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Inmitten der letzteren spielt sich indessen eine Episode ab, bei welcher weder der italienische Hof noch die Stadt Rom betheiligt sind und die dennoch dem Be suche des deutschen Monarchen in der Siebenhügelstadt einen besonders charakteristischen Zug verleiht — der Empfang des Kaisers im Vatikan. Es ist bekannt, wie das Erscheinen Kaiser Wilhelms in der Residenz des Papstes schon vorher nach allen Richtungen hin genau erwogen werden mutzte, in Anbetracht des eigenlhümlichen Verhältnisses zwischen dem offiziellen Italien und dem Papstthume und daß es sogar eines Depefchenwechsels zwischen Berlin und dem Vatikan bedurfte, um den heiligen Vater über das Wesen und die Folgen der Romsahrt des deutschen Kaisers voll ständig zu beruhigen. Schließlich gelang es aber, alle in der delikaten Angelegenheit vorliegenden Bedenken und Schwierigkeiten zu beseitigen und wenn nun Kaiser Wilhelm den Papst im Vatikan begrützt, so geschieht dies nach einem genau festgestellten Ceremoniell, welches klug Alles vermeidet, was entweder die Empfindlichkeit des italienischen oder diejenige des päpstlichen Hofes irgendwie verletzen könnte. Obwohl die Begrüßung zwischen Wilhelm II. und Leo XIII. zunächst nur einer unerläßlichen Forderung der höfischen Etikette entspricht, so geht sie in ihrer Bedeutung schließlich denn doch über diesen Rahmen hinaus, da man in dem Ereignisse ja die erstmalige Begegnung zwischen dem Herrscher des deutschen protestantischen Kaiserreichs und dem Oberhaupte der römisch-katho lischen Christenheit vor sich hat. Sie vollzieht sich noch unter den Nachwirkungen des kirchenpolitischen Ausgleiches zwischen der preußischen Regierung und der päpstlichen Kurie und daß die seitdem herrschenden freundlichen Beziehungen zwischen beiden Theilen bis jetzt noch nicht wieder getrübt worden sind, kann nur dazu beitragen, dem Besuche des deutschen Kaisers im Vatikan ein erhöhtes günstiges Relief zu verleihen. Außerdem tritt der junge Monarch mit persönlich warmer Verehrung dem Pontifex Maximus gegenüber und es wird versichert, daß zwischen Papst Leo und unserem jetzigen Kaiser, als er noch Prinz von Preu ßen war, schon Briese gewechselt worden seien. Ebenso darf man auch versichert sein, daß auch der Papst dem jungen Kaiser mit herzlichen Empfindungen entgegen kommt, zumal er in seinem kaiserlichen Gaste den Sohn und Nachfolger Kaiser Friedrichs begrüßte, der ja als Kronprinz wiederholt im Vatikan verweilte. Das Er scheinen Kaiser Wilhelms in der päpstlichen Residenz weist jedoch neben ihrer mehr persönlichen und freund schaftlichen Seite auch eine politische Seite auf. Der Enkel Wilhelms I. hat von seinem unvergeßlichen Großvater als eine Erbschaft auch den Gedanken einer Annäherung zwischen Deutschland und dem Papst thume übernommen und Leo XIII. bekundete, noch zu Lebzeiten des ersten deutschen Kaisers seine Bereit willigkeit, auf diese Annäherung einzugehen, durch das bekannte Schreiben an alle deutschen Bischöfe, in welchem er den Wunsch aussprach, die katholischen Reichstagsabgeordneten möchten für die Erhöhung des Präsenzstandes in der deutschen Armee stimmen. Daß diesem Wunsche nur in sehr bedingter Weise entsprochen wurde, kommt hierbei nicht weiter in Betracht, Leo XIII. gab hiermit einen offenen Beweis seiner persönlichen und friedfertigen Gesinnungen gegen die deutsche Re gierung und wenn sich an den bemerkenswerthen Schritt des Papstes keine weitere sichtbare Annäherung zwischen Preußen-Deutschland und dem Vatikan knüpfte, so lag dies an den Verhältnissen. Wenn nun jetzt Kaiser Wilhelm am päpstlichen Hofe vorspricht, so ge schieht es gewiß mit in Erinnerung an jene versöhn- Dienstag, den 16. Oktober 1888. liche Haltung Leo XIII. und vielleicht, daß sich an die persönliche Aussprache zwischen Kaiser und Papst der Beginn eines nachhaltigen freundschaftlichen Ver hältnisses Deutschlands zum Vatikan knüpfen wird. Inwieweit eine Verständigung zwischen beiden Theilen auch auf die Stellung des heiligen Stuhles zu Italien, dem Bundesgenoffen Deutschlands, zurückwirken würde, muß freilich noch dahingestellt bleiben; allerdings wäre eine solche Rückwirkung nur natürlich, aber bei dem heutigen schroffen Verhältnisse zwischen Italien und dem Papstthume kann kaum angenommen werden, daß der Besuch des deutschen Kaisers beim Papste auch nach der letztangedeuteten Richtung besondere Folgen zeitigen werde. Lokales und Sächsisches. Dippoldiswalde, 15. Oktober. Nach längerer Pause hielt der Gewerbeverein vorigen Freitag, den 12. d. M., eine Versammlung ab, in welcher es weniger an interessantem Stoff als an Milgliedern fehlte. Unter den Eingängen dürfte für weitere Kreise besonders eine Zuschrift der Handels- und Gewerbe kammer Dresden erwähnenswerth sein, in welcher der Verein dringend aufgefordert wird, in seinem Kreise der mißbräuchlichen ausländischen Waarenbezeichnuttg für deutsche Maaren mit allen Kräften entgegen zu arbeiten. Der vom Präsidium in dieser Angelegenheit gestellte, von der Handels- und Gewerbekammer ein stimmig angenommene Antrag geht in seinen Motiven davon aus, daß die Anbringung ausländischer Waaren- bezeichnungen auf deutschen Waaren schon vom mora lischen Standpunkte entschieden getadelt werden müsse, da dadurch stets eine Täuschung über den Ursprung der Waare hervorgerufen werde, daß dieselbe aber auch geeignet sei, die nationale Arbeit zu schädigen und im In- wie im Auslande ein durchaus falsches Bild von der Leistungsfähigkeit der deutschen Industrie zu erzeugen. Ucbrigens hätten mehrere der früher vorhandenen und damals nicht ohne Weiteres zu be seitigenden Ursachen für die Bezeichnung deutscher Waaren als ausländische (nämlich die anerkannte Ueberlegenheit der ausländischen, insbesondere der ' französischen und englischen Waaren) mittlerweile durch die erfreuliche Entwickelung der deutschen Industrie und des deutschen Handels wesentlich an Geltung ver loren, auch sei es nicht ausgeschloffen, daß Fabrikanten deutscher Waaren durch die Etiquettirung derselben mit ausländischen Bezeichnungen sich Konflikten mit ausländischen Zollbehörden und materiellen Verlusten aussetzen, da in England und Frankreich bereits strenge Verordnungen gegen die Bezeichnung nicht einheimischer Erzeugnisse als solcher bestehen und von Nordamerika baldigst zu erwarten sein dürften. Bester als durch gesetzliche Bestimmungen, könne der übrigens im Ab nehmen begriffenen Vorliebe der Käufer für als aus ländisch bezeichnete Waaren durch die deutsche Industrie selbst entgegengearbeitet werden, wenn sie ausnahmslos ihren Erzeugnissen deutsche Bezeichnungen gebe, wie dies denn auch die deutschen Hutmacher und die Mö belfabrikanten in nachahmenswerther Weise bereits ge- than hätten. Der Verein beschließt, dieser Angele genheit seine Aufmerksamkeit zuzuwenden. — In einer, Eisenbahnsrachtsätze betreffenden Angelegenheit, die in einer der früheren Versammlungen angeregt morden ist, beschließt man, nachdem die nöthigen Vorarbeiten vorgenommen worden sind, durch Eingabe an die kö nigliche Generaldircktion, das königliche Finanzministe rium und die Handels- und Gewerbekammer gleich zeitig vorstellig zu werden. Gleichzeitig beschließt man, um Errichtung einer Reserve-Lokomotivenstation in Dippoldiswalde zu petitioniren, damit bei Schneever wehungen nicht die ganze Strecke von der oberen Witterungskalamität mitbetroffen wird. — Schließlich hielt der Vorsitzende, Herr Schuldirektor Engelmann, einen Vortrag, zu welchem ihm die Kaiserreise nach Italien und insbesondere der gerade am 12. Oktober 54. Jahrgang. stattgefundene Besuch des Kaisers beim Papste Anlaß gab. Wie ganz anders sei die Römerfahrt Wilhelms II, geartet, als die Züge deutscher Könige im Mittelalter, die über die Alpen gezogen seien, um unsicheren Besitz zu wahren, vom Papste die römische Kaiserkrone zn holen und damit dem Trugbilde einer Weltherrschaft in Gemeinschaft mit dem Papste nachzustreben. Kaiser Wilhelms Reisezweck aber sei die Befestigung des Völkerfriedens, und wenn er dabei auch den Papst besuche, so handle er nur höflich und klug. Er brauche keine römische Kaiserkrone, er trage die deutsche, von keinem Papste erst zu verleihende. Dieser Gedanken kreis gab nun Gelegenheit zur Herbeiziehung eines reichen Geschichtsmaterials, das freilich bei der Kürze der Zeit meist nur angedeutet werden konnte, aus dem aber soviel klar wurde, daß unsere Zeit Mit der Reise Kaiser Wilhelms einen eminenten Fortschritt gegen das in den verschiedensten Lebcnsbeziehungen unent wickelte, auf der einen Seite in streng eingehaltenen Schranken beharrende, auf der andern völlig schranken los sich bewegende Mittelalter darstellt. — Noch wurden zum allerletzten Schluß verschiedene Mittheilungen und Wahrnehmungen bezüglich der neulich stattgefundenen Ausstellung gewerblicher Schulen Sachsens ausge sprochen. — Das Kirmes-Concert des hiesigen Gesang vereins am gestrigen Sonntag im Schießhaussaale hatte ein zahlreiches Publikum herbeigezogen, so daß der Saal recht gut gefüllt war. Nach Beendigung der Gesänge (des ersten Theiles) begrüßte der Diri gent des Vereins, Herr Kantor Hellriegel, Herrn Rentier Lommatzsch son., der am selben Tage sein Jubiläum 25 jähriger ununterbrochen thätiger Mit gliedschaft beging, mit herzlichen Worten und über reichte demselben einen Lorbeerkranz. Den Schluß des Programms bildete das zum letzten Kantorentag verfaßte Lustspiel, das eine ungemein erheiternde Wir kung ans die Zuhörer ausübte und reichen Beifall errang. — Im Monat September ist innerhalb der kgl. Amtshauptmannschast Dippoldiswalde von ansteckenden Thierkrankheiten glücklicher Weise nur der Milzbrand in einem Gehöfte von Johnsdach aufgetreten; in dem selben waren 8 Rinder gefährdet, von denen eins er krankte und verendete. , — Eine für die Hausfrauen sehr erfreuliche Ent scheidung des Reichsgerichts, welche zugleich von ernster Bedeutung für die Materialisten und Butterhändler ist, wurde dieser Tage abgegeben. Darnach darf Butter, die nicht genügend ausgepreßt ist und somit eine ungehörig: Menge Wasser enthält, nicht in den Verkauf gebracht werden. Das Reichsgericht hat an erkannt, daß das ungenügende Auspressen der Butter, so daß dieselbe eine den normalen Prozentsatz über steigende Menge Wasser enthält, einer Verfälschung der Butter und damit einem Vergehen gegen das Nahrungsmittelgesetz gleichkommt. -7- Rudolf Falb, der zwar nicht zu den „Unfehl baren" gehört, aber doch immer auf eine stattliche gläubige Gemeinde zählen kann, bszeichnet in seinem für das Jahr 1889 herausgegebenen „Erdbeben - kal end er" als „kritische Tage erster Ordnung," an denen mit größter Wahrscheinlichkeit ein Erdbeben zu erwarten sein soll, den 17. März, 15. April, 15. Mai, II. August, 9. September, 24. Oktober und 23. No vember. Kritische Tage zweiter Ordnung sind ihm zufolge der I. und 31. Januar, der 15. Februar, I. und 3l. März, 13. Juni, 12. Juli, 25. September, 9. Oktober und 22. Dezember; kritische Tage dritter Ordnung der 17. Januar, 30. April, 29. Mai, 28. Juni, 28. Juli, 26. August, 7. November und 7. De zember. Es fehlt also nicht an „günstigen Aussichten". — Zur Vervollständigung des in der letzten Nr. dieses Blattes gebrachten Referates über den Brand beim Gutsbesitzer Paul Kunze in Reichenau geht der Redaktion die weitere Mittheilung zu, daß zum