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Berlin, Freitag den il. Juni 1841. Wöchentlich erscheinen drei Nummern. PränumerationS- Preis 22j Sgr. (Z Mr.) mcrteljäbrlich, Z Tblr. für da« ganze Jahr, ahne Er höhung. in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Man »ränumerirr aus diese- Lueraiur-Blatt in Berlin in der Expedition Ler Allg. Pr. LtaatS-Zeiiung (Friedrichsstr. Nr. 72); in der Provinz so wie im Auslands bei den Wohlläbl. Post-Aemtern. wunde, bar abstachen und die mit den mehr üppigen, aber niedrigen Feigen, mit Pfirsichen, Aprikosen, Pflaumen und Kirschen vermischt waren während die anspruchslosere Brombeere uns den Weg ver engte nd ihre Früchte emporstreckte, daß ich, auf dem Sattel sitzend, sie dre hen konnte. Es war die erste Frucht der Art, die ich sah, seit ich vaS Vaterland verlassen hatte, und ich begrüßte sie wie einen Freund meiner Jugendtage, voll süßer Erinnerungen an die theure Hcima." T:r Pascha von Akra nahm seinen Gast mit großer Freundlich keit aus, die vielleicht zum Theil nur seinen medizinischen Kenntnissen galt. Ein unbedeutendes Ereigniß, das sich während ihrer ersten Zusammenkunft zutrug, wirft einiges Licht auf das Erziehungs- S-stem der Kurden: Lai kleiner netter Knabe des Pascha, kaum acht Jahr alt, trat mit l> chendcm Gesicht ein, indem er einen großen Granatapfel in der Hmd hielt, den er zum Ziel gewählt und mit der Kugel seiner Buchst durchbohrt hatte. Alsbald bestimmte der Fürst dem jungen Schützen ein paffendes Geschenk und war sichtlich erfreut über die Fortschritte, die sein Sohn in dem wesentlichsten Gegenstände der Kurdischen Erziehung machte." Wäre 0x. Grant den Warnungen der freien Stämme der Nesto rianer gefolgt, so hätte er nicht weiter als bis Akra Vordringen dürfen; auch sein Freund, der Pascha, riech ihm von einer ferneren Reise ab, indem er ihm nur an den Küstenländern für seine Sicher heit bürgen könne, „doch die Ungläubigen (die Christen) in den Gebirgen erkennen weder Pascha noch König an, sondern bei ihnen ist seit undenklichen Jahren Jeder sein eigener König gewesen." Gleichwohl setzte Grant sein Reise fort, und obgleich er bald beim Eintritt in die Gebirge einem Tumult beiwohnte, der seinen Führer so erschreckte, daß er denselben entlassen mußte, sobald er das HauS des Bischofs erreicht hatte, so verschaffte ihm dennoch ein glücklicher Zufall eine günstige Aufnahme bei den Bergbewohnern: „Der einzige Menfch, den ich je von diesem getrennt lebenden Volkstamm gesehen hatte, war ein junger Nestorianer, der ungefähr, ein Jahr zuvor völlig blind zu mir gekommen war. Er sprach, er habe nie vas Tageslicht zu sehen gehofft, bis mein Name in seine Gegend gedrungen sey und man ihm erzählt habe, ich könne das Gesicht wiedergeben. Mit bewundernSwerther Ausdauer war er von Dorf zu Dors gegangen, indem er stets Jemand zu bekommen suchte, der ihn an der Hand weiter führte, bis er nach Verlauf von fünf bis sechs Wochen mich fand; ich stach ihm den Staar, und er kehrte sehend zurück. Kaum war ich nun in vas erste Dorf dieser Gegend getreten, so kam dieser junge Mann, der von meinem Heran nahen gehört hatte, brachte mir, als Zeichen seiner Dankbarkeit, Honig zum Geschenk und erwarb mir das Zutrauen und die Freund- .schaft seines Volkes." Der Sonntag wird hier auf sehr eigenthümliche Weise gefeiert: „Ein kleines Stück Brett wurde schnell hinter einander mit einem Hammer geschlagen, um die Dorfbewohner mit Sonnenaufgang in die Kirche zu rufen. Beim Eintritt in diese zog Jeder seine Schuhe auS, bezeigte seine Ehrfurcht vor dem Heiligthume Gottes dadurch, daß er die Thürpfostcn oder die Schwelle küßte, und ging hierauf dazu über, gleicherweise das auf dem Altar liegende Evangelium, das Kreuz und die Hand des Priesters zu küssen. — Man feierte gerade das heilige Abendmahl, und das einfache Cercmonial der Ne storianer schien unserem Reisenden so untadclhaft, daß auch er kommunizirte. Folgende Bemerkungen geben eine günstige Ansicht von dem religiösen Treiben des Volkes: „Am Abende fand sich ein Theil des Volkes wiederum zum Ge bet in der Kirche ein, und Morgen- und Abend-Andachten werden die ganze Woche hindurch abgehalten. Doch verschieden von dem, was ich sonst im Osten gesehen habe, verrichten Manche ihre Andacht in ihrer eigenen Wohnung; auch hier küssen sie ein kleines hölzernes Kreuz, welches an einer Pfoste vor ihnen hängt, vor dem Gebet, allein diese Gewohnheit ist nur als eine einfache Ausdrucksweise der Liebe zu Christo und des Glaubens an seinen Tod und seine Erlö sung anzusehen; das Kreuz selbst ist in keiner Weise Gegenstand ihrer religiösen Verehrung." G In verschiedener Hinsicht scheint ihre Verfassung der alten Israelitischen Theokratie nahe zu stehen: „Die höchste bürgerliche und kirchliche Gewalt über die freien Stämme behauptet der Patriarch, welcher in dieser Beziehung un gefähr denselben Einfluß auf sein Volk übt, der bei den alten He bräern in den Händen des hohen Priesters war, und ihre Regierungs- Asien. Die Nestorianer in Kurdistan. Ein Nord-Amerikanischer Arzt, Or. Grant, hat unter dem Titel: „Die Nestorianer, oder die verlorenen Stämme Jsrael's" ( t't>e ?se8r<>xttttl8 or ist« Iv8l rribe«) die Darstellung seiner Reise in ein Land herausgegeben, das früher bereits manchem unternehmenden Gelehrten, von denen wir hier nur unseren Deutschen Landsmann vr. Schulz nennen, das Leben gekostet hat. vr. Grant war glück licher in seinen Bemühungen; er wußte sich als Arzt, und besonders als Augenarzt, überall Zugang und Vertrauen zu verschaffen. Von seinem Vaterlanbe aus nach Persien gesandt, um die religiösen Ver hältnisse der Nestorianer näher zu erforschen, drang er bis zu den letzten unabhängigen Stämmen vor, was die räuberischen Horden der Kurden Europäischen Reisenden lange Zeit ganz unmöglich ge macht haben. In seiner Reiseschilderung hat er ihre eigenthümlichen Sitten mit einer Einfachheit daraestellt, die für seine Glaubwürdig keit zu bürgen scheint. Freilich sucht er eine besondere Hypothese zu beweisen: die Identität der Nestorianer mit den Abkömmlingen der verlorenen Stämme Jsrael'S; allein diese seine Ansicht steht unab hängig neben seinen Beobachtungen da, und so vermögen auch die, welche diese Ansicht für chimärisch halten, von den gegebenen Thatsachen Vortheil zu ziehen. Wir lassen demnach für «etzt seine Meinungen über die Abstammung der Nestorianer dahingestellt sepn und folgen ihm, als einem einsichtsvollen Beobachter, tn ein Land und zu einem Volke, das in Europa bisher wenig gekannt ist. l>v. Grant ging am 7. Oktober 183!) über den Tigris und trat in die Ebenen von Affprien ein, wo einst die mächtige Stadt Ninive stand. Nachdem er durch die Trümmer derselben geschritten war, kam er zu zwei Dörfern, die den Jcziden gehören, welche bei öst lichen und westlichen Schriftstellern als Teufelsanbeter berüchtigt sind. „Weite, üppige Olivenhaine, grün und strotzend von Laub und Früchten, die eben am Strahle der herbstlichen Sonne reiften, ge währten einen so heiteren Anblick, daß all' die trübe Wchmuth ver schwand, die unter den Resten versunkener Größe in mir aufgestiegen war. Mehrere Grabstätten Jezidischer Fürsten zogen meine Aufmerk samkeit auf sich, als ich mich den Dörfern näherte. Sie hatten die Gestalt von Kegeln oder Pyramiden, standen auf viereckigen Gestellen und erhoben sich zu einer Höhe von einigen zwanzig Fuß und dar über. Wir wurden die Gäste eines Jeziden-HäuptlingS, dessen Woh nung, gleich den übrigen des Ortes, roh von Steinen erbaut war und mit einem flachen Erddach versehen. Grobe Filzdecken wurden uns zu Sitzen auf dem offenen Hose ausgebreitet, und wir wurden auf ceremoniöse, doch offenbar nicht herzliche Weise bewillkommnet. Mein Türkischer Führer erkannte den Grund hiervon und entfernte ihn alSbald. Unser Wirth hatte mich für einen Muhammedaner ge halten, gegen welche die Jeziden eine entschiedene Abneigung haben. Sobald ich als Christ bei ihm eingeführt war, verwandelte sich sein ganzes Wesen; er bewillkommnete mich noch einmal, und aufs herz lichste, und fragte, indem er sich neben mir niedersetzte, nach unseren Bedürfnissen. Es schien ihm leid zu thun, daß er einen muham- mcdanischen Feind und einen christlichen Freund verwechselt hatte, und ich wurde vollkommen überzeugt von der Wahrheit dessen, was ich ost gehört hatte, daß die Jedizen nämlich freundlich gegen die Christen gesinnt sind." l)r. Grant macht glaubhaft, daß die Jedizen ein Rest der Ma- nichäer sind, und daß ihre sogenannte Anbetung des Teufels nur auf einem Mißverständniß des Volkes beruht, das ihre Lehre von der Scheu vor dem Prinzipe des Bösen nicht faßt. Auch Herr Rich spricht eine ähnliche Ansicht aus; er erklärt, daß die Jeziden nur in dem Sinne dem Fürsten der Finsterniß Verehrung zollen, wie die Perser ihrem Ahrimansie einst gezollt; daß sie jedoch in intellektueller und moralischer Hinsicht höher zu stellen fcyen, als die umwohnenden Stämme. Als »r. Grant zu den Kurdischen Gebirgen kam, stieß er auf mehrere Plätze, die den herrlichsten Anblick gewährten und die durch ihren Gegensatz zu den eben von den Kurden und Türken ver heerten Gefilden doppelt reizend wurden. „Gegen drei Uhr Nachmittags gelangten wir in die kleine ro mantische Stadt Akra, welche von Gärten und Fruchthainen dicht umschlossen liegt, die auch im Osten an Anmuth, Fruchtbarkeit und Mannigfaltigkeit unübertroffen sind. Schon eine Meile vor der Stadt lief unser Weg unter Lauben von Granatäpfeln hin, deren goldene und brennendrothe Früchte gegen das trübe Grün der Olive