hoheit der Kronprinz Rudolf mit dem Wiener Schnellzuge die Rückreise nach Prag antreten. Auf Wunfch Sr. kaiferl. und königl. Hoheit wird bei der Abreise jede officielle Verabschiedung un terbleiben. Dresden, 24. Januar. Die Kreishauptmannschaft Zwickau hat auf Grund von Htz 1 und 6 deS Reichs gesetzes vom 21. October 1878 den Männergesang verein in Werdau verboten. H. Berlin, 23. Januar. Den weitaus interessan testen Gegenstand der heutigen Tagesordnung der Sitzung des Abgeordnetenhauses bildete der be kannte Antrag des Abg Frhrn. v. Heereman: die Be vollmächtigten Preußens zum Bundesrathe dahin zu instruiren, daß sie dem Gesetzentwurf, betreffend die Strafgewalt des Reichstages über seine Mitglieder ihre Zustimmung nicht ertheilen. Der Discussion dieses Antrags gingen einige geschäftliche Mittheilungen vor aus, nach welchen vor Eintritt in die Tagesordnung der Abg. v. Meyer das Wort zu folgender persönlichen Erklärung erhielt: Meine Herren! Der Herr Präsident hat neulich erklärt, daß er kein Recht habe, außerhalb des Hauses stehende Per sönlichkeiten gegen Beleidigungen von Mitgliedern desselben zu schützen. Nach meiner Anschauung hat ein Mann, der sich selbst achtet, kein Recht, solche Personen mit Beleidigungen anzugreisen, denen jede Möglichkeit der Vertheidigung fehlt. Da ich nun neulich den Ausdruck „Frechheit" gebraucht habe und also mir selbst zu nahe getreten bin, so will ich denselben, den ich in der Erregung gethan habe, nicht aufrecht erhalten, stehe vielmehr nicht an zu erklären, daß ich den Ausdruck ge braucht zu haben, bedauere (Lebhafter Beifall). Hierauf wurde vom Hause zunächst noch eine Pe tition des Magistrats zu Suhl wegen Gewährung einer Staatssubvention von 600000 M. zur Herstel lung einer Eisenbahnverbindung zwischen Grimmenthal und Suhl nach kurzer Debatte der Staatsregierung zur Berücksichtigung überwiesen. Der nunmehr zur Berathung gelangende von sämmtlichen Mitgliedern deS Centrums unterstützte Antrag des Frhrn. v. Heereman lautet: DaS Haus der Abgeordneten wolle beschließen: Die königliche StaatSregierung aufzusordern, die Bevoll mächtigten Preußens zum BundeSrathe des deutschen Reiches dahin zu instruiren, daß sie dem dem Bundesrathe vorge legten Gesetzentwurf vom 31 December 1878, „betreffend die Strasgewalt des Reichstages über seine Mitglieder," ihre Zustimmung nicht ertheilen. Dagegen ist von Seiten der nationalliberalen und Fortschrittspartei — mit Ausschluß der Gruppe Löwe, Berger — folgender Antrag gestellt und von 153 Mitgliedern des Hauses befürwortet: DaS Haus der Abgeordneten wolle beschließen: Unter Ablehnung des Antrages des Abg Frhrn. v. Heere- man zu erkläre»: 1) daß die bestehenden Garantien der Redefreiheit, die selbstständige Ordnung deS Geschäftsganges im Par lament und der DiScipIin seiner Mitglieder die un erläßlichen Grundlagen sowohl der preußischen Ver fassung wie der Reichsversassung bilden; Feuilleton. Redegirt von Ltto Baust. Ein Rückblick auf Miß Sara Sampson. Die unübertrefflich gelungene Linstudirung und Darstellung dieses Trauerspiels wird eS veranlassen, daß diese glänzende, für unser Theater glorreiche Action noch oftmals auf unferer Bühne eine Repetition findet. DaS Werk selbst zeigt die wichtigste und vielleicht mächtigste erste Hauptstufe, welche die in Lessing ringende dramatische Literatur erstieg. Eine solche That der Production, die länger al- ein Jahrhundert sich jung und, wie wir gesehen haben, wundersam lebensfähig erhalten hat, obgleich sie nur einen der frühen Ausgangspunkte unserer Dramatik bildet, verdient wohl, daß wir zur Ehre Lessing'S und unseres eigenen Interesses wieder dabei verweilen und uns die Betrachtungen zurückrusen, welche hier der Dich tung erste- Erscheinen anregte. Wenn ich dabei auf meine eigenen Ideen zurückgreife, so finde ich, daß sie sich zwischen berechtigter Polemik und unwillkürlicher Bewunderung theilen, der letzteren, die ich hier noch ergänzen möchte, endlich das Feld räumend. Man hat das Stück zu lang, namentlich zu lang in den Reden mancher Rollen und seinem scenischen Bau (z. B. iu Bezug auf das zu frühe Erscheinen de» alten Sampson) nicht genug zugespitzt gefunden, Mängel, die sich formell leicht ändern lassen, und man hat diese Aenderungen auch unternommen. Man hob hervor, daß e» an englischen Vorbildern, an der Dürf tigkeit selbstständiger Erfindung und an dem Ton der Sentimentalitätsepoche de» englischen Familienromans (von Richardson und seiner Richtung) laborire. Man sand ferner, daß es ein zu monotones, zu düster tra gisches Gemälde sei, für seine räumliche Ausdehnung zu arm an Personen, an Handlung, an gegensätzlichen und deshalb im Ensemble echt dramatisch wirkenden Charakteren. Man sah endlich, daß die Sprache mehr Veraltetes habe, als in den andern Dichtungen Lessing'S und hielt von mancher Seite dessen summarischen Aus spruch: „daS Stück ist ein wenig zu lang und man verkürzt eS deshalb auch an den meisten Theatern" für die objectw richtigste Kritik. Ich finde, daß alle jene Einwendungen kaum mehr als nichts bedeuten. Die freieste Benutzung von den dramatischen oder novellistischen Erfindungen Anderer hat sich auch Shake speare ohne Schaden für seine originelle Größe vielfach er laubt. Sentimcnz ist im Grunde etwas menschlich ewig Berechtigtes, wenn sie uns nur in passender Weise er greift. Und nachdem „Antigone", „Lear", „Macbeth" m die Welt getreten, welches Gemälde wäre bei rich tiger dramatischer Fassung zu monoton, zu finster, zu Personen- und handlung-arm? Und bietet nicht die Sara-Sampson-Dichtung die größten Contraste in den Charakteren dar? Ist sprachliche Veraltung nicht auch ohne Küchling'sche Verballhornungen ein leicht Hinweg zuraumendes äußerliches Zeitgewand, zumal da, wo eS bei einem Lessing'schen antiken und deshalb ewig moder nen Faltenwurf, nur in einzelnen Spitzen und Fransen besteht? Und will man endlich Lessing, der sich so wenig um daS irdische Wohlergehen seiner Schöpsungen kümmerte, der sich al» Poet völlig unterschätzte, zum Richter in seiner eigenen Sache machen? Die Schwächen des Werkes scheinen mir tiefer zu liegen und in dem Ausfpruch zu wurzeln, daß „Miß Sara Sampson" trotz aller schon vor der Ausfüh rung von mir angedeuteten reformatorischen Ver dienste, trotz aller Gedankenkraft und Schärfe, trotz aller Zauber eines natürlich wahren Dialogs, trotz aller innig tiefen Empfindung und großen Züge der Charakterentwickelung doch durchaus nicht das Kunst werk einer echten Tragödie ist, sondern einzig und allein gelten kann für ein dramatisches Sittengemälde, ergreifend aber qualvoll für unser Herz und ohne Er hebung für unsern Geist durch klar motivirte tragische Schuld und poetische Versöhnung. Statt dessen blicken wir in eine Kette unglücklicher, beklagenSwerther Ereignisse, die sich an unserm Mitleid großzehren zum traurigsten Jammer, aber nicht zur erschüt ternden, die moralische Atmosphäre gleich einem Ge witter läuternden Tragik — Ereignisse, fein motivirt, wie sie das Leben gebiert (denn die Wirklichkeit moti virt am feinsten, selbst für den Dichter unsichtbar fein), aber nicht wie sie, unverändert, ein Kunstwerk auSmachen. Werden sie zu einem solchen verwoben, so geben sie, dem vorliegenden Falle analog, nicht sowohl eine Jdea- lisirung des materiellen ThatenverlaufS und seiner psychologischen Lomposition, sondern sie bilden zwischen Idealität und Realität, was man in der Chemie ein mechanisches Gemenge nennt. Das Stück besteht eigentlich nur aus drei wirklich spielenden Personen. Von diesen flößt uns die eine, Sara, das Mitleid mit einem Opferlamm ein, welche» sich uns von vornherein als ein solches ankündigt und durch. die Schönheit, Jugend und Weihe eines in Lieb« hingegebenen-HerzenS den Antheil erhöht, den wir an 2) daß gegenüber dem im BundeSrath tingebrachten Gesetzentwurf dem deutschen Reichstag die Wahrung der ihm verfassungsmäßig zustrhenden Rechte ver trauensvoll zu überlassen Ist. Der Antragsteller v. Heereman wie» bei Begrün dung seines Antrag» zunächst darauf hin, daß, da die Angelegenheiten Preußens und deS Reich» im engsten Zusammenhänge ständen, es für die preußische Regie rung wünschenswerth sei, die Stellung der Landesver tretung zu jener Vorlage zu kennen. ES folgte dieser Begründung, welche durch das plötzliche Unwohlwerden des Abg. Wagner (Stettin), der aus dem Saale ge tragen werden mußte, auf kurze Zeit unterbrochen wurde, die Verloofung der Redner, welche 7 gegen, 2 für den Antrag ergab. Vor Eröffnung der Dis cussion gab sodann zunächst der Vicepräsident de» StaatSministerium», Otto Graf zu Stolberg, im Ra men der StaatSregierung die Erklärung ab: Die Frage, ob eS als zweckmäßig zu erachten sei, über Entwürfe von Reichsgesetzen, die bereits dem einen Factor der Gesetzgebung vorliegen, schon vorher im preußischen Landtage ein Votum abzugeben, werde das Haus selbst durch die Abstimmung über den Anttag deS Frhrn. v. Heereman beantworten; was aber die Stellung, die Auffassung der StaatSregierung zu dieser Frage betreffe, so halte sie eS in der Regel für nicht angemessen, über Entwürfe von Reichsgesetzen, während sie der Discussion des Bundesraths unterliegen, sich außerhalb desselben zu äußern, und namens deS Staatsministeriums sei er daher in der Lage, die Erklärung abzugeben, daß, wenn hier Aeußerungen der StaatSregierung über den Inhalt deS Ge setzes erbeten werden sollten, die Regierung eS ab lehnen müßte, auf folche Erklärungen einzugehen. Abg. Stengel begründete hierauf namens der freicon- servativen Partei den von dieser gestellten Antrag auf Uebergang zur einfachen Tagesordnung, indem er da rauf hinwies, daß eine Discussion, welche zudem m die Competenz des Reichstags eingreife, in keiner Weise die Wohlfahrt des Landes zu befördern vermöge, und daß die drängende Geschäftslage des Hauses doch wohl dazu veranlassen müßte, alle unfruchtbaren Debatten foviel als möglich zu vermeiden. Abg. vr. Lieber plaidirte dagegen für die DiScufsion und Annahme deS Antrages von Heereman. In namentlicher Abstim mung wurde darauf mit 299 gegen 63 Stimmen der Uebergang zur Tagesordnung abgelehnt. Abg. LaSker begründete hiernach und empfahl den von den Natio nalliberalen und der Fortschrittspartei gestellten Anttag, Abg. Windthorst (Meppen) erging sich gegen einzelne Ausführungen des Abg. LaSker für den Heereman'- fchen Antrag. Abg. Hänel weist die Einwürfe Windt- Horsts zurück Der Antrag der Nationalliberalen und der Fortschrittspartei wird darauf in seinen einzelnen Theilen und im Ganzen genehmigt. Abends 7 Uhr erfolgt eine zweite Sitzung. In der Abend fitzung setzte daS HauS die Spe- cialberathung des Etats des Kultusministeriums mit Cap. 126a Tit. 14a der dauernden Ausgaben und zwar mit der neulich unterbrochenen Debatte über die Reorganisation der Gewerbeschulen fort. Nach einer längeren Debatte, an welcher sich die Abgg. Hofmann, Miquöl, Sombart und Lasker, sowie die Regierung»- commissare Geh. Rath Wehrenpsennig und Geh. Rath Lüders betheiligten, beschloß das Haus, über die gegen die Reorganisation der Gewerbeschulen gerichteten Pe titionen zur Tagesordnung überzugehen. Die übrigen Titel des Capitels wurden ohne Debatte genehmigt. Nächste Sitzung morgen. München, 23. Januar. (Tel.) Die Kammer der Abgeordneten lehnte heute die Petitionen der Han delskammern von Mittelfranken und Unterfrankcn, be treffend die Amortisirbarkeit von Jnhaberpapieren, ab und nahm einstimmig die AusführungSge etze zu der der Execution nehmen, die ersichtlich an Sara vollzogen werden soll. Die andern beiden Personen, Mellefont und die Marwood, gewinnen aber an und für sich unser menschliches Jniereffe niemals. Und dies zu gewinnen, unsere Sympathie nach irgend einer Sette hin zu er regen, ist doch selbst für den Uebelthäter in jeder Tra gödie nöthig. Das Gegentheil geschieht hier: während uns Mellefont durch verächtliche Schwäche, durch den eiteln Egoismus und Selbstcultus eines blasirten Wol lüstlings antipathisch berührt, ja während unsre letzte Theilnahme für ihn dahin ist, nachdem er sich als ein trunkener Liebesschwindler erwiesen hat, der nicht ein mal eine Viertelstunde lang in seiner Hauptlebensfrage feiner eignen Meinung ist und auf der Treppe schon wieder umwirft, was er oben im Zimmer zugesagt — während der sittlichen Todtlegung dieses Beaugar^on» wird die Frage im Zuschauer immer ernster: weswegen er eine kleine Gefühlsreserve für Mellefont sich wahren soll? Blos weil er ein menschliches Wesen, und zwar ein von Lffsing höchst natürlich geschaffenes menschliche» Wesen ist, das die gefälligen Formen de» Gentlemen» und für die verzweifelten Leiden seiner Nächsten, die er opferte, den letzten Tribut eines weichen, weibischen Herzens bereit hat? Weil er seine Verhöhnungen gegen eine unglückliche Mitschuldige mit der Versöhnung glatter Höflichkeitsformen abwechseln läßt? Llaviao handelt erbärmlich, doch er wird von dem dämonischen Geist eines Freunde- beredet und bricht Marien'S Herz, um seinem „großen Talent" die ehrgeizige Laufbahn nicht kreuzen zu lassen. Das ist doch ein Zweck, wenn auch ein sehr unsittliche» Mittel. Mellefont, der weder ein Held noch ein Talent, sondern nur ein geradgewachse» ner Bonvivant von pekuniärer Verschwendernovlesse und
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