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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.07.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-07-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960714018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896071401
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896071401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1896
-
Monat
1896-07
- Tag 1896-07-14
-
Monat
1896-07
-
Jahr
1896
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Reklamen onter dem Redactton»strich ^ge spalten) tzy^, vor den Aamittennachrichle» (6 gespalten) 40/^. Erobere Schriften laut unserem Preis- mrzeichnih. Tabellarischer und Zissermu- nach höherem Tarif. Rrtra-Beilagen (gesalzt), nur mit der veoraeo-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderung 70 —. Ännahmeschlvß für Anzeigen: Ab end-Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morg, n-Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anieigen sind stets au di« Expedition zu richten. Druck nnd Verlag von E Polz in Leipzig SV. Jahrgang. MWWMW^WWWWMWWMWMMWMMEHUakt» Der evangelische Predigern, die sociale Frage. Wir werden nm Abdruck de- Folgenden gebeten: 1. Cor. 6, 12. E- ist neuerdings wiederholt beklagt worden — besonder laut auf dem evangelisch-socialen Congreß in Stuttgart —, daß die meisten Prediger der socialen Frage noch zu kalt und gleichgiltig gegenüberstehen, als daß man auf sie rechnen könne; „denn sonst kämen ihrer viel mehr zur Stelle". Darin liegt eine Beschuldigung, die im Interesse der Mehrzahl der evangelischen Prediger ernstlich geprüft zu werden verdient, ehe man ihr zustimmt. Oder ist deren Fernbleiben von allen socialen Vereinen und Congressen nur aus Kälte und Gleich giltigkeit gegen die große Zeitfrage zu erklären? Wenn ja, so ist ihnen ihr Urtheil gesprochen. Aber möglicher Weise giebt eS für das beklagte Verhalten der meisten Prediger noch eine andere — ja, vielleicht mehr alö eine andere — Erklärung, und hieran zu erinnern, ist die Absicht dieser Zeilen <^ui beug äistmZuit, bens ckocet, sagt der Lateiner, und das Wort wird Wohl auch hier gelten. Es giebt jedenfalls viele Prediger, die ein Herz für die Noth des „vierten Standes" haben, ohne sich an den öffentlichen Verhandlungen darüber zu betheiligen; die einen aus Scheu vor jeder geräusckvollen Wirk samkeit, außerhalb der Kirche, die anderen, weil sie überzeugt sind, von der Frage, w i e die Interessen der verschiedenen Stände am besten auszugleichen seien, nicht genug zu verstehen. Ja, es giebt auch solche, die das dilettantische Dreiuredcn der Prediger für verwirrend nnd schädlich halten und auf die Frage der socialen Standesgenossen: warum tbut Ihr nicht mit? zu erwidern finden: wie rechtfertigt Ihr Eure Agitation für die (cs sei zugestanden!) gute Sache? Denn darum bandelt es sich und nicht ums persönliche Eintreten dafür je nach Bedürfniß, das, längst ehe man Stöcker und Naumann kannte, als Pflicht anerkannt und, nur mehr im Stillen, geübt worden ist. Es giebt endlich auch Prediger, die das vielbekritteltc Kaiserwort: „christlich-social ist Unsinn", insofern begründet finden, als es eine Tautologie ist. „Eine Tautologie?" Ja, denn jeder Christ bat als solcher auch ein warmes Interesse an der bestmög lichen Lösung der socialen Frage, und jeder Prediger, der aus voller Ueberzeugung das Evangelium von der Liebe Gottes gegen alle Menschen verkündigt, trägt das Seinige dazu bei. Ihr sagt: „Das genügt nicht, es muß praktisch geholfen werden, eS müssen Einrichtungen getroffen, es müssen Ge setze gegeben werden, die sich eine thatsächlicbe und rasche Verbesserung des Looses der ärmeren Brüder zum Ziel setzen" u. s. w. Ich antworte im Namen der Mehrzahl meiner Standesgenossen und im eigenen: gut, tbut, was ihr nicht lassen könnt; aber beruft euch dafür nicht auf die christ liche Religion und auf ihren Stifter! Denn die legen nur Werth auf die Gesinnung, und auf die nur durchs Gesetz erzwungenen Leistungen und „guten Werke" gar keinen. Angenommen, es würden alle, auch die weitestgehenden Forderungen erfüllt, so wäre uns damit doch längst nicht ihre „Christlichkeit" verbürgt, so wenig wie dem Einzelnen sein „Cbristenthum", wenn er dafür die größtdenk- baren Opfer brächte. (I. Cor. 13, 3.) Noch bedenklicher aber, als die herkömmliche Recht fertigung des Prediger-Socialismus ist die ost gehörte Rede: „Das Volk will nicht mehr mit der Verheißung bloS idealer und jenseitiger Güter abgespcist werden"; denn mit diesem dem religionsfeindlichen Socialismus nachgesprochenen Wort, tritt man — abgesehen von der Verwechslung der Begriffe: ideal und jenseitig — in offenen Widerspruch zum ursprünglichen Christenthum. Denn dies hatte seinen Bekennern in der That nichts Anderes zu Feuilleton. Tannhäuser und Frau Venus. Nachdruck virbolen. Seit der Einsübrungder Tannhäusersage in die musikalische Welt durch Richard Wagncr ist sie zwar Gemeingut deS Volksbewußtseins geworden, dennoch aber würde man fehl gehen, wenn man daraus schließen wollte, eine Besprechung der selben sei überflüssig. Keine andere Sage ist so der Entfremdung von ihrem ursprünglichen Gehalt und von ihrer Grund bedeutung verfallen, wie gerade diese Sage, die an poetischer Schönheit und an Tiefsinn kaum von einer anderen über troffen werden dürfte. Erst neuerdings hat man sie ihrer Verunstaltung, oder besser gesagt, Verunreinigung zu ent kleiden und auf ihre mythologischen Grundlagen zurück- zusühren gesucht. Dieser Weg soll denn auch bei nach folgender Besprechung eiugeschlagen werden, nachdem kurz der Inhalt der Sage in ihrem mittelalterlich modernisirten Gewände wiederholt worden ist. Der im 13. Jahrhundert lebende Dichter Tannhäuser, auf den die Sage früher stets bezogen wurde, war ein viel gereister Mann, der wahrscheinlich auch den Kreuzzug Friedrich s II. im Jahre 1228 mitmachte. Genußsüchtigen Charakters, besang er die niedere Minne, und demgemäß tritt un» auch in dem namentlich von Heinrich Heine mit großem Wohlgefallen behandelten Tannhäuserlird das Hohelied der sinnlichen Liebe entgegen. Der Inhalt der Sage ist nun kurz folgender: Tannhäuser, ein Ritter auS den Nheinlanden, zieht nach Osten, begleitet von dem Dienstmann seines Vaters, dem getreuen Eckart, um den Berg aufzusuchen, in welchem Fran Venus in ihrer Herrlichkeit thront. Am Hörselberg lei Eisenach angekommen, vernimmt er zauberische Töne uns folgt ihnen trotz der Warnungsrufe des treuen Eckart. Plötzlich sieht er sich in der Mitte von tanzenden Bacchantinnen, dic ibn nach einem hohen Felsenthore führen. Durch dasselbe tretcnd, wird ihm ein wunderbarer Anblick zu Tbeil: Frau VenuS auf hohem Thron, daneben Apollo mit den Musen, BacckuS von Mcinaden umschwärmt, die Grazien, Nymphen, Gnomen, allerlei fabelhaftes Gethier rc. Frau VenuS empfängt den Ritter mit offenen Armen, wird seine Gemahlin und theilt bieten; nur daß ihnen die verheißenen Güter nicht blos jenseitige, sondern als solche, die sich auS dem erhebenden Bewußtsein der Kindschaft Gottes ergeben, auch schon hier zu erfahrende waren. Wehe der Kirche, wenn sie diese idealen Güter um der materiellen willen geringschätzt! Denn damit entfernt sie sich principiell von der SinneSweise ihres Stifters. Die socialen Verhältnisse waren zu seiner Zeit unendlich viel trauriger, als wie irgendwo heute in der christlichen Welt. Doch siels ihm nicht ein, Gesetze zu ihrer Verbesserung zu fordern oder zu geben, und die Zumuthung, einen Erbstreit zwischen Brüdern zu schlichten, wies er bekanntlich zurück. „Wer hat mich zum Erbschichter über euch eingesetzt? Seht zu, hütet euch vor dem Geiz". (So zu Beiden, zum Kläger und zum Verklagten.) Ob sich IesuS anders verhalten hätte, wenn man ihm die Frage des „Achtstundentages" oder eine ähnliche praktische vorgelegt hätte? Ich glaube nicht. Wollt ihr klüger sein, als er? Wollt ihr euch „Ge setze" erzwingen, was er — weil es anders in seinen Augen keinen Werth hatte — von der stillen Wirksamkeit seines Geistes erwartet hat? Nun versucht's immerhin, wenn ihr euch im Gewissen dazu gedrungen fühlt; aber beruft euch dafür nicht auf ihn und verurtbcilt nicht diejenigen, die euch aus diesem Weg, „auch um des Gewissens willen", nickt zu folgen vermögen. „Aber", wendet man euch ein, „es genügt doch nicht, Liebe zu predigen, man muß sie auch be- th ätigen"; — gewiß, aber wem, und zumal welchem Prediger fehlt es an Gelegenheit dazu? Ihr benutzt sie doch auch wohl nach Zeit und Vermögen? und könnt ihr mit dem Trost der Religion zugleich äußere Hilfe bieten: wie herzlich seid ihr überall willkommen! und wo es wirkliche Noth zu lindern gilt —alle zu beseitigen ist schlechthin un möglich —, da ist euch auch die Mitwirkung der Meisten, die Gott mit irdischen Gütern gesegnet hat, gewiß. Daß eifrige junge Prediger lieber im Ganzen und Großen wirken möchten, begreift sich; der Trieb dazu, ein an sich edler, liegt lief in der menschlichen Seele. Aber hier trifft das Wort zu: „Das Bessere ist der Feind des Guten", und ich weiß nicht, woher Mancher die Zeit für seine Pflicht erfüllung im eigenen Lebensberuf hernimmt, der für die weiteren Kreise soviel übrig hat. Zum Schluß noch eine Bitte. Unterschätzt nicht die Kraft deS Wortes, das zu ver kündigen, eure Hauptaufgabe ist! Bereitet euch immer sorg- jältig darauf vor, verkündigt es ohne Ansehen der Person, je nach Bedürfnis bittend, mahnend, warnend, strafend, so eindringlich, daß eS die Herzen der Hörer zwingt, sich vor ihm zu beugen! „Und dann?" Ja, ich behaupte (mich zum Theil wiederholend), was so nicht erreicht wird, was nur widerwillig, durch den Zwang staatlicher Gesetze zu Stande kommt, das ist für das „Reich Gottes", vessen Diener ihr seid und dessen Wesen die Innerlichkeit ist, keinen Pfiffer ling Werth. Siucsrus. Deutsches Reich. .4. Dresden, 13. Juli. Der in Posen gestorbene Chef- redacteur des „Dziennik Poznanski", der 1863 auch als Mitglied der geheimen polnischen Nationalregicrung sun- girte, war Ende der sechziger Jahre im schönen Elbflorenz eine ziemlich bekannte Persönlichkeit. Nach seiner Flucht aus Rußland — D. war russischer Staatsangehöriger — ließ sich der verstorbene polnische Journalist in Dresden nieder. Er erlangte hier die sächsische Staatsangehörigkeit und als „Sachse" ging er Ende 1870 nach Posen. Den „Russen" Dobrowolski würde man aus Posen wohl ausgewiesen haben, den „Sacksen" Dobrowolski ließ man in Posen un behelligt. Während seines Dresdner Aufenthaltes war Da mit ihm den Thron. Der Berg bat sich hinter dem Ritter Tannhäuser geschlossen. Vor ihm bleibt der getreue Eckart und warnt alle Ankommenden vor dem Eintritt. Ein Leben von ununterbrochenen Freuden beginnt für den Tannhäuser. Nack Verlauf von sieben Jahren aber erwacht er ans seiner Verblendung, er sieht in der Fran Venus nur noch eine Teufelin und beschwört sie, ihn ziehen zu lassen, um sich beim Papst Vergebung zu holen. Sie gewährt ihm endlich die Bitte, jedock nur auf sein Nitterwort, zurückzukehren, wenn er die Absolution nicht erhalte. Tannhäuser wallfahrtet nach Rom und beichtet dem Papst. Dieser versagt ihm die Vergebung, weil für ihn Gottes Gnade ebenso unmöglich sei, als daß sein dürrer Stecken sich wieder begrünen könne. Seinem Versprechen gemäß kehrt Tannhäuser in den Berg zurück. Aber nach drei Tagen begab sich ein Wunder; der Stab des Papstes begann zu grünen. Eilig sendet er Boten aus, um den Tannhäuser zu suchen, dieser aber war nirgends zu finden. Nach einer anderen Lesart bringt der getreue Eckart seinem Herrn daS Gnadenreichen in den Berg und bleibt dort bei ihm bis zum jüngsten Tag. Dieser Schluß ist gänzlich verfehlt. Sind in der ersteren Version noch germanisch-mythologische Elemente enthalten, so weicht dieser in ganz willkürlicher Weise davon ab. Diesen Grundlagen der Tage wenden wir uns nunmehr zu. Die Religion der alten Germanen war eine Syinbolisirnng der Natur, wie sie in solcher Reinheit und Erhabenheit bei keinem andern Volke wiedergefunden wird. Sie beruht» in ihrer Grundlage auf Werden, Leben, Drrgehen unv Wieder geburt; letztere nicht nur persönlich, sondern auch kosmisch. ES lag ihr also »in hoher sittlicher Gedankt zu Grunde: die ewig fortschreitende Vervollkommnung. Leidrr verkannte die Kirche diese Grundlage gänzlich, entkleidete die göttlichen Wesen dieser Religion ihrer rein symbolischen Eigenschaften und wandelte sie in böse Geister, Teufel, Hexen mu. An den CultuS der Germane» machte sie freilich Zugeständnisse (Beibe haltung von Festtagen und festlichen Symbolen), denn da» ganze Wesen des Volkes war zu mächtig mit dieser Religion ver wachsen, als daß sie dieselbe hätte breckrn können. Aller dings ist nicht zu verkennen, daß auch bei den Germanen — ohne Zweifel in Folge der Berührung mit den Romern, oder deutlicher ausgedrückt: angesteckt von deren Sittcnverderbniß — eine Entartung des Charakter- Platz gegriffen batte, die mit einer Uebertreibung der Personificirnng auf religiösem Gebiet Hand in Hand ging, in Folge deren browolski längere Zeit Secretair des berühmten polnischen Schriftstellers I. I. Kraszewski, der in der Neustadt eine Villa besaß. In der damals noch ziemlich starken hiesigen polnischen Colonie spielte Dobrowolski eine hervorragende Rolle; er unterhielt hier auch ein Sprach-Institut, haupt sächlich für polnische Sprache und Literatur. Berlin, 13. Juli. Die „Freis. Ztg." gefällt sich darin, daS steuerzablende Publicum wieder einmal mit „uferlosen Flott en plänen" zu schrecken, indem sie die Pläne der Marineverwaltung auf „eine neue Panzerdivision von vier Panzerschiffen erster Classe" gerichtet sein läßt, obwohl ari den von dem Blatte selbst citirten Erklärungen der Marine verwaltung klar hervorgeht, daß es sich bei allen Panzer bauten der nächsten Jahre lediglich um die Erhaltung und Intacthaltung des Bestandes unserer jetzigen Hochseeflotte handeln kann und wird. Selbstverständlich vergißt da freisinnige Organ nicht, die Rechnung darüber auf- znmacbcn, welche Ausgaben schon allein die Ausführung der in den letzten Jahren beschlossenen Schiffsbautcn verursachen werden; es kommt dabei auf die Summe von 84'/z Millionen Mark, die — wohlgemerkt bis zum Jahre IWO — aufgebraucht werden muß. Die „Freis. Ztg." scheint thatsächlich damit zu rechne», daß ihre Zahlenangabe Effect machen werde. Welchen Eindruck müßte darnach erst ein in das Französische übertragener Eugen Richter auf die Gemüther jenseits der Vogesen machen, wo in dem dies jährigen Marinebudget allein über 86 Millionen Francs für Schiffs Neubauten und Ausbesserungen gefordert wurden und wo die Kosten der allein im laufenden Jahre auf Stapel gelegten ober zu legenden Schiffe sich auf 96>/z Millionen Francs beziffern. Wir haben nichts davon gelesen, daß die Franzosen, die doch in den Ausgaben für das Landheer mit unS mindestens gleichen Schritt halten und in Bezug auf Steuerbelastung uns entschieden „voran" sind, sich über „uferlose Flotten pläne" aufgeregt haben. In dankcnswerlber Weise lheilt übrigens Herr Richter selbst das Recept mit, nach welchem seinem Beunruhigungsbacillus am wirksamsten beizukommen sein dürfte; er bemerkt nämlich, bei den Verhandlungen über die „uferlosen" Flottenprojecte in der Budgetcommission des Reichstags habe man gerade von Seiten der Marine verwaltung über die Projektenmacher gespottet, „welche alle realen Verhältnisse außer Betracht lassen, die begrenzte Leistungsfähigkeit der deutschen Werften, der Eisen werke für Panzer und Artillerie und die Unmöglichkeit, in kurzer Zeit das Marinepersonal in Betreff der Mannschaften und Officiere für eine erhebliche Erweiterung der Flotte zu ergänzen." Wir bedauern, daß Herr Richter sich nicht selbst nach diesem Recept behandelt nnd curirt. 0. U. Berlin, 13. Juli. Die ordentliche Generalversamm lung des Verbandes der Handelsgärtner Deutsch lands findet vom 27. bis 29. Juli in Stettin statt. Allen Fragen, welche die Generalversammlung beschäftigen werden, geht die der Organisation der Gärtnerei voran. Mit Recht heben die Gärtner hervor, daß alle übrigen Berufskreise gesetzlich organisirt sind resp. werden und daß daher auch der Gärtnerei eine Organisation nicht fehlen dürfe. Am nächsten stehen die Gärtner sowohl in Bezug auf Production als auf Absatz der Landwirth- schaft; aber hin und wieder collidircn auch die Interessen der Gärtner mit denen der Landwirthe, wie bei der Wilv- schadenfrage. Der Vorstand hat folgenden Antrag eingebracht, der sicherlich von der Generalversammlung zum Beschluß er hoben werden wird: „Die Generalversammlung des Verbandes der Handelsgärtner Deutschlands in Stettin erachtet eS für durchaus nolhwcndig, daß, wie die übrigen Berufsstände (Landwirthschaft, Handel, Handwerk) gesetzlich organisirt sind die den Gottheiten zu Grunde liegenden symbolischen und sittlichen Eigenschaften — das göttliche Ebenbild — Schiff bruch litten und nur das menschliche Ebenbild übrig blieb, ein Proceß also, durch welchen die göttlichen Wesen auf die mensch liche Stufe herabgezerrt wurden. Es mag daran erinnert werden, daß seit der Berührung der Deutschen mit den Römern bis zur Einführung des Christenthum- fünf bi scht Jahrhunderte verflossen waren. Hinsichtlich der Entartung deS germanischen Charakter besitzen wir in jenem Liede der Edda, „Oegisdrekka"*) genannt, eine Beurkundung, wie sie nicht deutlicher gegeben werden könnte. Es wird vollauf genügen, jene charakteristische Stelle hervorzuheben, wo der boöhastr Loki der Freya folgend« Schmähungen ins Gesicht schleudert: „Schweig Loch, Freya, dich vollends kenn' ich, Dir mangelt kein Makel! Jeder der Äsen und Alben hier innen Schon nahm dich zum Schätzchen. Schwelg' doch, Freya, Verführerin du, Verderbeii-Eredenzerin! Durch Liebestrank bandst du den leiblichen Bruder Zum Hohne der Himmlischen" ». f. w. DaS Letztere bezieht sich auf Frryr, dessen CultuS genau mit dem seiner Schwester znsaMtuettfällt, wie er Venn als männliche Gottheit fast genau bas ausdrückt, was Freya ülS weiblich» Gottheit. ES ist bei beiden Vie lichte, belkbeilve, grünende, blühende, Früchte bringende, lebensfrohe, liebend« Seite der Natur; da aber dieser Seite eine dunkle Seit« mit Verwelken, Vergeb«» und Sterben entspricht, so kommt auch diese Seite bei den betreffenden Gottheiten zur Geltung, und zwar in zweierlei Weise, einmal in rein persönlicher, mythologischer, da» andere Mal in naturalistischer Weise, Wobei aber daS persönliche Element nicht fehlt. Freya ist in Walhalla die Oberin der Walküren, weshalb sie auch Wal- srrya heißt. Al» Solcher gebührt ihr di« Hälfte der im Kampfe gefallenen Helden. Sie erscheint daher auch al» KriegSgöttiN. Nickt ohne Bedeutung ist eS, daß sie di« in der Schlacht Gefallenen zum Kampfe wieder aufwecken kann. Für den Zweck unserer Besprechung kommt Leben und Sterben aber nickt in Betrackt, sondern die naturalistische Seite, der Wechsel der Jahreszeiten, also Sommer und Winter. In d«r einen Hälft« deS Jahre» weilen die Gottheiten *) D. h. das Trinkgelage bei Legir. Das Lied heißt auch „Lokasenna", Loki'» Pader oder „Lokaglevha", Loki'S Biß. oder werden sollen, auch die Gärtnerei organisirt wird und so eine Vertretung des gewerblichen Gartenbaues geschaffen wird, welche bisher fehlte, bei der stetig wachsenden wirlb schaftlichen Bedeutung der Gärtnerei und mit Rücksicht aus das in derselben arbeitende bedeutende Capital aber durchaus nothwendig ist. Eine Vertretung der gärtnerischen Interessen durch die geplante Handwerkerorganisation ist bei den voll ständig anders gearteten wirtbschaftlichen Verhältnissen der Gärtnerei ausgeschlossen und mangelt auch in der landwirlb- schaftlicken Organisation. Der Vorstand deS Verbandes der Handelsgärtner Deutschlands wird beauftragt, diese Resolution dem hohen Bundesrath zuznstellen." * Berlin, 13. Juli. In der „Kreuzztg." lesen wir: In verschiedenen Blättern war die Meldung verbreitet, die Vorschläge der Reichscommission für Arbeiterstalistik in Bezug auf den 8 Uhr-Ladenschluß für öffentliche Verkaufsstellen hätten die Zustimmung des Bundesrat Hs nicht erhalten; in der Absicht der Regierungen liege es nur, eine bestimmte Beschäftigungszeit der Angestellten, aber keine Bestimmung über Oeffnung und Schluß der Geschäfte vorzuschlagcn. Irren wir nicht, so ist dieser Nachricht von anderer Seile bereits widersprochen worden: der BundeSrath habe sich mit der Angelegenheit überhaupt noch gar nichtbeschäftigt. Wir würden auch kaum glauben, daß er sie in der oben angedeuteten Richtung erledigen kann. Vor einiger Zeit haben wir den Nachweis geführt, wie sorgfältig die arbeiter statistische Commission 'ihre Erhebungen angestellt hat, wie der Gedanke des Achtuhrstundenschlusses gar nicht der ibre gewesen ist, sondern von der weitaus größten Zahl aller befragten Vereine, Verbände und Einzelpersonen angeregt und vertreten wurde. Niemand hat unsere sachgemäßen Darlegungen auch nur versucht zu wider legen, was eben nicht möglich war. Tie Gegner der Commission haben trotzdem, ohne zu prüfen, ihre Agi tation fortgesetzt. Sollte nun wirklich die Absicht bestehen, die Beschäftigungszeit der Angestellten zu fixiren, nickt aber die Ladenzeit, so möchten wir denn doch darauf Hinweise», daß beinahe sämmtlicke „Befragte" sich dabin ausgesprochen haben, „die Arbeitszeit könne nicht von der Ladenzeit getrennt werden." Für eine Beschränkung der Arbeitszeit der Beschäftigten ohne gleichzeitige Beschrän kung der Ladenzeit hat 1893 von den befragten Verbänden und Vereinen keiner und von den 261 freiwilligen Berichterstattern nur 8 sich erklärt. Wenn die Commission für Arbeiterstatistik fick den ausdrücklichen Forderungen der großen Mebrzabl der Princi- pale und Angestellten anschließt —so arbeitet sie „vom grüne n Tisch" aus! Wenn man aber genau das Gegent heil von dem vorschlägt, was die in der Praxis Stehenden verlangt haben, so vertritt man den „grünen Baum des LebenS". Eine überraschende Logik! Aber freilich, die Ansicht — oder dürfen wir sagen: die Ueberzeugung? — hat in den Kreisen der Interessenten zum Theil überraschend gewechselt. Vor wenigen Tagen lasen wir in einem uns übersandten Blatte, daß der „Centralvrrband deutscher Kauf le ute" (Gifhorn) sich gegen den Achtuhrslunden- schluß erklärt habe. Nun hat aber derselbe Verband bri den Erhebungen von Ende 1893 die Fragen, ob eine Beschränkung der Ladenzeit erwünscht und durch führbar sei, mit Ja beantwortet, 8 Uhr als Schlußzeit bei 14 stündiger Ladenzeit bezeicknet, diese Geschäftszeit ohne Ausnahme für alle Geschäftszweige grwünscht. Eine Be schränkung der Arbeitszeit bat er gleichfalls befürwortet, aber ihre Dauer gleich der Lavenzeit normirl sehen wollen. Wie man sieht, vertrat der Centralverband vor drei Jahren den Standpunct, den später die Commission für Arbeiterstatistik adoptirte. Aber es scheint wirklich, als ob auf der Erde, in der andern im Innern derselben. Der Sommer verkriecht sich im Herbst sozusagen unter die Erde, um im Frühling regelmäßig wieder hervorzukommen. Dies ist ein Bild, in welchem der symbolisirende Sinn des germa nischen Geiste» in der charakteristischsten Weise zu Tage tritt. Nun ist es ja naheliegend, ja ganz natürlich, daß Frcvr und Freya auch, und zwar jedenfalls in späterer Zeit, als Ebe gatten erscheinen. Dergleichen symbolische Verschmelzungen sind in der Mythologie nichts Seltenes und bieten durchaus keine Veranlassung zu solchen Unterstellungen, wie sie in der Oegisdrekka Vorkommen, am wenigsten in diesem Falle. Der sittliche Fehl, nm den es sich hier handelt, ist, wie schon au gedeutet, aus den herrschenden Zeitverhältnissen (Charakter entartung) auf di« mythologischen übertragen worden uuo spiegelt sich so lediglich in diesen wider. Freya batte aber auch einen wirklichen Gemahl, Odl'ur mit Namen. Dirser verließ sie, worauf Freva, goldene Thränen vergießend, hinauszieht, um ihn zu jucken. Bei dieser Wanderung, di« sich in jedem Jahre wiederholt, streut sie viele Wvhlthatrn unter den Menschen aus. Wer siebt nun nicht, daß «s sich hier um die Sommerszeit bandelt ? Die goldenen ThräNen sind die Sonnenstrahlen, die vielen Wohlthaten sind die Segnungen der Jahreszeit. I«1 der alten VilciNa Sagct begegnen wir dem Namen Ekkehart. Dessen Gkmahiin heißt Bolfriana. Ekkeharl stirbt und Bolfriana vermählt sich mit Wielands Sohu Wiltick, der auf d«r Thornburg wohnt. Nun ist abkr die Vilciua Saga nicht» Anderes, al» eine Fortbildung des Freva Freyr Mythu», sie baut sich auf dieser Mythologischen Grnudlage auf. In Ekkehart finden wir Odhur wieder, mit dem Unter schied«, daß er hier stirbt. BolfkiaNa ist Bnhl-Friana (Fria, Freya). Bublen heißt ursprünglich tieben, aber gänzlich ohne die Nebenbedeutung, welche das Wort gegen wärtig bat. Der Name Wittich bedeutet der im Wald Hausende, vom althochdeutschen veitu« Wald. Ein anderer alter Name für Wald ist aber Tann, einerlei, ob er in Laub- ober Nadelholz besteht, und somit wären die Namen Tannhäuser und Wittich ganz gleichbedeutend. Bei dem 1450 verstorbenen Minnesänger Hermann von Sachsenheim kommt rin König Tannbäuset vor, der in einer W.llkburg wohnt, die der Thornburg Wittich » genau entspricht. Thorn- bürg bedeutet Dornburg, «ine durch Dornvrrbaue und Dorn hecken geschützte Burg. Dornbecken, berw Dornverhaue waren im früheren Mitt«lalt«r «ine der häufigsten Befesti-
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