Volltext Seite (XML)
71. Megan». «e.,74 «onto», ii ««gns» i»R» L«cht«qchr<ft! Nachricht«, »reibe» Femlprechee-Lammelnummer: »b»44 N« für Nachtgewrtch«: Nr. »voll Gchrtsttettung u. -auptarichlsttsteN«: »«««den - S. >, Martenstraß» SS/a» Gegründet 1SSS «q-^ge»»»» »«« «a>t» Nortma«a«r »««»», ««miNch ».40 «. krinichNeM« «, fit« »rbgerlohnl, durch dt« V«ft b.4ü Nt. «tnschlletltch da VI». Poft»«bühr «ohne Vost»»stellun»«aebül>r). «-»elnummer »0 VI». «lyetgenprelle; Die «Njelge» werden nach ldoldmart berechnet: dt« ein- Voltige so mo breit« Zeile SS VI»., sür autwLrtt 40 Vf», gamtltenanzetgen und EteNengelnch« ohne Nabatt IS Vs»., außerhalb SS Vlg-, die »0 mm »reite N«ttame»etl« so» Vsg-, außerhalb »so VI»> Olfertengebühr so Pf». SutwLrtige Austrltge »egen vorau»bezahlun» Druck u. Verlag; Ltepfch » Neichardt, Dretden. Voftlcheck-Nto. lass Dresden Nachdruck nur mtl deutl.Ouellenangab« iDresdn. Rachr.) ,ulisttg. Unverlangt« Echrtltstücke werden nicht aufbewahrt Politische MWliilgssM -es Kabinetts Wirth über -Le Krise -er Demokratie LllnunnngodUck »llvoror UorUnor Lodrlllloltung Berlin, II. Aug. Die Reichsregierung hielt heute in durchaus würdigem Rahmen die übliche Vcrfassungsfeier im Reichstage ab, zu der auch der Reichspräsident v. Hinden- burg erschienen mar und zu der Neichsinnenminister Dr. Wirth die Hauptrede hielt. Diese Rede verdient einige Worte der Würdigung, weil sie im Gegensatz zu dem, was sonst in dieser Richtung bei Vcrfassungsfeiern üblich ist, eine poli tische Rede war, bet deren Anhören man fürchtete, das, mit ihr das Reichskabinett aktiv in den Wahlkamps einzugrctfen beabsichtige. Dr. Wirth hat sich dieser Aufgabe, wie man ihm jugestehen muß, nicht ohne Geist und Geschick entledigt, wenn man auch die Schlußfolgerungen, zu denen er kam und zu denen er als enragiertcr Anhänger der Demokratie baden- sischer Färbung kommen mußte, nicht zu unterschreiben ver mag. Ein stark kritisch veranlagter Kopf würde zu dieser Rede wahrscheinlich sagen, daß sie gegen die Verfassung gerichtet war, denn man kann sich nicht vorstcllcn, dass Worte sür die Verfassung werbend wirken könnten, in denen praktisch das Ende und das Versagen des Systems von Weimar festgestcllt werden > mutzte. W kann als großer Fortschritt bezeichnet werben, daß man m, dieser Stelle im Reichstage aus die Ehrlichkeit, wenn nicht den Mut -er Verzweiflung aufbrachte, offen festzustcllen, daß Sie Menschen aus dem System, das diese Verfassung ge schaffen hat, hcrausflüchten. Bet dieser Feststellung beging allerdings Dr. Wirth den bei solcher Gelegenheit gern ge machten Fehler, die Menschen, also die Wählerschaft, das deutsche Volk, für die Fehler des Systems verantwort lich zu machen. Er sollte doch wissen, daß sich die Menschen im Grunde nur sehr wenig und sehr langsam ändern. Wenn also nach kaum ein Dutzend Jahren Weimarer System zu gegeben werden muß, daß große Teile des deutschen Volkes nicht mehr gewillt sind, unter diesem System zu leben und deshalb zu den radikalen Parteien abwandern, die Verfassung und System verneinen, dann wäre es wohl richtiger, de« Gedanken z« erwägen, das System zu ändern und «mznbauen. Freilich kann man wohl bei der Gelegenheit eines Ver- sassungstages nicht gleich so viel verlangen. Immerhin ist der erste Schritt getan, und man wird sich fragen, welche Form der Vcrsassungsrcdc wohl im nächsten Jahre gewählt werden könnte. Die Rede des Neichsinnenmtnisters machte allerorts einen starken Eindruck, gerade weil sie einen so resignierten Unter- Ion hat, und weil solche Reden erfahrungsgemäß an der Schwelle von grunbändernden Staatsummälzungen gehalten zu werden pflegen. Der Appell an die Jugend wird wohl kaum auf fruchtbaren Boden fallen. Vielleicht ist diese Jugend, die sich den Flügelparteien zuwendet, in ihren politischen In stinkten ungebrochener, als es die Mitte wahrhaben möchte. Es ist ein vergebliches Tun, an unserem parlamentarischen System noch sympathische Züge hervorzaubern zu wollen. Dieses System trägt zuviele Züge der Greisenhaftigkeit an sich, wie wohl es kaum ein Dutzend Jahre alt ist. Die Menschen zur Nettuu» di«s«S Lystems auszurufen, kann nur ein Gedanke sein» der aus der Verzweiflung geboren ist. Diese Verzweiflung ist tn der heutigen Reichstagsfeicr und vor allen Dingen in der Rede Dr. Söirths offenbar geworden, weshalb cs notwendig erscheint, dieser Vcrfassungsfeier des Jahres 1680 eine besondere Bedeutung bcizumessen. Der Festakt im Reichstag Berlin, 11. August. Am Montag hatten in der Reichs- haupi-stadt alle Reichs-, Staats- und städtischen Behörden, so wie die Verkehrsanstalten und Fahrzeuge geflaggt. Ueberal! sah man aus den Sportplätzen und in Anlagen Schuljugend zu besonderen Feiern versammelt. Schon ziemlich zeitig be wegte sich ein großer Menschcnstrom zum Tiergarten und bildete ein festes Spalier auf dem Platze vor dem Reichstage, vor dem eine Kapelle konzertierte. Der Sitzungssaal des Reichstages war besonders festlich hergcrichtet. Die Borderwand hinter dem Präsidentensessel weist wieder rechts und links in großen gotischen Lettern die ersten Sätze der Weimarer Verfassung auf, ein stilisierter großer Reichs adler saßt die Mitte. Rechts vom Präsidentensessel ist die alte schwarz-rot-goldene Fahne des ersten republikanischen Festes in Hambach tPsalzs vom 27. Mai 1832 angebracht. Die Gale rien sind rings mit schwarz-rot-goldenem Tuch ausgeschlagcn, Lorbeerbäume und Blumenschmuck beleben das Bild. Der Sitzungssaal ist ziemlich bis auf den letzten Platz besetzt, llurz vor 12 Uhr nehmen die Mitglieder des Reichskabinetts ihren Platz ein. In der Diplomatenloge bemerkt man unter anderem den Berliner Bischof Dr. Schreiber. Pünktlich um 12 Uhr erscheint der Reichspräsident mit seinem Gefolge in der Ehrenlogc. Die Versammlung erhebt sich von den Plätzen. Nachdem der Reichspräsident Platz genommen hatte, setzt der Chor ein: «Flamme empor". Die Sänger stellte der Staats- und Dom- chor unter Leitung von Prof. Hugo Rüdcl. Darauf ergreift Reichslnnenminisler Dr. wirth das Wort zu seiner Festansprache. Er führte etwa folgendes aus: Als er vor neun Jahren auf der ersten offiziellen Ver- sassungsfeier gesprochen habe, sei das politische Bild Deutsch lands tu äußerster Bewegung gewesen. Mit ungeheurer Schwere habe das Erbe des Krieges auf dem todwunden Lande gelastet. Die Reichsverfassung sei damals als „Staats- gcsetz eines leidenden Volkes" erschienen. Heute sei die Ein heit des Reiches gesichert, die Rheinland«: von der Besatzung frei und das Neparationsproblem in neue Bahnen gelenkt, und doch seien bedeutsame Fragen noch nicht gelöst. Der Versailler Vertrag wühle noch immer im deutschen Fletsche, und die Not der Wirtschaft, die Arbeitslosigkeit hätten eine Ausdehnung angenommen, wie nie zuvor. Das politische Bild Deutschlands sei auch heute wieder tn heftig ster Bewegung. Das deutsche Volk könne eine andere Staatsverfassung als die demokratische nicht ertragen. Den Anregungen, in Deutschland das diktatorische Staatssystem einzurichten, könne man nur mit Abwehr begegnen. Wenn in den letzten Jahren in vielen Staaten Europas Diktaturen eingerichtet worden seien, so liege bas an der Unfähigkeit der Parlamente, eine in sich einheitliche und geschloffene politische Führung stcherznstellen. In de» demokratischen Republiken werde die politische Führung durch die Parteien gestellt. Wenn diese die Demo kratie zweckmäßig handhabe» sollten, so müßten sie regicrungs- fähtg und regicrungs w t l l i g sein. DaS ganze Partei» kvite« müsse so geartet sei». »«» M scht, Reat»m»g»m»jort» täten herausbilden könne. Er habe den Eindruck, daß sich unsere Demokratie ihr eigenes neues Parteisystem zu bilden begonnen habe. Im Gegensatz zu der Vorkriegszeit seien heute der politischen Selbstbestimmung des Staatsbürgers weitgehende Rechte eingeräumt worden. Die richtige Organi sierung dieser Freiheiten, ihre Sammlung zu einem einheit lichen Staatswillen sei aber ein noch keineswegs gelöstes Problem. Auch die Frage, wie bei der weitgehenden Freiheit des Staatsbürgers und der politischen Einzelgemeinschaften «m Volke eine straffe Regierungssührung möglich sei, sei noch nicht befriedigend beantwortet. Dies sei aber die Kernfrage des Problemenkomplcxes, wie die deutsche Demokratie die innerpolitische Prüfung, in der wir ständen, bewältigen könne. Es sei keine Selbsttäuschung, wenn man empfinde, daß das deutsche Volk von Jahr zu Jahr republikanischer geworden sei. Die mannigfache« Dissonanzen zwischen dem Reichstag und dem Volke selber seien jedoch nicht zu verbergen. Man müsse aber be denken, daß derjenige, der die unmittelbare Verantwortung trage, damit ohne weiteres gehalten sei, nicht nur die Mora lität des Motioes, den politischen Grundsatz, sondern auch die Moralität der Wirkung abzuschätzen. Es vollziehe sich gegen wärtig eine gewaltige Auflockerung des Parteiweseus. Ob aber neue Bindungen aus der rein politischen Ebene Nach folgen würden, stehe noch sehr dahin. Mächtiger als je dräng ten sich die Jnteressentengruppen in den Vordergrund. Warum sei in unserem Parlamente die Mehrheitsbtldung so unge- mein schwer? Weil es fast unmöglich sei, gegensätzliche Jnler- essentengruppcn zu einem dauerhaften politischen Willen zu- sammenzuschweißen. Um es kurz zu sagen: Deutschland sei innerpolitisch gesehen vielleicht das freieste Volk der Erde. Es habe den freien Staatsbürger. Aber eines sei in Deutsch land noch nicht frei geworden: der politische Mensch. Hier durch sei auch die schier nnanfhaltsame Zunahme des Radikalismus in der Jugend zu erklären. Sie fühle sich beiseitegestcllt und sei es in der Tat. So verfalle sie der Negation unseres Staates, dem Radikalismus. Es sei ein Radikalismus aus politischer Not» ein abgewiesener politischer Arbeitswille. Es sei für ihn ein geradezu unnatürlicher Vorgang, daß die politische Jugend heute vielfach nach der Diktatur rufe. Durch eine Diktatur müsse sich der politische Mensch im Innersten bedroht fühlen. Der Versassungstag solle ein Volksfeiertag sein. Die politischen Zeitverhältnisse seien jedoch noch nicht dazu ange tan, aller Sorgen ledig zu sein. Aber man wolle sich an diesem Tage mich des Guten besinnen, das geleistet worden sei. Der Redner kam dann aus die Rheinlandbcsreinng zu sprechen und dankte der rheinischen Bevölkerung für die Treue und Opferbereitschaft im jahrelangen Ringen. Ferner gedachte er tn diesem Zusammenhang der Staatsmänner, die für die Befreiung der besetzten Gebiete ihre beste Kraft ein gesetzt Hütten: Erzberger, Nathcnau, Ebert, Stresemann. Auch der deutschen Bevölkerung an der Saar rief er Dankesworte für das tapfere Ausharren zu. Das Land am Rhein, so fuhr der Redner fort, sei auch fernerhin noch das Land minderen Rechtes. Die deutsche Souveränität sei erst zum Teil wieder hergcstellt. Jetzt gelte cs vor allem, an der inneren Aus gestaltung des Staatsgebäudes zu arbeiten. Alle sollten dazu mithelfcn, vor allem die deutsche Jugend. Nach Dr. Wirths Rebe folgt Walter von der Vogelweides Lied „Lob der deutschen Lande", gesetzt von Simon Breu im Gedenken an die 700-Jahrfeier sür Walter von der Vogelweide. Dann erhebt sich Reichskanzler Dr. Brüning zu einer Ansprache. Er erklärt unter anderem: „Als wir vor wenigen Wochen am Rhein den Tag der Befreiung von fremder Besatzung begehen konnten, haben wir rückschauend mit dankbarer Anerkennung der tapferen und erfolgreichen Haltung der rheinischen Bevölkerung gedacht, die in den Zeiten größter Not mit unerschütterlichem Glauben an die deutsche Zukunft einig und geschlossen für unser deutsches Vaterland Opfer und Entbehrungen auf sich nahm. Hier wurde der in der Rcichsverfassung tiefwurzelnöe Gedanke — durch deutsche Einheit zur deutschen Freiheit — in vollem Sinne wahrgemacht. Sollte nicht diese Tat uns gerade in diesen Tagen mahnen, einig und geschlossen zusammenzu stehen? Eine der schwersten Wirtschaftskrisen, deren Umfang und deren Auswirkungen wir noch nicht übersehen können. r - I l I '-..I ^LnlgsbesuH auf der Hygiene-Ausstellung Am Sonntag mittag stattete» wie im heutigen Morgenblatt be richtet, von Leipzig im Flugzeug kommend, der König dcS Irak, Emir Fatsal» der Internationalen Hygiene - Aus- stellung einen Besuch ab. DaS nebenstehende Bild zeigt in der Mitte mit der spitzen Mütze den Herrscher des unter englischem Protektorat stehenden Landes, das man sonst schlechthin Meso potamien nennt. König Faisal besichtigte die Ausstellung unter Führung des NeichskommissarS Minister a. D. Dr. Külz un» Direktor Carlwalter Straß- Hausen.