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Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshanptmannschaft Meißen, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Anzeigenpreis: die 8 gespaltene Raumzeilc 20 Sipfg., die 4 gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen ^NeEch»- Pfennig, die 3 gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile 1 Reichsmark. Nachweisnngsgebühr 20 Reichspfennige. geschriebeneErfcheiuuugs- tage und Platzvorfchriften werden nach Möglichkeit Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 berücksichtigt. Anzeige«, annahmebis aorm.lOUHr. ————— Für die Richtigkeit der durch FernrufübermitteltenAnzeigen übernehmen wir keine Garantie. JederRabattansprvch erlischt, wenn derBetragdxrch Klage eingezogen «erden muß oderderAuftraggeber in Konkurs gerät. Anzeigeunehmen aUeVernlittlungsstellenentgegen. Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Das »Wilsdruffer Tageblatt« erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis: Bei Abholung in der Geschäftsstelle und den Ausgabestellen 2 RM. im Monat, bei Zustellung durch die Boten 2,30 RM., bei Poftbeftellung 2 AM. zuzüglich Abtrag- gebühr. Einzelnummern UMpfg.AllePostanstalten Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend Postboten und unfereAus. Erägerund Geschäftsstellen nehmen zu jeder Zeit Be. Kellungen entgegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. Nr. 54 — 89. Jahrgang Telegr.-Adr.: .Amtsblatt- Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2640 Mittwoch, den 5 März 1930 Wirtschaft im Niedergang. Sowenig eine Schwalbe den Sommer macht, kann man daraus, daß hier und da eine Aktiengesellschaft eine gute Dividende zahlt oder eine Jndustriegruppe, vielleicht sogar ein bestimmter Zweig der deutsche» Wirtschaft von befrie digenden Beschäftigungs- und Abfatzverhältnissen berichtet, nun etwa die allgemeinen Klagen über die geradezu kata strophal schlechte Wirtschaftskonjunktur als Zweckpessiinis- >nus, als weit übertrieben oder — im Hinblick auf die gegenwärtigen Steucrerhöhungspläne — als den Versuch betrachten, sich von jeder Mehrbelastung „drücken" zu wollen. Leider ist dieser Pessimismus nur allzu berechtigt, denn z. B. die Zahl der Konkurse bzw. ge richtlichen Vergleiche ist nicht bloß noch im Februar höher als noch im Vormonat gewesen, sondern diese Ziffer von allein über 1100 Konkursen ist fast dreimal so hoch als im gleichen Monat des Jahres 1927. Ebenso liegt es bei den gerichtlichen Vergleichen, wobei man noch bedenken muß, daß hier wie dort die Ziffern weit, weit höher sein würden, wenn man auch die außergerichtlichen vergleiche sowie jene Konknrsanträge einbeziehen würde, die wegen Mangels an Masse abgelehnt werden mußten. Und leider ist noch ein weiteres an diesem traurigen Bild festzustellen, die Hauptleidtragenden dabei sind nicht etwa allein Großhandelsfirmen oder Bankgeschäfte, deren Insolvenzen oft so großes Aufsehen erregten, son dern jedesmal riß ein solcher Zusammenbruch zahlreiche Existenzen des Mittelstandes in Handel und Gewerbe mit sich, so daß zahlenmäßig gerade dieser Zweig der deutschen Wirtschaft von neuem schwer gelitten hat Und immer noch leidet. Die Insolvenz eines einzigen großen Textilkonzerns im Rheinland z. B. brachte nicht weniger als 118 Kleingeschäfte „zur Strecke". Das ist kein Abbrechen morscher Äste vom Baume der Wirtschaft drehr, das ist wirkliche Not. -r- Schwer genug hat auch die Schwerindustrie zu kämpfen und man braucht sich bei der Beurteilung der Lage nicht etwa an die allgemeinen Klagen, sondern nur an die Tatsachen zu halten. „Wat dem einen sin Uhl ist, ist dem annern sin Nachtigall" — und wenn man von den wilden Temperaturen dieses Winters im allgemeinen sehr angenehm berührt war, so hat diese Wintermilde den Kohlenerzeugern das Geschäft sehr erheblich ver dorben. Schnell wachsende Haldenbestände, Feierschichten, selbst Arbeiterentlassungen, namentlich in der Braun kohlenindustrie, sind die wirtschaftlich natürliche Aolge geworden. Ebenso ist die deutsche Eisen- und Stahl industrie nur zu 60 bis 70 Prozent des vorjährigen Be standes mit Aufträgen versehen. Und das heißt nichts anderes, als daß sie ihre wirkliche Leistungsfähigkeit nur etwa zur Hälfte ausnutzen kann. Einen kleinenLicht- bliü bedeutet es, daß wenigstens die deutsche Elektro industrie einen steigenden Absatz vor allem nach dem Aus lande verzeichnen kann. Aber die Schwierigkeiten bei der Kohle, dem Eisen, nicht zuletzt auch dem Baugewerbe als den eigentlichen „Schlüsselindustrien" üben eine die ganze Wirtschaft deprimierende Wirkung ans. über die Lage in der Textilindustrie, vom Erzeuger bis zum letzten Kon fektionsgeschäft hinunter, braucht ja überhaupt kein Wort wehr verloren zu werden. * Und daher nimmt's nicht wunder, ist eine Selbstver ständlichkeit, daß immer lauter und energischer der Ruf, die Mahnung, die Forderung kommt: „So wie bisher, darf es nicht wcitergehen!" Geschweige denn, wie auf einer Sitzung der de utschvolks parteilichen Ver einigung für Handel und Industrie, daß durch Er höhung der direkten Steuern wiederum eine Mehr belastung erfolgt, wie schon immer seit den Tagen der Stabilisierung. Heftig wurde protestiert gegen das gerade zu unerträgliche Anwachsen der öffentlichen Ausgaben, das nicht einmal für das kommende Etatsjahr trotz furcht baren Defizits gehemmt werden soll. Scharf wandte man sich auf dieser Vereinigung der deutschvolksparteilichen Wirtschaftler auch gegen jede weitere Steigerung oer Löhne, ein Standpunkt, der sich wohl auch bei den kom- wenden umfangreichen Tarifverhandlungen geltend machen wird. Und so erregt war die Stimmung auf dieser Ver sammlung, daß unverhüllt der Ansicht Ausdruck gegeben wurde, die Deutsche Volkspartei dürfe dem Young-Plan Nur zustimmen, wenn eine radikale Umkehr auf dem bisher eingeschlagenen Wege der Wirtschafts- und Finanzpolitik erfolge; sonst müsse entweder ein Ermächtigungs gesetz wie 1923 eingeführt oder der Versuch zur Schaf fung einer anderen al^ der bisherigen Regierungskoalition gemacht werden. Over — Reichstagsauflösung erfolgen. Aber nicht bloß die großen Sorgen reizen zum Wider spruch und Widerstand, zum Protest und Tadel an den Un zweckmäßigkeiten, dem Hemmenden und vielfach allzu Schwerfälligen in der Verwaltung, — kleinere Sorgen tun es nicht minder. Sie drücken ja auch stark genug, könnten leichter Milderung erfahren. So beschweren sich die Ge werbekammern der drei Hansastädte laut darüber, daß 'M nordwestlichen Küstengebiete sechs Landes finanzämter nebeneinander bestehen, aber die „Zu ständigkeiten" örtlich völlig durcheinandergehen. Daß viel- wch ein Gewerbetreibender nur ein paar Minuten Weges bis zum nächsten Finanzamt hat, dies aber aus unerfind ¬ lichen Gründen M »yn nicht zuständig ist, er zu einem weit entlegneren pilgern muß. Der Weg zum Finanzamt ge hört nicht zu den Annehmlichkeiten des Daseins, darum sollte er wenigstens kurz sein. Schmerzvoll ist er ganz allein schon. Hinter dm Kulissen der Zollsriedeur- ksnserenz Genf, 4. März. Die hinter den Kulissen der Zollsriedens- konserenz fortgesetzt geführten privaten Verhandlungen haben jetzt zur Ausarbeitung eines geschloffenen Planes geführt, der Diens tag nachmittag den an diesen Besprechungen nicht beteiligten Mächten zur Kenntnis gebracht worden ist. Danach soll auf dieser Konferenz ein Zollwaffenstillstand, auf längere Dauer zwischen einer Gruppe von Staten abgeschlossen werden und zwar vor allen zwischen denjenigen Staaten, die keine festen Zolltarife besitzen. Die übrigen am Zollwaffenstillstand nicht teilnehmenden Mächte sollen ihrerseits dagegen ein Abkommen über die Verlängerung der geltenden Handelsverträge für die Dauer des Zollwaffenstill standes abschließen. Zwischen diesen beiden Staatengruppen soll sodann ein weiteres Abkommen geschaffen werden, wonach die autonomen Zolltarife nur nach einmonatiger Kündigung erhöh! werden können, um den Regierungen hierdurch Zeit zu Verständi gungsverhandlungen zu geben. Diese drei Abkommen sollen in einer einheitlichen Konvention zusammengefaht werden, für die bereits ein Entwurf vorliegt. Bisher haben England und Deutschland sich bereit gezeigt, eine derartige Regelung zu erörtern, während die italienische Regie rung eine ablehnende Haltung eingenommen hat. Ungewiß ist noch, welche Stellungnahme Frankreich hierzu einnehmen wird. Der neue französische Handelsminister Flandin trifft Freitag in Genf ein, so daß die offiziellen Verhandlungen über diesen neuen Plan voraussichtlich erst am Sonnabend ausgenommen werden können. WdMoerfWteiueVMMstiiWW über die MrllWiMelstkllern London, 4. März. Baldwin legte am Dienstag in einer- großen Rede vor den Vertretern der Konservativen Vereinigun gen im Hotel Cecil die Grundzüge der Politik der Konservativen Partei dar. Im Mittelpunkt seiner Rede stand der Vorschlag über die Frage der Einführung von Nahrungsmittelsteuern, eine Volks abstimmung abzuhalten. Ihm schwebe außerdem die Einberufung einer Reichskonferenz vor, aus der alle zwischen Mutterland, Do minion und Kolonien bestehenden Fragen erörtert werden müßten. Diese beiden Vorschläge: Einberufung einer Reichskonferenz zur Erörterung aller wirtschaftlichen Fragen mit den Dominions und Abhaltung einer Volksabstimmung über Nahrungsmittel abgaben sind dazu bestimmt, der Weltreichspartei Lord Beaver- brvoks den Boden wegzuziehen. Praktisch ist der Baldwinsche Vorstoß deshalb von großer Bedeutung, als nun Lord Beaver- Immer noch i VerständigungHläke in Berlin. Versuche des Reichsfinanzministers. In der abermaligen Sitzung des Reichskabinetts am Dienstag wollte Neichsfinanzminister Dr. Molden hauer den Versuch machen zu einer Einigung auf ein gemeinsames S t e u e r p r o g r a m m, und zwar auf Grund einer Kompromißlösung, der sämtliche Re gierungsparteien zustimmen könnten. Ob dieser Versuch Aussicht auf Erfolg besaß, wurde bis zum Abend nicht klar, da vor allen Dingen die Meinung der Deutschen Bolkspartei noch nicht gewonnen war. Der Frak tionsvorstand der Volkspartei lehnte in einer Beratung Dienstag mittag den Vorschlag der Demokraten zur Ein führung eines allgemeinen Nolopfers mit Rück zahlungsgewähr in» nächsten Jahr ab, der an die Stelle des zuerst verlangten Notopfers der Festbesoldeten ge treten war. Da der Reichskanzler ziemlich entschieden für die alsbaldige Verabschiedung der Young-Gesetze sich ausgesprochen hatte, trat im Kabinett die Meinung in den Vordergrund, eventuell die Ordnung der Finanzen hinter die Erledigung des Young-Planes deshalb zurück zustellen, weil doch vorläufig keine Verständigung ans einen bestimmten Finanzplan zustande kommt. In den politischen Kreisen war auch die Rede von einem Schritt der Wirtschaft in der Angelegen heit, der bei der Volkspartei erfolgt sei, um ein Nach geben herbeizuführen. Volksparteiliche Abgeordnete äußerten sich allerdings dahin, es könne sich nur um eine persönliche Aktion einzelner Herren gehandelt haben und nicht um eine»» gemeinsamen Vorstoß der führende»» Wirtschaftskreise. Die Entscheidung wieder hinansgeschoben Berlin, 4. März. Die Sitzung des Reichskabinetts am Dienstag nachmittag war nur von kurzer Dauer. Sie brachte wie der keine Entscheidung, die nunmehr wohl erst am Mittwoch i cker Schwebe abend nach den Fraktionssitzungen der Sozialdemokraten und des Zentrums fallen wird, die am Nachmittag um 17 Uhr zusammen treten sollen. Erst dann wird das Neichskabinett in der Lage sein, einen endgültigen Beschluß über die Frage des Notvpsers bezw. über das „Iunctim" zwischen Youngplan und Reichshaushalt 1930/31 zu fassen. Eil Awes sss der Krise? Berlin, 4. März. In Ergänzung der amtlichen Mitteilung über die KabinettssiHung vom Dienstag erfährt die Telegraphen union aus parlamentarischen Kreisen der Regierungsparteien, daß diese nach dem Verlauf der Kabinettsberatung vom Dienstag nachmittag auf eine Entspannung -er Lage hoffe. In der Mimsterbesprechjung stand ein neuer Vorschlag des Finanzministers Moldenhauer zur Aussprache, der unter Ver meidung jeder direkten Besteuerung den verbleibenden hundert Millionen Fehlbetrag der Arbeitslosenversicherung auf andere Weise decken soll. Und zwar verlautet, daß der neue Vorschlag auf eine weitere Erhöhung der Beiträge zur Arbeits losenversicherung um '/« Prozent und einen Zuschuß von 30 Millionen aus dem Reservefonds der Industrieobli gationen hinzielt. * Abermalige Verschiebung der ^oung-Gesetze? Der Reichstag soll ain Donnerstag die Young- Gesetze beraten. Bei der fortdauernden Ungeklärtheit der Finanzfrage verlautet jedoch, daß von Zentrumsseite noch mals der Versuch gemacht werden soll, die zweite Lesung des Young-Planes um eine Woche zu verschieben. Von der Sozialdemokratie wurde jedoch ein solches Vor haben bereits ziemlich entschieden abgelehnt. brook und Lord Rothermere nicht mehr länger behaupte»» können, die Mehrheit des britischen Volkes für ihre Politik hinter sich zu haben, da die von Baldwin vorgesehene Abstimmung — die allerdings erst von einer konservativen Regierung durchgeführt werden soll — die wirkliche Einstellunng der Mehrheit des Vol kes zweifelsfrei ergeben wird. Die Vorschläge Baldwins sind da her ein schwerer Schlag für die Partei Lord Beaverbrooks, ohne die Konservativen in der Weise festzulegen, wie Lord Beaver- brook es wünscht. In einer Entschließung wurden Baldwins beide Vorschläge begrüßt. Vorsorge gegen puischgefahr. Sämtliche Kommunistenkundgebungen in Bayern verboten Die Kommunisten hatten für den 6. März bekannt lich auch ii» Bayern in allen größeren Städten öffentliche Umzüge anläßlich des kommunistischen Kampftages geplant. Außerdem waren anläßlich des Gewerkschafts kongresses am 9. März kommunistische Veranstaltungen vorgesehen. Die Polizeidirektion München hat alle diese geplanten Demonstrationen und Kundgebungen sowohl für den 6. als auch für den 9. März unter Hinweis auf die entsprechenden Bestimmungen in der Reichsver- fassung verboten. steberschwemmNNgslataffrophe in Südstanlreich. Zahlreiche Menschenleben vernichtet. Das französische Departement Tarn ist von einer furchtbaren Überschwemmungskatastrophe heimgesucht wor den. Nach der» bisherigen Meldungen sind dabei mehr als 20 Menschen ums Leben gekommen. Die Stadt Mont auban ist auf allen Seiten von jedem Verkehr ab geschnitten. In mehrere»» Stadtvierteln siird Häuser ein gestürzt. Zehn Soldaten, die bei den Rettungs- und Ber gungsarbeiten mitgewirkt hatten, fehlten beim Appell Zeugen »vollen gesehen haben, wie zwei von ihnen bei den Rettungsarbeiten ertranken. Montauban hat zurzeit »vedcr Trinkwasser noch Gas noch elektrischen Strom. In folge der kritischen Lage sollen die Behörden eine vor läufige Aussetzung der Rettungsarbeiten angeordnet haben, um nicht weitere Menschenleben aufs Spiel zu setzen. Ein Automobil ist, als cs eine Brücke in der Nähe von Montauban passierte, infolge plötzlichen Einsturzes der Brücke von den Fluten verschlungen worden. Auch die bei Toulouse gelegene Ortschaft Villemur am Tarn ist außerordentlich schwer heimgesucht worden. Sie ist ebenfalls durch das Hochwasser vollkommen vorn Verkehr abgeschnitten. Zwei Hängebrücke»» sind weg geschwemmt worden. Man hat Vorkehrungen getroffen, auf funkentelegraphischem Wege mit den Bewohnern von Villemur in Verbindung zu treten. In Albi sind drei Personen ums Leben gekommen. In Saint-Amans überschwemmten die Fluten de^ Friedhof und rissen die Särge mit sich fort.