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Mklßmtz-IeitW Verantwortlicher Redacteur: Carl Irhne in Dippoldiswalde Dienstag, den 29. Mai 1883 48. Jahrgang Nr. 61 G 1 Lokales und Sächsisches. Dippoldiswalde. Heute Montag haben Ihre Majestäten der König und die Königin ihren Aufent halt in Rehefeld genommen und zwar reisten sie dahin über Dippoldiswalde mit unserer Bahn bis Schmiede berg. Um 2,i» Uhr Nachmittags verließen dieselben Dresden und um 3,7 Uhr mittelst Extrazugs Hains berg, um 3,»s Uhr passirtrn sie unsere Stadt und er reichten Schmiedeberg 4,,» Uhr, von wo die Fahrt per Equipage fortgesetzt wurde. Auf dem hiesigen Bahnhofe hatten sich neben zahlreichen Bewohnern unserer Stadt auch der Militärverein und die Schützen- Kompagnie mit ihren Fahnen aufgestellt, um den Ma jestäten ihre Liebe und Verehrung zu bezeugen. Frl. v. Schönberg-Reichstädt überreichte Ihrer Maj. der Königin ein prachtvolles Bouquet, und Se. Maj. unter hielten sich huldvollst mit den Herren Amtshauptmann v. Keßinger, Bürgermeister Voigt, Amtsrichter Klimmer, Kammerherr v. Schönberg. Nach einem Hoch auf die Majestäten, von Hrn. Brgrmstr. Voigt ausgebracht, in das die Menge lebhaft einstimmte, ging der Zug weiter. Dippoldiswalde. In einem Artikel in Nr. 57 unseres Blattes über den neuen Sommerfahrplan für die Linie Hainsberg-Schmiedeberg besprachen wir die, uns wenig günstigen Neuerungen desselben und petirten um einen Frühzug von Hainsberg nach Schmiedeberg, der zeitiger als bisher uns die Post sachen bringe. Dies und einige zugefügte Bemerkungen haben aber den beabsichtigten Zweck nicht nur nicht erreicht, sondern nach oben hin gar böses Blut gemacht und uns — d. h. allen Lesern dieses Blattes und den Bewohnern des ganzen Bezirks — einen Schaden ge bracht. Unsere Bitte an die königl. Generaldirektion der sachs. Staatsbahnen um Uebersendung der zur kostenfreien Beilage in unserem Blatte nöthigen Fahr pläne ist, wie uns von der hiesigen Bahnverwaltung mitgetheilt wurde, diesmal nicht gewährt worden! Indem wir dies unfern Lesern mittheilen, können wir nur versichern, daß speziell uns dies Vorgehen ganz gleichgültig sein kann, da wir persönlich von der Bei lage keinen Nutzen haben, und daß wir nur bedauern, daß ein grober Theil des Publikums, mit dem doch die Verwaltung der Staatsbahn rechnen muß, unter dieser Maßregel unschuldig leiden muß. — Den In teressenten übrigens zur Nachricht, daß der neue Fahr plan bei der hiesigen Bahnverwaltung unentgeltlich zu haben ist. — Unter den zahlreichen Touristen, welche uns die Eisenbahn unserer Gegend in den letzten Tagen zugeführt hat, befanden sich eine bedeutende Anzahl Mitglieder des sächs. Alterthumsvereins, welche am Sonnabend früh nach Schmiedeberg gefahren waren, dort die Kirche besichtigt hatten und mit dem Mittagszug hierher zurückkehrten, um einige interessante Alterthümer unserer Stadt zu besichtigen. Daß hierzu in erster Linie unsere Nikolaikirche gehört, bedarf kaum besonderer Erwähnung. Genannte Herren ver fügten sich denn auch sofort nach ihrer Ankunft in diese Kirche und der mitanwesende Prof. I)r. Steche, der vor und während der Reuovirung das erwähnte hochinteressante Alterthum des Oefteren genau durch forscht hat, auch Einzelnes daraus photographisch hat abnehmen lassen und in einem demnächst erscheinenden Heft ausführliche Mittheilungeu über die ganze Kirche zu mache» gedenkt, gab verschiedene hochinteressante Erklärungen zum Besten, von denen einige zu er wähnen wir nicht unterlassen wollen. — Der Grundriß der Kirche ist romanischen, die Ausführung gothischen Styls, ein Beweis, daß die Kirche in der Uebergangs- zeit von ersterem zu letzterem erbaut ist. Dasselbe ergiebt sich sowohl aus den Säulen und Fenstern (Vereinigung von Rund- und Spitzbogen), als auch aus den an den Wänden sichtbaren Friesen, welche von dem renovirenden Architekten nach den von ihm aufgefundenen Spuren ausgeführt sind. Die all der Gotthelf Kenlpe's, Kat.-Nr. 14 daselbst, auf bis jetzt noch unermittelte Weise Feuer 'ausgebrochen, und ist hierdurch sowohl dieses Haus, als auch das an das selbe angebaute Wohnhaus Oswald Robert Müllers, Kat.-Nr. 15, bis auf die Umfassungsmauern zerstört worden. Die Kalamitosen haben nicht versichert ge habt und sind vorzugsweise Müllers Mobilien mit verbrannt. Vom Brande ist gleichzeitig der im Müller- schen Grundstück wohnhafte Auszügler Schmieder mit betroffen worden; derselbe hat sein Mobiliar zwar versichert gehabt, ist aber beim Netten seiner Sachen am Gesicht leicht verletzt worden. Dresden. Bezüglich der Frage wegen Einfügung des Handfertigkeits-Unterricht in den Schul organismus hat sich der hiesige pädagogische Verein auf Grund des Vortrages eines Bürgerschullehrers nunmehr fast einstimmig gegen eine solche Einfügung ausgesprochen. Bei der betreffenden Debatte war auch der emsige Propagandeur für den Handfertigkeitsunter richt, Hr. Rittmeister Clauson v. Kaas, mit betheiligt. — Nach einer jetzt publizirten amtlichen Zusam menstellung haben die Straßen-Allee-Bäume im ver flossenen Jahr einen Ertrag von 90,059 M. geliefert. — Auf dem Platze der alten Vogelwiese bei Dresden wurde am Sonnabend die Emmerling'sche Feuerlö sch mässe nebst Hydrophor in mehrfachen Versuchen den hierzu Geladenen vor Augen geführt. Die Feuerlöschmaffe besteht in einer braunen trüben Flüssigkeit. Sie hat die Eigenschaft, den lebhaftesten Brand auf allen Stellen, wo sie hintrifft,- zu ertödten, und gelangen die damit angestellten Versuche voll ständig. Holzstöße, welche mit Theer und Petroleum getränkt waren, wurden, nachdem sie eine intensive Brandzeit von zehn Minuten gehabt, binnen wenigen Minuten gelöscht, nicht minder in Brand gesteckte und mit Petroleum begossene Säcke, welche mit Hobel- spähnen gefüllt waren. Ein großartiges Feuermeer bildete eine aus Pappen hergestellte Fläche von zwei Meter Breite und fünfzehn Meter Länge, auf welcher sieben Centner Theer und dreißig Liter Petroleum ausgegossen worden waren. Nach einer Branddauer von vier Minuten wurde dieser Flammenherd von Herrn Emmerling mittels Ausgießens durch Schöpf gefäß gelöscht. Eine sehr zahlreiche Menschenmenge umgab den Probirplatz, auf welchem u. A. Vertreter des Militärs, der Landesbrandversicherung, der städtischen Feuerwehr, der Presse als geladene Gäste anwesend waren. — Der Verbrauch von Pferdefleisch in Dresden ist nicht so bedeutend, als kürzlich gemeldet wurde: im vorigen Jahre wurden nicht 5000, sondern nur 960 Pferde geschlachtet. — Auf dem Keilberge, der höchsten Erhebung des Erzgebirges, 1235 Meter, der nächstens von Seiten des böhmischen Erzgebirgsvereins mit einem steinernen Thurm gekrönt werden soll, wird noch in diesem Jahre Edelweiß angepflanzt werden, welches durch denGärtner des Großherzogs von Toscana in Schlacken werth gezogen worden ist. An einigen Punkten der Sächsischen Schweiz ist dieses Pflänzchen bekanntlich sehr gut fortgekommen; doch verliert es mit der Zeit seine schöne weiße Farbe und geht in's Grünliche über. Mittweida. Ein seltenes Beispiel reellen Ver haltens war kürzlich hier zu verzeichnen. Vor sechs Jahren verließ ein junger Mann das hiesige Technikum mit Hinterlassung von 30 Mark Schulden an seine Wirthin. Letztere empfing nun in den letzten Tagen aus Ostindien 40 Mark nebst einem entschuldigenden Begleitschreiben und der Bemerkung, daß 10 Mark Zinsen beifolgten; die Empfangsbestätigung möchte nach Montevideo gesendet werden. Riesa. Der hiesige Stadtrath beabsichtigte, auf von auswärts eingehende Biere eine Eingangssteuer zu lege», da dieselbe jedoch nur die Wirthe und die nördlichen Wand sichtbaren Schilder, von denen das eine zwei sich kreuzende grüne Hirschstangen auf weißem Felde — ursprünglich weiße Stange auf grünem Felde — zeigt, deuten aus Beziehungen hin, welche Dippoldiswalde zu den Burggrafen von Dohna da mals gehabt hat. Bedauerlich fand es Herr Prof. I)r. Steche, daß die Bilder, welche früher die westliche Wand geschmückt haben, verschwunden sind. Es waren dies links der segnende Christus — ein Meisterwerk — und rechts ein großes und ein kleineres Bild, den heiligen Christoph darstellend, von denen das erstere aus dem Eude des 13., das letztere aus dem Ende des 15. oder Anfang des 16. Jahrhunderts stammten. Der Altar ist jedenfalls ursprünglich nicht in dieser Kirche aufgestellt gewesen, da sonst gewiß auch hier der heilige Nikolaus, dessen Legende durch die an der südlichen Wand sichtbaren Wandbilder dargestellt ist, verherrlicht wäre. Er ist vielmehr aus verschiedenen, ursprünglich gar nicht zusammengehörigen Theilen zusammengesetzt worden, hat auch jedenfalls ursprüng lich bis an die Decke der Apsis gereicht. Der eigent liche Altartisch, ans Sandstein, ist Original. Der erste Aufsatz, Maria mit dem Jesuskind und Mutter Anna darstellend, ist ganz ähnlich einer in der Kirche zu Seifersdorf noch vorhandenen Gruppe und wahr scheinlich sind beide von denselben Künstlern ausgeführt. Die beiden Flügelthüren dieses Aufsatzes zeigen in- und auswendig kostbare Bilder, Meisterwerke aus der letzten Krauach'schen Schule. Die inneren Bilder stellen den heiligen Joachim dar, wie er, dessen Ehe lange Zeit kinderlos war, um ein Kind betet und durch einen Engel die Verheißung empfängt, ihm werde eine Tochter (Maria) geboren werden — und wie er dann ein Opfer als Dank für diese Verheißung bringt. Die äußeren Bilder zeigen die Geißelung Christi und die matsr dolorosa und Johannes, vielleicht auch der Sitte jener Zeit entsprechend — den Erbauer (Schenk geber) der Kirche. Der zweite Aufsatz zeigt das Osterlamm, während der dritte aus drei Figuren be steht, von denen die mittelste, eine Doppelfigur, nach vorn Gott den Vater, nach hinten Aron darstellt. Jedenfalls hat diese ursprünglich einen anderen Platz in der Apsis gehabt, ist auch wahrscheinlich bei Pro zessionen mit herum getragen worden. — Den an wesenden Herren wurde außerdem Gelegenheit geboten, die herrliche Akustik unserer Nikolaikirche kennen zu lernen, indem die in derselben aufgestellte Cottageorgel gespielt wurde und durch ihre Klangschönheit und Fülle — nach vielfach ausgesprochener Versicherung — sehr erfreute. Im Laufe des Nachmittags nahmen die Herren noch die Stadtkirchs, das Sessiouszimmer des Rathhauses u. s. w. in Augenschein und verließen mit dem Abendzug unsere Stadt. — Briefe, welche dem Briefkasten an Eisenbahn postwagen entnommen sind, wurden bis jetzt von der Post handschriftlich mit der Bezeichnung des Aufgabe ortes versehen. Diese Eintragung fällt nunmehr im Allgemeinen fort. Wir machen Diejenigen, welche Briefe in Bahnpostwagen einstecken, auf diese neue Be stimmung aufmerksam, damit nicht auch von deren Seite die unter Umständen gewiß wichtige Bezeichnung des Aufgabeortes weggelassen wird. In zweifelhaften Fällen kann ja hier nicht der Poststempel zu Nathe gezogen werden. — Zur Erledigung kommt: die Schulstelle zu Ober-Reichstädt; Kollator die oberste Schulbehörde; Einkommen — excl. freier Wohnung, 75 Mark für Fortbildungsschule und 100 Mark für Heizung — 840 Mark; bei guten Leistungen wird nach Ablauf eines Jahres eine persönliche Zulage von 100 Mark gewährt; Bewerbungsgesuche sind bis 16. Juni an den kgl. Bezirksschulinspektor in Dippoldiswalde ein zusenden. — In Nechenbera bei Bienenmühle ist am 25. d. M., früh 2 Uhr, in dem Wohnhaus Carl Inserate, welche bei der bedeutenden Auflage d«S Blattes eine sehr wirk same Verbreitung^ finden, werden mit 10 Pfg. die Spaltenzeile oder veren Raum berechnet. — Ta bellarische und complicirte Inserate mit entsprechen dem Ausschlag. — Einge sandt, im redaktionellen Theile, die Spaltenzeilr 20 Pf«. Die „Weißerih-Zeitung" erscheint wöchentlich drei mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend. — Preis vierteljährlich 1 M. 25 Psg., zweimonatlich 84 Psg, einmonatlich 42 Pfg. Einzelne Nummern 10 Pfg. — Alle Postan stalten, Postboten, sowie die Ageuien nehmen Be stellungen an. Amtsblatt für die Königliche Amtshauptmannschaft Dippoldiswalde, sowie für die Königlichen Amtsgerichte und die Stadtrache zu Dippoldiswalde und Irauenstein