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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. PränumeracionS Preis 22) Sgr. <z Thir.j vierteljährlich, 3 THIr. für das ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen .der Preußischen Monarchie. Magazin , für die Man pränumerirt auf dieses Beiblatt der AUg. Pr. Staars Zeitung in Berlin in der Expedition iMohrcn - Straße No. 34,; in der Provinz so wie im AuSlande bei den Wohllöbl. Post-Acmtern. Literatur des Auslandes. 12. Berlin, Mittwoch den 28. Januar 1835. England. Die Dauer des menschlichen Lebens. Der alte Satz Arbuthnot s (in seiner Schrift über „Nahrnngs. Stoffe"), daß nur nnler mäßigen nnd cnlhallsamcn Mensche» Beispiele von ungewöhnlich langem Leben zu finden sehen, wird scheinbar widerlegt durch die Erfahrung, welche uns oft genug Individuen verführt, die ganz einer regellosen, abnormen Lebensweise ergeben find, und gleichwohl im Alter über das gewöhnliche Maß hinaus reichen. Allein nur scheinbar: näher betrachtet stellt sich die Sache auf einen ganz andern Punkt. Wer mäßig und enthaltsam lebt, lebt bis zum letzten Hauche. Wer auf wüste verworrene Weise seine Jahre vergeudet, kann, wenn sein Naturell Stich hält, allerdings ein hohes Alter erreichen, allein er ist oft längst schon todt, ehe er jein Auge schließt; mit Pein und Sorgen und ohne daß die Functionen seines Geistes thätig sind, vcgetirt er so hin und stirbt langsam, und eine Reibe von Jahren gehört zu seinem Sterben, nicht zu seinem Leben. So kann ein Siebzigjähriger oft mir fünfzig Jahre gelebt haben, und zählt auf diese Weise gar nicht mit zu der Summe derer, die ein hohes Alter erlangten. Die Gelehrten, welche über „langes Leben" geschrieben haben, sind in ihren Ansichten sehr getheilt darüber, ob außerordentliche Fälle zu gewissen Zeiten nnd in gewissen Gegenden sich in dieser Beziehung häufig ereignet haben oder nicht, und ob es überhaupt in der Urnatur des Menschen, der Möglichkeit nach, bedingt seh, ein hohes Alter zu erreichen, so daß jene Falle entweder für ganz abnorme zu halten sepcn, oder vielmehr das frühe Sterben als ein der Bestimmung der mensch lichen Natur wicderstrcbendes Ereignis; angesehen werden müsse. In der Regel gehören die Fälle einer ungewöhnlich taugen Lebensdauer entlegene» und barbarischen Zeitaltern an, i» denen man Betrachtungen dieser Art gar nicht »»stellte, und in anderen Zeiten, wo man recht eigentlich auf solche Fälle lauerte, ergaben sich diese als selten oder als fingirt und übertrieben. Es liegt dem Schreiber Dieses gegenwärtig eine Tabelle vor, von einem Dianne verfertigt, der diesen Gegenstand zu einem Lieblings-Thema seines Nachdenkens machte, und 178V Per sonen nachweist, die ein mehr als hundertjähriges Alter erreicht haben. Allein bei genauer Betrachtung zeigt sich, daß viele dieser Angaben aller Begründung cnlbchrcn, indem sie Zeilen angehörcn, deren Wunder- fucht sich bei dieser Gelegenheit ein weites Feld eröffnete, und mithin auch die als Fakta angegebenen Bestimmungen verdächtig macht. Unsere Encyklopädieen haben alle nur aus einer und derselben Quelle geschöpft, ihre Angaben stützen sich nicht auf neue Nachforschungen. So z. B. hat der berühmte Sir William Panlett, Testaments-Vollstrecker Hein richs VIII , der am 10. März >872 starb, ein Alter von 97 Jahren erreicht, während die Encyklopädieen auf sehr liberale Weise ihm 9 Jahre zulegcn, und ihn >06 Jahr alt werden ließen. , Es ist leicht denkbar, welche Jrrthümcr sich cinfchlcichc» muffen, -wenn man die Lebensdauer der Menschen in einer bestimmten Zeit nach dem damals eingestellten Ernsus der Bevölkerung berechnet, wie Lord Bacon in seinem höchst genau ausgefübrten und schätzenswerthen Werke: „Ui-Noriu Vüno <ü Jlortm," nach Lem Census des Kaisers Bespasian seinen Kalkül machte, ohne zu bedenken, daß absichtlich, um der Besteuerung für ncugeborne Individuen zu entgehen, Fälle von langer Lebensdauer dabei fingirt wurden. Unser eigner Eensue in Eng land ist so ungenau wie möglich, trotz der Sorgsamkeit, womit er von Seilen der Behörde angcstciit wird. Das Volk chat nur zu oft ein In teresse daran, sich der Zählung zu entziehen. Aus Furcht vor Militair- Dicnst verlassen die Leute oft ihren Wohnort, und lassen cs an Bitten, Bestechungen und allen Arlen von Kunstgriffen nicht fehlen, nm von dem Ecnsus ausgeschlossen zu werde». So geschah cs bei u»S zur Kriege;ei,, und als der Krieg beendet war, würde der Militair-Dicnst euer ein Gegenstand des Wunsches, als der Furcht; deshalb ergab sich -ui Plötzliches Anwachsen der Bevölkerung. Im Jahre 1831 entstand in allen Städte» das Verlangen, eine möglichst große Einwohnerzahl anjUgcbcn, um sich oje Bvrtheile z« verschaffen, welche die Rcsorm- Biil gestaltete und dies war lediglich die Ursache des großen Unter schieds, der sich zwischen dem EcnsuS dieses Jahres und dem von 1821 hcrausstellle. Ich kann mit Lord Bacon nicht darin übereinstimmen, daß der Bespasianischc Ecnsus die sicherste Gewähr leiste für die Abschätzung der Lebensdauer der damalige» Menschheit. Wäre dies der Fall, so müßte man annchmen, daß zwischen Padua und den Appeninen, in einem nicht eben allzu stark bevölkerten Landstriche, 124 Menschen von einer hundertundzwanzig- und mehrjährigen Lebensdauer eristirt hätten, nämlich 84 von >20, 37 von 1 >0, 2 von 128, 4 von >30, 4 von >35 oder 137, und 3 von 140 Jahren. Eben so wenig können wir dem, was Plinius (Utz. 0, cup. 48) angicbt, vollkommenen Glauben schenken. Nähern wir uns der neueren Zeit, — denn das Mittelalter ist in seinen Angaben noch fabelhafter als die alte Welt, so daß es, wenn man leichtgläubig scvn wollte, in manchen Jahrhunderten dec christli che» Zeitrechnung sogar zu dcn Ausnahmen gehören müßte, wenn einer unter siebzig Jahren starb, — so finden wir die Fälle von unge wöhnlich langem Leben höchst selten, und müssen analog auf die Zeiten des Altcrtbums und des Mittelalters zurückschlicßen. Vcspasians Ecnsus bezieht sich aus die ärmeren Klassen des Volkes, deren Hause sich nicht übersehen läßt. Unter höheren Ständen erweist sich auch in den frühe- ren Zeiten nur selten ein hochbctagtcs Individuum. Von Römischen, Griechischen, Französischen und Deutschen Kaisern und Königen bis auf die Zeiten Jacob s 1. herab, finden wir unter 200 Fürsten nur vier achtzigjährige. Unter den Aposteln und Kirchen-Vätern scheint hohes Aller eine kehr gewöhnliche Erscheinung gewesen zu scvn und dies er klären Einige daraus, daß diesen erleuchteten Männern ein göttlicher Athem innczcwohnt habe: — „mhil Spirans uisi äivmuin!" Allein von dcn Päpsten sagt man ja dasselbe, und doch giebl es unter de» erstell 240 Päpsten nur füns, welche 80 Jahre und etwas darüber ge» lebt haben. Von Johann, dem drcilmdzwanzigsten Papste, heißt es, er habe das 90ste Jahr erreicht. Sein Historiograph sagt von ihm, er scv ein Mann von ewig unruhigem Geiste gewesen, immer nach neue» Din gen trachtend, Vieles verbessernd, Vieles aber nur umgestallend. Dazu, heißt es, war er ein Anhäuser großer Schätze. Bon seiner heiligen Ge sinnung meldet die Sage weniger, so daß man nicht behaupten kann, ein göttlicher Atbem habe ihn so lange vor der Sterblichkeit bewahrt. Interessant sind die Fabeleien des grauen Alterthums über die Lebensdauer mancher Menschen; auch Lord Bacon sagt naiv, man könne nicht viel darauf geben. Ein König von Spanien oder vielmehr von Eadip, Namens Agantharicus, wurde, wie gemeldet wird, 140 I., Eingras, König der Evvrier, der ei» schwelgerisches Leben führte, beinahe 160 I. alt. Manchen Königen von Arcadien wird geradezu ein Alter von 300 Jahren zugcmuthct, und Lord Bacon sagt, dies seh vielleicht fabelhaft. Wir finden, daß in Epirus manche Einwohner ein Alter von 200 Jahren mit Bequemlichkeit erlangten und einer ihrer Fürsten, Liwrius, ein Mann von gigantischem Körperbau, machte 'seine 300 I. voll. Die Theorieen, nach welchen den Menschen die Prognose gestellt wird, ob sie nach dcn und den Eigenschaften, die sic besitzen, ein kurzes oder langes Lebe» zu erwarten hätten, sind nicht minder unhaltbar. Die Farbe und Beschaffenheit des Haares und der Haül gelten Viele» für Anzeichen, die darauf schließen lassen. Knaben von rothcr Gc- sichlssarbe, meinte man, würden in der Regel nicht so lange leben als andere von blassem Teint. Eine harte Haut sollte aus langes Leben, eine grobe, rauhe Haut, sogenannte Gänsehaut, auf kurze deuten. Eine gerunzelte Stirn und starkes, üppiges Haar mußte» wenigstens für >00 Jahr eine Eaulion gebe», während eine sanfte Stirn und weiches Haar einen frühen Tod befürchten ließen. Ei» breiter Körperbau mit kurzem Leib aber lange» Beinen von den Kniccn bis zu den Knöcheln galt für Versicherung eines hohen Alters, während Personen, die vom Knie bis zur Hüfte lang gebaut und! wie Lord Bacon sagt, üvursnin uttoinncti sind, nie lange leben könnten. Wohlbclcibthcit in der Jugend deute auf frühen Tod, dagegen im Alter sichere ein umfangsreicher Leib das Leben des Menschen. Ein schmaler Kopf, ei» weder langer und dünner, noch allzu feister, mithin proportionirlicher Nacken, weile Nasen löcher, knorpelige, nicht fleischige Ohren, ein breiter Mund, breite, fest- geschlossene Zähne, besonders wenn sie noch lange Zeit in der Jugend des Menschen wachsen, alles dies aalt für Anzeichen eines langen Le bens. Das gehörte so zu dcn Thorheitcn unscrer weisen Vorfahren. Auch um Vorschriften behufs einer Makrobiotik waren unsere guten - Altvordern nicht verlegen. Sic empfahlen Diät, eine gänzliche Enthal tung von alle» spirituöse» Getränke», mäßige Bewegung, mäßigen Schlaf, vonoris ukstiuonti» »o oxlnuiriuntur, Len Gebrauch von Bä dern und die Einreibung von Salben und Oelen. Sie empfahlen Frömmigkeit, Beschäftigung mit Literatur und Philosophie, Landluft und in der Jugend Militair-Dienst. Auch a» wirklichen Medikamenten zur Verlängerung des Lebens fehlte es nicht. Das Schminke» der Haut hielte» unsere Väter für sehr vortbcilhgft, weil die alte» Brite» und Virginier sich schminkten und lange lebte». „Als Johannes de Tcm- poribus", sagt Lord Bacon, „welcher 300 I. gelebt haben soll, gefragt wurde, was sein Leben so stabil mache, antwortete er: Oel von außen nnd Honig von innen!" Ein Römischer Senator, der >00 I. alt