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Sächsische Volkszeitung : 09.06.1922
- Erscheinungsdatum
- 1922-06-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192206093
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19220609
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19220609
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1922
-
Monat
1922-06
- Tag 1922-06-09
-
Monat
1922-06
-
Jahr
1922
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 09.06.1922
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Nr. L»L 21. Jahrg. Fernsprecher r Rrdakti.n 32723 - Geschäftsstelle 32722 Postscheekkonto: Dresden Rr. 14797 Freitag, 9. Juni 1922 Redaktion und Geschäs1»st«lle: Drccdcn-A. 18, Holbeinstraste 4L v«iua»vretSi Pierieiishrlicb Irrt «n» Hau» »2 F» iwelmonaili» 21.3« >1. I »lu,«»g«np»etsi Dt« «ingelpaltene Petiiieile 8 X. für Familie». „nö «ereinSMijolzen, Stelle,,. nnt> «letgefiiche 4.5« D - P-ttt. Rellai».-«-..-- ,,n redak- monaiiich »l ^.au»schIt-i,Iicht«4^3uIchlagslllMaiimdJuni19W. ienij«,. I ltonelle» Letl. 6S mm bre„> 18 >1. Für Jnier-te mit besonderer Pl-iierinigsvorlchrist aus ab,ge Brette 28 Prozent Zuschlag O>seue„,,eb,chl, sör Nummer 1 Dl, La»,i>qe «oU»»e,iunn er,«e>„. wüchenmch lechsmal. I Selbstabholer 2 ^e, bei Ueberseildung dlirch die Pos« -I,herbem Porlozuichla«. Im Falle höherer Vewalt oder betm Ausbleiben der Paptertiesenmgen uslv. erlischt jede Berpstichlunz aus Srsstllung von Ailjeigeii-AuslcSgen und Letstu»» bau Schade,«ersah. SpreLlluiUie der btebalUo»: 8—« Uhr nachm. Ntchl auSorückUch zurückverlanale mld I Für nndeulllch qe,chr>ebe»e ,onne durch Fenuprccher auigeaebene Anzeige» m„Rüllporlontchl ver,ehenerinl«nbm>ge„ andlebledaktton werden nichl aulbewahr,. I ,ünne„ w>r die Leraniworuichketl ,ür die Aichnglei, der Lexte» nicht übernehmen. Annahme von EelchöslSanzetgen bis I« Uhr. von Familieiianzelgen bl» ll Uhr vormittags. — Annahmestellen >» Dresden, Schmldt'sche Buchhandlung. Inhaber P. Beik, Schloh,trage L in Bautzeni Franz Kursat Au der Pelrillrche « Tagesschau Der Wiederzusainmcntritt des Reichstage- ist vor dem 13. Juni nicht zu erwarten, da Vir Anlrihrverhandlnnge» iroch nicht zum Abschluß gckommrn sind. Die Times meldet, bas; dir Bankirrskonferenz wahrscheinlich ei» Kompromiß abschlicßeu wird, aus Grundlage dessen die deutsche Kapitalschuld nicht vermindert, aber die jährlichen Verbindlich keiten Deutschlands in den nächsten 20 Jahre» herabgesetzt werden. Der Ausstanv in Deutsch-^d'vestasrika als ernst für die englischen RrgierungStruppcn bezeichnet. Die Zahl der gut- bewaffneten Neger wird auf 6Ü9V geschätzt. Die Zahl der deutschen Flüchtlinge in Ratibor aus den Kreisen Nhbnik und Pleß beträgt 14 vüv. Auch in Orzegow wurde» sämtliche deutsche Arbeiter und Beamte aus den Werken vertrieben und mißhandelt. Der provisorische Vertrag zwischen Sowjetrntzland und der Tschechoslowakei ist unterzeichnet worden. In Lenins Befinden ist eine weitere Verschlechterung eiw- getrctcn. Die Lage in Bulgarien wird als gespannt bezeichnet. Die Negierung hat dein König Veil Rücktritt nahegrlcgt. Bei einem schweren BootSunglück vor der Pregclmündung kainen vier von den sieben Insassen, dir ein Bad rrehmen wollte», um. Das Attentat Die Verhandlungen des Schwurgerichts zu Offenburg sollen in diesen Tagen die Person der Täter feststellen, deren feigem Morde damals Erzberger im Walde von Griesbach zum Opfer fiel. Daneben wird sich Herausstellen, ob und wieweit dre Mordbuben durch gewisse politische Treibereien zu ihrer Tat angestiftet wurden. Bei dem in den letzten Tagen verübten Blausäureattentat auf Scheidemann im Walde von Wilhelms höhe bei Eassel haben eilfertige Leute den Täter ohne weiteres einer gewissen Partei, und zwar den Deutschnationalen, zuge rechnet. Das ist nicht nur voreilig angesichts des Nichthabhaft» Werdens des Attentäters, sondern widerspricht auch dem politi» schen Anstand. Anstatt nun auf diese Voreiligkeit und Würde losigkeit aufmerksam zu machen, gefällt sich das Hauptorgan der Deutschnatioualen Partei, die „Deutsche Tageszeitung", darin, das Attentat mit ironischen Bemerkungen zu glossieren, sie nennt den Anschlag einen „Mord mit der Klistierspritze" mü> sagt, das; der Vorfall „neben seiner heiteren (l) Seite auch ernstere Seiten habe, die beginnen da, wo man erfährt, daß Herr Scheidcmann mit seiner Mehrladepistole zweimal hinter dem Attentäter hcrgeschossen hat. Herr Scheidemann kann wahr, scheinlich von Glück sagen, daß er zweimal vorbei schob, und daß die ins Blinde gefeuerten Kugeln auch unbeteiligte Dritte ver schont haben. Hütte er etwa den dummen Jungen, der ihn be» spritzte, erschossen, so hätte er einen Totschlag auf dem Gewissen für eine Angelegenheit, die wahrscheinlich nicht viel inehr als eine Tracht Prügel oder ein paar Maulschellen verdient. Wenn irgendwo in Deutschland ein Transportbeamter hinter einem flüchtigen Verbrecher herschießt, dann erscheinen in der Links presse spaltenlange Artikel über diesen Unfug, der Unschuldige gefährde. Herrn Scheidemanns Schießfixigkeit aber findet den ausdrücklichen Beifall linksstehender Organe. So wird mit zweierlei Maß gemessen." Es ist traurig genug, dah ein Organ, das für Anstand und gute Sitte zu kämpfen Vovgibt, diesem Attentat heitere Sei ten abzugewinnen vermag. Man mag zu der Person Scheidc- manns stehen, wie man will, man mag ihn mit ehrlichem Haß bedenken, so weit darf es, und das sei wiederholt gesagt, in Deutschland nicht kommen, das; man offen oder versteckt die Tat eines feigen Mordbuben nrit derartigen Zynismen be gleitet. Um so schwerer dürfte es nachher jener Partei fallen, obald wirklich politische Motive für die Tat angenommen wer ten können, diesen Menschen von den Rockschöben der elgenen Partei abzuschütteln. Diese Art der politischen Kampfesweis erhärtet immer mehr die Gewischeit, das; dre Deutschnationale Partei nicht die erprobten Methoden besitzt, den nationalen Sinn im deutschen Volke zu pflegen, diese Methode ist politischer Aberwitz. Etwas voreilig war auch der Demonstrationszug der Casseler Sozialdemokraten anläblich des Attentates. Gegen wen richtete sich die Demonstration? Gegen eine Partei? Ihre Schuld ist noch nicht erwiesen, wenngleich hierbei festgcstellt wer den muh, dah die politische Hetze gegen Scheidemann nament lich in dem deutschnatioualen Wochenblatt zu Cassel in den letz ten Woche» Formen angenommen hatte, die jegliches Mah und Ziel vermissen liehen. Gegen den Attentäter? Die Kriminal polizei nimmt an, dah der Grund nicht ansichliel-sich in politi schen Ursachen ruhe, sondern möglicherweise mehr persönlicher Art seien. Man sollte also weder den politischen Mörder henken, ehe man seiner habhaft geworden ist, noch auch dessen vermeint liche politische Duzfreunde. Wenn Schcioemann beim Demonstrationszuge seiner Parteifreunde auf eine bestimmte Partei hinweist, über deren Hetze er sich beklagt, so ist die Klage über letztere durchaus be rechtigt, da erfahrungsgemäß hierdurch hemmungslose Verbrecher oder politisch unreife Menschen, Narren oder Halbnarren zu Attentaten angereizt werden. Dem deutschen Volke ist durch solche Attentate nicht gedient, sie führen automatisch zur Ver tiefung der Gegensätze, eS genügt heute schon in der Zeit der Verarmung die Verbitterung zu steigern, wenn der Täter seiner Kleidung nach einer gewissen Schicht anzugehören scheint. lieber die Person des Täters konnte Scheidemann und seine Tochter vorerst nur bekunden, dah dieser den sog. besseren Ständen anzugehören schien. Eine Hauptrolle spielt ein beim Tatort gefundener Bergstock mit einer Spatenzwinge. Bislang ergaben die Untersuchungen mit Gewissheit, dah der Anschlag von einem von auswärts zugereisten Manne verübt wurde und dah er mit grober Umsicht den Plan vorbereitet hat. Scheide» mann selbst hat dem Staatsanwaltsschaftsrat angegeben, dah er von dem Mann ganz plötzlich üverrascht worden sei, der dicht hinter ihm. lebhaft auSschrcitend, heraugetreten war und ihm einen Teil der Flüssigkeit gegen die linke Wange spritzte, offenbar in der Absicht, ihm zu beranlassen, den Kops zu wen de», damit er ihm die restliche Flüssigkeit direkt auf den Mmw spritzen konnte. Nach Ansicht der Aerzte wäre damit zweifellos der Tod Scheidemanns herbeigeführt worden, denn diese starke, gasausströmende Vlausäurelösuug hat die Eigentümlichkeit, augenblicklich zu wirken, weil» von oiesei» blase auch nur die kleinste Dosis durch Einatmen in die Lunge dringt. Jedenfalls hat der Täter dies genau gewußt. Die Abbildungen des GumnnballeS und des aufgefundeiien Spazierstockes sind den einzelnen Polizeidirektionen übersandt worden. rr.- ---ros Dev Krozetz UMnger Die Anftlage Offenburg (Baden), 7. Juni 1922. Heute vormittag 9 Uhr begann vor den, Schwurgericht der Prozeß gegen de» Kapitän- leutnant a. D. v. Killinger wegen Beihilfe zum Erzberger- mvrd. Es wird, ohne das; die beiden der Ermordung des früheren NeichsfinauzuiiuisterS berdächtigen Personen — der Kaufmann Heinrich Schulz aus Saalfeld und der Leutnant a. D. Heinrich Tillessen aus München — ergriffen sind, dennoch die ganze Tat frage der Ermordung Erzbergers aufgerollt werde». Die sämt liche» Zeugen, alle Urkunden, die Augeuscheinprotokolle usw. sind herbeigezogen, und außerdem ist ein Augenscheinstermin am Totort vorgesehen. Ei» Urteil gegen die Mörder bezw. gegen, die des Mordes Beschuldigten kann aber nicht gefällt werden. Als Beweisstücke liegen dem Gericht vor die Schädeldecke Erz- bcrger-s, die zwei Schüsse aufweist, die durchschossssene Joppe des Toten, Patronen, Kiigeln, die mau aus dem Körper des Toten entfernt hatte. Briefschaften, Urkunden und so weiter. In seiner Belehrung an die Geschworenen machte der Vorsitzende darauf aufmerksam, daß es sich um einen Prozeß mit politischem Ein schlag handele, daß aber die Verhandlung selbst eine reine Ver standesangelegenheit sei» müsse, die mit politischer Ueberzeugung nichts zu tun habe. Die umfangreiche Anklageschrift behandelt die Einzelheiten der Mordtat und erinnert daran, dab Matthias Erzberger am 26. August 1921 auf der Kniebisstrabc, die von Bad Griesbach auf die Kniebishöhe führt, durch einen Mord sein Leben ber- kor. Kutscher und Waldarbeiter sahen am Mordtage zwei junge Männer m der Nähe des Tatortes. Sie waren Erzbcrger und Diez auf deren Spaziergang von Griesbach zum sog. Grandecker- Häusle am Kniebis gefolgt und halten sie überholt. In der Nähe des Grandecker-Häusles kehrten sie um. Nach etwa einer Viertelstunde fielen im Tal Schüsse, die aus zwei Pistolen ver schiedenen Kalibers abgegeben waren. Die Anklage nimmt an, daß Erzbcrger und Diez von den beiden junge» Leuten über fallen wurden. Die Täter seien dann bergab geflüchtet, nachdem sie sich auf einer Landkarte orientiert hatten und wobei sie einer der Waldarbeiter beobachtete. Ein Straßerlwart wurde gegen Mittag von zwei jüngeren Leuten, deren einer wieder eine Landkarte hatte, auf dem Fußwege zur Alexanderschanze angesprochen, und auch der Ludwighafener Eisenbahninspektoc Jung begegnete zwei jungen Leuten, die sich iiu Hirschen in Oppenau, wo er wohnte, einquartiert hatten, zwischen t und 2 Uhr nachmittags auf der Kniebishöhe. Er bemerkte ebenfalls bei den beiden eine Landkarte und zeigte ihnen an der Hand der seinigen den nächsten Weg nach Oppenau. Hier wohnten die beiden im Hirschen unter den Namen Bergen und Niese vom 21. bis 26. August. Sie gaben sich als Studenten aus Jena und Düsseldorf aus. Der größere Blonde hatte am linken Ohr eine Verstümmelung, der kleinere Dunkle eine Niarbe auf der Nase. Am Mordtage ließen sich beide früh wecken. Trotz des Negen- wctlcrs gingen sie um 7 Ilhr fort und kehrten gegen 4 Uhr i uch- mittags in stark durchnäßten Anzügen in den Hirschen zu-ück. A if die Frage der Hirschwirtin, ob sie schon von dem Morde ge hört hätten, stellte der Blonde die Gegenfrage: „Was j'ir ein Meid'"" Die Frau teilte darauf den beiden mit, Erzb.-rqer sei in Griesbach erschossen worden, worauf der Blonde erwiderte, er habe geglaubt, Erzberger sei in Berlin. Darauf packten beide ihr: Koffer, die gegen 6,30 Uhr zur Bah» gebracht wurde». Zwei Männer lösten zwei Fahrkarten 4. Klasse nach Ojjeuburg. Ir Appenweier erkundigten sich zwei Reisende, wann k-r nächste Schnellzug nach Mannheim ginge. Sic wurden später an der Sperre mit Fahrkarten nach Heidelberg beobachtet. Ausgefallen sind die schweren Koffer, die beide als Handgepäck zur Aufbe- tvahrung gegeben hatten. Die Fahrkarten von Appenweier noch Karlsruhe bezw. Heidelberg sind ans der ganzen Strecke nirgends abgegeben worden. Die Anklage ist der Auffassung, daß Schulz und Tillessen die beiden jungen Männer waren, die sich als Bergen und Riese ausgegeben batten. Nachforschungen, die in Oppenau eingestellt wurden, brachten min merkwürdige Dokumente ans Tageslicht. Hinter dem Zimmer, in dem die beiden gewohnt hatten, fließt der Lierbach, der ein sehr steiniges Bett hat. Bei knappem Wasserstand stehen die Steine aus dem Wasser heraus. Des Hirschwiris Sohn hatte beobachtet, daß sich die beiden jungen Männer morgens rasierten und dabei Papier zum Fenster hiiiauswarfen. Er suchte daher nach Bckaiintwerde» des Ver dachts gegen die beiden das Bachbctt ab und fand eine» Zettel, auf dem die Telephonanschlüsse der Zentrumspartei i» Stuttgart, des Jordansbades bei Biberach, des Hotels Waldeck und der Erzabtei des Klosters Benron verzeichnet waren. Der Schreiber dieses Zettels hatte jedenfalls ein Interesse an dem jeweiligen Aufenthalt Erzbergers, da dieser vom 9. Juli bis 8. August im Jordansbad und von da ab bis zum 19. August in Beuron wohnte. Der Schristvergleich ergab, daß der Zettel von dem an geblichen Riese beschrieben war. Da bei der UntersuchungSbe- Hörde auch Meldungen eingegangen waren, wonach man sich tele phonisch in Benron nach dein Aufenthalt Crzbergers erkundigt hatte, wurde festgestellt, daß dies am 19. August seitens zwei zjüngerer Leute am Postschalter in Beuron geschehen war, die jedoch keine Auskunft erhielten und an das Hotel Waldeck ver wiesen wurden. Kurz darauf erschien Heinrich Tillessen mit einem Begleiter im Hotel Waldeck. Diese Feststellung konnte durch das Zeugnis der Seminardirektorsgattin Dr. Wacker aus Koblenz getroffen werden, die mit dem GeneralSehepaar Til- lessen, den Eltern des Nachfragcnden, befreundet war. Das Zu sammentreffen war für beide Teile überraschend. Im Laufe der Unterhaltung, die sich hauptsächlich um Familicuverhältnisse des in der Pflege der Frau Dr. Wacker ausgewachsenen jungen Tillessen drehte, war auch von Erzbcrger die Rede, was aber Flau Wasser nicht ausfiel, da Erzberger während seines AuseiithaltS in Beuron die Sensation des Tages gewesen war. Frau Wacker blieb mit Tillessen und dessen Begleiter bis zur Absahrt der beiden mit dem Zuge nach Illm zusammen. Am folgenden Tage wurde das Kloster Benron vom Golde nen Engel in Illm aus angerusen. Der Frager wollte wissen, wo Erzberger sich aufhaltc. Ein Klosterbruder gab nach einigem Zögern die Auskunft, daß Erzbcrger in einem Lanniorinm m Rcnchtal sei. Im Goldenen Engel wohnten am 19. August von nachts 11,30 Uhr ab bis zuin 2l. August um 10,30 Uhr vormit tags zwei jilnge Leute, die sich als Ernst Bergner und Rudolf Briese eingetragen hatten, die ein Telephongespräch mit Beuron führte», am Mittag des 20. August eine Landtarie studierten und sich über die Ncisemöglichkeit nach Offenburg nnterhielten. Am 21. August gegen 7 Uhr abends trafen Bergen und Niese im Hirschen in Oppenau ein, und ihre Handschrift war die gleiche, wie die des Bergner und Briese in Ulm. Man hat auf zerrissenen Briefnmschiägen die Silben „ulz" und „lessen" noch entziffern können, diese Bruchstücke führten allmählich zur Fest stellung der Namen: Schulz lind Tillessen. lieber die Reisen der beiden bis zum Mordtage sind sichere Anhaltspnukie gegeben. Bei Killinger i» München gaben sie ihren Koffer ab. Für die Anklage steht also fest, daß Schulz und Tillessen die Mörder ErzbergerS sind, und deshalb erhebt sie auch Anklage gegen v. Killinger wegen Beihilfe. Sie hüll cS »ach Lage der Sache für ausgeschlossen, daß die Tat ohne fremde Hilfe vor bereitet und ebenso ohne Hilfe die Flucht durchgeführt worden wäre. v. Killinger habe zu den Angeschuldigle» im engsten Arbeit-?- und biesiniiuiigSverhältniS gestanden. Vis unmitlel- bar vor Antritt der Reise, in deren Verlauf beide Erzberger er mordeten, seien sie mit dem Angeschnldigten zusammen gewesen. Die Anklage führt dazu a»S: Kapitäiileutnant a. D. v. Killinger war Leiter der Abtei lung der Organisation C. Die Organisation C bedeutet Orga nisation Consul. Der Name deutet auf den Leiter Korvetten kapitän Ehrhardt, der von seinen Leute» „Herr Consul" genannt wird. Die Anklage betont, daß die Organisation Consul erst da durch entdeckt wurde, daß bei dem Zugriff am 12. September 1921 gewisse Vorsichtsmaßnahmen getroffen worden seien. Der Warnungsbefehl vom 6. September 192t sei ergangen, bevor die Untersuchung etwas von der Organisation C wußte, dagegen sei er ergangen, nachdem in der Morduntcrsnchnng die Ver dachtsmomente gegen Berge» und Niese festgcstellt und in der Oeffentlichkeit bekannt gegeben worden waren. Die Weisung, „Nichts an b. Killinger zu schicken", sei um so auffälliger, als in den Befehlen der vorangegangenen Monate regelmäßig die Post- einpsänger für die Zentrale namentlich benannt wurden und als diese Empfänger bald Schulz, bald Müller, km Id Vornfett be zeichnet seien, aber niemals der Angeschuldigle v. Killinger. Vom Standpunkt der Organisation aus sei kein verständlicher Grund gegeben, Zusendungen unter der Anschrist des Angeschuldigten zu unterbinden. Killinger müsse also aus anderem Grunde be sorgt gewesen sein, und die Anklage erklärt, daß dieser Grund seine M,lwissc»sck>ast am Morde sei. Ter Angeklagte erklärt das Abstellen der Koffer damit, daß Schulz und Tillessen ihm ange geben hätte», sie wollten noch einige Tage in die Berge. Ein derartiges Abstellen von Koffern seitens Bekannter komme bei ihm öfters vor. Das Zujammenlrcsfen im Englische» (Karten erklärte der Angeschuldiate, sei lmrmlos. Schulz und Tillessen hätten sich bei ihm als Abteilung-sches vom Urlaub zurnckgemeldet und sich über den neuesten Stand der Organisation und der Oberschlesienfrage nntcrrichlen lassen. Am 9. September 1921, so fuhrt die Anklage weiter ans. habe v. Killinger den Schulz abgeholt und ihn mittels Auto zur Bahn gebracht, obwohl von Killinger die besonderen Kennzeichen des Schulz und Tillessen bekannt gewesen seien und obwohl er gewußt habe, daß in den öftentlichcn Ausschreibungen gerade diese besonderen Kcnnzewhen hervorgchobcn waren. Vernehmung des Angeklagten Der Angeklagte Manfred v. Killinger wird zu der heu tigen Verhandlung ans dem UittersnchnngSgesängnis vorgesührt, in dem er sich sei dem 14. September v. I. in Untersuchungshaft, und zwar in Einzelhaft befindet. Er ist am 14. Juli 1886 in Lindigt geboren, war Kapitänlcuttiant und hat den Krieg mit- gemacht. Nach der Revolution schloß er sich dem Korps Ehrhardt an. Killinger hält die gegen Erzbcrger erhobenen Vorwürfe wegen Unterzeichnung des Waffenstillstandes für unberechtigt, weil nichts anderes übrig blieb, nachdem der Infanterist sein Gewehr sortgeworfen, der Artillerist seine Kanone stehen gelassen hatte. Dagegen sei Erzbcrger vorzuwerfen, daß er für die Unterzeichnung des Versailler Vertrags eingetretcn sei. Die Zeugenvernehmung Der ZcntrumSabg. Diez gab Einzelheiten an, die sich auf seinen mit Erzberger gemachten Simzicrgang beziehen und auf die Begegnung mit den jungen Leute» sowie ans die eigent liche Mordhandlung. Er erinnert sich, daß er mit dem Regen schirm drcinschlug und einen Schliß abbekam. Eine Blutspnr führte, als er sich vom Boden erhol, nach einer Böschung, wo ec Erzbcrger bereits tot antraf. Bezirksarzt Sartori schildert aussührlich den SektionSbe- fund. Es sind 8 Schüsse abgegeben worden. Erzberger sei sehr krank und bereits Todeskandidat gewesen, als er die Schüssd erhielt. — Hierauf Vertagung bi» Donnerstag früh.
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