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Sonnabend —— Nr. 218. — 4. November 4843. Deutsche Allgemeine -Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz!» «ed-rblt». Deutschland, s Hon der Donau. Eine günstige Seite der griechi schen Vorgänge. * Lasset. Der Landtag. Das Deficit. chFranu- turt a. M. Beschluß in Betreff des Gcfängnißsystems. MreuGen. * * Herlin. Graf Bresson. » Aus Preussen. Die Kreis- justizräthe. Spanien. * Paris. Die Cortes. Die Anleihe. Plan zur Vermehrung der Provinzen. Wiedereinsetzung des Präfecten von Malaga. Leon. Saragossa. Wrotzbritannien. Prinz Albert ist Doctor gewdrden. Courtoisie eng lischer Studenten. Der Schnellschreibcr und die Rcpealer. Die Re bekkaiten. Die Boers. Q London. Die katholische Frage. Die Juden. Frankreich. Die Erzbischöfe und Bischöfe. Tod des Grafen Roman Soltyk. -f Paris. Politisches Glaubensbekenntnip de Lamartine's. Belgien. Der Groll der Franzosen über die Belgisch-Rheinische Ei senbahn. * Brüssel. Die Zollverhandlungen. Schweiz. *Lern. Die Beschlüsse des großen Raths in Luzern. Die Gcgenmaßxegeln. Die kirchliche Agitation. Die Jesuitenfrage. Italien. *Kom. Prinzessin Albrecht von Preußen, v. Buch. Link, vr. Alertz. Die Unruhen. Serbien. Belgrad. Baron v. Lieven. Shtle. Die englische Anleihe. Handel und Hndusttrie. * Frankfurt a. M. Steigende Bewegung auf der Rheinisch-Belgischen Eisenbahn. Breslau. Eröffnung der Breslau-Freiburger Eisenbahn. * Leipzig. Die Zeichnungen zur Säch sisch-Schlesischen Eisenbahn. — Magdeburg-Leipziger und Magdeburg- Halberstädter Eisenbahnfrequenz. ' Danzig. Getreide. — Berlin. rcnkünbigungen. . Dentschtand. 's Von der Donau, 28. Oct. So wie im gewöhnlichen Pri vatleben, mag eS auch im politischen Verkehre das Rathsamste sein, die Ding« nicht von der allzu MislichsteN Seite zu betrachten, wenn diese grade die entferntere ist. Bei der griechischen Umwälzung scheint mir jener Anhaltepunkt, der ihr doch auch in gewissem Betrachte eine günstigere Seite gibt, nicht nach Gebühr herausgehcbcn zu scin. Wer da glaubt, dieselbe sei in ihrer jetzigen Form von Rußland hcrvorge- rufen worden, der gedenke der freundlichen Weise, womit der britische Agent gewissermaßen als Taufpathe dem Ereignisse beistand, der schon vorläufig zugesagten Anerkennung und der Intimität, welche zwischen den Häuptern des Aufstandes und den Briten in jedem Betrachte herrscht. Nun sind di« orientalischen Interessen Rußlands und Eng lands offenbar entgegengesetzt; jenes will den Orient politisch absorbi- ren, dieses ihn commerziell auSbeuten. Eine Connivcnz der russischen und englischen Ansichten in Betreff Griechenlands wäre bloS in dem Falle denkbar, wo beide den dermaligcn Zustand nach ihren besondern Zwecken zu bekutzcn wüßten. Hofft Rußland auf den Außbruch hef tiger, unversöhnlicher Parteiungen? Je nun, seinem Gelbe, seinem Einflüsse, seiner Diplomatie hätte es, im Fall auch diese Revolution scin Werk war, gelingen mögen, die Sache vollkommen auf absoluti stischem Boden abzuthun und die königliche Macht in Griechenland zu untergraben, ohne einen halb und halb republikanischen Enthusiasmus aufflammen zü lassen. Sollte die obige Annahme zulässig erscheinen, so müßte die jetzige Lage Griechenlands ein vollkommener Judiffcrcnz- punkt sein, was sie nicht ist. Bei dem entzündlichen Charakter der Griechen, der mit ausnehmender Schlauheit und einem unübertreffli chen Feingefühle für die praktischen Verhältnisse begabt ist, mag die natürliche Wirkung nicht auSbleiben und der lebendig gewordene Frci- heitösinn die Nation von der obersten Schicht ängcfangen bis zur un- .terstcn dauernd durchdringen. Wenn man sagt, die Griechen würden sich nicht zügeln lassen, sondern die Christen im gejammten oSmani- schen Reich« zur Empörung aufregcn und dadurch einen allgemeinen europäischen Brand veranlassen, so fragt sich, ob denn jene große und nach einem allgemeinen politischen Gefiihl unvermeidlich gewordene Krisis im Orient überhaupt friedlich und ohne gewaltsames Erbeben des mitleibenden stÜelttheils stattfindcn kann? Daß hingegen die Grit? chen nicht ohne kluge, durchaus praktische Berechnung ihrer Lage, nicht ohne Zustimmung Englands und der bedeutendsten kontinentalen Mächte sich erheben und den wünjchenswerthcn AuSgang der Krisis nicht com- promittiren werden, dafür bürgt eben ihr durch und durch pfiffiges Wesen. Man kümmere sich nur nicht gar zu sehr um ihr Schicksal. Sic haben sich zu helfen gewußt, als beinahe die gejammte curopäi- sche Diplomatie sich misliebig gegen ihren Befreiungskampf aussprach, und dasselbe wird auch jetzt geschehen. Für gewaltsame, vielleicht blu tige Katastrophen wollen wir nicht cinstchen. Bei der Culturstuse der Nation und dem Wärmegrade ihres Blutes ist das wol nicht zu ver meiden, auch jene starre Ethik, welche sür alle politischen Verhältnisse der Erde den unveränderlich gleichen Maßstab milbringt, nicht füglich anwendbar. Nach all dem Vorhergehenden glauben wir Rußland von der Complicität in diesem Falle freisprcchen zu sollen. Es ist überhaupt Mode geworden, dem nordischen Einfluß alle Sünden und Fehler der europäischen Diplomatie in die Schuhe zu schieben. Alle Ereignisse werden aus diesem Principe des Urbösen deducirt, und jedes politische Urtheil mit einem catonischen Anathem geschloffen. DaS geht offen bar zu weit. Wir glauben vielmehr, daß in dem griechischen Ereig nisse das offenbare Gegenthcil vorliegt. England hat sich ciNcn mäch tigen Vorposten für seine antirussische Politik geschaffen und sich in die nöthige Verfassung gesetzt, um dereinst, wenn eö unbedingt Noth thut, von der Höhe der Akropolis das Signal zur Umwandlung des verfaulten osmanischen Reiches in ein byzantinisches zu geben. Diese politische Ansicht dürste die richtigere sein, weil sie den In teressen der mächtigen Insel die zusagendste scheint. Ja, der Wclt- geist hat den Briten als die Bestimmung und Bedingung ihres Da seins vorgczeichnct, die russische Macht so lange zu controliren, zu dämmen und in Schach zu halten, als die letztere das crfoderliche sitt liche Maß nicht in sich selbst gefunden hat, er hat sie durch die kleinen Triebe deS materiellen Gewinns in einen polarischen Gegensatz mit der Walfischpolitrk deS Nordens gebracht. England hat die serbische Frage nicht aufgcgriffen. Allein die geographische Lage des FürstcnthumS so wie das in der Bevölkerung vorherrschende religiöse und nationelle Element schienen seinen' Planen nicht vortheilhaft. Es bemächtigte sich deshalb eines entgegengesetzten Punktes, der in jeder Beziehung so glücklich gewählt ist, daß cs von dort aus die Eroberungsidecn Ruß lands mit Erfolg zu dutchkreuzcn hoffen darf. Wie dürfte die russi sche Macht unter solchen Verhältnissen die griechische Umwälzung auf nehmen? In keinem Falle mit entgegenkommender Bereitwilligkeit! Sie kann, ohne ihrer Consequenz und politischen Würde Alles zu vergeben, das rcvolutionaire Princip nicht sanctioniren. Sie pflegt ja bekanntlich bloS solche Umwälzungen gutzuhcißen, welche im Schatten ihrer absoluten Gewalt, also gewissermaßen unter dem Schirme der Legitimität, auf soldatisches Kommando und nicht durch Entfesselung der verhaßten FreihcitSidecn, in Folge selbständiger Volkstcndenzen ge schehen. Anders stellt sich die Frage, nämlich weit verwickelter und delicater, wenn man nach dem muthmaßlichen Ausdruck ihres Gedan kens forscht. Wird sie sich auf ein kühles Stillschweigen beschränken? Wird sie protestircn, den Gesandten abberufcn? Wird sie vielleicht gar thätlich gegen die neue Ordnung der Dinge einschreiten? DaS Letz tere ist glücklicherweise nicht denkbar ohne allgemeine Conflagration. Zur See vermag sie nichts und zu Land auch nicht viel, weil bei einem so abenteuerlichen Unternehmen Oesterreich und der gesammte Conti- nent nicht gleichgültig bleiben könnten. Vielleicht scheut sie die Chancen eines allgemeincnKricges mehr als man denkt, und ihre Thätigkeit be schränkt sich blos auf ein feines, diplomatisches Gegenspiel. In beiden Fällen hat die brilische Politik den ersten und entscheidenden Vortheil für sich. England ist nicht kriegslustig, aber es ist stark und selbst bewußt genug, einen Kampf nicht zu fliehen, welchen ihm die Noth- wcndigkcit auferlegt. Wir werfen nunmehr die unumwundene Frage auf: Ist der fakti sche Einfluß Großbritanniens in Griechenland für die Freiheit, die Würde, ja selbst den materiellen Vorthcil deS ContineMs nicht ungleich beruhi gender alS der russische? Zittert man vielleicht vor den möglichen Ge fahren des näher gerückten Entscheidungskampfes, so vergesse man nicht, das Mittel, wodurch dieser ganz abzuwenden war, anzugebcn. Wir vermögen auch kein erhebliches Unglück darin zu sehen, wenn der griechische Handel größtentheils in dir Hände der Briten fiele — nicht