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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.07.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-07-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920709028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892070902
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892070902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1892
-
Monat
1892-07
- Tag 1892-07-09
-
Monat
1892-07
-
Jahr
1892
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' AbormementSPreiS E» der Hauptexpeditlon oder den im Stadt» bezirk und den Vororte» errichteten Aus gabestellen abgeholt: vierteljüdrlich^tsM, bei zweimaliger täglicher Zustellung in« HauS -/» 5.50. Durch die Post bezogen sür Deutschland und Oesterreich: vierteliädrlich 6.—. Direct» täglich« kkreuzbandjeaLung in- Ausland: monatlich S.—. Die M orgen-A uSgab« erscheint täglich '/,7 Uhr, die Abend-AuSgab« Wochentag» b Uhr. NeLaclion vn- Erpeditiou: Johannes,affe 8. Di« Expedition Ist Wochentag- ununterbrocheo geäffnet von früh 8 bi« «beadß 7 Uhr. Filiale«: vtt» Slemm's Eorti«. (Nlfeetz Ha-aX. UniversitätSslrab» t. Laut» Lösch«. Kaiharinenstr. I», pari. und KöiigSplatz 7. Abend-Ausgabe. Legan fiir Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. JnfertkonSpretS Die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg) Reclamen unter demRedactionlstrich (4 ge- spalten) 50->j, vor den Familieanachrtchte» (6 gespalten) 40-^. Größere Schriften laut unserem Preis verzeichnis Tabellarischer und gifferasatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gesalzt», nur mit der Morgen-Autgabe. ohne Postbesörderung ^l M-—, mit Postbesörderung 70.—. Anniilimeschlub für Inserate: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen.Ausgabe: Nachmittag« 4Uhr. Sonn- und Festtag« früh '/,9 Uhr. Bet den Filialen und Annahmestelle» je eine halbe Stunde früher. Inserate find stet« an di« Expevitt«» zu richten. Druck und Verlag von E. P olz in Leipzig. 3t8. Sonnabend dev. 9. Juli 1892. 8K. Jahrgang Zur gefälligen Leachtnng. Unsere Erpedition ist morgen Sonntag, den 10. Juli, Vormittags nur bis VsO Uhr gcvsjnet. Lxpetlititti, tie8 l.eip/.ixer ^r»xetrln1te8. politische Tugesschau. * Leipzig, S. Juli. Die beiden gestern mitgetheilten Acten stücke, zu deren Veröffentlichung der Reichskanzler Graf Caprivi greisen zu müssen geglaubt hat, um dem Fürsten Bismarck zu be weisen, daß vor seinem gefäbrlichcn Munde die gesainmte preußische und kaiserliche Diplomatie gewarnt worden ist, sind ein wahres Labsal für alles, was dem Alt reichskanzler jemals feindlich gewesen ist. Und das ist auch ein Erfolg, der bei dem jetzigen Reichs kanzler um so mehr ins Gewicht fällt, da dieser be kanntlich das „Gute" nimmt, wo er cs findet. Für die lauen Freunde des alten Kanzlers genügt es, daß ihm, wie die „Neue Fr. Pr." sich ausdrückt, ein „diplomatischer Steck brief" ins Ausland nachgeschickt wurde. Dadurch ist der Mann in den Augen der urtyeilSloscn Loyalität geächtet; ob diese Aechtung nochig war und ob ohne sie das Vaterland wirklich jn Gefabr gekommen wäre, das zu prüfen, fällt nur Wenigen ei«. Es ist eine Thatsache, die nicht verschwiegen werden darf, daß. nachdem Graf Eaprivi daS schwere Ge schütz amtlicher Publikationen aufgesührt und den Beweis erbracht bat, daß sein Vorgänger den Lenkern des neuen Curses als staatSgefährlichcr Raisonneur und commis vo^Lgeur erscheint, nur noch wenige Blätter offen für den Fürsten Bismarck eintreten. Ter „Reichs-Anzeiger" ist eine gar schneidige Waste und die amtlich ccnstatirte poli tische Anrüchigkeit ein böser Makel. Fürst BiSmarck empfindet dies augenscheinlich selbst, venn er hat den „Hamb. Nachr." noch keine Information darüber zugcbcn lassen, waS über jene Veröffentlichung zu sagen sei. Es wird ihm auch schwer werden, den Eindruck zu verwischen, den sein Nachfolger bei der großen Maste erzielt hat; und auf welche Weise könnte der Fürst den Nachweis führen, daß nicht nur Gras Eaprivi, sondern auch der Kaiser ohne. Grund von dem ehemaligen „Fahnen träger der Nation" BöseS und Gefährliches besorgt haben und noch besorgen? Und die Lage des Fürsten wird eine noch peinlichere dadurch, daß er augenscheinlich einen Beweis für die in den „Hamb. Nachr." ausgestellte Behauptung, „daß die antibismarck'schen Beziehungen des jetzigen Reichskanzlers bis in die Zeit der „ReichS- glocke" zurllckreichen", nicht zu erbringen vermag. Zwar schreiben die „Hamb. Nachr." heute: „Der „Reichsanzeiger" bezeichnet unsere neulichen Bemerkungen über das Verhältnis des Grasen Caprivi zur CenlrumSpariei als der thatsächlichen Begründung entbehrend und als geeignet, den ersten Beamten deS Reiches zu verdächtigen; Gras Caprivi habe bis zu dem Augenblicke, wo er zum Reichskanzler er nannt sei, nie nach einer politischen Wirksamkeit ge- strebt und keine Beziehungen zu irgendeiner politischen Partei gehabt oder gesucht. Wir haben in unjerm ersten Artikel von Bestrebungen des Hrn. v. Caprivi gar nichl gesprochen, sondern nur von Stimmungen und Bestrebungen der CentrumS- partei, welcher der General ein willkommener Nachfolger des Fürsten Bismarck gewesen sei; wir haben gesagt, daß die Politik des Grafen Caprivi, wie sie noch bei Lebzeiten Windthorsl'S, bei besten posthumer Ehrung, bei Behandlung der polnischen An- »eiegenheiten und beim Schulgesetzentwurse zu Tage getreten ei, das Vertrauen des Cenirums zu Caprivi vollkommen gerechtfertigt habe. In der letzten Unterredung, die Windt- Horst mit dem Füllten BiSmarck gehabt Hai, sprach Erster» — ausrichtig, oder nicht — den Wunsch aus, der damalige Reichskanzler möge im Amte bleiben und die Geschäfte forlsetzen; wenn dies aber nicht möglich sei, nannte Windthorst nicht nur den General von Caprivi als Nachfolger, sondern empfahl ihn auch lebhast, so daß man, da Windthorst Leiter des CentruniS war, vollkommen berechtigt war, zu agen, Graf Caprivi sei der Candidat des Centrums gewesen, mit anderen Worten General von Caprivi habe das Vertrauen des Centrums und seines allmächtigen Führers Windthorst besessen. Unsere »euliche Aeußerung registrirt nur diesen Thatbestand »nd giedt dein „Reichsanzeigcr" kein Recht, sie als unwahr und als eine Verdächtigung deS ersten Beamten des Reiches zu bezeichnen. Tie Anführung des amtlichen Blattes, der jetzige Reichskanzler habe bis zuin Augen- blicke seiner Berufung seinerseits nie nach politischer Wirksamkeit estrebt, ist vollkommen verträglich mit unserem Text. Derselbe ehauplet nur, daß General von Caprivi das Vertrauen des Cen- trums gehabt habe; er behauptet nicht einmal, daß Ersterer dies Vertrauen vor seinem Amtsantritt gesucht oder «pflegt hätte, sondern nur, daß er es nach seinem mISaniritt gerechtfertigt habe; unser Artikel belegte diese Ansichl durch Anführung einer Reihe von politischen Maßregeln der neuen Regierung, welche publici juris sind. Wie groß der Werth ist, den das Centrum aus Herrn von Caprivi legt, bewies es im vorigen Jahre, als es, ohne Rücksicht aus seine zahlreichen ländlichen und industriellen Wähler, den dieselben schwer schädigenden Handels verträgen zustimmle, nur um Herrn von Caprivi am Ruder zu er- Hallen. Tie Kölner Rede deS Abg. Lieber, von der ein rheinisches Blatt sagt, sie singe mit vollen Tönen den Ruhm Caprivi's, beweist, daß das Vertrauen des Centrums zum jetzigen Reichskanzler auch heute noch, ungeachtet der Zurückziehung des Schulgesetzeniwurscs, unerschütiert sortbesleht, wen» auch Herr Lieber vielleicht nicht mit derselben Autorität, wie früher Windihorst, die Ueberzcugung des gesammten Centrunis znm Ausdruck bringt. Die Besorgniste, mit denen wir der Zukunft unjerer Politik ent- gegensehen, beruhen auf der Befürchtung, daß das Centruin und dessen Bestrebungen vorwiegenden und teilenden Einfluß au» die deutsche Politik gewinnen könnten, weil die geschlossene Einheit dieser Fraktion,.ihre Unverzagtheit und die Erinnerung an das Geschick, mit dem sie hurch Windthorst geleitet wurde, nicht ohne Anziehungskraft sur ewe Regierung sind, die deS partementa-, rischen Beistandes nicht entbehren kann. Tie Unterstützung der Regierungspolitik durch da» Centrum ist, wenn sie ohne Schade» des Staates gewonnen werden kann, ja wünschenswerth, aber eine» leitenden Einfluß dieser Partei aus die Staatspolitik, da- Regieren nach der Politik des Centruins, halten wir für gefährlich." WaS hier von der Thätigkcit deS Grafen Eaprivi gesagt, von Herrn Windthorst erzählt und über Bestrebungen deö CentruinS auSgefübrt wird, ist zweifellos corrcct, aber eS ianorirt die Thatsache, daß die „Hamb. Nachr." in ihrer Nr. 158 vom 5. Juli wörtlich geschrieben haben: „Es ist ein Jrrthui», daß Füllt Bismarck die Vcrmiiihung ans- gesvrochen habe, Windthorst habe die Kunde von der Candidalur Caprivi's aus dem Munde des Kaisers gehabt. Der Fürst hält eher das Umgekehrte für möglich und glaubt, daß Caprivi der Candidat des Cenirums weit früher gewesen sei als der des Kaisers, da die antibismarck'schen Beziehungen des jetzigen Reichs- kanzlers zum Centrum bis in die Zeit der „Reichs- gtocke" zurückreichen und uns nichts darüber bekannt ist, daß ihre Fortsetzung später unterbrochen worden ist." Wahrscheinlich haben die „Hamb. Nachr." mit den ge sperrt gedruckten Worten dem Fürsten etwas in den Mund gelegt, was er anders auSgcdrückt Kat und nicht auf recht erhalten will und kann. Aber inimerbin wird man ihm den Vorwurf machen, daß er seinen Nachfolger in falschen Verdacht habe bringen wollen. Und das ist bei dem Eindrücke, den die Veröffentlichungen des „Reichs anzeigerS" vielfach gemacht habe», doppelt peinlich. Wir können daher nur den Wunsch wiederholen, daß Fürst Bis marck, wenn er überhaupt die Fehde noch forlsetzen will, dabei alle Mittelspersonen bei Seite läßt und alle Mißver ständnisse unmöglich macht durch Erklärungen, die seine Unterschrift tragen. Die aus Paris berichtet wird, hatte man dort die kürz- liche Verleihung der PairSwürde an den englischen Vertreter in Egypten, Sir Evelyn Baring, als den Vorläufer einer anderen Verwendung desselben aufgefaßt und sich auö diesem Grunde über diese Vcrleibung gcsreul. Nun siebt man sich in doppelter Weise enttäuscht, denn nicht nur ist von einer Abberufung Sir Evelyn Baring's nickt die Rede, sondern eS bedeutete die ibm zu Tbeil gewordene Auszeichnung vielmehr die Anerkennung seiner Verdienste um England in Egypten. Man ist von dieser Wahrnehmung sehr wenig erbaut, denn man wird durch dieselbe nur in der Annahme bestärkt, daß England an dem Gedanken, in Egypten zn bleiben, festhalte, und daß alle Versuche, die NänmungSfragc in Anregung zu bringen, erfolglos sein dürften. Tie englischen Parlamentswahlen fahren fort, ähnliche Ergebnisse zu liefern, wie diejenigen der ersten Wahl tage, so daß sich auch heute noch nicht mit Bestimmtheit sagen läßt, welche der kämpfenden Parteien zum Schluß die Mehrheit auf ihrer Seite haben wird. So viel scheint aber seslzusteben, daß, mag nun die eine oder die andere Partei siege», für keine derselben die Majoriät eine große sein wird. Einstweilen bleibt die Mehrheit noch den Eonservativcn und selbst den Gladstcnianern drängt sich allmälig die Er- keiintniß auf, daß, nachdem fast sämmtliche Groß städte sich gegen sie erklärt haben und eS ihnen insonderheit in London nickt gelungen ist, die erhoffte Mehr heit der Sitze an sich zu reißen, eS Gladstone nicht gelingen wird, eine regierungsfähige Majorität »» Unterbaust zu Stande ru bringen. In Folge dessen haben selbst Blätter, wie die „Pall Mall Gazette", den Glauben an einen überwältigenden Sieg der Liberalen bereits ausgegcben. Nach der letzten telegraphischen Meldung auö London sind gewählt 190 Ministerielle und l44 Gladstoneaner einschtießlich der Irländer. In London- derry siegte der Conscrvativ« Roß über den Führer der Anti Parnelliten Mc Carthy Und ein« weitere Meldung von heute besagt, daß das bis jetzt vorhandene Resultat der Wahlen immer noch eine Mcbrbeit von 46 Stimmen für Salisbury ergicbt und daß, falls Gladstone selbst in den Landgemeinden die Stimmenmehrheit erlange, was aber noch durchaus nicht bewiesen sei, er dennoch für »ich eine Majorität nicht erwarten dürfe. ES bleibt unter solchen Umständen nichts übrig, als den weiteren Verlauf des Wahlkampfes abzuwartcn. Nachdem der norwegische Storthing vor einige» Wochen mit einer Mehrheit von 63 gegen 49 Stimmen die Trennung von dem schwedischen EonsulatSwesen und die Einrichtung selbstständiger norwegischer Eonsulate be schlossen batte, ist jetzt bekanntlich diesem Beschlüsse, dessen Ausführung die erste große Bresche in das Unionsvcrhältniß zwischen Schweden und Norwegen legen würde, die Geneh migung durch den König versagt und dadurch der Rücktritt des Ministeriums herbeigcsührt worden. Gegen wärtig liegt der Wortlaut der ablehnenden Antwort deS Königs aus die ihm seitens deS Präsidenten deS StorthingS überreichte Adresse vor: Wenn die norwegische Regierung dem König im Staatsrath einen Vorschlag vorlegt, so hat der König, nachdem er seinen Rath gehört hat, das Recht, nach eigenem Uriheil Beschluß zu fassen, selbst verständlich mit der Beichränkiing, die Art. 79 des Grundgesetzes bestimmt. Ta ich indessen vor einigen Tagen, mich aus bas Grundgesetz stützend, erklärte, von diesem Rechte Gebrauch zu machen, wurde ich hierin dadurch verhindert, daß die Minister ihre Abschiedsgesuche elnreichtcn, bevor eine grundgesetzinäßige Ver handlung der Sache statlsand, und nur aus Grund nichlosficieller Conscrenzen und privater Unterredungen. Aus diese Weise entzogen sich meine verantwortlichen Rathgcber der Pflicht, ihre Meinung sachlich zu Protokoll zu geben, wie es doch das Grundgesetz klar sordert. Dadurch bin ich zugleich der Gelegenheit beraubt worden, vor dem norwegischen Volke zu erklären und zu begründen, was ich, nachdem ich meine constitutionellen Raihgeber gehört, zu beschließen beabsichtigte. Betreffs der Behandlung der Frage über Aushebung des gemeinsamen Consulatswesens und der daraus folgenden Errichtung eines eigenen kann ich mich kurz fasten. Ich halte mich voll und ganz daran, was ich schon in meinem Zusatz zum Staatsprotokoll vom 14. März gesagt, und füge nur hinzu, baß es auf Grund der Erklärungen über Ziel und Bedeutung des An trags, wie sie mir von Seiten der Staatsrathsmitglieder in Ge sprächen und vorbereitenden Conscrenzen gegeben, geschieht, daß ich bei Lein jetzigen Standpuncte der Sache au meinem Beschlüsse, den Antrag des Storlhings nicht gutzuheißcn, sesthallen muß. Die Ent- schcidung hierüber bleibt natürlich im norwegischen StaatSrath zu treffen. Dadurch wird an dem bestehende» Vcrdältniß zum Bruber- reiche nichts geändert. Im Interesse des dauernden Bestandes der Vereinigung liegt eS mir am Herzen, daß daS Coniulatswesen gleichwie andere unionelle Verhältnisse sobald wie möglich in einer den Rechten und Jnieressen beider Völker entsprechenden Weise ge- ordnet werde. Ich gebe mich der sicheren Hoffnung hin, daß alle vaterlandsliebenden Männer voll verstehen und erkennen werden, daß meine Ausgabe und Handlungsweise nur allein von Pflichtgefühl und Liebe zum Volk und Sorge sur dessen wahres Wohl vorgeschriebe» ist. Die Vereinigten Staaten von Nordamerika werden vielfach als daS Musterland von Freiheit und gesundem Fort schritt gepriesen, indessen eS ereignen sich daselbst nicht selten Dinge, welche ein bedenkliches Licht aus die Entwickelung der öffentlichen Zustände in der großen transatlantischen Republik werfen und dieselben keinenfaUS in verlockendem Lichte er scheinen lassen. So hat der Telegraph in diesen Tagen von blutigen Streikunruben in den Eisenwerken zu Homcslcad bei PittSburg berichtet, Unruhen, welche nach den ein- gclrossencn ausführlicheren Nachrichten zn einer förmlichen Schlacht ausarteten und sür alle Zeiten in den Annalcn der amerikanischen Streiks einen hervorragenden Platz beanspruchen werben. Die Leiter der Carneaic'schc» Eisen werke in Homcstrad verhängten eine ArbritSsperre, weil sie die Forderungen der Arbeiter nicht gewähren wollten. Den Betrieb gedachten sie mit nicht zum Gewerkverein ge hörigen Arbeitern fortsetzen zu können, und damit diese binlanglichen Schutz genössen gegen etwaige Gewalt- thäligkcilen der Entlassenen, verpflichteten die Directoren eine große Anzahl Pinkertonscher Privatgeheim polizisten, um die Fabrik und die Arbeiter Tag und Nacht zu schützen. Dies war in aller Stille abgemacht worden, und man glaubte, daß die DetectivcS und die Nicht- gcwerkvcreinler im Dunkel der Nacht die Fabrik erreichen würden, ohne daß die früheren Arbeiter etwas davon merkten. Am 6. t. M. um 2 Uhr Morgens fuhren 300 DetectivcS in ztvei großen, von einem Dampfer gezogenen Kähnen von Pitlsburg nach Homcslcad. AIS sie dort an- kamcn, saben sie bald ein, daß sie sich die Landung mit Ge walt erzwingen müßten. Tausende von Leuten standen am User, und nicht Wenige von ihnen waren mit Knüppeln und Revolvern bewaffnet. Als der Tag graute, versuchten die Tclcctivcs zu landen. Die am Ufer stehende Menge stieß die Kähne immer wieder ab. Da fiel ein Schuß. Wie eS heißt, kam er von den DetectivcS, und im Nu wurde das Feuer auf beiden Seiten eröffnet. Es dauerte volle zehn Minuten. Die TeicctiveS hatten Winchester-Gewehre, während ihre Gegner nur Revolver besaßen. Mehrere Male ergriffen die Streikenden die Flucht, aber stets rückten sie wieder vor; 7 Arbeiter wurden erschossen und 4 DetectivcS verwundet. Eine Pause im Kampfe entstand, als die Kähne 25 DardS vom User vor Anker gingen. Um 7 Uhr aber be gann der Kamps aufs Neue. Als etwa 50 Geheimpolizisten Feuilleton. Der Letzte seines Stammes. ös Licht- und Schattenbilder von Wolde mar Urban. Nachdruck »erbotrl». (Fortsetzung.) Herr Gebeimrath Lasten Cie mich auSreden, lieber Freund! Ich habe nicht umsonst betont, daß wir uns als langjährige Freunde unum wunden auSdrllcken können. Weshalb sollen wir verblümte Redensarten machen? Ich sagte also, daß ich diese Möglich keit im Auge behalte und so lange im Auge behalten muß, als ich nicht von der Unmöglichkeit überzeugt werde. Erst wenn ich sehe, daß beide Betbciligte sich beirathen wollen, daß Beide durch diese Eke glücklich zn macken sind, erst dann werde ich überhaupt Interesse für das Glück des Grafen Coda haben. Das hört sich trüber an, als ich zuvor glaubte, daß eS sei, und beweist, daß Sie von der Bewerbung deS Grafen möglichst mißtrauisch und schlecht denken! Mit Unrecht! Es ist wahr, der Graf rechnet auf Ihre pecuniärc Hilfe und glaubt sich mit dieser wieder in seine frühere einflußreiche Stellung in der höheren Gesellschaft zu bringen, die er ja zu seinem großen Ingrimm in Folge deö Rückganges seiner Vermögensverhältniffe verloren hat. ES wäre Tborbeit, Ihnen, Herr Gebeimrath, der Sie ohnehin durch ein Ver größerungsglas schauen, daS verbergen zu wollen, aber de-balb anzuncbmen, daß Fräulein Mimic dabei zu kurz känie, taß die Hciratb in Folge besten eine unglückliche werden würde, daS ist,mit Verlaub zu sagen, ein Verstoß! Glauben Sie denn, daß die Dankbarkeit des Grafen mit der Ouittung über die Mitgift aushört? Haben Sie Grund, eine solche Ungeheuerlichkeit anzunehmen? Wie immer auch die pecuniärc Situation des Grasen jetzt sein mag, er ist ein Edelmann cks nur sank, das Adelsschild der Eoda ist ein Ehrenschild, eine Sicherheit gegen gewisse Ucberraschungen, denen Sie bei einem bürgerlichen Schwiegersohn immer au-gesetzt bleiben würden. Ein Eoda bat nickt nur seine Ehre, sondern die Ehre von achtundachtzig Ahnen in die Waagschale zu Wersen. DaS sollten Sie wob! nwagen, Herr Gebeimratb, und im Interesse deS Glückes der sichern Zukunft Ihrer Tochter respectiren. Der Geheimrath pfiff leise vor sich hin und nickte langsam und nachdenklich mit dem Kopfe. Der Justizrath fuhr in seiner Auseinandersetzung halblaut, aber eindringlich fort: Es ist unmöglich, Herr Gebeimrath, daß Sie sich diese- GesichtSpunctcS bei Beurtheilung der Angelegenheit ganz cntschlagcn können, ebenso wie ich eS sür unmöglich balle, daß Sie mit all' Ihrer Menschenkeimtniß und Welt- erfabrung auf dem Standpunct stehen können, daß „Eben im Himmel geschloffen werten". Jeder, der vcrbeirathct ist, bat den Gegenbeweis in der Hand, warum sollten gerade Sie sich mit solchen Subtililätcn tragen? Sic wissen doch, waS in solchen Fällen ein kleines Wort, eine liebevoll gegebene Directive, ein kleiner Scherz für Eindruck aus das junge Gcmütb macht, daß die Liebe in manchen Gemütbern eine Pflanze ist, die nichl ebne Weiteres cinporsckießt, sondern der Pflege bedarf. Nun liegt die Sache aber, Gott sei Dank, so, daß ick Ihre directe Intervention für vollständig um gänglich, sür unnöthig halte. Ich weiß, daß Fräulein Minne kein Grafen geneigt ist und bitte Sic vorläufig nur, dieser Neigung nicht hinderlich sein zu wollen, der Pflege dieser Beziehungen nickt entgegen zu sein, waS Sic, Herr Gebeimrath — seien wir offen und ehrlich miteinander — nur zu Ihrem Schaden tbun müßten. Sie werden sich nickt verhehlen, daß dein Schwiegervater des Grafen Coda, wie diesem selbst, auch die höheren und höchsten Kreise ein willigeres Obr leiben werden, wenn eS sich um gewisse Unternehmungen und Unterstützungen handelt, als dem einfachen, reich ge wordenen Gebeimrath MariuS, oder — setzte der Justizrath leise und kaum hörbar hinzu — MarcuS! Vorsichtig, wie ein gewiegter Unterhändler, hatte der Justiz- ratb in seinem Vortrag nacheinander verschiedene Saiten an geschlagen, aber der Gebeimrath hatte seine ruhige Gleich mäßigkeit bewahrt, bis zuletzt, als er den Namen MarcuS hörte. Hier schlug er plötzlich wie gereizt auf die Ctubllcbne und sah seinem Gegenüber scharf in daS Gesicht. Aber der Justizratb erwiderte den Blick mit großer Rübe; er sab, daß er diesmal die richtige Saite angeschlagen batte, eS bandelte sich nur noch darum, auch die erforderliche Melodie zu finden, um auf ibr spielen zu können. DaS ist in der Welt nicht ander-, fuhr der Justizratb ruhig fort und spielte an einem kleinen Siegelringe herum, den er an der linken Hand trug: wo die Duminc» überhand nehmen, da ist e« bedenklich» den Weisen zu spielen und eS wird immer rathsam sein, lieber auch einmal der Dummheit Conccssioncn zu macken, als sich als Weiser ans den Jsolir- schemel zu setze». Sie wissen ja, Herr Geheimrath, mit welchem überraschenden Erfolg Sic schon einmal an diesem Faden gezogen haben! Haben Sie das Rccept vergessen? Damals war eS der Jude, den Sie — wenigstens vor der Welt — abschütleltcn. War das nicht eine Eoncession an die Tummbcit Anderer? Gut! Schütteln Sie auch den Parvenü ab! Es ist dieselbe Mcdicin, sie schmeckt ganz gut, nur frisch hinunter! Gebeimrath MariuS war ein wenig in sich zusammen gesunken und sah starr vor sich auf den Boden. Was wissen Sie von dieser Medici»? murmelte er langsam, Sie haben sie nie genommen! Es war die bitterste meines Lebens. Sie war Ihnen aber bock nickt zu bitter, nicht für sich selbst zu bitter! Ist sie Ihnen zu bitter sür Ihr einziges Kind, sür die Stellung Ihres Hauses und Ihrer Nach kommen? Gebeimrath MariuS sagte nichts und nach einer kleinen Pause fubr der Justizrath fort: Die Gräfin Coda, Jbre Tochter, und die übrigen Eoda'S, Ihre Enkel, werden auf Sie nicht minder stolz sein können, als die Eoda'S aus Ihre Almen, denn Sie haben Dummheit und Vorurthcil zu ibrcm Glück überwunden. Ukberwiinden? fubr der Gebeimrath plötzlich laut und fast heftig auf, ich bin der Ucberwundcne! — Doch das verstehen Sic nicht, Sic wissen nickt, wie bitter eS ist, dem Vorurtheil zu unterliegen, dem ... still! wer kommt? Sie sind Ucberwinder und Ueberwundencr zugleich, Sie baben sich selbst überwunden und daS sind — wie die Menschen nun einmal sind — die größten Siege im Leben. Sie tbaten's zu Ihrem Heile, nun thun Sie eS auch zum Heile Ihrer Ab, da sind ja die Herren, sagte die Frau Gcheimräthin laut, indem sie mit ibrer Tochter und dem Grasen Coda in den blauen Salon trat. Wir stören dock nickt etwa? Wir ziehen un« gleich wieder zurück. DaS Kind wollte Dir nur gute Nacht sagen. Sie ist so angegriffen und will sich zurückziehen. Sie erinnern uns daran, sagte Graf Coda höflich, daß eS die höchste Zeit ist, Ihnen nunmehr auch unsererseits Ruhe zu verschaffen. O nein, sagte Fräulein Mimie, ich ziehe mich nur unter der Bedingung zurück, daß sich die Herren nicht im Ge ringsten derangiren. Du bist etwa- blaß, mein Kind. Ist Dir nicht Wohl? Ich bin nur müde, Papa. So geh'. Gute Nacht, mein Kind. Er küßte sie leicht aus die Stirn. Cie ist so leicht ermüdet, fuhr die Frau Gcheimräthin zu Graf Eoda gewendet fort, man muß ihr etwas Nachsehen. O selbstverständlich, gnädigste Frau Gcheimräthin. Sie bat de» ganzen Abend keine kleine Aufgabe gehabt. Ack Gott, ja, und daS ist eine Pflicht, bei deren Er füllung einem ost Angenehmeres einsällt. Aber Sie müssen uns einmal an einem anderen Abend — en tsmills — be suchen, wenn wir uns gegenseitig mehr widmen können. Sic sind sehr gütig, Frau Gcheimräthin. O, ich werde die Ehre immer zu schätzen wissen, Herr Graf, aber Sie werden bcgreisen, daß man an den EmpfangS- Abendcn so in Anspruch genommen ist. O selbstverständlich — Also Sie werden uns nicht vergessen, Herr Gras? Wenn immer Sie wollen, Sie werden uns stets erfreut sehen, Sie begrüßen zu können. Der Abschied war so herzlich, so nett, so vertraulich und familiär — er hätte eS nickt mebr sein können. Nun? fragte Justizrath Markwaldt den Grafen Eoda, als er mit ibm die Treppe Hinabstieg. Der Maler Bab! Wo denken Sie bin? Gernot? Ein Mann, der NicktS ist, NicktS bat. Nichts thut! Sie kennen den Geheim- rath MariuS schleckt! Und Sie, Fräulein Mimie, gar nicht. Machen Cie sich dcSbalb keine unnöthige Sorge, lieber» lassen Sie diese mir. Ich habe wohl Acht gegeben, sie schieden entzweit von einander. Hoffentlich sehen sie sich nie wieder. DaS wäre jedenfalls zu wünschen. Verlassen Cie sich auf mich! Sie kennen mich. Außer dem habe» wir einen guten Vorsprung! (Fortsetzung folgt.)
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