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WnlniM Tngtl'lntl Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. und Waldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträat vierteljähr lich 1 Mk. 50 Pf. Alle Postanstaltsn, die Expedition und di« Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 1v Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den stadtrath zu Waldenburg. 244. Freitag, den 21. Oktober 1881. "Waldenburg, 20. October 1881. Leere Besprechungen. III. Von Maßregeln zur Beschränkung des Wuchers, dieser größten Plage des Landmannes, sowie von Einführung einer procentualen Börsensteuer, durch welche doch mindestens 50 Millionen Mark jährlich behufs Erleichterung der Steuerlasten, erzielt werden können, ist in dem fortschrittlichen Flugblatt mil kei ner Silbe die Rede! Der größte Schwindel aber ist die Versprechung weiterer Steuere, lasse, zugleich mit der Forderung der Beseitigung drückender Zölle, als welche alle Finanzzölle aus Kaffee, Thee, Neis, Tabak u. s. w. vorher aufgesührt morden sind. Kaffee allein brachte 1880 einen Zollertrag von 37,661,000 Mark, Neis 2,780,000 Mark, Nohtabak 7,818,000 Mark, wird in den nächsten Jahren viel mehr einbringen. Wenn man diese Zölle abschaffl, welche den größten Theil der im Etalsjahre 1880/81 eingenommenen. 182 Millionen Mark brachten, so muß man die directen Steuern doch fast um 60 pCt. erhöhen. An Steuererlasse wäre natürlich dann niemals zu denken. Aber das fortschrittliche Flugblatt hat sogleich die Mittel dazu bei der Hand: Die Abkürzung der Militärdienstzeit auf zwei Jahre. Nun ist die fak tische Dienstzeit unserer Soldaten für die Mehrzahl 22 Monate, nur für die schwerer auszubildende Minderzahl 34 Monate. Alle anderen Grobstaaten haben längere active Dienstzeil: Rußland 6 Jahre, Oesterreich 3 Jahre, Italien 3 Jahre, Frankreich 3 Jahre 4 Monate. Der französische Kriegsminister hat 1880 erklärt, er könne die Infanterie nicht in 3 Jahren ausbilden, dazu brauche er 3 Jahre 4 Monare. In Deutschland wird hingegen der Sol dat durchschnittlich in 26 Monaten ausgebildet, also etwas mehr als die Hälfte der französischen Aus bildungszeit. Unsere Kriegsleistung leistet also das Größte mit den geringsten Mitteln, mehr als irgend ein Staat in der ganzen Welt. Und da kommt die Fortschrittspartei und will wegen der 2 Monate Dienstzeil einen neuen Conflict mit der Regierung herbeiführen! Aber dies wird ihr nicht gelingen, denn das deutsche Volk hat mehr Vertrauen zu den Heerführern, welche die größten und glorreichsten Kriege, die die Weltgeschichte kennt, siegreich durch geführt haben, als zu den Herren Richter, Lasker und Cons., welche absolut gar Nichts vom Kriegs wesen verstehen. Das deutsche Volk wird nicht, um wenige Millionen Mark jährlich zu sparen, die Ehre und Sicherheit des Vaterlandes aus's Spiel setzen, um im Falle eines unglücklichen oder auch nur un entschiedenen Krieges viele Milliardcn Kriegsschaden zu tragen, mehr als die fortschrittliche Ersparniß in Jahrhunderten ausgemacht hätte. Die Berliner Fortschrittspartei hat bei ihren wüsten Hetzereien gegen das Reich und die be stehende Ordnung sich mil Partikularisten, Welsen und Socialdemokraten verbunden, sie verhilft den Polen zum Wahlsiege. Sie hat den unpatriotischen Wahlspruch aufgestellt: „Fort mit Bismarck!" Das hier besprochene fortschrittliche Flugblatt ist ganz in der aufreizenden Manier geschrieben, welche das officielle Organ der nationalliberalen Partei folgendermaßen kennzeichnet: „Die fortschrittliche Agitation nährt und zieht die Unzufriedenheit und Mißstimmung mil allen Erscheinungen des öffent lichen Lebens systematisch groß, appellirt an die banausischen Triebe des Menschen, beutet materielle Nothlage im politischen Parteiinteresse aus, weist die minder glücklich situirten Volkslassen fortwährend auf den Druck ihrer Lage hin und regt sie mit Ver- sprechungenauf, an deren Erfüllung sie niemals ernst lich herangetreten ist, noch herantreten wird. Das Alles Hal die Socialdemokratie noch weit besser ver standen." „Der Weizen der Fortschrittspartei blüht auf dem Boden des Pessiemismus." "Waldenburg, 20. October 1881 Politische Rundschau. Deutsches Reich. Der Kaiser leidet an Heiserkeit, drum ist seine Rückkehr aus Baden-Baden verschoben worden. Die preußische UnterrichtSverwaltung richtet jetzt ihr Augenmerk auf die Beseitigung eines melufach beklagten Uebelstandes, wonach in verschiedenen Provinzen Volksschullehrer mit communalen Nebenämtern, als Gemeindeschreiber und derglei chen, beschäftigt werden. Es ist Weisung ergangen, derartige Erscheinungen auf den geringsten Umfang zu beschränken und nur im Falle dringendsten Be dürfnisses zu bewilligen. Die bevorstehenden Reichstagswahlen in El- saß-Lolhringen beschäftigen die französische Presse sehr; der Pariser „Temps" widmet ihr bereits drei spaltenlange Betrachtungen und der „Figaro" hat einen Specialcorrespondenlen nach Straßburg geschickt, der seine Eindrücke und Erlebnisse erzählt. Die beiden Blätter behandeln hauptsächlich die Mission des Feldmarschalls von Manteuffel, sie betrachten die bevorstehende Wahl als eine Probe auf seine Ver waltung und prophezeien ihm einen eclatanten Mißerfolg. Zur Hebung unserer einheimischen Production soll von Seiten der Reichsregierung ein großartiges System von Maßregeln zur Ausführung kommen. Jetzt soll auch ein eigenes „Arbeits-Reichs-Amt" gegründet werden. Dieses soll die Entwickelung und Pflege der gewerblichen Technik zu seiner Auf gabe machen. Der allgemeine Geschäftsgang hat sich insofern gebessert, als die Zahl der im Laufe des dritten Quartals im deutschen Reiche eröffneten Concurse nicht unerheblich geringer als in den vorhergehenden Quartalen ist. (1. Quartal 1376, 2. Quartal 1217, 3. Quartal 1041 Concurse.) Die Socialdemokraten haben wenig Ursache, sich zu beschweren, wenn ihnen die Behörden ihre Versammlungen verbieten, denn sie sind eben so unduldsam gegen ihre Gegner. Neulich sprach Liebknecht, der in Mainz als Candidal ausgestellt ist; nachdem er in ^«stündiger Rede sein Programm entwickelt, ergriff der Gymnasial-Lehrcr vr. Maurer das Wort; er bekannte sich als Gegner der Social demokratie; doch kaum hatte er begonnen, so brach schon der Tumult los, worauf schließlich vr. Maurer mit den Worten, daß er zur Ueberzeugung gekom men sei, daß uns das Socialistengesetz noch noth thue, die Tribüne verließ. Nun entstand ein furcht barer Lärm und einige der Anwesenden nahmen so drohende Mienen an, daß anwesende Polizeikom missar den Herrn Maurer unter den Schutz der Polizei stellen mußte. Als nun die Versammlung auseinander ging — es waren ca. 3000 Personen anwesend — wurde Herr Maurer fortwährend auf der Straße insultirt, so daß die Gendarmerie ein schritt und den Geängstigten in das Gendarmerie- gebäude in Sicherheit bringen mußte. Unter der U-berschrift: „Die Wünsche und Hoffnungen der Regierung in Bezug auf die Wahlen" bringt die letzte „Provinzial-Corr." einen längeren Artikel, in welchem sie u. A. folgen des ausführt: „Die nationale Kraft, die nach außen errungen ist, möchte unsere Regierung dem neuen Gemeinwesen auch im Innern gewähren: es gehört nach ihrer Ansicht zur Sicherung des neuen nationalen Staats, daß derselbe auf eigenen Füßen stehe und die Wurzeln seiner Kraft in seinem eigenen Schaffen, in dem gesicherten Er trage der Arbeit seiner Angehörigen finde. Des halb die neue Zoll- und Wirthschaftspolüik, welche nicht nach den allgemeinen Lehren irgend eines Systems zu beurtheilen ist, sondern vorzugsweise nach der Absicht, in Verfolg der Schöpfung eines Deutschen Reichs auch der deutschen Arbeit und ihren Erzeugnissen Raum und Geltung auf dem Weitmarkl zu sichern. Wahrend so das wirthschaft- üche Streben unserer Regierung, namentlich des Füsten Bismark, im innigen Zusammenhänge steht mit dessen erhabenster Leistung für das deutsche Volk, mit der Gründling eines einigen Deutschen Reiches, — hat die innere Entwickelung Deutsch lands in den letzten Jahren neue Aufgaben gestellt. In unserer Bevölkerung selbst haben die Ereignisse tiefe Schäden und eine Kluft aufgedeckt, welche un heilvoll für das Ganze zu werden droht: die Arbei ter und die kleinen Leute sind der bürgerlichen Ge sellschaft mehr oder weniger entfremdet, und es gilt, sie mit den staatlichen Einrichtungen wieder zu be freunden durch die Gewißheit, daß die Gesetzgebung des neuen Reiches auch für sie Sorge trägt. Das ist das Wesen und Ziel der jetzigen Reichspolitik im Gegensätze gegen die kalte Auffassung, wonach die Aermeren den schweren Kampf ums Dasein nur aus eigener Kraft und ohne jede Hülfe des Staats zu führen haben. Hierauf beruht der Unterschied der sich jetzt bekämpfenden Anschauungen, und in dieser Beziehung gilt es, der Reichsregie- rung durch die Wahlen zu helfen, ihre heilsamen Absichten zur Geltung zu bringen. Schon in der vorigen Session ist eine Vorlage gemacht worden, um die Arbeiter gegen die traurigen Folgen von Unfällen, wie sie mit ihrer Beschäftigung so vielfach verbunden sind, zu schützen. Der Entwurf scheiterte bei diesem ersten Versuch, soll aber in ähnlicher Gestalt von Neuem vorgelegt werden. Bei den bezüglichen Erörterungen hat der Kanzler schon an- gedeutet: sein Streben gehe dahin, die Armen über haupt möglichst gegen die Sorgen des Alters zu schützen. Die Mittel dazu sollen vor Allem die weniger fühlbaren indirecten Steuern bringen, und namentlich hat Fürst Bismark nie ein Hehl daraus gemacht, daß er für das wirksamste und zugleich für das geeignetste aller Mittel das Tabaksmonopol hält und den endlichen Sieg des selben erhofft. Man hat behauptet, Fürst Bismark wolle sich durch die Wahlen eine gefügige, willenlose Mehrheit schaffen, die seine Vor schläge bis ins Einzelne hinein annehme; das sei aber nicht der Sinn und Zweck einer Verfassung mit Vertretung des Volkes. Nein, gewiß nicht; aber das will auch die Regierung und speziell Fürst Bismarck nicht. Was sie wollen und wünschen, ist eine Mehrheit, die mit ihnen ernst und aufrichtig von der Nolhwendigkeit durchdrungen ist, im Interesse des Reichs wie der Einzelnen eine 'Reform zur Ver besserung des Looses der Arbeiter und der Aermeren unter uns mit Hülfe des Staats sobald als möglich ins Leben zu führen, und die deshalb an der Er reichung dieses Ziels in Gemeinschaft mit der Re gierung arbeiten will. Es werden viele Männer sich um die Stimme der Wähler bewerben, welche alle versichern, daß auch sie für das Wohl der un teren Klassen eintreten wollen und daß sie die Pläne des Reichskanzlers im Allgemeinen billigen, vorbe haltlich dieser oder jener Bedenken im Einzelnen. Die Wähler aber werden wohl thun, sich die Leute genau darauf anzusehen, ob sie persönlich und nach ihrer Parteistellung durch ihren Charakter und ihre