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Wöchenlü.b erickcinn: drei Nummern. Pranumcraiion» Preis 22z Sgr. Thit., vierteljährlich, 3 Tblr. fiv das ga»je Jahr, ohne Er hohung, in allen Theilen Ler Preujlischen Monarchie. a g a für die Man pränumerirt auf dieses Beiblatt der Mg. Pr. SkaatS Zeitung in Berlin in der Expedition (Mohren - Straße No. Z4>; in der Provinz so ivie im Auslande der den Wohllobl. PoN-Aemrern Literatur des Auslandes. 8. Berlin, Montag den 19. Januar 1835, England. Die Frauen, besonders in Frankreich, England und Deutschland. (?l«s dem LoStiies' AIsAariue. *) Woher komnit es, daß die meisten Bucher, die bisher für die be sondere Ausbildung und Verbesserung der Lage der Frauen geschrieben wurden, größtentbcil« ihren Zweck verfehlten? Lie Neu - Europäische Literatur bat mehr als dreißig spezielle Werke über die Frauen aufzu- weisen, und doch sind sie fast alle kaum dem Namen nach bekannt. ES war zu erwarten, daß die philosophischen Forschungen, denen sich mehrere Schriftsteller zu Gunsten eines Geschlechts unterzogen, das eine so ein flußreiche Rolle in der menschlichen Gesellschaft spielt, wenigstens von diesem mit dem wärmsten Dank und sreudiger Anerkennung ausge nommen werden würden; allein dies ist keineswcges der Fall gewesen. Wie hat man sich diesen sonderbaren Umstand zu erklärens Ge wiß nicht anders, als daher, daß in den meisten eben erwähnten Werkelt von einem ganz falschen Gesichtspunkt ausgegangen wurde. Die Mist reß Wolstonccrast in England, die Herren Thomas und Svgur in Frankreich, sowie einige andere Schriftsteller in Deutschland, haben die Frauen gleichsam als eine eigene Nation, al» eine besondere Kaste, als ein besonderes spezielles Volk betrachtet, das seine eigenen, von der übrigen Gesellschaft geschiedenen Institutionen, das seine eigene Geschichte und Annalen habe. Man bemerkte nicht, daß doch die Frau das eigent liche verbindende Moment der Gesellschaft überhaupt, daß sie, ihrem innersten Wesen nach, das versöhnende, sympathetische und elektrische Band sey, das die Natur und das menschliche Geschlecht zusammenhalte, und daß mau, wollte man ste in einen isolirle» Kreis hineinbannew und ganz sür sich allein hinstellcn, dadurch ihr ganzes Dascyn gewalt sam vernichten und ausheben würde. Denn ihre Kraft besteht lediglich in jenem wunderbaren Magnetismus, welcher anzicht, indem er selbst ungezogen wird, und herrscht, indem er selbst beherrscht wirb. So wie sie als Mütter den Mittelpunkt und den Hecrd der Familie bilden, so empfinden die Frauen stets mit Lebhaftigkeit und zartester Innigkeit die Leiden und Freuden aller derer, die sic umgeben, indem gleichsam ihr ganzes Leben mehr der eng zusammenhängende» Familienkctte, als ihrem eigenen isolirtcn Selbst anzugehören scheint. Sie gleichen den Akkorden in der Musik, die nur, indem sie mit ihrem Gründlon har monisch zusammcnstimmcn, selbst angenehm und melodisch erklingen; oder jenen wunderbaren Farben, die nnr in den für sic eigens geschliffe nen und wMgcformtzm Kristallen in ihrer ganzen wahren Pracht erglänzen. Entwerfen wir da» Bild irgend einer Zeit oder Gesellschaft, so erscheinen uns die einzelnen Farben immer Heller und lebendiger, je mehr wir bemüht sind, in das Detail der Wirksamkeit und der Sitten der Frauen einzugehen. Und eS hat auch zu allen Zeiten in der That einzelne Frauen gegeben, die, wie ein Svmbol, alle verschiedenen Cha raktere ihrer Epoche in einer Einheit znsammeusaßlen, und mit ihrem Leuten und Wirken eine ganze Phase des gesellschaftlichen Lebens be zeichneten. Lie» war sowohl bei Cornelia als bei Messalina der Fall; eben so während der Französischen Revolution bei der Rolland und der Thöroigne von Mcricourt. Ler Mann, von Natur weniger sympathe tisch, kann sich leicht aus dem Kreise der Well herauSrcißcn und ihr Trotz dielen; er kann, wie Rousseau und Byron, das ganze Mcnschcn- geschlcchl hcranssordcrn und Allen den Krieg erklären. Denn ihm ge währ! der Krieg, oder das Studium und die Künste hinreichende Be schäftigung und Unterhaltung, und er empfindet nicht leicht die Leerheit und das Drückende des isolirtcn Lebens. Die Frau hingegen vermag sich nicht aus dem Kreise heraus zu begeben, in den sic hincingchört. Sie ist mit ein treibendes Rad in der ganzen Maschine, und'könnte nicht gut entbehrt werden; allein sie bleibt immer nur das Secundaire, da« seine Kraft und Bewegung stets erst von Außen empfängt. Wer nun irgend von den Sillen und der Lage der Frauen sprechen wollte, der müßte billig erst die Sillen und den Zustand der sic umgtbcndcn Gesellschaft untersuchen und das Verhaltniß ermitteln, in weläxm sie zu derlclbcn stehen. Man hat viel Geschrei erhoben über die große Verderbtheit dec Frauen in Frankreich, seil dem Tode Ludwig «XlV, bis zur Regierung Ludwig s XVI.; allein warum erwägt man nicht die kritische Lage und ') Mcht blem die Idee», fondern auch an mehreren Stellen die Worte in dem nachstehenden Artikel erinnern an Mistreß Jamefon, welche ohnedies Mitarbeiten» an dem meistens von Damen berauSaeqebenen G" was hftr namcmlich „per Deutsche Frauen gesagt wird, kommt I - wörtlich auch m chren Uome nu<1 ichrotiä vov (Pal. Ne- des MagajinS vom I. 18Z4). Der Leser wundere stch daher nicht, wtnn er einige ihm bereits bekannte Stelle» hler wiedernnder. die traurige Notbwcndigkeit, in die sie durch die Absurdität de- ganzen damaligen Gesellschaft«. Zustandes versetzt wurden ? Zn Unwissenheit und Aberglauben auserzogen, den Kops mit asketischen Grundsätzen über laden, die ihre Beichtväter ihnen eingepsropst, traten sie in einem zar ten noch unausgebildeten Alter in eine Welt ein, wo die uneingeschränk teste Vergnügungssucht, die Sinnlichkeit und die zügelloseste Ausschweifung zur Tagesordnung gehörten, wo man sie von allen Seiten insgeheim zu den Lastern hinzog, die man öffentlich zu verdammen schien; wie konnte es null anders scpn, als daß das schwächere Geschlecht diesen gewalt samen Verführungen unterlag? Was war natürlicher, als daß es von nun au die Maske der Konvenienz, Verschmitztheit, List, eine zierliche geschmeidige Sprache und seine gewandte Zntriguen als die letzten ein zigen Tugenden ansah? Hätten die Frauen nicht schon in einem beson der« hohen Grade ausgezeichnet scyn müssen, wenn ihnen auch nur eine gute Eigenschaft mitten in jener allgemeinen Verderbniß geblieben wäre? Und steht es etwa heutzutage viel besser um die Erziehung in man chen Ländern, wo srömmelnde ÄndachtS-Hebungen, ein oberflächliche« Treiben der schönen Künste, schmachtende und sehnsüchtige Cavatinen von Rossini, ein fast schlüpsriger Tanz, Romane mit wilden zügellosen Gemälden und eine strenge Einschärfung der Regeln und Gesetze der Konvenienz, in bunter chaotischer Verwirrung, das Wesen dieser Erzie hung ausmachcn? Wie wollte man nach einer solchen Anleitung mehr von der Frau erwarten, als jene feine Verschmitztheit, jene listigen und witzigen Redensarten, jene Oberflächlichkeit in allen Kenntnissen, und endlich jene frühzeitige Bekanntschaft mit allen Leidenschaften und Gc. lüsten? Mußte nicht die erste Blüthe der weiblichen Empfindung, jene« zarte Feuer der Liebe, das sich frei und naiv entwickeln sollte, unreis hiuwclkcn, um der Koketterie, der Eigenliebe und dem Eigennutze Platz zu machen ? Wir dürfen es nur frei hcraussagen, jene so hoch geprie sene und bewunderte Civilisation Hal sich an dem schönen Geschlecht schwer vergangen. Sie bat e« verdorben, sie bat stch bitter und streng gegen dasselbe gezeigt. Selbst ihre Galanterie, diese Mischung von Ritter- und Christcnthum, die sich den Schein gab, den Frauen zu schmeicheln und ihnen zu huldigen, was war sie anders, al» eine seine Verspottung und Verletzung der Rechte derselben? Sie war es, die ihnen laut verkündigte; „Man wird Euch stet« mit Verführungen nm- gcbcn. Gcbel Zhr ihnen kein Gehör, so ist Spott und Verachtung Euer Loh»; wiltsahrct Ihr aber ihren reizenden Schmeicheleien, so sin ket Ihr selbst mit ihnen herab." Das war das Dilemma, das in dem ganzen gesellschaftlichen Zustande auSgedrückl war, der von dem An fänge des siebzehnten ZahrhundertS bis in da» neunzehnte hinein sich erstreckt. Zwei Philosophen, der Eine ein Katholik und der Andere ein Protestant, haben diese unglückliche Lage der Frauen begriffen: Fsm-lem in Frankreich, und de Foe in England. Allein ihre Ratbschlägc sind nicht beachtet worden, und seit ihrer Zeit bat man in diesem so wich tigen Theile der Moral wenig oder gar keine Fortschritte gemacht. Ein ganzes Zeitalter nach den, Tode Fönölon« gericth Marie Antoinette, die damals noch in ihrem jugendlichen Glanze, geistreich, aber auch ihrer ganzen Erziehung und ihrem Baterlande gemäß naiver war, al« man es in Frankreich damals gewohnt gewesen, in Erstaunen darüber, daß sic da« Zimmer, das man ihr in Versailles cingeräumt halte, mit einer Geheimtreppe versehen sand. Diese Vorrichtung empörte sie: „Wie!" rief sie aus, „zum Guckuck mit dieser Treppe. Eine Prinzessin bedarf keiner Geheimtreppe!" — Aber der Geistliche, der mit der Vollendung ihrer Erziehung beauftragt war, erwiedcrlc: „Madame, in fünfzehn Zähren werden Sic das nicht sagen." Das war ei» Abb6 des acht zehnten Jahrhunderts; seine Worte sind hinreichend, um die Moral jener Zeit zu bezeichnen. Heutzutage, wo ganz Europa Eine große Nation bildet, wo alle die verschiedenen Bewohner desselben ihre alten Sitte» abgestreift, um an ciner allgemeinen Civilisation Theil zu nehme», heutzutage sind es die Frauen allein, die noch mit der größten Aengstlichkeit und Bedenk lichkeit alle jene Unterscheidungen beibebaltcn haben, die ehedem da« TrcnnungS - Merkmal zwischen den Völkern bildeten. Zwischen der Deutschen, der Ztaliänerin, der Spanierin und der Französin besteht noch jetzt eine Kstist, die bei den Männern aller der genannten Na tionen schon längst geschwunden ist. Wir sprechen hier nicht von den hohen und vornehmen Klassen der Gesellschaft. Lie Herren und Damen in den Salons sind siä» überall gleich, ja sie bilde» nur Eine, an ihren Abzeichen leicht zu er kennende Nation. Hier muß man nicht etwa die mannigfachen Nüancen der verschiedenen Nationalitäten aufsuchen wollen: die Soirsc ciner Gesandten, da« Diner eine« Minister« und ein Bak bei Hofe habe»,