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«I. Jahrgmtz. Ai 2S. Donnerstag, 28. Januar 1817. Keg*ürr-eL L8SS Drahtanschrift: Rachnchie« Dresden Fernsprecher-Sainmelnumm«: 28241, Nur für RachlgesprSch«: 20 VU. M ^föl5»iorcs,N»ek MN -AnSant-ZekoiwlaÄe - Aekvkolaüe - Älkter-AekokolaSL - Ankao, DsrseiF. ^ Lchriftlcaung und Haupigeschastsjtelle. Marienstratz« 3» 4 8. Druck u, Verlag von Liepsch L Rcichardt m Dreddeu. (etwa 8 Silben) 3S Pf.. Dorzugsplätze und Anzeigen in Nummern nach Tan», langer Zustellung durch die Post :i,!ü> M. (ohne «eftellgeld). > >r- und Adtrrtagen laut Laris.— NuLwirlig« AustrSge nur gegen Vorauodezahlung — Belegblatt 10 Pf. Nachdruck nur mit deutlicher Quellenangabe <,Dr«»dner Nach».") julLlstg. — Unrnrlangte Schriftstücke werden nicht auibewahrt. Ser Eindruck der Wilsonschen Rote im Inland und Ansland Mftloimung gegen Wilson in London. — Sin dnliarlscher Staatsmann über den Frieden. — Peter Raosen über dir Absichten de« Merverbaader. — Ser Nrlegiwllle der englische» Arbeiter.—Per Ssterreichisch-nngarische Ansgleich.—Die bühmische Frage. -er deutsche Abendbericht. Berlin, SI. Jau., abcudo. sAmtlich. W. T. Bi Deutsche Augrisse deiderseito der Aa entrissen den Nüssen beträchtlich Gelände. Bisher sind über l50ü Gefangene eingebracht. Lesierreschisch-nngarischer Kriegsbericht. Wien. Amtlich wird verlautbart den LI. Januar: Oestlicher Zfriegsschauplatz. A eeresgrnpp« de» Generalseldmarschall» v. Mackensen Das Nordufer des St. «Georg-Arms wurde wieder geräumt. Heeressront des Generalobersten Erzherzog» Joseph «über stellenweise gesteigertem Geschühkamps nichts .in melden. ./ Heeressront de» Generalfeldmarschalls Prinzen Leopold «»l^B-oera Bei den österreichisch, ungarischen Strcitträsten nichts Neues. '' '' Italienischer und südöstlicher Kriegsschauplatz. ttuvcrSndert. Der Stellvertreter des Chefs des Geueralstabes: sW T B s ». Hvs« r. Feldmarschall'Leutuant. «illonr Sriedensbotschaft. Der amerikanische Präsident hat cs nicht übers Her.; brmaen können, seine Vermittlungsbcstrebungen sang- und klanglos aufzugcben. Zwar bat der amerikgnische Senat Anfang Januar beschlossen, die Erörterung der Friedens- srage zu vertagen, weil es eine Parteinahme für die eine der beiden kriegführende» Mächtegruppen bedeuten würde, wollte man die Friedenebtzstrebuugen gegen den Willen der anderen fortsctzen. Damals batte eben der Bierverband seine ablehnende Antwort auf das Ariedcnsanaeüvt der deutschen Regierung erteilt. Tic Antwort auf Wilsons Note war zwar noch nicht erfolgt, aber aus den Reden Briands, Llond Georges ijnd der anderen war zu entnehmen, das; augenblicklich im Pterpcrüand wenig Neigung sür Friedcns- Lesircbungen vorhanden war — Grund genug sür den amerikanisch«« Senat. die ganze Frage in der Versenkung verschwinden zu lassen. Seitdem sind widersprechende Mel dungen durch die Presse gegangen. Die einen wollten willen, datz auch Wilson seine Bermitllungsaltion vorläufig als erledigt ansehe, andere behaupteten, er werde sie forr- jetzen. Die Botschaft, die der Präsident an den amerika nischen Sengt gerichtet bat. gibt keine klare Auskunft au? die Frage. Es ipäre denkbar, datz sic gcwisscrmaben der Friedensnote vom Dezember zu einem Begräbnis erster Klage im Senat verhelfen soll, cs ist aber wahrschein licher. dab der Präsident dadurch die grobe Krage wieder um zur Erörterung stellen, möglicherweise sogar einen Beschluss des Kongreßes herbeiführe» will, der ihm. seiner Ansicht nach, ein Recht gäbe, sich auso neue in die eurv- väischcn Angelegenheiten zu mischen und den Kaden, der durch die Antwortnote des Verbandes vom 12. Januar ab gerissen wurde, wieder anzuknüpfcn. Das könnte natürlich nur geschehen, wenn er sich von vornherein auf einen Stand punkt stellte, der sich von dem der Berbandsmächte nicht allzusehr unterschiede. Ob das Wilsons Absicht ist. mutz die Zukunft lehren. Die Not; selbst gibt darüber keinen Aus- schluk: tunperhrn ist es bemerkenswert, üah sie zu der selben Zeit, da sie den amerikanischen Senatoren zur .Kennt nis gebracht wurde, auch de» Regierungen der kriegführen den Staaten vorgelegt würde. Das lässt daraus schlichen, dab Billon tktsttchltch «veitergehenbe Wirkungen von ihr eiliosst und sie vielleicht doch als Mittel ansieht, die Er- örteruna der Friedensfrage nicht nur im amerikanischen Sinai, sondern vor' der« Forum der europäischen Oesfent- licbkeit wieder in Klub zu bringen. Wir erinnern uns dabei an einp Reihe pon englischen und auch französischen Piettcäußerungen. in denen der Versuch gemacht wurde, den Eindruck -er. infamen Antwortnote, vom 12. Januar abzuict,wächen. Den Herren schien der Widerhall, den ihre Lore tu der deutschen Oefsentllchkeit gesunden hat. doch «was ans die Nerven zp fallen. Und so wurde der Versuch gewacht, die FriebeuSfrage wieder auso Tapet zu bringen, i» der Absicht, dadurch die Eiuheitlschkeit der Bollsltimmuna in Deutschland zu stören. Von dem Vernichtungsprogramm selbst brauchte man ia nicht um eine Linie abzugchen. Ob auch Wilson mit seiner Botschaft dieses Ziel verfolgt und bestrebt Nt. durch eine, sei cs auch nur theoretische Er örterung der Friedcnsfrage, den sür den Vierverband höchst unerwünschten Eindruck der Antwortnote vom 12. Januar in der deutschen Öffentlichkeit zu mildern, sei dahingestellt. Wir wollen uns aber jedenfalls vor Auge» halten, daß. was auch in der nächsten Zeit vom Frieden gesagt werden möge, die Ziele des Verbandes dieselben bleiben. Wilson sagt, man sei dnrch seine Rote «der endgültigen Erörterung der Friedeiisfrngc näher gekommen". Wie er diesen Sah be gründet, ist nicht ersichtlich, uns ist er unverständlich. Hat Herr Wilson nichts davon vernommen, wie die Antwortnote des Verbandes in Deutschland gewirkt hat? Ist cs ihm un bekannt geblieben, datz selbst der „Vorwärts", den niemand kriegerischer Neigungen beschuldige» wird, zu dieser Note die Bemerkung gemacht hat, daß jetzt jedes Wort vom Frieden ei» Verbrechen am deutschen Volke sei? Das sicht doch nicht danach aus, als ob man der endgültigen Erörte rung der Kriedcnsfrage nähergekommen sei. Tic Antwort note unserer Feinde auf das Vermittlungsaugcbul konnte diesen Eindruck doch wahrlich nicht erwecken. TerPrästdent meint auch, beide Völkergruppen Härten „unzweideutig" er klärt, ihre Gegner nicht vernichten zu wollen. Es fallt uns schwer, anzunchme», dass der Präsident, der sich bei anderen Gelegenheiten als recht hellhörig erwiesen hat, den Sinn der Viervcrbandönvte so sehr svlltc verkannt haben, üah ihm die vsscntundigcn Vernichtiingsabsichten, di«; darin nicdergelegt sind, hätten entgehen können. Vielleicht ist aber Herr Wil son über die Interessen Deutschlands und seiner Vrrbünde- ten doch nicht hinreichend unterrichtet, und deshalb sei es »ns gestattet, die Entcntefvrderungen gewissermaßen i»S Amerikanische zn übersetzen. Was würde Herr Wilson sagen, wen» etwa in dem theoretischen Falle eines Krieges der Vereinigte» Staaten mit Mexiko und Japan diese beiden Machte, trotzdem sic fortwährend nur Niederlagen erlitten hätten, die Abtretung von Texas forderten, uon Kuba und den Philippinen? Wenn diese beiden Mächte die Ausliefe rung der amerikanischen Flotte verlangten und unter dem Vorwände der „Befreiung" die Auslösung der Union? Wenn sic die Stirn Hütten, der Washingtoner Regierung zuzu- mutcn. sür die kosten eines zweicinlialbjährigcn Krieges auszukommen und sür alles Ersatz zu leisten, was im Ver lauf der kricgühandlungcn zerstört worden ist? Würde Herr Wilson auch dann sage», der Gegner hege keine Bcr- »Ichtnngsabsichtcn? Würde er non solchen Bedingungen sagen, sic bedeuteten keine „Demütigung", keine .„Härte", kein „unerträgliches Opfer", wie er cs jetzt in seiner Note Deutschland gegenüber andeutct? Nein, das würde Herr StzUson nicht tun, das würde kein amerikanischer Präsident in». Unter diesen Umständen würde niemand in den Ber einigten Staaten von einem „Frieden ohne Sieg" sprechen dürfen. Von diesem Gesichtspunkt ans aber und nicht van dem des unbeteiligten Zuschauers mutz der Präsident die Frage betrachten, wen» er zu richtigen Schlüssen kommen will. Was nun die Bedingungen bctrissl, die Herr Wilson sür die zukünftige Sicherung des Weltfriedens aufslellt, io tonnen sie uns großenteils recht sein. Er fordert die „Frei heit der Meere" nnö nennt damit ein wesentliches deut sches Kriegüziel. Es ist darüber schon manches gesagt worden, Wilson hat sich auch bei früheren Gelegenheiten schon sür dieses Ideal erwärmt. Wie wäre es. wenn er nun »nt Ernst an seine "Verwirklichung ginge und von England die Beobachtung der elementarsten Grundsätze des Völkerrechts in dieser Hinsicht verlangte, wenn er die Fesseln löste, die England dem internationalen Handel tu Gibraltar. Suez, Singapvrc und ganz besonders in Calais angelegt hat? Auch Rußlands Streben noch den Darda nellen kommt hier in Frage. Wilson meint weiter, Frie den und Glück der ganzen Welt hingen in Zukunft von der Entscheidung ab, ob der gegenwärtige Kamps um einen gerechten und sicheren Frieden oder nur um ein neues „Gleichgewicht der Kräfte" sbolanas ok ponorsf gehe: er wendet sich auch gegen die aggressive Bününispolitik. gegen „daö Netz von Intrigen", gegen „die verwickelnden Allian zen". Das sind alles Bestrebungen, die wir nur gutheißen können. Das „Gleichgewicht der Kräfte", das in Amerika mit Recht als friedensstSreliües Moment empfunden wird, war eine englische Erfindung, wie schon der "Name sagt: „blllilnec, ok ,,ovor^"! Die Jntrigenpolitik, das Bestreben, alle möglichen Mächte in „verwickelnd- Allianzen" hinein- zuzieheu. bildete sogar den Kernpunkt der englischen Politik vor dem Kriege und während des Krieges, wie der Fall Italien und der Fall Rumänien auss deutlichste be-, weilen. Daß außerdem die Engländer den Grundiatz. wo nach alle Böller ihr eigenes lieben leben sollen, mit Füße« treten, beweist der' Fall Griechenland. Wir nehmen mit Befriedigung Kenntnis von diesen menschenfreundlichen und im besten Sinne idealen Gedanken des amerikanischen Präsidenten, können uns aber nicht enthalten, unserer Ver wunderung darüber "Ausdruck zn geben. Saß die amerika nische Negierung gerade die Mächte mit allen Kräften unterstützt, deren Ziele denen des Präsidenten diametral entgegengesetzt sind und schon immer waren. Ueber diesen Zwiespalt zwischen den Worten und den Taten der ameri kanischen Regierung kommen ivir nicht hinweg. Wir sehen keine Möglichkeit, ihn auszugleicheu. Es ist eben im Interesse der ganzen Menschheit tief bedauerlich, datz sich Präsident Wilson beim Ausbruch des Krieges nicht an die Verfügung erinnert hat, mit der er einst die Ausfuhr von Waffen und Munition nach Mexiko untersagt hat. Wäre sic sinngemäß im gegenwärtigen Kriege angewandt worden, dann wäre seit langem schon Friede eingekehrt in Europa, dann hätte Wilson vielleicht auch die Möglich keit gehabt, seine Vermittlungsbestrebungen durch eine« praktischen Erfolg zu krönen. Freilich wäre dann auch Amerika nicht so reich geworden, wie cs heute ist. Aber selbst heute kann die amerikanische Regierung noch etwas für den Friede» tun. Noten und Botschaften sind freilich nicht die rechten Mittel, wohl aber könnte sich Herr Wilson etwas von anderen Maßnahmen, beispielsweise von einem Waffen- und Mnnitivnsaussuhrvcrbvt. von einem Verbot der Aufnahme von Anleihen kriegführender Länder, ver sprechen. Das würde Deutschland die Teilnahme an seinen Bestrebungen wesentlich erleichtern und die „Schaffung der Kraft, die die Dauerhaftigkeit des künftigen Friedens rer bürgie", ungemein fördern. » Mißstimmung gegen Wilson in Loudou. Reuter meldet aus London: Die Londoner Preise Hai die Rede des Präsidenten Wilson nicht sehr freundlich begrüßt. Sie bezeichnet Wilsons Absichten, wie erhaben sie auch immer sein mögen, als vollständig un ausführbar. D c r G c d a n k e a n e i » c n F r i c d e n o h n c Sieg müsse a b g e l e h n l werd e n. Rur ein Sieg der gerechten Sache könne einen dauerhaften Frieden sichern und sei darum unabweisbar notwendig, „Daily Chronicle" sagt, Wilsons Plan beruhe ans der Annahme der Ehrlichkei: der einzelnen Teilnehmer an dem Bölkersricdensbund. Die Bereinigten Staaten muten England zu, aus die cigencn Berleidtgungsmillel zu verzichten!: aber man müsse fragen, ob Amerikas Schutz genüge, wenn Deutschland England an- greist. Die „Times" meint: Wenn die Vorschläge Wilsons angenommen würden, würden die Mittelmächte die Ver trüge cinsach als Fetzen Papier ansehcn. Man würde nur dem Feinde in die Karten spielen. „Dailn News" fassen ihre Ausführungen zusammen, daß die Rede Wilsons die Er füllung der Erwartungen Europas nähcrbringt: cs sei nur die Frage, ob man, wie Wilson glaubt, mit einer Friedens kouferenz der Errichtung eines ständigen Völkerbundes nähcrkomu.t. ..Daily Mail" sagt: Sic deckt sich hauptsächlich mit der päpstlichen Erklärung über die zukünftige inter nationale Moral. Eine Aeußerung der Sympathie für die, die ihr Blut sür die Freiheit vergossen haben, sucht man darin vcrqcbenS. Es wäre interessant, zu wißen, wie nach Wilsons Ansicht Deutschland jemals gezwungen werden könne, Verträge zu achten. Wen» der Präsident von einer Beendigung des Krieges vhnc Sieg spricht, so können wir ihn nur nm seine Weltsrc m d h e it beneide n. Zu abstrakten Debatten habe man keine Zeit. Wir müssen zu erst die Welt befreie». Den Grundgedanken der Botschaft des Präsidenten Wil son zusaminenfasscnd, fragt „W e st m i n st c r Gazette": Würden Sie. Präsiden« Wilson, wenn Sie in unserer Lage gewesen wären, und gelitten hätten, was wir seit 1914 ge litten haben, noch geduldig auf eine dritte Partei gehört haben, die Ihnen sagte: Sie müßte» zufrieden sein, den Krieg zu beenden. ohne ihn zu gewinnen, Sic wüßten auf die Bestrafung tü eines Feindes verzichten, der Sie mit Krieg überzog, Verträge gebrochen und unerhörte Ver brechen gegen die Menschlichkeit begangen hat? Sic müßte« für die Zukunft bereit sein, in großem Umfange aus den Gebrauch der Waffen zu »erzichtcn, die sich als ihr sicher ster Schutz für die Verteidigung und als die große Bürg schaft für die Welt erwiesen haben gegen den aggressiven Militarismus IN. War Lincoln bereit, seinen Krieg zu be enden. ohne ihn zu gewinnen? Ermutigte er eine Ein mischung Europas in den amerikanischen Kamps? Air nehmen an. Präsident Wilson hat einen praktischeren Zweck im Auge, als nur an seinen Senat über die ganze Welt und über abstrakte Grundsätze der Menschlichkeit eine Botschaft zu richten. Ein Mann von seiner Stellung und mit seinen Machtmitteln verharrt nicht dabei, ein Vorgehen zu verfolgen, daß allem Anscheine uach keine Ermutigung söttens der Hauptbeteiligten erhält, wofern er nicht irgentr- cintn Plan sür sein Borgehen gefaßt bat, und wir. die wir Wilson vermutlich kennen, würden außerordentlich unklug sein, anzunehmcn. er hätte nur einen rhcthorischen Zweck verfolgt. Wir müssen Ailson nahclcgcri, daß der prak-