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Montag Nr 122 31 Julius 1843. Deutsche Allgemeine Zeitung. «Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz! U-b-r-lick. Deutschland. 'Rus Norddcutschland. Gemeinsinn und Theilnahme an dem öffentlichen Leben. 'Mains. Der Mörder Fuhrmann vor der Jury. 'Wandsbeck. Pferderennen und Volksfeste. Lübeck. Die Exceffc und die obrigkeitlichen Bekanntmachungen deshalb. 'Frank furt a. M. Fürst v. Metternich. Die Dcutsch-Ordcnskirche zu Sachsen hausen. Ein Jude läßt seinen Sohn nicht beschneiden. Das Bad Soden. Preuße«. Vertin. Cabinetsordre in Betreff der Theilnahme von Staatsbeamten an politischen Festen. — Die Feier des Vertrags von Verdun. "Kerlin. Ankunft der Leiche des Prinzen August. Pro gramm der Begräbnißfeierlichkeitcn. 'Köln. Feier des Vertrags von Verdun. Das kölner Fest für die Landstände unterbleibt. 'Von der Vder. Schnelles Feuern und richtiges Zielen. Defterreich. 'Wien. Der neue Zolltarif soll nicht genehmigt sein. "Vien. Die serbische Angelegenheit, 'Presburg. Die Kroaten. Der Ständesaal. EPanirn. 'Paris. Ungewißheit aller Nachrichten. Die Grundlosigkeit des Aufstandes. «roßbritanuien. Rebekka und ihre Lichter. * London. Lord Pal merston. Ward. Frankreich. Ernennung des Viccadmirals de Mackau zum Minister. Octroi, Sparkasse und Handelsgericht von Paris, -s Paris. Nach richten von Algerien. Mtederlanh«. Einberufung der zweiten Kammer der Generalstaaten, ßhußlan- und Pole«. Prinz Friedrich von Hessen verlobt sich mit der Großfürstin Alexandra. Türkei. ' Smyrna. Rüstungen der Pforte und angeblicher Zweck der selben. Mor-amerika. Ein Opfer der Prügelfreiheit. Handel und Industrie. 'Frankfurt a.M. Anleihe. Expropriation. 'Vom nhein. Düsseldorfer Feuerversicherung. Berlin. Ankündigungen. Deutschland. *AusHor-deutschliMd, 26.Jul. Gemeinsinn UndTheil- nahme an dem öffentlichen Leben werden in neuerer Zeit sehr häufig zusammen genannt und mit Recht empfohlen. Indessen fehlt viel, daß beide Begriffe identisch wären; ja üicht einmal in dem Zu sammenhänge stehen sie mit einander, daß Jedes nothwendig daö An dere erzeugte. Der Gcmeinsinn ist das Höhere und Wichtigere unter Beiden, aber auch daö ungleich Schwerere und Seltnere. Er ist der Gegensatz der Selbstsucht, des Egoismus, und umfaßt die Sinnesart, welche willig dem Gemcinwohle, der Stimme des Gesetzes, den Mah nungen der Verfassung, dem Rufe des Vaterlandes, dem Gebote der Pflicht jedes Opfer: Zeit, Kräfte, materielle Güter, die Gunst der großen und die der Menge, daS Leben selbst und was mehr als das AllcS ist, weil am schwersten zu leisten, den Zug der Neigung, viel leicht des innern Berufs, mit Willigkeit, ja mit Freudigkeit bringt. Er schmückt die Menschen, die, ohne jene eitle und vorwitzige Vielge schäftigkeit, die sein Extrem, vielmehr seine Verzerrung bildet, immer die Ersten bereit sind, zu helfen, zu nützen, mit Rath und That bei zustehen, wo irgend eS gilt, daß eine verständige Kraft in Treue und Liebe wirke. Die von diesem Sinne durchdrungen sind, denken zuerst an den Nächsten und zuletzt an sich, oder an sich nur, so weit es gilt, sich mit Würde aufrecht zu halten im Gedränge des Lebens, Andern «in Muster zu sein jeder häuslichen und bürgerlichen Tugend, dieser Bürgschaften des Gedeihens, sich die Kraft zu bewahren zum nützlichen Wirken, und das Alles nur, weil sie innerlich müssen, weil derselbe Sinn der verständigen, treuen, gemüthvollen Thatkraft, der sie nach außen so brav und wacker cingreifen läßt, auch durch ihr ganzes Stre ben und Leben sich verkündigen muß. Es wird nun dieser Sinn, be sonders in Zeiten politischer Bewegungen, in der Regel von lebendiger Theilnahme an den öffentlichen Angelegenheiten begleitet sein; noth- wendig für alle Zeit ist das nicht, vielmehr liefert uns die Geschichte aller Zeiten und aller Völker- zahlreiche Beispiele eines zu den erhe bendsten Thaten führenden Gemeinsinns, der sich an stille, zurückgezo gene Naturen knüpfte, dessen Träger friedlich und nur um das Nächste sich kümmernd, bas Fernere anspruchslos den höher« Gewalten anheim stellend, den Besitz, jenes herrlichen Sinnes nur ihren nähern Kreisen, der Familie, den Freunden und Nachbarn bemerklich machten und erst dann ihn in seiner ganzen Größe entfalteten, wenn ein großer und un gewöhnlicher Anlaß sie eingreifen hieß in die Räder höherer Geschicke. Wir finden nicht, daß der kolberger Nettelbeck ein politischer Kanne gießer gewesen, eifrig Zeitungen gelesen und die Obrigkeit auf allen Bierbänken gemeistert, oder über die Plane seines Königs speculirt und raisonnirt hätte; aber wie es galt, da war er da und schlug Leben und Alleö in die Schanze, weil er seine Stadt liebte und weil ihm die Ehre seines Vaterlandes lheuer war und weil er die Kraft in sich hatte und den rechten Sinn zum Wirken. Nun die rechte Theilnahme an dem öffentlichen Leben besteht auch nicht in dem politischen Kannegießern, dem Meistern der Obrigkeit und dem Speculiren und Raisonnircn Aller über Alles, und, wie gesagt, der Mann des Gemeinsinns wird durch denselben Zug, der sein Leben und Streben beherrscht, in den Zeiten der politischen Bewegung zu jener Theilnahme von selbst geführt werden. Er wird mit regem Interesse, mit hochklopfendem Herzen und ernstem, sinnenden Aufmerken die Gänge und Kämpfe der Entwickelung verfolgen. Er wird ein gründ liches Nrtheil über die obschwebcnden Fragen, so weit sie seiner Fassungs kraft und seinem Gesichtskreise zugänglich sind, zu gewinnen streben und dabei, wenn er sich solches Urtheil nicht auö seinen eignen Kenntnissen und Erfahrungen zu bilden vermag, in Schrift und Rede Belehrung suchen. Dabei wird er aber sich nicht von dem Geschrei der großen Menge betäuben lassen, vielmehr mistrauisch sein gegen Alles, was Schwarm macht, taub gegen die lauten Marktschreier und Phantasten, unzugänglich, wo er Unbedingtheit, Einseitigkeit, Extrem, Unduldsam keit, Leidenschaft, Mangel an Maß, an Ruhe, an Milde, an Gerech tigkeit trifft. Er wird das sicher gewonnene Urtheil auch klar, beson nen, fest und standhaft aussprechen und durchzuführen suchen, wenn und wo er glaubt, daß es nützen kann, aber er wird daS anspruchs los, würdig, nur wo er seiner Sache gewiß ist und nie um feinet-, sondern nur um deS Ganzen willen thun, weshalb er auch nur ungem und nicht mit Vorliebe über Angelegenheiten sprechen wird, in die sein eignes Interesse verflochten ist. Der feurigste Sachwalter Anderer, ist er wortkarg für sich selbst, vertrauend, daß auch seine Sache, wenn sie gerecht und dem Gemeinwohle dicnsam ist, ihre Fürsprecher finden wird. Wo nicht, so weiß er sich zu trösten, denn er lebt nicht für sich. Wenn aber schon der Gemeinsinn nicht nothwcndig zu allen Zeiten eine sehr sichtbar und geräuschvoll hervortretende Theilnahme an dem öffentlichen Leben zur Folge hatte, so ist noch viel weniger mit einer solchen Theilnahme immer nothwendig der Gcmeinsinn verbunden, oder die Folge desselben. Die Geschichte der Vergangenheit wie der Gegen wart bietet uns vielmehr nur zu vielfache traurige Beispiele, wo die Theilnahme an dem öffentlichen Leben nur die Maske, ja, mit oder ohne Maöke, bewußt oder unbewußt, nur das Werkzeug des Gegen theils von Gemeinsinn, des Egoismus, der Selbstsucht war, wo man eben in den öffentlichen Zwecken nur sich suchte und indem man einen stärker» Einfluß auf die öffentlichen Angelegenheiten erstrebte, ihn nur, oder vorzugsweise nur, für die Förderung des eignen Interesses, die Befriedigung der eignen Begierden verwendete, nur die Mittel und Bahnen schätzte, die den eignen Wünschen und Stellungen zusagten. Die Theilnahme an dem öffentlichen Leben aber hat nur da einen Werth, wo sie von dem rechten Gemeinsinne begleitet, oder seine Er zeugerin wird, und daö ist auch ihr wahrer Probirstein. Es kann Einer sein ganzes Leben hindurch mit dem öffentlichen Wesen sich zu thun machen und doch nur sich in dem Staate suchen, und wieder ein An derer kann in dem engsten Kreise nur dem Nächsten leben und doch «inen stärker» und segensreichem Gemeinsinn entfalten als der lauteste Sprecher in weiter Volksversammlung. Nur Der wird Großes und Bleibendes schaffen, der nicht an sich, sondern an die Pflicht, an der Brüder Wohl und die kommenden Geschlechter denkt; wer segensreich wirken will im öffentlichen Leben, der lerne vorerst sich selbst überwin den, und glücklich, wessen, Gcmüthe der Zug ward, der das Gute, auch wo es Tausenden schwer ist, mit Freudigkeit thun läßt, weil er erkannt hat, daß eben in dem Wirken in Liebe, in dem Wohlthun und Segcnspenden das höchste Glück, die reinste Befriedigung liegt. * Mains, 26. Jul. Diese Woche haben unsere Assisen Ver handlungen wieder einmal einen recht interessanten Gerichtösall dar