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für Bischofswerda, Stolpe« und Umgegend. Amtsblatt de» Königlichen Gerichtoamtes «nd des Stadtratheo zu Pischofswerda. viNe Zeitschrift erscheint wöchentlich zwei Mal, Mittwoch« und Sonnabends, und kostet einschließlich der Sonn abend« «scheinenden „belletristische» Beilage" vierteljährlich 15 Ngi. Inserate werden bi« Dienstag« und Freitag« früh 0 Uhr angenomwen und kostet die gespaltene Sorpu-zeile «d« deren Raum 1 Rgr. . 43. Mittwoch, den 3. Juni» ! 1874. Politische Weltschau. Die blühende, jubelnde Natur der hinter uns liegenden Pfingstwoche drängte die Politik mit ihrer Alltäglichkeit in den Hintergrund und lenkte das Auge auf höhere Zielpunkte menschlichen Ringens und Strebens. Man klagt die Gegenwart als eine Periode des Materialismus an ; aber fühlen wir nicht heute noch das Wehen jenes PfingstzeisteS, der die Apostel für die idealen Aufgaben der Menschheit beseelte? In Kunst und Wissenschaft, in Staat und Gesellschaft hat dieser Geist ein neues, selbstbewußteres Leben gebracht. Die im Laufe der Zeit angesam melte Spreu überkommener Borurtheile weht er hin weg; hohe Prunkbauten veralteter Institutionen macht er wanken und droht sie zu zertrümmern. Ist es nicht gerade in unserer Zeit, als ränge eine trübe, schmerzensreiche Vergangenheit mit einer besseren, schöneren Zukunft, an deren Vollgenuß freilich erst kommende Geschlechter sich erfreuen werden? Wir — die Mitlebenden und Mitkämpfendeu — stehen noch mitten drinnen in der großen Fehde zwischen Tradition und Idee; wir sind nur die Bauleute an jenem großen Tempel geistiger Freiheit, in dem es erst einem späteren Geschlecht wohnlich sein wird. Aber durchdrungen von diesem Bewußtsein und die Brust erfüllt mit Arbeitslust und Kampfesmuth können auch wir mit Ullrich von Hutten jauchzend rufen: „Es ist eine Lust zu leben!" Wie einst die Jünger unseres Herrn und Meisters einmüthig versammelt waren am Tage der Pfingsten, so traten auch diesmal die Bildner der deutschen Jugend unter dem unmittelbaren Eindrücke der hehren Kestesstimmung in Breslau einmüthig zusammen, um in gemeinsamen Berathungcn dem Ziele näher zu treten, den Sinn der deutschen Jugend für die höchsten Ideale der Menschheit zu wecken und zu begeistern. Es ist die ernsteste und sittlichste Cultur- arbeit, die diesen Männern obliegt; die ernsteste, weil von ihr die Zukunft des Vaterlandes abhängt; die sittlichste, weil sie schwer und mühevoll ist und ihre Ernte fernab liegt von der Saat. Sehr wahr sagt ein deutscher Dichter: Wer mr «finde den Bürger nicht ehrt, der in ihm steckt, Und den Lehr« nicht, der den Bürg« weckt, W« die Schule nicht vor ihren Drängern vertheidigt, Der hat dm Geniu« der Menschheit beleidigt! Um von den Resolutionen und Beschlüsse« dieser Nemumdzwaazigster Jahrgang. 21. Allgemeinen Deutschen Lehrerversammlung, zu der sich gegen 3000 Mitglieder aus allen Gauen Deutschlands eingefunden, nur Einiges zu erwähnen, theilen wir folgende Thesen mit: 1) Gründliche Lehrer-Bildung, würdige Stellung der Lehrer, allgemeine richtige Würdigung des Lehrerberufs sind das erste Erforderniß für das Gedeihen der Schule. 2) Das Vereinsleben der Lehrer muß sich fort schreitend entwickeln und ausbreiten, sowohl zu ideellen, als auch materiellen Zwecken. 3) Die allgemeine Schulpflicht ist im Interesse der Jugend ein Gegen stand der Reichsgesetzgebung und unnachsichtlich durch zuführen. 4) Die öffentlichen, d. h. die StaatS- und bürgerlichen Gemeindeschulen sind in Bezug auf Confession nicht zu trennen. 5) Um den An forderungen der Zeit gewachsen zu bleiben und um eine wirksame Verbindung zwischen Schule und Fa milie herbeizuführcn, ist neben der sachkundigen Lei tung eine sorgfältige Schulpflege herzustellen. Ebenso wurde der Inhalt folgender Petition gebilligt: Der hohe Reichstag wolle baldigst geeignete Schritte thun, s. um volle Klarheit zu gewinnen über den Zustand des Volksschulwesens in den verschiedenen Staaten und Gegenden des Reichs, insbesondere über. die Zahl und den geistigen Zustand der Schüler,, über die Bildung und Besoldung des Lehrerpersonals» über das Verhältniß desselben wie der Schule über haupt zur Kirche, über den Zustand der Schulgebäude und der Lehrmittel, über die Unterhaltung der Schulen aus Gemeinde- und Staats - Mitteln, Stiftungen, Schulgeldern u. s. w.; d. um sestzustellen, was die Volksschule aller Orten, vielleicht im Zusammenhalt mit einer obligatorischen Fortbildungsschule, leisten muß, damit jedem jungen Reichsbürger das Mstzeug mit auf den Weg gegeben werden könne, ohne wel ches für ihn das Leben eine Last, die Freiheit ein Fluch, das Gesetz ein todter Buchstabe, das Vater? land ein leeres Wort sein muß; v. um Gesetze und Einrichtungen zu schaffen, welche eine diesen Anfor derungen entsprechende Schulverwaltung gewährleisten, auf dem Grunde der communaltn Selbstverwaltung, unter Mitwirkung der Gesetzgebenden und Verwal tungsorgane der Bundes-Staaten, unter Ausschluß also jeder centralistischen Entwickelung des Schul wesens — aber mit einem straffen Reichsschulgesetz und einem die Ausführung desselben verbürgend«» ReichSschulbudzet.