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Nr. ö»1 — L<». Jahrgang DannerSrag den X. März IV1L '»si! Erscheint täglich nachm, m» Ausnahme der Sonn- und Festtage. AnSgabe 4 mit .Die Zeit in Wort und Bild" vtertctjäkrlich ii.IV In Dresden durch Boten 2 4« ^ In gang Deutschland stet Hau» 2 52 Ub; in Oesterreich 4,41 L AuSaabe » ohne illustrierte Beilage vierteljährlich 1.8« 1 Druden durch Bote» 2,10>t ^n gan^Deutschland stei uS 2 22 Ult; in Oesterreich 4.07 einzel-Nr. Iv 4- Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit Inserate werden die ftgeipaltene Petitzeile oder deren Raum mit 15 4, RcNamen mit 5« 4 die Zeile berechnet, bei Wiederholungen entsprechenden Rabatt, Buchdruckerei, Redaktion and Geschäftsstelle! Dresden, Pillnitzer Strafte 48. — Fernsprecher I8VO SiirRiiikgabennverlangt.Schristftttikekeine«verbtndltchr«tt Redakttons.Sprechstunde: II bis I» Uhr. 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Noch vor etwa zehn Jahren hatte er als einer der eifrigsten Sozialisten in blutrünstigen Reden für Sozialismus, Generalstreik lind Antimilitarismus agiti t. Zum Dank dafür wählte ihn der rote 1. Wahlkreis v>i Saint Etienne in den Wahlen von 1602 für die Kammer, Es war gerade die Zeit, als die sozialistische Partei unter dem Einfluß der Dreyfuskrise zusammen mit den bürger- lich-linksrepublikanischen Parteien im Kampf gegen die mit dem Staatsstreichgedanken jonglierende reaktionäre Rechte stand. Diese Kampfgenossenschaft wurde weiter fortgesetzt und hatte zur Folge, das; unter dem Kabinett Combes sich die sozialistische Gruppe der Kammer dem herrschenden Block der bürgerlich - linksrepnblikanischen Parteien in aller Form anschloß und damit Regierungspartei wurde. Der Block wählte Jaurds zum Vizepräsidenten der Kammer und Aristide Briand zum Berichterstatter über die Trennungsvorlage. Damit war der ersehnte Augenblick für Briand gekommen, seinen parlamentarischen und staatsmännischen Befähigungsnachweis zu erbringen. Es gelang ihm. Mit ungewöhnlichem taktischen Geschick und vermöge seiner hinreißenden Beredsamkeit steuerte er die Vorlage zwischen allen Klippen und Untiefen glücklich zum Ziel, so daß nicht so sehr Eombcs wie Briand den Erfolg für sich in Anspruch nehmen durfte. Zwar lehnte Combes' Nachfolger Rouvier das sozialistische Blockbündnis ab, Sarnens jedoch berief Briand in sein Kabinett. Und Clemenceau übernahm den ehemaligen Sozialisten, der sich infolge seiner Leistungsfähigkeit schon geradezu unentbehr lich gemacht hatte. Als Clemenceau stürzte, war Briand der gegebene Nachfolger. Er hatte gerade acht Jahre gebraucht, um in einer schier beispiellosen Laufbahn den Weg vom Abgeordneten zum Ministerpräsidenten, und vom fana tischen Sozialisten zum staatserhaltenden Bürgertum zurückzulegen. Damit wuchs der Haß der Sozialisten noch mehr und namentlich Jaurbs verfolgte ihn auf Schritt und Tritt, nachdem Briand den Eisenbahneraufstand mit rascher Hand niedergeschlagen hatte. Zwar ging der Minister präsident als Sieger aus dieser Schlacht hervor, aber es war ein Pyrrhussieg, dessen Wiederholung Briand nieder werfen mußte. Der Gang der Ereignisse bat dieser An sicht recht gegeben. Die radikale Linke löste sich von der Regierungsmehrheit ab, und selbst Millerand blieb dem neugebildeten Kabinett fern. Das waren böse Vorzeichen, die eine baldige Entscheidung kündeten! Gerade in der französischen Republik arbeiten ja die ehrsüchtigen und rünkelustigen Kräfte mit einer Rücksichtslosigkeit, die weder durch nationale Bedenken noch durch den Einfluß der fehlenden Krone gemildert werden. An ihrer Spitze stehen gegenwärtig die Führer der Combisten: Pelletan, Berteaux und Caillaux. Dieses Treigestirn konnte es nicht ver tragen, daß Briand sie überstrahlte. Daher unterwühlten sie niit ihren zahlreichen Anhängern, zu denen auch Del- cass6 insgeheim gehörte, unermüdlich die Stellung des Ministerpräsidenten, wobei sie sich auch fleißig der aus wärtigen Presse bedienten. Berteaux war unter ihnen der kühnste. Er unternahm schon kurze Zeit, nachdem Briand sein neues Amt angetreten hatte, gegen ihn in der Kammer einen heftigen Vorstoß, wurde aber damals mit blutendem Kopfe wieder heimgeschickt. Sie machten Briand zum Vor wurf, daß er das Trennungsgesetz zu schonend durchführe und immer noch Orden im Lande dulde. Nach dem „Vorwärts" ist der Sturz Briands die Rache der Parlamentsradikalen für diese ihre Desorgani sation, an der ihn in Wahrheit doch nur in geringem Maße die Schuld trifft. Sie haben sie seltsamerweise in dem selben Augenblick genommen, als ihre eigene Abdankung in Briands Hände besiegelt erschien und der Zank darüber, warum die Mehrheit der radikalen Deputierten der Wei sung des Kongresses in Rouen nicht Folge leiste und der Beruhigungspolitik dienstbar geworden sei, durch die Nach richt, daß Unterhandlungen zwischen dem radikalen Partei komitee selbst und Briand im Gange seien, zur größten Heftigkeit gesteigert worden war. Den Zusammenstoß vom Freitag haben sicherlich die Hände geschäftiger Ehrgeizlinge vorbereitet, aber nicht ein Zusammenschluß der um ihre, Prinzipien besorgten bürgerlichen Demokratie, lieber den regierenden Verräter an der Demokratie Gericht zu halten, hat die Linke ganz andere Gelegenheit gehabt und — ge flissentlich verpaßt. Wohl sei auch ein Verfahren gegen über den klerikalen Institutionen charakteristisch. Viel leicht sei dieser eitle und durch kein geschichtliches Wissen und Erkennen gebundene Mensch in der parfümierten Ge sellschaft, die den Glückspilz umschwärmt, wirklich zur Ein bildung gekommen, den Vonaparte zu spielen und die Re publik mit der Kirche versöhnen zu können. Dann heißt es: „Daß der, wenigstens nominelle, Urheber des Trennunqsgesetzes mit den Mönchen und Pfäfflingcn ver trauliche Händedrücke tauscht, ist durchaus nicht erstaunlich. Aber auch das antiklerikale Feuer brennt in den radikalen Herzen nicht mehr so lichterloh. Der Konservative de Mun hat dieser Tage sehr ricklig bemerkt, daß die radikale Bourgeoisie nicht mehr daran denkt, die. Schule, sondern sich selbst zu verteidigen und vor dem Lehrer, dessen sittliche Rolle sie ehedem so gepriesen hat, eher Furcht hat." So schießt die Frucht der bösen Saat schnell in die Höhe und unter diesen Disteln ersticken dann die Säelente ganz von selbst. PolWche Rundschau. Dresden, den 1. Mär: 1911. — Au« Anlaß des 90. Geburtstage» des Priozreqeuten findet am 8. März abends in München eine, Galavorst llung im Hoftheater statt. Am 9. März folgt eln Hnldlgimaßakt tm Thronsaale der Residenz bei der der Präsident der Kammer der Reichsräte Fürst zu Löwenstein eine Ansprache - an den Regenten hält. Am Nachmittag desselben Lage» ist in der Residenz große Galatafel. Am 1l. März empläugt der Prinzrcgent die Mitglieder des diplomatischen Korps. Abends folgt Zapfenstreich und Serenade vor der Residenz. Am Sonntag den 12. März, dem Geburtstage, finden Fest gottesdienste, eine Paiade der Münchener Garnison, die Enthüllung de» Denkmals Ottos v. Wittelsbach vor dem Armeemuseum, ferner nachmittags Familientafel und abend» eine Festaufführung im Hoslheater statt. — Der Reichstag setzte am Dienstag die Beratung de» MilitärctalS fort und erledigte eine ganze Anzahl von Kapiteln. Eine längere Debatte entstand über die un zutreffende Aufstellung eines sozialdemokratischen Blattes über die ärztlichen Versuche durch Schießübungen auf Leichen mit fremden Geschossen. — Im preußischru Abgeordnetenhaus« wurde die Be- ratuug des Handelsetats fortgesetzt. Der Freisinnige Noscnow trat für den Hansabunö ein, woraus ihm der Konservative Hammer entsprechend antwortete. Die anderen Redner brachten Einzelwünsche vor. — Er findet noch eine Abend sitzung statt: Fortsetzung. — In der Budgetkommissivn des preußischen Abge- vrdiietcnhauses wurde der Kultusminister über die Leistung des Antimodernisteneides interpelliert. Er erklärte, die Regierung habe durch den Gesandten beim päpstlichen Stuhle feststellen lassen, welches der eigentliche Sinn der Bestimmungen des Papstes über den Modernisteneid be züglich der Professoren sei. Es stehe fest, das; sämtliche Professoren an den Fakultäten, die geistliche Funktionen nicht ausüben, den Eid nicht zu leisten brauchen. Es werde allerdings im Laufe der Zeit keine Professoren an den Fakultäten mehr geben, welche den Eid nicht geleistet haben, La ja die Ergänzung dieser Professoren durch Geistliche stattfindcn müsse und daher diejenigen, die zurzeit den Eid nicht zu leisten brauchen, allmählich durch solche werden ersetzt werden, die den Eid geleistet haben. Es entsteht daher die Frage, ob die Bindung, die jetzt besteht, eine freie wissenschaftliche Forschung an den katholischen Fakultäten noch gewährleiste. Es müsse dabei in Betracht gezogen werden, daß für den Staat die katholischen Fakultäten weniger als eine Forschungssache in Betracht kämen, denn als eine Sache der Ausbildung der späteren katholischen Geistlichen für ihren Beruf. Es sei nicht zu bestreiten, daß durch die Forderung des Eides die katholischen Fakultäten in ihrer Stellung an den Universitäten beeinträchtigt und ihr wissenschaftliches Ansehen in Frage gestellt werde. Gleichwohl sei die Auflösung der Fakultäten selbst noch nicht zwingend und ihre Aufrechterhaltung liege jetzt noch im Interesse des Staates. Man müsse für die Zukunft eine abwartende Haltung entnehmen. Ueber die Zahl der Pro fessoren, die den Eid geleistet haben, sei dem Ministerium nichts bekannt. Im Anschluß an die Erklärung des Kul tusministers wurde von seiten des Zentrums hervor gehoben. daß die in Frankreich im Anschluß an die Kantsche Philosophie entstandene Modernistenbewegung sich in Ita lien besonders stark entwickelt habe, daß die Religion im Konischen Sinne auf das innerliche Gottesbewußtsein ge stellt wurde und dies zur Leugnung der Offenbarung ge führt habe. Es hätte in Italien Geistliche, Professoren und Theologen gegeben, die die Gottheit Christi leugneten. Deswegen habe der Papst hiergegen Maßregeln ergreife« müssen. In dem dogmatischen Teile des Antimodernisten- I Das Lebensende des Apostels Paulus hat nicht bloß ein geschichtliches Interesse. Auch für die richtige Bewertung der sogenannten Pastoralbriefe ist die Frage, wann Paulus gestorben ist, von der größten Bedeu tung. Wir besitzen nämlich im Neuen Testamente 13 Briefe des Apostels, von denen drei, der Brief an Titus und zwei an Timotheus, als eigentliche Hirten- und Pastoralbriefe bezeichnet werden. (Vergl. jetzt die inhaltsreiche Studie von dem Straßburger Privatdozenten Dr. Maier „Die Hauptprobleme der Pastoralbriefe Pauli" in den ausge zeichneten „Biblischen Zeitfragen". Verlag Aschendorff, Münster 1910.) Diese Pastoralbriefe macl)en insofern der Erklärung Schwierigkeit, als sie Verhältnisse voraussetzen und auf solche anspielen, wie sie in das bekannte Leben Pauli nicht passen, wenn dessen Leben seinen Abschluß fand beim Be- ginne der Neronischen Christenverfolgung, die sich an den Brand Roms im Juli 64 anschloß. Was sonst gegen diese Briefe ins Feld geführt wird, ihre Bekämpfung gewisser Irrlehren und die in ihnen vor getragene Lehre fällt nicht weiter ins Gewicht. In einer Zeit, in der sich die geistige Verschmelzung des Abend landes und Morgenlandes vollzog und auf allen Straßen Sendboten der verschiedensten Kulte wanderten, hat das Auftauchen von Irrlehren in den urchristlichen Gemeinden nichts UeberraschendeS mehr. Dann hat man eine ganz andere Redeweise mit anderen Wortformen, als in den übrigen Paulinischen Briefen darin finden wollen. Die Wortstatis-ik, die darüber aufgemacht worden ist, muß aber massenhafte Berührungspunkte mit den anderen Paulini schen Briefen anerkennen (vergl. Maier S. 25 f.). So ist denn die Frage zunächst eine rein geschichtliche. „Ihr (der Pastoralbriefe) Hauptproblem liegt nicht in der Sprache und dem Lchrgehalte. sondern in der brieflichen Situation mit den voranSzusetzenden Reisen und sonstigen äußeren Erlebnissen des Apostels und seiner Genossen" (Deißinann, .Licht vom Osten", ' S. 172). Welcher Art sind nun die in Frage kommenden äußeren Verhältnisse? Eine alte Ucberlieferung läßt die beiden Apostelfürsten an einem und demselben Tage sterben, nur an verschieden"« Orten: Petrus in den vatikanischen Gärten und Paulus vor den Toren der Stadt, dort wo sich heute die herrliche Kirche „San Paolo fuori le mura" (St. Paul tor den Toren) erhebt; während Petrus gekreuzigt wurde, ist Paulus durch das Schwert hingerichtet worden. Ist diese Hinrichtung das Ende der römischen Ge fangenschaft des Apostels, mit deren Erzählung die Apostel geschichte schließt? Da lesen wir: „Er blieb aber volle zwei Jahre lang in seiner Mietwohnung und nahm alle auf, die zu ihm kamen und predigte das Reich Gottes." Warum aber hat dann Lukas, der Verfasser der Apostelgeschichte, nichts davon erzählt, daß diese Gefangenschaft mit den, Tode Pauli endete, wenn dem wirklich so >var? Er müßte es ab sichtlich verschwiegen haben, aber aus welchem Grunde? Es sind wunderliche Antworten auf diese Frage gegeben wor den, die alle nur zeigen, daß man es als unbegreiflich emp findet. wenn Lukas das Martyrium seines Helden nicht be richtet hat, wenn es damals schon vorbei war. Doch blicken wir noch ein wenig auf den Bericht der Apostelgeschichte über jene Haft, in der der Apostel sich be fand. Es ist eine leichte Haft. Paulus sitzt in einer Miet wohnung und kann Besuche empfangen: also eine leicht« Untersuchungshaft, bei der ihm große Bewegungsfreiheit bleibt und er nnr jeweils der Behörde zur Verfügung stehen muß, nachdem er gegen die Juden an den Kaiser appelliert hatte. Warn», auch hätte man ihn in schwere Haft bringen solle», wo doch die Behörden in Palästina, der jüdische Kö nig Herodes und der Landpfleger Festus, selbst einsehen, daß es sich bei der Anklage der Juden gegen Paulus um gehässige Denunziationen handelte (Apostelg. 26, 31). Nun aber redet Paulus in den Pastoralbriefe» (2. Tim.) in einer wesentlich anderen Art von einer Gefangenschaft, in der er sich befindet. Er trägt Ketten, er weiß, daß wäh rend bei einer früheren Gefangenschaft er aus dem Löwen rachen errettet wurde, das heißt die Freiheit wieder er langte, es diesmal ein anderes Ende nehmen wird, daß der Tod ihm bevorsteht, und er treibt deshalb den TimotheuSl zur Eile, wenn er ihn noch am Leben antreffen will. Alls haben ihn verlassen, offenbar weil es lebensgefährlich war, sich als Freund des Verhafteten zu bekennen: nur LukaS hält bei ihm aus, und Onesiphorus, ein reicher Mann, hat ihn besucht und sich seiner Ketten nicht geschämt: jetzt aber geht er dem Ende entgegen. Das ist unstreitig die Schilde rung einer Gefangenschaft, die zu der leichten .Haft, von der der Schluß der Apostelgeschichte erzählt, nicht recht paßt. Wie wäre es, wenn das zwei Berichte über zwei ver schiedene Ereignisse sind? So daß also Paulus aus jener ersten Haft entlassen und später wieder festgenommen wor den wäre, also nicht im Jahre 64, sondern später, aber noHj unter Nero wäre mit dem Schwerte gerichtet worden? (Schluß folgt.)