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E., Reichenbach, Remse, Rochsburg, Rußdorf, Schlagwitz, Schwaben, Wolkenburg und Ziegelheim. Donnerstag, den 8. Deeember M Ars. 1892. Witterungsbericht, ausgenommen am 7. December, nach«. 4 Uhr. Bsrometerstand 757 mm. reducirt aus den Meeresspiegel. Thermometerstan- -s- 0° 0. (Morgens 8 Uhr — 0'.) Feuchtigkeitsgehalt der Luft nach Lambrechts Polymeter 76'/». Thau-nult — 4 Grad. Wiu-richtuug: Südwest. Daher WitterungSauSstchtm sür den 8. December: Wolkiges bis halbhetteres Wetter mit Neigung zu schwachen Niederschlägen. "Waldenburg, 7. December 1892. Daß es in unserem westlichen Nachbarlande mit seiner stolzen Devise „Freiheit, Gleichheit und Brüder lichkeit" immer sehr frei, sehr gleich und sehr brüder lich zugeht, wird nicht einmal ein Franzose behaupten, von anderen Leuten ganz zu schweigen. Als vor Hun- dert Jahren die alte französische Monarchie unter den Stürmen der großen Revolution zusammenbrach, und Louis XVI. und Marie Antoinette auf dem Schaffst verbluteten, da mußte dies edelste Königspaar, das Frankreich seil langer Zett gehabt, die Schuld seiner weniger edlen Vorgänger bezahlen. Aus der Korrup tion, wie sie unter Ludwig XV. zum unerreichten Höhepunkte gediehen war, entstand unter Blut und Leichen die junge Republik. Gewiß bot sie aufrichtige ; und selbstlose Gemüther, aber solche hat es auch in s früherer Zett gegeben; die Republik Frankreich selbst wurde die Beute des größten Egoisten in der neueren Geschichte, Napoleon's I. Napoleon hätte niemals Kaiser der Franzosen wer- den können, wenn die breite Volksmafle Frankreichs wirklich für „Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit" j entflammt gewesen wäre. Davon war sie aber sehr i weit entfernt. Auf den Blutrausch in der RevoluttonS« i zeit war eine unerhörte Begeisterung, auch eine Art Rausch für den jungen General aus Korsika gefolgt, ? der verschwand, als die Glorie zu erblassen begann, die bis dahin Napoleon's Bild in den Augen der Franzosen umgeben hatte. Auf Napoleon kamen noch mals die Bourbonen und bewiesen, daß sie nichts ver- s loren und nichts vergessen halten. Louis Philipp hatte mehr Anlage zu einem Bankier, als zum sorgsam - waltenden Landesvater, und der dritte Napoleon be« gann wieder eine Mißwirtschaft, welche derjenigen , Ludwtg's XV. nur um Weniges nachstand. Die neue Republik sollte nun, als nach dem Tage - von Sedan durch das französische Kaiserreich ein dicker > Strich gemacht worden war, die völlige Verdeckung aller alten Schäden und Lücken bringen. Es kam in dessen ganz wesentlich anders: Je länger die Existenz der neuen Republik dauerte, je bequemer sie sich etn- richtete, um so mehr erkannte auch Frankreich und die ganze Welt, daß der französische Volkscharacler nicht durch Namen oder Formen bedingt wird. Unter dem Königthum hat es s. Z. Scandalgeschichten gegeben, unter dem Kaiserthum find sie nicht ausgeblieben, und unter der Republik kommen sie erst recht. Was ein mal einem Volke anhängt, und das ist in Frankreich ein eminenter Leichtsinn, der bald stärkere, bald schwächere Gestaltung gewinnt, das hängt ihm an und daran ist nichts zu ändern. Der zeigt sich bei Großen und Kleinen, und wenn es gerade am wenigsten erwartet würde, dann tritt er am grellsten hervor. Frankreich bleibt, wie es ist, und für seine Staatsform kommt nur seine momentane Stimmung in Betracht. Die Republik ist populär, weil ihre Gegner zu schwache Menschen find. Hätte die dritte Republik einen General Bonaparte gehabt, statt eines General Boulanger, ihr Leichenstein wäre heute bereits aufgertchtet. Zu den vielerlei unliebsamen Geschichten, die im letz ten Jahrzehnt sich in Paris abgespielt haben, ohne den französischen Nattonalcharacter wirksam im guten Sinne zu beeinflussen, ist eine neue gekommen, so echt fran zösisch, wie kaum eine zuvor. Aber wenn die Wellen der Seine über diesen Panamascandal dahin gerauscht sind, dann wird diese Sensattonsaffaire ebenso gut vergessen, ihr Eindruck ebenso verflogen sein, wie in früheren Fällen es der Fall gewesen war. Es ist actenmäßig festgestcllt, daß zu der großen Panama gesellschaft des Ferdinand von Leffeps, des Erbauers des Suezkanals, die von vornherein in Folge falscher Berechnungen auf schwachen Füßen stand und später hin nach einer gräßlichen Mißwirthschaft ein reines Schwtndelunternehmen wurde, von Setten des Staates, wie von Setten aller maßgebenden Personen, die fran zösischen Capttaltsten herangezogen und herangetrieben sind, als gäbe es keine bessere Stelle für die Geldan lage des sparsamen Mannes; es ist ferner actenmäßig festgestellt, daß die Pariser, wte so ziemlich die ge- sammten französischen Zeitungen, jede Warnung von sachverständiger Sette vor dem Panamaunternehmen unterdrückten, ja sogar heftige Angriffe gegen Alle er hoben, die sich erkühnten, einem so großen, nationalen Unternehmen zu nahe zu treten; es ist ferner acten- mäßtg festgestellt, daß die gesetzgebenden Körperschaften in Paris die zusammenbrechenden Gesellschaft so lange schützten, wie es nur irgend möglich war, den Scandal zu verschleiern. Endlich brach der Krug, in welchen Hunderte und aber Hunderte von Millionen geschüttet waren; mehr als 900,000 Personen, also fast eine Million, welche ihre Mittel hergegcben hatten, waren ihr Geld los. Es gab einen furchtbaren Lärm, die Geprellten forderten strenge Bestrafung, aber dieser Prozeß wurde wieder und immer wieder unterdrückt, bis er nunmehr endlich einge- leitet werden soll. Ein Pariser Finanzmann, der in böser Weise in die schmutzige Affatre verwickelt ist, verstarb plötzlich, aber Seitens der Behörden geschah nichts, um die Einzelheiten dieses Todesfalles zu er gründen, oder sich einen Einblick in die Papiere des Verstorbenen zu sichern. Hierüber brach die jüngste Mtnisterkrisis aus, und zu gleicher Zeit wurde die Behauptung laut, das Schwindellreiben der Panama compagnie habe nur um deswillen so lange dauern können, weil einflußreiche Leute bestochen gewesen seien, und ihren Einfluß zu Gunsten der Gesellschaft geltend gemacht hätten. Der eingesetzte Untersuchungsausschuß hat auch ermittelt, daß solche Bestechungen vorgekom men sind, aber die Geldempfänger find vorgeschobene Strohmänner, hinter welchen sich die Hauptmacher seinerzeit klugerweise versteckt haben. Und so steht man denn da und erkennt, daß man machtlos ist, der sich brettmachenden Corruption entgegenzutreten. Sie steckt in der „freien und gleichen und brüderlichen Re publik gerade so, wie früher in anderen Staatsformen. Frankreich hat keinen Anspruch darauf, sich als muster- gilttges und unantastbares Staatswesen hinzustellen. Und dies sind nur die Geschichten, die bisher zu Tage gekommen find. Was mag noch außerhalb derselben passirt sein? Vielleicht nicht ganz Weniges und nicht ganz Harmloses! Politische Rundschau. Deutsches Reich. Am Dienstag Vormittag arbeitete der Kaiser zu nächst allein und darauf mit dem Chef des Militär- cabtnets. Später empfing der Kaiser den Geh. Reg.- Rath Wermuth vor dessen Abreise zur Weltausstellung in Chicago. Sodann wohnt- der Monarch im langen Stall in Potsdam, umgeben von den königl. Prinzen, vielen Generalen und den resp. Vorgesetzten rc. der Vereidigung der Rekruten der Potsdamer Garnison bet. Nach der Vereidigung nahm der Kaiser mtlt- tärische Meldungen entgegen und entsprach einer Etn- k ladung des Offiztercorps des 1. Gardcregtments zur Tafel. Heute Mittwoch erfolgt die Reise nach Hannover. Eine Vorladung des Reichskanzlers Grafen Caprivi ist, wie die „Leipz. Reuest. Nachr." hören, in Sachen von Brandt wider Karl Paasch ergangen. Die Ver nehmung wird durch einen Landgertchtsrath in der S Wohnung des Reichskanzlers bewirkt werden. In der selben Angelegenheit, welche noch lange nicht dem Ab schluß nahe ist. find auch viele andere hochgestellte Per sönlichkeiten geladen worden, darunter Graf Eulenburg, Geheimrath Krupp rc. Die „Hamb. Nachr." kommen von Neuem auf die Stellung des Fürsten Bismarck zur Militärvor- läge zurück. Die Ausführungen decken sich im Wesent lichen mit der aus früheren Auslassungen des Fürsten be- s kannten Stellung. Der Verfasser, der in diesem Falle > wohl im Namen des Altreichskanzlers spricht, glaubt s nicht, daß die heutige Vorlage die Zustimmung des i Grafen Moltke und anderer früher maßgebender Au- / toritäten gefunden haben würde, namentlich die Kaiser Wilhelms I. Weiter heißt es: „Wir halten die Vorlage, wenn wir von dem militärisch-technischen Standpunkt absehen, im weiteren Umfange ihrer poli tischen Wirkung im Krieg und Frieden nicht für rich tig angelegt. Wir haben, wenn sie durch irgend wcl- I chen Druck auf die Fractionen in der eingebrachten Form durchgesetzt wird, nicht nur eine Verminderung , unserer militärischen Leistungsfähigkeit, sondern auch eine Schädigung nach Art chronischer Krankheiten für - unsere wirthschaftlichen Verhältnisse, und zwar nicht - nur aus finanziellem Gebiete, zu befürchten." s Aus der Unterhaltung, die Fürst Bismarck bet s seiner jüngsten Durchreise durch Berlin im Lehrter z Bahnhofsgebäude mit den Landtagsabgeordneten Ennec- - cerus, Schoof und Weber (Genthin) und vr. Hahn z gepflogen, erfährt die „Nat.-Lib. Corresp.", daß der s Fürst die Ansicht äußerte, es sei besser, die Militär- Vorlage in der gegenwärtigen Gestalt nicht anzunehmen; i seiner Ansicht nach sei die Armee, wenigstens für eine - Reihe von Jahren, jetzt schlagfertiger und brauchbarer : als bet der neuen Organisation. Auch über die Wahl § Ahlwardts wurde gesprochen. Der Fürst meinte, sie sei von Wählern aus allen Parteien unterstützt wor den und ein Symptom der wachsenden Unzufriedenheit. Der Bundesrath des deutschen Reiches hielt am Dienstag eine Plenarsitzung ab. In derselben wurden die neuen Steueroorlagen für den Reichstag zur Ein bringung in denselben fertig gemacht. Die Etatsstärke der deutschen Marine soll nach dem Mtlitäretat für 1893/94 auf 19,492 Köpfe fest gestellt werden, darunter 832 Offiziere, 107 Aerzte, 72 Zahlmeister und 12 Büchsenmacher, ferner an Mannschaften 773 Deckoffiziere, 3244 Unteroffiziere, 13,852 Gemeine und 600 Schiffsjungen. Bet der Reichstagsstichwahl im Wahlkreise Friede- berg-Arnswalde wurde Rector Ahlwardt (Antise mit) mit großer Mehrzahl gewählt. Die für Ahl wardt abgegebene Stimmenzahl beträgt gegen 10,000, die für den freisinnigen Candidaten Drawe nur 3000. Im ersten Wahlgange wurden abgegeben für Ahlwardt 6903, für Drawe 2015 Stimmen. Verschiedentlich wird angenommen, daß nach Ahlwardts Wahl zum Retchstagsabgeordneten der Proceß nunmehr werde eingestellt werden müssen, diese Annahme ist aber un-