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Dresdner Journal : 02.10.1896
- Erscheinungsdatum
- 1896-10-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189610024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18961002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18961002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1896
-
Monat
1896-10
- Tag 1896-10-02
-
Monat
1896-10
-
Jahr
1896
- Titel
- Dresdner Journal : 02.10.1896
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Dresdner Journal AntüudtgungSgebü-re«: Für den Raum einer gespal tenen Zeile kleiner Schrift »0 Ps Unter „Eingesandt" die Zeile 50 Ps Bei Tabellen- und Zifiernsatz entsprechender Aufschlag. HernaSgeber: Königliche Expedition de« Dresdner Journal« DreSden, Zwingerstr SV. Fernfpr Anschluß: NrlLdk. Kür Dresden vierteljährlich , Mark 50 Pf, bei de» Kaiser, ltch deutsche» Postanstulten v.eneiiLhllich s Mark; aaßer- halb des Deutschen Reiche« Poß. und Sternpelzuschlag. Einzelne Nummern: IVM. Erscheine«: Täglich mit Ausnahme der Soun- und Feiertage abend«. Fernspr -Anschluß: NrlLBL. 230. Freitag, den 2. Oktober, abends. 189«. Ämtlichcr Teil. Dre-de«, 2. Oktober. Ihre Majestät die Königin sind heute vormittag von Rehefeld nach Umkirch in Baden gereist. Se Majestät der König haben Allergnädigst ge ruht, dem Oberaufseher Riedel bei der Firma Fr. Chstn. Fikentscher in Zwickau das Allgemeine Ehren zeichen zu verleihen. Grueuullußt«, versetznuzea re. im öffe«1ltche« Dieafte. Departement der Finanzen. Bei der Postverwaltung sind ernannt worden: Heymann, zeither Postpraktikant, als Postsecretär im Bezirke der Kaiserlichen Ober-Postdirection zu Dresden: Wittenberger, zeither gegen Tagegeld beschäftigter Postassistrnt, als etatmäßiger Postassistent im Bezirke der Kaiser lichen Ober-Postdirection zu Dresden. Departement de« Innern. Angestellt: der Lcgation»- sekretär Kurt Robert Alfred Freiherr v Welck bei dem Mini sterium der auswärtigen Angelegenheiten unter Belassung seines bisherigen Titels und Range» als Bezirksassessor bei der AmtS- hauplmannschaft Dresden-Neustadt Verseht: die Regicrungsassessoren Friedrich Ludwig Albert Krug v. Nidda bei der Amtshauptmannschast Zittau als Hilfsarbeiter zum Ministerium de» Innern und Karl Ludwig Graube, bisher bei der Amtshauptmannschaft Grimma, zur Amtshauptmannschast Zittau. Departement des Kultus und öffentlichen Unterrichts. Erledigt: die ständige Lehrerstelle zu Schönberg bei Cune walde. Kollator: das König!. Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts. Einkommen neben freier Amtswohn ung mit Garlen: I00V M. Gehalt, 72 M. für Erteilung des Unterrichtes in der Fortbildungsschule und bis auf weiteres 36 M. für Erteilung einer Überstunde. Gesuche nebst Zeug nissen sind bis zum 15. Oktober beim Königl. Bezirksschul- infpektor Zimmler in Löbau einzureichen. — Zur Verwalt ung einiger vakanten Lehrerstellen werden für das Winter halbjahr Vikare, SchulamtSkandidaten oder Kandidaten der Theologie gesucht. Gehalt jährlich 720 M. neben freier Wohnung und Heizung. Meldungen sind an den König!. Be- zirksfchullnfpektor Zimmler in Löbau zu richten. Nichtamtlicher Teil. Ter tunesisch-italienische Handelsvertrag ist vorgestern in Paris znm Abschluß gekommen. Er fügt ein neues Glied in die Kette jener Abmach ungen ein, welche in letzter Zeit zwischen europäischen Mächten getroffen worden sind, um mit alten, aber inzwischen den vertragschließenden Teilen unbequem gewordenen Streitfragen aufzuräumen und unter Zurückdrängung vorläufig unüberbrückbarer politischer Gegensätze auf dem Gebiete realer Jnteressenpolitik einander näherzurücken. Der neueste Handelsvertrag, der in Tunis den italienischen Ansprüchen auf Berück sichtigung ihrer früher erworbenen Rechte innerhalb des Rahmens des französischen Protektorats Geltung ver schafft, stellt einen namhaften Erfolg des neuen italienischen Ministers dar. Ein Teil der Hindernisse, die sich in den letzten Jahrzehnten der Wieder herstellung des früheren freundschaftlichen Verhältnisses von Italien zu Frankreich entgegengestellt haben, ist hiermit beseitigt, und zugleich haben sich auch die Aussichten bezüglich einer Milderung der seither oft zu scharfem Ausdruck gelangten handelspolitischen Gegensätze gebessert. Diesem Erfolge Visconti-Venostas hat die einige Tage vorher zwischen Österreich Ungarn und der französischen Republik abgeschlossene Vereinbarung, derzufolge ersteres die Konsequenzen aus dem neuen Verhältnisse des tunesischen Beulikats zu Frankreich anerkennt und letzteres auf weiteren Widersland'.Htgen die bekannte Weinzollklausel im österreichisch-ungarischen Zolltarife verzichtet, sozusagen Bahn gebrochen. Die österreichisch-ungarische Diplomatie hat von den früheren Rechten in Tunesien alles das preisgegeben, was freilich ohnedies schon seit Jahren wenig Wert mehr besaß; beispielsweise waren die früheren Kapitulatto- nen mit dem Landesherrn in diesem nordafrikanifchen Staate nicht mehr praktisch zu verwerten, nachdem keine europäische Macht sich der Errichtung des fran zösischen Protektorats widersetzt hatte. Diesem Vor gehen der österreichisch ungarischen Diplomatie hat sich die italienische Regierung einfach angeschlossen. Italien verzichtet nun auch auf die besonderen Rechte der eigenen Konsulargerichtsbarkeit und empfängt für dirsen Beweis seiner freundschaftlichen Gesinnung alles, was in Tunis überhaupt für Italien noch zu erreichen war. Die Grundzüge des italienisch-tunesischen Handels vertrags sind unsern Lesern bekannt, wir weisen nur noch bezüglich der Tragweite desselben darauf hin, daß durch die Bestätigung der bisherigen Autonomie aller Institute und aller politischen Rechte der italienischen Kolonie die Interessen dieser in bestmöglicher Weise auf die Dauer gesichert worden sind. Die italienische Regierung bemerkt in ihren Erklärungen ausdrücklich, daß Frankreich in dieser Beziehung Italien gegenüber großes Entgegenkommen bewiesen hat, was der friedlichen Gestaltung der Beziehungen zwischen diesen beiden Staaten auch auf anderen Interessengebieten zu gute kommen dürfte. Die italienische Presse ist ebenfalls von diesem Handelsabkommen mit Frankreich im ganzen sehr befriedigt. Nur die oppositionellen Blätter zeihen die Regierung der Charakterschwäche, weil sie das verbündete Österreich-Ungarn nicht ab zuhalten vermocht habe, den gemeinsamen passiven Widerstand gegen das französische Protektorat in Tunis „treulos" aufzugeben. Nach Ansicht dieser Gegner des Handelsvertrags hätte die italienische Regierung, anstatt Österreich-Ungarns Vorgehen nachzuahmen, es rechtzeitig verhindern sollen, vor Frankreichs Pro tektorat in Tunis zu kapitulieren. Diesem Vorwurf begegnet die italienische Regierung mit dem Hinweis darauf, daß Österreich-Ungarn die Kapitulationen in Tunis haupisächlich deshalb preisgegeben hat, um ohne eigenen Schaden bei den Verpflichtungen ver harren zu können, die es Italien gegenüber durch die Weinklausel in seinem Handelsverträge mit dem italienischen Staate übernommen hat. Im übrigen ist es ja ohne weiteres verständlich, daß, wenn auch Italien in Tunis weitgehendere Ansprüche und Forderungen zu verfechten hatte, als Öster reich-Ungarn, es doch seinen Widerstand gegen das französische Protektorat in Tunis nur auf der gleichen Basis der früheren, seit vielen Jahren aber thatsächlich nicht mehr ausgeübten Vertragsrechte oufrechterhalten konnte, und daß die italienische Re gierung diesen Widerstand infolge ähnlicher Erwägungen wie die österreichisch-ungarische Diplomatie ausgegeben hat. Nachdem die „tunesische Frage" nach Ver öffentlichung des Protokolls vom Jahre 1885, in welchem das französische Protektorat über Tunis den europäischen Regierungen zur Kenntnis gebracht wurde, in Wirklichkeit ihre politische Bedeutung ein gebüßt hatte, war es schließlich nur eine Frage der Zeit, daß die bei der Umwandlung des Beylikats in einen von Frankreich abhängigen Vasallenstaat in Mitleidenschaft gezogenen europäischen Mächte sich mit dem neuen Thatbestand in Tunis befreunden würden. Außerdem ist es auch im Sinne der europäischen Friedens politik nicht ohne Wert, daß durch diesen Vertrags abschluß zwischen Frankreich und Italien ein freund liches Entgegenkommen und Einvernehmen zwischen den kontinentalen Mächten vor aller Welt festgestellt worden ist. Kunst und Wissenschaft. K. Hoftheater. — Altstadt — Am 1. Oktober: „Martha, oder: Der Markt zu Richmond". Oper in vier Akten von W. Friedrich. Musik von Friedrich v. Flotow. Hr. Carlsn, der hier vor einigen Wochen seinen ersten Versuch auf der Bühne gemacht hatte, that gestern den zweiten Schritt auf dem schwierigen Terrain. Er sang die Rolle de« Lyonel, die seinem lyrischen Tenor natürlich zusagt und die schauspielerisch, in der Darstellung des schwärmerischen, ungelenken jungen Mannes, auch von einem Anfänger nicht leicht vollständig vergriffen werden kann. Hr. Carlsn zeigte sich dementsprechend im musikalischen Vortrag und in der Aktion gestern etwa« sicherer al« bei seinem neulichen Versuch. ES traten in der Hauptsache ansprechende Gesangsmanieren, eine bessere Behandlung getragener Stellen, eine weniger ungleichmäßige, mehrfach geschmackvolle Phrasierung, eine festere Rhythmik hervor; nur die Intonation schwankte de» öfteren und das Piano wurde meist zum Tonlosen Die Stimme des Sängers klingt äußerst angenehm; aber gedeckt, dunkel und kurz im Ton, schließt sie jede glänzende Wirkung aus und läßt sich in mehrstimmigen Sätzen oder von dem stärker arbeitenden Orchester leicht erdrücken. Hr Carlsn würde nach unserer Ansicht für die Hofbühne in der Weise in Frage kommen, daß man ihm Zeit zum Studium gäbe und ihn dazwischen nur einige wenige Rollen singen ließe. Gleich m den regel rechten Theaterdienst übernommen, würde er zwar zu versichtlicher aber schwerlich vollkommener werden P. K. Hoftheaier. — Neustadt. — Am 1. Oktober: „Die Stützen der Gesellschaft". Schauspiel in vier Auf zügen von Henrik Ibsen Deutsch von Wilhelm Lange (Neu einstudiert) In der Reihe der Werke Henrik Ibsens giebt es eine Gruppe von Schauspielen aus dem Leben der Gegenwart, die, allen Anteil der Reflexion beiseite gesetzt, mit Hand lung und Gestalten in den Schranken des Möglichen bleiben, nicht abenteuerliche Ausnahmefälle sondern typische Erscheinungen, weit verbreitete Zustände spiegeln und deren Konflikte unmittelbar ergreifen und fesseln. Zu der Gruppe dieser Schauspiele gehören „Die Stützen der Gesellschaft", „Ein Volksfeind" und „Der Bund der Jugend", letzteres eines der bedeutendsten und besten Stücke des norwegischen Dramatikers, das unsere Hofbühne sicher mit allem Recht und voraussichtlich mit gutem Erfolg in ihren Spielplan einreihen könnte. Inzwischen ist die Wiederaufnahme des erstgenannten und seither wirkungsreichsten dieser Schau spiele „Die Stützen der Gesellschaft" mit Dank zu begrüßen Die großen Vorzüge des Lebensbildes hat da« Publikum durch die inzwischen erfolgte Gewöhnung an die scharfe Nüchternheitsluft, die aus Ibsen« Weltdarstellung nun einmal weht, bester würdigen gelernt, die leicht ersichtlichen Mängel treten zurück, erscheinen in belebter theatra lischer Verkörperung sogar unwesentlicher, als sie in der That sind Die Besetzung de« Schauspiel« ist wohl in der Haupt sache die frühere. Die Hauptrolle des Drama« findet in Herrn Wiene (Konsul Bernick) einen Vertreter, der mit feiner Beobachtung und geistiger Beweglichkeit das wunder same Jneinanderspiel von Maske und wirklichem Gesicht, von Wahrheit und Lüge im Charakter BernickS aus faßt und wiedergiebt Den entscheidenden Umstand, daß die jahrelange beständige Gewöhnung an eine Was will man in Frankreich durch die Revve von Chillons bezwecken? Unter dieser Überschrift veröffentlicht der „Hamb. Corr." folgenden lesenswerten Pariser Brief: Eine eigenartige Vorgeschichte hat die Revue von Chülons. Generale und Politiker haben sie erdacht, und Generale und Politiker sehen ihr jetzt mit gleich banger Sorge entgegen. Man hätte dem Zaren gern jo recht etwa» noch nie Da- grwesene» in der Nähe von Pari» gezeigt. Aber man hat schließlich die Grenzcorp» gewählt, unter anderem deshalb, weil die in der Nähr der Hauptstadt, überhaupt alle im Innern Frankreich» garnilonierenden Truppen um diese Jahreszeit so schwache Ladre» haben, daß sie ernsach nicht prSsentabet sind. Bei den der deutschen Grenze zunächst gelegenen Corp» kann man wenigstens „Parade"-Compagnien und „Parade'-Schwa dronen zusammenstellen, aber man hat nun doch trotzdem das Gefühl, dem Zaren etwa» ungewöhnlich Inkomplettes zu zeigen, und man ist trotz aller unübertrefflichen Seibftzusriekenhelt doch besorgt, daß gerade der Parademarsch französischer Truppen russische Augen unbefriedigt lasten könnte, und obenein russische Augen, die vor wenigen Wochen die deutschen Regimenter in Breslau und Güilitz gesehen haben. Man hat in der Be urteilung der französischen Paradeleistungen in den letzten Jahren mit russischen Generalen schlechte Ersahrungen ge macht Die Besorgnis mangelhafter Paradcqualität hat dann dazu geführt, das Fehlende durch Masscnanhäufung zu ersetzen Aber da fürchtet man nun wieder, diese großen Massen nicht schnell und sicher genug an dem Zaren, den nicht allzusehr zu ermüden die russische Botschaft fortgesetzt bittet, vorbeidirigieren zu können Um jedoch aus die Ent stehungsgeschichte der Revue von Chülons zurückzukommen, so ist von hoher miliiärischer Seite hier ursprünglich der Versuch gemacht worden, dem Zaren statt einer großen Parade irgend ein kleineres, aber für französische Truppen vorteilhafteres Schauspiel zu zeigen. Man halte an ein kombiniertes Küsten- manövcr bei Cherbourg gedacht oder an eine recht pittoreske Festungsübung zwischen den Pariser Forts; aber man hat alles das schließlich mit Rücksicht aus die öffentliche Meinung, die nun einmal eine militärische Monstreschaustellung haben wollte, wieder aufgegeben. Außerdem Haden, Ivie so oft hier, so auch diesmal diejenigen wieder die Oberhand behauen, die aus chauvinistischen Motiven für die Revue bei Chülons ein getreten sind. Man hat dabei für Chülons nicht nur geltend gemacht, daß es besonders patriotisch, besonders schmeichelhaft für Frank reich. gleichzeitig sür Deutschland besonders empfindlich und für den Charakter des sranko-russischen Bündnisses, so, wie sich dieses in den Köpfen der Chauvinisten darstellt, eine besonders wirkungsvolle Demonstration sei, dem Zaren gerade die gegen Deutschland aus Vorposten liegenden Gienzcorps vorzusühren, sondern man hat auch noch den gar nicht verschleierten Hinter gedanken gehabt, daß sich mit einer Revue bei Chülons, d. h. in großer Nähe der deuischen Grenze, am leichtesten eine patriotische chauvinistische Lärmkundgcbung ver binden ließe, eine von den Kundgebungen, durch die im Stillen noch immer eine Menge Leute hoffen, den Zaren und die russische Politik im Sinne des sranzösischen Chauvinismus kompromittieren und Rußland mit Teutschland brvuillieren zu können Solche Kundgebungen sind nun sür Chülons geplant, sind bereits in das Stadium der Vorbe>eitungen eingetrcten und werden wahrscheinlich auch in Szene gesetzt werden. Die Patrioten als Bannerträger des Cdauvinismus und des Revanchc- lums haben sür Cherbourg und Paris den Wink erhallen, sich dort ruhig und gesittet zu betragen Die Folge ist gewesen, daß die Herren Tsroulvde und Genossen an die Mitglieder ihres Buntes die Parole auSgegeben haben, sich in der Haupt stadt, wie auch in Cherbourg daraus zu beschränken, den Enthu siasmus des Volkes überall zu beleben, aber nirgends geschlossen als Pairiolenliga auszutreten. Ebenso energisch sind die clsaß lothringisäcn Vereine ermahnt worden, sich von allen even tuell für die französische Regierung kompromittierenden Kund gebungen fern zu halten Der Plan, dem Zaren Geschenke darzubringcn und eine Audienz von ihm zu erbitten, mußte fallen gelassen werden, und auch als besondere Gruppen dürfen die elsaß-lothringischen Vereine in Paris nicht figurieren. Da für haben sie nun beschlossen, und die Regierung hat dagegen scheinbar nichts einzuwenden, sich in letzter Stunde in Chülons sür die ihnen auserlegte Abstinenz schadlos zu halten und dort dem Zaren mit einer möglichst lärmenden elsaß-lothringischen deutschfeindlichen Kundgebung anfzuwarten. Man agitiert augenblicklich hier und in den französischen Grenzdepartements sür diese Idee, und das Gleiche wird un- zwciselhaft auch in den deutschen Reichslanden geschehen. Die Ostbahngcscllschafl ist bereits um Gestellung von Extrazügen zu ermäßigten Preisen von der Grenze nach Chülsns ersucht worden. Bi» jetzt ist die Ostbahn solchen Anforderungen immer nachge- kommen; sie wird cs also auch wohl diesmal lhun. Und was die französische Regierung anlangt, so wird sie eben wieder ihr bekanntes Doppelspiel spielen. Für Cherbourg und Paris hat sie, teils aus eigenem Antriebe und im eigenen Interesse, teils aber auch eist aus d rekte Aufforderung der russischen Regierung hin, alle chanvuirstischcn oder gar aus de» Revanchekrieg gcgen Deutschland anspielenbcn Kundgebungen untersagt, selbst die Straßburg-Statue auf der Place de la Concorde und die Jeanne d Arc Statue in der Rue Rivoli sollen endlich einmal ihres unverschämten provozierenden Trauerfahnen- und Jn- schriftenfchmucks entkleidet werden Man will den Zaren, von dem man weiß, daß er sich nicht von den gallischen Revanche schreiern huldigen lassen will, solange er in Paris bleibi, bei guter Laune erhalten; aber eine recht deutliche deutschfeindliche, >a s-lbst kriegerische Demonstration in Chülons, durch die dem russischen Kaiser zu Gemüt gesührt würde, was eigentlich da» französische Volk — und hier darf man kaum zwischen den iärmenden Chauvinisten und dem Rest der Nation unterscheiden — was sr^o auch die französische Regierung, die ihre Lache ersahrungsmäßig v»n der des Volkes weder trennen karn noch zu trenne, geneigt ist, von ihm und dem russischen Bündnis erwarten, würde Hrn. Faure und seinen Ministern ganz ge nehm sein Der Besuch ist ja dann zu Ende; man hat den Pflichten der Sasisrcundschast genügt und würde den abziehcuden Russen nun zum Schluß sehr gern die Rechnung präsentieren. Tie Krimiualstatistit sür das Jahr 189.'! weist im ganzen Reiche die Verurteilung von 430 387 Per sonen wegen 534 973 strafbarer Handlungen nach, gcgen da» Vorjahr 8076 (1.9 Proz.) Personen und 970 (",2 Proz > Straf- thaten mehr. Gegen 1892 haben zugcnommen die Verurteij- ungen wegen Verbrechen und Vergehen gegen Staat öffentliche Ordnung und Religion um 6713 Personen und 7195 Hand lungen, gleich 10,1 bez. 10,o Proz., und wegen Verbrechen und Vergehen gegen die Person um 14 173 Personen und 15051 Handlungen, gleich 9.0 bez. 8,7 Proz Abgenommcn haben dagegen die Verurteilungen wegen Ve> brechen und Vergehen gegen das Vermögen um 12 795 Personen und 21210 Hand lungen, gleich 6,5 bez 7,4 Proz., und wegen Verbrechen und Vergehen im Amte um 15 Personen und 66 Handlungen, gleich 1,0 bez 1,4 Proz. Von der Zunahme der Verurteilungen bei der ersten Gruppe und bei der Gesamtheit der Delikte entfällt ein erheblicher Teil aus die seit dem I. April in Kraft stehende Strafvorfchrist des 8 146 n der Gewerbeordnung (Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen der Sonntagsruhe). Die Zahl dieser Zuwider handlungen belief sich 1893 aus 5011, die der verurteilten Per sonen aus 4864 gegen 1622 Zuwiderhandlungen und 1590 ver urteilte Personen im Jahre 1892. Läßt man die Verurteil ungen wegen dieser Zuwiderhandlungen sür beide Jahre außer Ansatz, so ergiebt sich bei der ersten Gruppe nur ein Mehr von 3439 verurteilten Personen (5,3 Proz) und 3806 Hand lungen (5,4 Proz), und bei der Gesamtheit der Delikte eine Zunahme der verurteilten Personen von nur 4802 (1,1 Proz.) und für die Handlungen sogar eine Abnahme nm 2419 (0,5 Proz.). Die Zahl der verurteilten Personen hat sich gegen das Vorjahr in 19 Lberlandesgerichlsbezirken vermehrt, wobei Colmar und Cassel obenan stehen, und vermindert in 9 Be zirken, am bedeutendsten in Posen, Stettin und Königsberg Hinsichtlich der Kriminalität zeigt sich, daß im Jahre 1893 auf je 100000 strafmündige Personen der Zivilbevölkerung 1210 wegen Verbrechen oder Vergehen gegen Reichsgcsetze rechtskräftig verurteilt worden sind gegen 1199 im Jahre 1892 und 1087 Verurteilte im Durchschnitt >882/91. Bou den Lber- landeSgcrichtsbezirken haben gegenüber dem Jahre 1892 17 eine Erhöhung der Kriminalitätsziffer auszuweisen; besonders groß ist diese Erhöhung in Zweibrücken Abnahmen sind dagegen zu verzeichnen in 11 Bezirken, wobei Königsberg, Posen und Stettin obenan stehen. Im ganzen zeigt die Ordnung der Be zirke nach dcr Kriminalitatsziffer gegen die Reihenfolge für das Jahr 1892 nur geringe Verschiebungen. Nach wie vor find es die östlichen preußischen Bezirke Königsberg, Marienwerder, Posen, Breclau und Berlin, ferner die sämtlichen bayerischen Bezirke und Hamburg, die sich durch hohe Kriminalität hervor hebe:, während sich in Rostock, Celle, Cassel, Oldenburg, Hamm, Köln, Frankfurt, Karlsruhe und Colmar, also vornehmlich west- und süddeutschen Bezirken, sowie in Dresden die niedrigsten Zahlen finden. Läßl man, wie oben bei den absoluten Zahlen der Ver urteilten. auch für die Kriminalitätsziffer die Verurteilungen wegen Zuwiderhandlung gegen die Sonntagsruhe außer Betracht, so ergiebt sich für das Reich im Jahre 1893 nur die Zahl von 1196 Verurteilten, 1892 von 1194 Verurteilten aus je I0O0O0 strasmündige Personen Was den Anteil der einzelnen TeliktSgatlungen betrifft, so sind gegen 1892 mehrfach größere Verschiebungen eingetrcten. Insbesondere hat sich der Prozentsatz der Verurteilungen wegen Diebstahls und Unterschlagung erheblich vermindert (von 30,21 Prozent aus 26,44 Proz.» Dagegen ist gewachsen der Anteil der Körperverletzungen von 21,78 Proz auf 23,45 Proz, der Verbrechen und Vergehen wider die öffentliche Ordnung von 11,30 auf 12,30 Proz und der Beleidigung von 11,00 auf 11,72 Proz. Von der Zunahme des Anteils der Verbrechen und Ver gehen wider die öffentliche Ordnung entfällt wieder der größte Teil auf die Zuwiderhandlungen gegen die Sonntagsruhe Läßt nian diefe außer Ansatz, so beträgt der Anteil der übrigen Ver brechen und Vergehen 11,30 Proz. im Jahre 1893 gegen 10,96 im Jahre 1892; die Erhöhung des Prozentsatzes stellt sich so nur auf 0,34 Proz, während sie bei Berücksichtigung jener Zu widerhandlungen 1,0 Proz. beträgt. bestimmte Richtung der Heuchelei, zuletzt auch wieder eine Art von Wahrheit geworden ist, kommt sehr deutlich und ein dringlich zur Erscheinung Charakteristische Figuren im Geist der Dichtung gaben demnächst Frl. Ulrich (Lona Heffel), die Herren Müller (Schiffsbaumeister Auler), Swoboda (Hilmar Tönnessen), Dettmer (Oberlehrer Rohrland); auch Frl. Politz (Dina Dorff), Frl. Tullinger (Martha Bernick) und Hr Gunz (Johann Tönneffen) trugen zum Gelingen und zur Wirkung des Ganzen erfreulich bei Empfindlich störend war im ersten Akte der angeschlagene Grundton der großen Damengesell schaft, des vertraulichen Trios der Damen Lingen, Holt und Rummel, auch mancher anderen Szene. Wohl ist'S Klatsch, aber infamer, schwerwiegender Klatsch, der diese Szenen erfüllt, und das vergnügliche Geschnatter, das aus Kotzebues „Deutschen Kleinstädtern" in den poffenhaften Schwank von heute herüberhallt und anderwärts sein Recht hat, ist in diesem Schauspiel ganz und gar nicht am Platz ES ist eine schwere, drückende Atmosphäre, in der die besondere Heuchelei und die dünkelvolle Selbstgerechtig keit dieser „Gesellschaft" gediehen ist, die Belebung durch die Karrikatur erscheint bei Stücken wie diesem voll ständig auSgeschloffen Die sehr dünne und herbe Komik, die in den „Stützen der Gesellschaft" vorhanden ist, er giebt sich nur aus dem Wideiffpruch von Schein und Sein, und es ist offenbar Pflicht der Regie, das lustig-paro distische Element da auszuschließen, wo ein ganzes Schau spiel dadurch in falsche» Licht gerückt wird. Ad. Stern Geschichtliche Dramen. Bon Aböls Bartels Die alte Klage, daß wir Deutschen keine zusammenhängende Entwicklung de» Drama», kein Drama einheitlichen Stil« besitzen, ist auch heute noch nicht verstummt. In der That, die mit der Blüte des englischen Theaters gleich zeitigen Anfänge der Hans Sachs und Ayrer sind ohne alle Folge geblieben, die Nachahmung der französischen klassischen Tragödie hat kein Stück hervorgebracht, das heute noch lesbar, geschweige denn spielbar wäre, Lessing schuf zwar zwei echt deutsche Dramen, „Minna von Barn helm" und „Emilia Galotti", und sein Stil wurde von Leisewitz im „Julius von Tarent" und von Goethe im „Clavigo" fortgesetzt, aber damit war auch diese Ent wicklung wiederum abgeschloffen, Schiller begann eine neue, deren Höhe eine bestimmte Annäherung an das rhetorische Drama der Franzosen bezeichnet, wie sie dem Genius des Dichters, aber leider nicht dem seiner Nation angemessen war, und die darum, so zahlreich auch die Schillerianer bis in unsere Tage waren, gleichfalls kein allgemein anerkanntes Drama deutschen Stils zeitigte. Auch Grillparzer, so sicher er Klassiker ist, beansprucht wieder seine besondere Stellung, erst in Kleist, Hebbel und Ludwig scheinen wir eine zusammenhängende Reihe deutscher Dramatiker zu besitzen, aber, anstatt sich an sie anzuschließen, haben die jüngsten Dramatiker wieder einen neuen Stil, den naturalistischen, aufgebracht, und da sie in diesem eine Tragödie überhaupt nicht zu schaffen ver mochten, die Geschichte des deutschen Dramas wiederum nur um eine Episode vermehrt Es ist möglich, daß eine Rückkehr zu dem realistischen Drama der Kleist und Ge noffen bevorsteht und auf diesem Wege endlich das deutsche Drama gewonnen wird; wünschenswert wäre dies m hohem Grade, schon des deutschen Theater« wegen, da« dann au« dem Experimentieren herau«käme, aber der deutsche Individualismus läßt freilich eine bestimmte Voraussage nicht zu Ist es so unmöglich, der deutschen Bühne der Gegen-
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