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Hchönburatr Tageblatt Sonntag, den 6. März 54 in Wechselburg bei Herrn Schmied Weber: in Lichtenstein b. Hrn. Buchh. I. Wehrmann. Filialen: in Altstadt«aldenbürg bei Herrn Kaufmann Max Liebezsit; in Penig bei Herrn Kaufmann Rob. Härtig, Mandelgafse; in Rochsburg bei Herrn Suchhalter Fauth- in Lunzenau bei Hrn. Suchhdlr. E. Dietze; Trfchsint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Annahme von Inseraten für dis nächster- scheinende Nummer bis nachmittags 2 Uhr. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mt. 25 Pf. Inserate pro Zeile 1V Pf., Einges. 20 Pf. Expedition: Waldenburg, Kirchgasse 255. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. Zugleich weit verbreitet in den Städten Penig, Lunzenau, Lichtenstein-Callnberg und in den Ortschaften der nachstehenden Ltandesamtsbezirke: Altstadt-Waldenburg, Braunsdorf, Callenberg, St. Egidien, Ehrenhain, Frohnsdorf, Falken, Grumbach, Kaufungen, Langenchurs iorf, Langen leuba-Niederham, Langenleuba-Oberhain, Niederwiera, Obergräfenhain, Oberwiera, Oberwinkel, Oelsnitz i. E., .Neichenbach, Remse, Rochsburg, Rußdorf, Schlagwitz, Schwaben, Steinbach, Wechselburg, Wiederau, Wolkenburg und Ziegelheim. und Waldenburger Anzeiger Witterungsausfichteu für den 6. März: Wind m-- ' '«-st Theils trübe und neblig, theils aufklärend, bei kühlerer Temperatur. "Waldenburg, 5. März 1887. Der neue Reichstag ist constituirt, das Präsidium gewählt. Die Ruhe, welche der 21. Februar geschaffen, hat auch jetzt angehalten, um so mehr, da durch die Thronrede kein neues und störendes Moment hervor getreten ist. Im Gegentheil giebt das Schriftstück deutlich kund, daß wir auswärtige Verwickelungen nicht zu befürchten haben in der nächsten Zeit, und" daß die Reichsregierung hofft, den Frieden ungestört zu erhal ten. Damit sind also die kriegerischen Nachrichten für jetzt beseitigt, und wenn ihre Wiederkehr bei dem eige nen Stande der Dinge im Orient auch nicht ausge schlossen erscheint, so können wir doch annehmen, daß sie Deutschland nicht berühren werden. Die bulgari schen Wirren können das deutsche Reich erst dann be treffen, wenn sie zu einem russisch-österreichischen Kriege geführt haben sollten. Nach der Erklärung, welche in den Pester Delegationen abgegeben ivorden sind, ist aber auch der so bald nicht zu befürchten; wenigstens wird er von österreichischer Seite entschieden nicht ge wünscht. Unter solchen Umständen kann der neue Reichstag nach der Erledigung der Militärvorlage und des Reichshaushaltsetats ruhig sich der Lösung der zweiten großen Frage widmen, welche die Thronrede ankündigt, der Finanzfrage. Vor der Einberufung des Reichstages ist es vielfach bezweifelt, ob denn wirklich der Volksvertretung neue Steuervorlagen zugehen wür den. Die Thronrede hat diese Zweifel beseitigt. Wel chen Gegenstand das neue Steuergesetz betreffen wird, ist noch nicht gesagt; es finden darüber augenscheinlich noch Verhandlungen statt, denn auch die feste Regie rungsmehrheit im Reichstage kann nicht jede Steuer vorlage kurzer Hand genehmigen. Ohne eine sehr genaue Prüfung wird es nie abgehen können. Die in den Stichwahlen gewählten Abgeordneten werden gerade rechtzeitig zur Militär-Debatte in den Reichstag eintreten .können. Die Stichwahlen haben die Regierungsmehrheit gesichert, die freisinnige Partei in ihrem Besitzstände verstärkt, die freilich immer nur halb so stark erst ist, wie in der vorigen Session, und die Hoffnungen der Socialdemokraten auf einen starken Gewinn gründlich getäuscht. Die Socialisten kehren, trotzem sie mehrere hunderttausend Stimmen mehr als 1884 errungen, nur halb so stark in den Reichstag zurück. Sie meinten, selbstständig allen Par teien Schach bieten zu können, und sehen nun zu spät ein, daß ihre Voraussetzung eine total falsche war. Dieser Wahlausgang wird auch auf die socialdemokra- tischeu Wähler einen tiefen Eindruck nicht verfehlen, auch diese werden erkennen, daß der Vorsatz, eine so ciale Revolution herbeizuführen, leichter gefaßt, als ausgeführt ist, und sich wieder mehr den Ordnungs parteien anschließen. Das bedeutsamste Ergebniß der Stichwahl ist aber folgendes: Es ist bekannt, daß ein Theil der hochconservativen Abgeordneten immer noch gern mit der Centrumspartei Frieden und Freundschaft schließen möchten, wenn Herr Windthorst nur seine Oppositionsstellung etwas mäßigen wollte. Die Stich wahlen haben nun ergeben, daß im Reichstag keine Mehrheit aus Deutschconservativen und der Centrums partei vorhanden ist; diese beiden Parteien zählen zu sammen höchstens nur 180 Mitglieder. Die National liberalen sind also für diesmal die ausschlaggebende Partei thatsächlich geworden und werden es mindestens für diese Session bleiben. Der anerkannte Führer der Nationalliberalen, Herr von Bennigsen, ist gleich in der ersten Sitzung des Reichstages als Führer der Regierungsmehrheit her vorgetreten; es ist zweifellos, daß er auch bei den Oppositionsparteien ein größeres Ansehen genießt, als sonst ein nationalliberaler oder conservativer Abgeord neter. Es kann nicht Wunder nehmen, wenn angesichts der hervorragenden Rolle, zu welcher die Wahlen Herrn von Bennigsen verholfen, sofort Meldungen auftauchen, der Eintritt des genannten Herrn in die preußische Regierung, die damit einen nationalliberalen Charakter erhielte, stände bevor. Seiner Natur nach könnte Herr von Bennigsen nur Finanzminister oder Minister des Innern werden, also die Herren von Scholz oder Puttkamer zu ersetzen bestimmt sein. Thatsache ist es ja, daß 1877 Fürst Bismarck Herrn von Bennigsen den Eintritt in das Ministerium anbot; damals zer schlugen sich die Verhandlungen. Die verflossenen zehn Jahre haben reiche Erfahrungen gebracht, auch für den Reichskanzler, und es wäre deshalb an und für sich nicht unmöglich, wenn er angesichts des Wahlausfalles abermals das Ministerportefeuille Herrn von Bennigfen und vielleicht auch noch Herrn Miquel darböte. Man darf aber auch nicht vergessen, daß eine Schwalbe noch keinen Sommer macht, daß es nicht unbedingt nöthig ist, sofort einen Ministerwechsel oorzunehmen. Der Kanzler handelt rasch, aber zuvor überlegt er reiflich, und das Resultat dieser Ueberlegung bleibt noch abzu warten. Etwas Gewisses kann heute Niemand sagen. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Der Kaiser erledigte Freitag Regierungsangelegen heiten und fuhr am Nachmittag spazieren. Donners tag Abend hatte der Monarch der musikalischen Soiree im Palais längere Zeit beigewohnt. Der deutsche Kronprinz empfing den Staatssekretär Grafen Herbert Bismarck. Zum 22. März kommen auch Prinz und Prinzessin Wilhelm von Württemberg nach Berlin. Der Kaiser hat zum Bau einer zweiten Kirche nebst Zubehör in der Zionsgemeinde zu Berlin zwei Fünftel der auf 500,000 Mark berechneten Kosten bis zum Betrage von 200,000 Mark bewilligt. Die „Geraer Zeitung" entnimmt einem zuverlässi gen Berliner Briefe folgende Aeußerung des Kai sers, welche der Monarch gegenüber einem höheren Officier gethan hat: „Er fühle sich um zwanzig Jahre verjüngt durch den Wahlausfall. Sein Volk hätte ihm kein schöneres Geburtstags-und Ostergeschenk machen können." Am 21. Februar wurden im ganzen deutschen Reiche Stimmen abgegeben: für Conservative 1,194,504 (gegen 1884 mehr 333,441), für Freiconservative 693,195 (gegen 1884 mehr 305,508), für National liberale 1,658,158 (gegen 1884 mehr 661,125), für Freisinnige 549,302 (gegen 1884 weniger 447,702), für die Volkspartei 109,372 (gegen 1884 mehr 13,481), für das Centrum 1,627,095 (gegen 1884 mehr 248,701), für Polen 213,626 (gegen 1884 mehr 9438), für Socialdemokraten 774,128 (gegen 1884 mehr 224,102), für Elsaß-Lothringer 247,654 (gegen 1884 mehr 82,083), für Wilde 25,903 (gegen 1884 mehr 3134.) Jnsgesammt find abgegben 7,091,991 Stimmen, das sind 1,429,034 mehr als 1884. Der Parteibestand im Reichstage ist jetzt folgen der: 82 Conservative, 38 Freiconservative, 100 Na tionalliberale, 2 Liberale, 98 Centrumsmänner, 4 Welfen, 13 Polen, 15 Elsaß-Lothringer, 1 Däne, 32 Freisinnige, 11 Socialdemokraten. In Kronach ist von Gagern (Centrum) wiedergewählt, in Marienwer der siegte Landrath Müller (cons.) über Spahn (Cen trum), in Detmold ist Lengerke (natlib.) gegen Büxler (freis.) gewählt. In Solingen und Elberfeld haben der „Köln. Ztg." zufolge eine große Zahl von Cen trumsmännern für den Socialdemokraten gestimmt. Die Friedensversicherungen der Reichstags thronrede sind wie im deutschen Reiche, so auch im Ausland zustimmend begrüßt. Namentlich die Wie ner und Londoner Blätter sprechen sich so aus, aber auch die Pariser sagen, das Schriftstück bedeute eine Friedensbürgschaft. Lediglich die radikale „Justice" meint, die Rede sei belanglos. Das „Berl. Tgbl." hatte die Nachricht gebracht, Herr von Bennigsen werde zum preußischen Mini ster des Innern ernannt werden. Die „Nat.-Ztg." j schreibt, die Mittheilung sei von Anfang bis zu Ende ! erfunden. s Folgende Allarmdepesche ist aus Zanzibar in ! Paris eingegangen: Das deutsche Geschwader ist so- - eben in südlicher Richtung nach einer unbekannten ; Bestimmung abgegangen. Man ist darüber verwun- - dert, denn in dem nordwärts liegenden Witu-Land : haben die Somali's die Deutschen verjagt. (?) j Gegen die Giltigkeit der Stichwahl im Wahlkreise Waldenburg in Schlesien soll Protest erhoben werden, weil in einzelnen Amtsbezirken des Wahlkreises der Tag der Stichwahl amtlich auf den Dienstag ange- j kündigt war, während er in Wirklichkeit schon Mon- ! tag war. - Der „Köln. Ztg." wird aus München telegraphirt: - Mit äußerster, jeden Zweifel ausschließender Bestimmt- ' heit kann ich behaupten, daß in keinem Briefe, keiner i Depesche, keiner irgendwie lautenden Mittheilung ; des Papstes, des Staatssekretärs oder Vatikan's ; auch nur die leiseste Spur einer Anerkennung ; oder eines Vertrauensvotums für die Führer des Cen- ! trums enthalten sei. Anderslautende Behauptungen ! sind falsch und wohl zu Wahlzwecken erfunden. j Das preußische Abgeordnetenhaus genehmigte . am Freitag ohne wesentliche Debatte in zweiter Lesung den Gesetzentwurf betr. die Organisation der Kranken- und Unfallversicherung für land- und forstwirthschaft- liche Arbeiter im Wesentlichen nach der Regierungsvor lage. Der Gesetzentwurf betr. die Aufhebung mehrerer älterer Verordnungen über das Feuerlöschwesen in der Provinz Schlesien wurde in erster und zweiter Lesung unverändert genehmigt. Nächste Sitzung: Mittwoch 11 Uhr (dritte Lesung des landwirthschaftlichen Un fallversicherungsgesetzes.) Die Unterrichtscommission des preußischen Abgeordnetenhauses beschloß, Petitionen um Gleichstel lung der akademisch ^gebildeten Lehrer nichtstaatlicher Anstalten mit solchen staatlichen Patronates der Re gierung zur Berücksichtigung zu überweisen. Die Kirchencommission des preußischen Herren hauses hat am Donnerstag die Generaldebatte der Vorlage beendet, und am Freitag die Specialdebatte begonnen, die man mit Anfang nächster Woche zu schließen hofft. Die Abänderungsanträge des Bischofs von Fulda fanden sowohl in der Commission, wie bei den Vertretern der Staatsregierung Widerspruch. Oesterreich-Ungarn. General Kaulbars, der zu kurzem Aufenthalt sich in Wien befindet, ist dort interviewt. Er sagte u. A.: „In Bulgarien herrscht eine wilde Bande; auch die Armee hat sich der Regierung bemächtigt und terrori- sirt im Verein mit der derzeitigen Regierung die Bevöl kerung. Die Mehrheit der Bevölkerung ist mit dem