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Blatt Amts und des StadLrathes des Königt. Amtsgerichts i. 2. AlS Beiblätter: JllustrirteS Sonntagsblatt (wöchentlich); Landwirthschastliche Beilage (monatlich). Abonnements - Preis: Bierteljährl. 1 M. 25 Pf. Auf Wunsch unentgeltliche Zu sendung. Erscheint!: Mittwoch und Sonnabend. Znfercrte! sind bis Dienstag und Freitag Vorm. 9 Uhr aufzugeben. Preis für die einspaltige Cor- puSzeile (oder deren Raum) 10 Pfennige. Geschäftsstellen: Buchdruckereien von A. Pabst, Königsbrück, C. S. Krausch e, Kamenz, Carl Daberkow, Groß röhrsdorf. Annoncen-Bureaus von Haasen stein L Vogler, Jnvalidendank. Rudolph Mosse und G. L Daube L Comp. chchenüH ^fiir Pulsnitz, Kömgsbrück, Nadederg, tladcdurz, Moritzburg und Umgegend DM- UM. Kechsundvirrjigksn Uahpgsng. «EwEch-- 27. Juni 1894. Mittwoch. Versicherung von Hansgewervetreibcuveu der Textilindustrie betreffend. Auf Grund der Bekanntmachung des Herrn Reichskanzlers vom 1. März 1894, betr. die Jnvaliditäts- UNd Altersversicherung Von Hausgewerbetreibenden -er Textilindustrie (Reichs-Gesetz-Blatt Seite 324 flg.) in Verbindung mit der Königlich Sächsischen Verordnung vom 28. März 1894, die Ausführung dieser Bekanntmachung betr. (Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 104 unterliegen Vom 2. Juli dieses Jahres an die vorgedachten Hausgewerbetreibenden der Jnvaliditäts- und Altersversicherung nach Maßgabe folgender besonderen Bestimmungen: Umfang der Versicherung in persönlicher und in sachlicher Beziehung: I. Versicherungsvflichtig sind solche selbständige Gewerbtreibeude (Hausindustrielle, Hausarbeiter) welche in eigenen Betriebsstätten regelmäßig und zur Beschaffung ihres wesentlichen Lebensunterhaltes im Auftrage und für Rechnung anderer Gewerbetreibenden (Fabrikanten, Fabrikkaufleute, Handelsleute) mit der Herstellung von Webs und Wirlwaaren (einschließl. Maschinenstrickerei) beschäftigt werden. — Hierbei ist gleichgültig, ob sie die zu verarbeitenden Roh- und Hilfsstoffe ganz oder theilweise vom Arbeitgeber erhalten, oder selbst beschaffen. Der Versicherungspflicht unterliegen daher nicht: 1 ., Personen, welche das Geschäft regelmäßig für eigene Rechnung betreiben und nur zeitweilig von anderen Gewerbetreibenden für deren Rechnung arbeiten. 2 ., Peisonen, welche das Hausgewerbe überhaupt nur zeitweilig und nur als Nebenerwerbsquelle und in so geringem Umfang betreiben, daß der daraus erzielte Verdienst zum Lebensunterhalt für die Zeit, während welcher das Hausgewerbe betrieben wird, nicht ausreicht und zu den Versicherungsbeiträgen nicht in entsprechendem Verhältniß steht. Dies gstt z. B. in den meisten Fällen von der am Webstuhl beschäftigten Ehefrau, nicht aber von dem Maurer, welcher den ganzen Winter hindurch in regel mäßiger Arbeitszeit seinen Unterhalt am Webstuhl verdient. Wer überhaupt nicht mehr ein Drittel des ortsüblichen Tagelohnes gewöhnlicher Tagearbeiter ver dienen kann, ist (weil nicht mehr „erwerbsfähig" im Sinne des Gesetzes) von der Versicherung schlechthin befreit. 3 ., Personen, welche bereits in einem anderen, die Versicherungspflicht begründenden, regelmäßigen Arbeitsverhältniß zu bestimmten Arbeitgebern stehen und ohne dieses Verhältniß zu lösen, das Hausgewerbe nur nebenher, wenn auch alltäglich (z. B. süts nach Feierabend) betreiben. II. Dafern den Hebestellen (insbesondere bei beantragter Ausstellung von Quittungskarten oder bei der Beitragseinziehung) gegen den versicherungspflichtigen Charakter einer hausgewerblichen Beschäftigung Bedenken beigehen, haben sie ungesäumt an den Vorstand der Versicherungsanstalt (nicht an die Königliche Amtshaupt« Mannschaft) zu berichten (siehe Amtsblatt der Versicherungsanstalt II. Nr. 5). Es kann nicht genug empfohlen werden, hierin von Anfang an auf das Gewissenhaf teste zu verfahren, um zu verhüten, daß Beiträge jetzt zu Unrecht erhoben werden und später, weil sich bei Prüfung des Rentenanspruchs herausstellt, daß die Be schäftigung des Antragstellers eine versicherungspflichtige überhaupt nicht gewesen ist, unter allerhand Weiterungen und Umständen zurückgezahlt werden müssen. III. Auf die Beschäftigung mit Nebenarbeiten, welche mit der mechanischen Herstellung der hier fraglichen Erzeugnisse nur in Zusammenhang stehen, erstreckt sich die Versicherung nur insoweit,, I ., als diese Nebenarbeiten der Herstellung nothwendig vorausgehen müssen — z. B. die Spulerei, Treiberei u. s. w. — weßhalb sie vom Arbeitgeber üblicher weise dem Hausweber gleich mit überlassen werden, sog. Vorarbeiten, — 2 ., als sie dienen der weiteren Bearbeitung oder Vorarbeitung der Gewebe- und Wirkwaaren (sog. Nacharbeiten) — z. B. die Appretirung, Kettelei, Fransen- knüpferei, das Wiebeln, Noppen u. s. w. — UN- in der Betriebsstätte des Hausgewerbetreibenden nur nebenher ausgeführt werden. Personen also, welche in ihrer eigenen Behausung NUk in diesen (unter 2 aufgeführten) Berussarten beschäftigt sind, bezw. für welche diese Thätigkeit die Quelle ihres Lebenserwerbs bildet, sind nicht persicherungspflichtig. Ort der Versicherung. Der Hausgewerbtreibende ist da zu versichern, wo er das Geschäft thatsächlich betreibt (also in der Regel an seinem Wohnsitz). Und zwar hat die Einziehung der Versicherungsbeiträge zu erfolgen: 1 -, für Hausgewerbetreibende, welche einer Krankenkasse (Gemeinde-Krankenversicherung, Orts-, Betriebs- (Fabrik-), Jnnungs-, Knappschafts-Krankenkasse) an gehören, von den Organen dieser Kaffe. 2 ., für Hausgewerbetreibende, welche einer solchen Kasse nicht angehören, von der Gemeindebehörde (Bürgermeister, Gemeindevorstand) des Beschäftigungs ortes. Die Gemeinde kann jedoch diese Obliegenheiten mit besonders einzuholender Genehmigung der Amtshauptmannschaft den Organen der Gemeinde- Krankenversicherung oder Ortskrankenkasse (gegen Entschädigung) übertragen. Hiervon, wie von allen späteren Veränderungen hat sie den Vorstand der Versicherungsanstalt ungesäumt in Kenntniß zu setzen. Meldepflicht. Soweit Hausgewerbetreibende keiner (gesetzlich anerkannten) Krankenkasse angehören, haben sie sich bei Geldstrafe bis ZN 1üü Mark wegen der Jnvaliditäts- und Alters versicherung spätestens am 3. Tage nach Beginn der die Versicherung begründenden Beschäftigung bei der Hebestelle anzumelden und spätestens am 3. Tage nach Beendigung der Beschäftigung wieder abzumelden, auch jede während der Beschäftigung eintretende Veränderung, welche auf ihre Jnvaliditäts- und Altersversicherung von Einfluß ist (namentlich mit Erwerbsunfähigkeit verbundene Krankheit) binnen 3 Tagen nach deren Eintritt zu melden. Dieselbe Verpflichtung haben sie auch — wie bereits zeither — bezüglich ihrer versicherungspflichtigen (ständigen, gegen Normallohn beschäftigen) Hilfskräfte, (Gesellen, Ge hilfen, Lehrlinge). Die näheren Bestimmungen über Form und Inhalt der Meldung, sowie über die Meldestelle hat die Gemeindebehörde nach Gehör der etwa betheiligten Krankenkassen zu treffen. Sie hat auch eintretendenfalls die obgedachte Strafe zu verfügen und an die Versicherungsanstalt abzuführcn. B e i t r a g s l e i st u n g. I. Die Beiträge werden erhoben: 1 ., für solche Hausgewerbetreibende, welche Mitglied einer Orts-, Betriebs- (Fabrik-) oder Jnnungs- bezw. Knappschrftskaffe sind, nach Z 26 a, Ziffer 6, 64, 73 des Krankenversichcrungsgesetzes in der Fassung vom 10. April 1892. 2 ., für Hausgewerbetreibende, welche einer solchen Krankenkasse nicht angehören, nach dem 300 fachen Betrag des ortsüblichen Tagelohns gewöhnlicher Tage arbeiter des Beschäftigungsortes, in beiden Fällen ohne Rücksicht auf den etwa davon abweichenden (thatsächlich höheren oder niedrigeren) Verdienst des einzelnen Gewerbetreibenden, im Falle unter 2., daher regelmäßig für weibliche Arbeiter nach Lohnklasse I, für männliche nach Lohnklasse II. Die Beiträge sind auch hier zu dem Vollen Wochensatze zu erheben, auch wenn die Beschäftigung nur einen Theil der Woche gedauert hat. II. Die Versicherungsbeiträge sind von dem Hausgewerbetreibenden auf jede Woche versicherungspflichtiger Beschäftigung für seine Person und für seine Versicherungs- Pflichtigen Hilfskräfte an die Hebestelle zu leisten. Die Erstattung hat seitens des Fabrikanten u. s. w. regelmäßig dergestalt zu erfolgen, daß er dem Hausweber — ohne Rücksicht darauf, ob dieser die Arbeit allein oder unter Zuziehung einer Hilssperson geliefert hat, — bei der Abrechnung stets die Hälfte desjenigen Betrags für Beitragsmarken gutbringt, welcher auf die zur Herstellung der Arbeit durch einen Arbeiter im Durchschnitt annähernd erforderliche Zeitdauer entfällt. Liefert der Hausweber dadurch, daß ihm eine versicherungspflichtige Hilfsperson zur Seile steht, die Arbeit in kürzerer Zeit, als in jener Durchschnittszeitdauer, so hat der Fabrikant seinen Beitrag gleichwohl nach der Durchschnittszeitvauer zu leisten und zwar stets nach dem Werthe der für den Hausgewerbetreibenden selbst zu verwendenden Marken (auch wenn dieser für seinen Gehilfen etwa solche einer niedrigeren Lohnklasse zu verwenden gehabt hat). Dieser Dnrchschnitts-Zeitbedars wird am Besten zwischen Fabrikant und Hausweber bei Ertheilung des Lieferungsauftrages nach ungefährer Schätzung Vereinbart und in das Beibuch des Hausgewerbetreibenden eingetragen. Die Woche ist hierbei zu sechs Arbeitstagen und der Arbeitstag zu elf Stunden zu rechnen. Erweist sich die angenommene Arbeitsdauer hinterher als unrichtig, so ist durch beiderseitiges Entgegenkommen ein Ausgleich anzustreben. Gelingt dies nicht so ist die Entscheidung der Königlichen Amtshauptmann)chaft anzurufen. HI. Die Bersicherungspflicht bleibt auch für die Zeit bestehen, während welcher der Hausgewerbetreibende Vorübergehend für eigene Rechnung arbeitet. Für diese Zeit hat er den vollen Beitrag für seine Person (ohne Zusatzmarken) und den halben Beitrag für seine Hilfspersonen selbst zu tragen. Erhebung von Rentenansprüch en. 1 ., Anspruch auf Bewilligung von Altersrente werden Personen, welche am 2. Juli 1894 als Hausgewerbetreibende der in Rede stehenden Art in ver sicherungspflichtiger Beschäftigung stehen und an diesem Tage das 70. Lebensjahr vollendet haben, nach dem 2. Juli dieses Jahres sofort mit Aussicht auf Erfolg erheben können. Solche aber, deren Anspruch wegen des hausgewerblichen Charakters ihrer Beschäftigung zeither abgelehnt werden mußte