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«itlwvch, U. oktrdtt 1«« Vor -er Wahl -es RelKstaasprSsl-entea Das zentnim M mit tu Svzlilbemokille Berlin, 14. Okt. Im Reichstag konzentrierte sich heute »aS politijche Interesse fast ausschließlich aus die morgige räsidcntenwahl. Die Frage der Wahl des Reichstagspräsi- enten hat sich zu einer politischen Frage aller erster Ordnung gestaltet, da die Rechte des Hanfes den größten Wert daraus legt, auch in dieser Frage schon den Trennungsstrich zwischen dem Bürgertum und dem Marxis mus zu ziehen. Leider sind die Bemühungen, die bürgerlichen Parteien aus eine g c m c i » s a m c Kandidatur zu ver einigen, an der Haltung des Zentrums gescheitert, das sich für ein Zusammengehen mit der Sozial demokratie aussprach. Die Deutsche Bolkspartci, die sich bekanntlich entschlossen hat, ihren Führer Dr. Scholz als Präsidentschafts kandidat zu nominieren, wird an dieser Kandidatur scst- halten. Dr Scholz wird sich auch zur Wahl stellen. Die Mehr heit s v e r h ä l t n i ss c sind allerdings dadurch, dasi sich in der Wirtschaftspartei und beim Ehristlichsozialen BolkSdicnst eine gewisse Abucignng bemerkbar macht, für Dr. Scholz zu stimmen, unsicher geworden. Man rechnet in parla mentarischen Kreisen damit, das, Dr. Scholz gegenüber dem sozialdemokratischen Kandidaten Löbe mit etwa 10 bis 12 Stimmen in der Minderheit bleiben wird, dasi der sozial demokratische Kandidat die Stimmen seiner Partei, des Zen trums, der Bäurischen Bolkspartci, der Staatspartei und eventuell die deS Ehristlichsozialen Bolksdtciistcs und eines Teils der WirtschaftSpartct aus sich wird vereinigen können. Allerdings dürste Löbe als Sieger wohl erst aus einer Stichwahl hervorgchen, die zwischen ihm und dem Landidatcn der Bolkspartci, Dr. Scholz, wird stattfinden müssen. Sine wenig erfreuliche Nolle bat in dem ganze« Streit darum, welche Partei den Ncichstagspräsidcnteu stellen soll, das Zentrum gespielt. <ls es nämlich zeitweise so schien, als ob ein Zusammengehen des Zentrums mit den anderen bürgerlichen Parteien in Frage kommen könnte, beeilte sich das Zentrum so fort, eigene Kandidaten namhaft zu machen, und benannte die Abgeordneten Dr. Bell und Esser. Gegen Dr. Bell, der bekanntlich einer der beiden Mitunterzeichner des Frie- denövcrtrages ist, wurde aber sofort von seiten der National sozialisten lebhafter Widerstand angemeldct, so dasi eine Kan didatur Bell aussichtslos erscheinen musste. Auch darauf, den Abgeordneten Esser zum Präsidenten zu wählen, konnte man sich nicht einigen, da gerade die Rechtsparteien grosien Wert daraus legte», dasi in der Person des Reichs- tagspräsidenten sich der Protest gegen den Marxts- m u s verkörpere. Das Zentrum hat sogar versucht, indirekte Verhandlungen mit den Nationalsozialisten zu führen, und bot ihnen die Unterstützung des Zentrums für den B i z c p rä s i d c n tc n p o stc n an, den ein National- sozialtst erhalten sollte, wenn die nationalsozialistische Fraktion den Zentrumskandtdaten unterstützen würde. Da sich zwischen den Parteien nicht einmal eine Einigung darüber erzielen liest, welche Partei den Präsidenten stellen soll, so wurde naturgcmäh die Frage, aus welchen Parteien sich die Bizc- prästdc ntcn rekrutieren sollen, heute gar nicht erst er- örtert. Diese Frage dürfte erst während des Wahlaktes selbst ihre Erledigung finden. Neben der Präsidentenwahl begegneten die Verhältnisse innerhalb der Wirtschaftspartei grossem Interesse. Die ReichstagSfraktion der Wirtschasts- partei hielt heute eine mehrstündige Sitzung ab, in der sic sich vor allem mit der Frage des Verbleibens des Mi nisters Dr. Brcbt im Amte des Reichsjustizministers be fasste. Als Ergebnis der Fraktionssitzung ist sestzustcllcn, dasi die Wirtschastspartei nach wie vor an ihrer Forderung der Umbildung des Kabinetts im Sinne ihres gestrigen Schreibens an den Reichskanzler festhält. Die Wirtschaftspartei hat sich nunmehr gegenüber der Reichs- regtcrung völlig freie Hand Vorbehalten. Zu den ausienpvlitischen Fragen will die Fraktion erst am Mittwoch Stellung nehmen. Zum 1. Fraktionsvorsitzenden wurde der bisherige Frakttonssührer Drewitz wieder bestellt, zum 2. Vorsitzenden der Abgeordnete Mollath. Wichtig ist, daß Dr. Brcdt jetzt keinen Posten mehr in der Fraktions leitung inne hat. Die Distanzierung der Wirtschaftspartet gegenüber dem Kabinett kommt auch dadurch zu deutlichem Ausdruck. — Ueber ihre endgültige Stellungnahme in der Angelegenheit der Präsidentenwahl wird sich die Wirtschafts partei ebenfalls erst am Mittwoch äußern. * Berlin, 14. Okt. Das Rcichskabinett, das heute nach mittag um 5 Uhr zusammentrat, hat in mehrstündiger Sitzung die Programmerklärung erörtert, die der Reichskanzler in den nächsten Tagen vor dem neuen Reichstag abgeben wirb. Sugea-ttg «amt MulrMivn stall Berelendung NeutWandS Berlin, 14. Okt. Dr. Hugenbcrg und Dr. Ob er fahren haben namens der d e u t s ch u a t i o n a l e n Frak tion an den Reichskanzler Dr. Brüning ein Schreiben ge richtet, in dem cs u. a. heiht: Am 17. Juli d. I. — vor der Abstimmung über die Not verordnungen vom 1«!. Juli — hatten wir Gelegenheit, Ihnen unsere Ansicht über die Möglichkeit der Bildung einer wirk lich n i ch t marxistischen RcichSregierung darzulegen. Wir haben uns damals zur Beteiligung an einer solchen unter der Voraussetzung bercitcrklärt, dasi damit auch der aus schlaggebende Einfluß der Sozialdemokratie auf Preußen beseitigt wird. Angesichts der bevorstehenden neuen Abstimmungen halten «iressür ersordcrlich, unmitzvcrständlich fcstzulegen, daß es die Krage der Regierungsbildung und des RegiernngSsystems in Preußen ist, die auch jetzt wieder einer politischen Zu sammenarbeit der nichtmarxistischen Parteien zur Lösung der immer gefahrdrohender für Deutschland und die Welt ans« steigenden deutschen Frage entgegensteht. Die Abneigung des Zentrums, in Preußen die Bcrbindung mit der Sozial demokratie zu lösen, ist nach der von Woche zu Woche sich immer klarer abzeichncnden Entwicklung der tiefste und innerste Grund, aus dem heraus die Tribut-, Finanz, und Wirtschaftskrise Deutschlands jetzt durch die deutsche Verelendung gelöst werden soll, statt durch das mutige Anpacken des Dributproblemö. kie ist der Grund, weshalb wir kein christliches Schulgesetz und keine Gesundung der ethischen Grnnd- lagen unseres Volkslebens bekommen sollen. Sie ist eS, die eine wirklich rettende Finanzresorm und aus der anderen Seite auch eine gesunde Entwicklung der deutschen Reichswehr verhindert. Wir halten es sür unsere Pslicht, auf diesen Sern der jetzigen Lage immer wieder hinzuweisen und in immer drin- zenderer Form unsere Anregung zu wiederholen, in Preußen eine Wendung herbeizuftthren. Für die durch eine gegenteilige Auffassung bewirkte »«rderbliche Reichspolitik des jetzigen Kabinetts werden wir ««iterhin keinerlei Mitverantwortung übernehmen »nd »m ReiOttmirlll aus diesen und den «och darznlegenden sonstigen Gründen sür die eingebrachten Mißtrauensanträge und sür die Aufhebung der erlassenen Notverordnungen stimmen. Wie wir erfahren, dürste dieser Brief nicht direkt beant- wortct werden. In Kreisen der Reichsregierung wird darauf hingewicsen, dasi der Brief in der Begründung der Haltung der dcutschnationalen Reichstagsfraktton einige Irrtümcr enthalte. * Im Reichstag ging ferner eine Interpellation der Dcutschnationalen ein, die der Enttäuschung über den Spruch des Leipziger Gerichts gegen die drei Ulmer Offiziere Ausdruck verleiht und fragt: Welche Haltung hat die Reichsregterung, insbesondere -er Reichs wehrminister, zur Frage der Begnadigung eingenom men? Ist die Regierung bereit, sich sür die Begnadigung einzusetzen? Blutige Kampfe in Brasilien Nenyork, 14. Okt. Die hier vorliegenden Meldungen aus Brasilien lassen erkennen, daß an den verschiedenen Fronten mit größerer Erbitterung gekämpft wird als je seit Beginn des Ausstandes. Besonders blutige Gefechte fanden längs der Grenze der Staaten Parana und Sav Paulo und im südwestlichen Teil des Staates Minas Gcraes statt. Die Berichte über den Auögang der Kämpfe widersprechen sich jedoch, je nach ihrer Herkunft. Das Hauptguartier der Auf- ständischen gibt bekannt, daß es feine militärischen Operationen nach Westen bis zum Staate Matto Grosso ausgedehnt habe. Havas berichtet aus Buenos Aires, dasi der Führer der Aufständischen, Miguel Costa, getötet worden sei. Sturm aus dt« Aniversität Barcelona Madrid, 14. Okt. In Barcelona demonstrierten am Dienstag Studenten und Arbeiter, um die Freilassung der bei den letzten Unruhen Verhafteten zu erzwingen. Die Demonstranten sprekgten die aus Vorsicht vorher geschlosse nen Universitätstore, drangen in die Aula ein und rissen -aS Königsbild von der Wand, -aS unter wilden Protestrufen auf dem Hofe verbrannt wurde. Der Rektor versuchte, ver mittelnd etnzugrctfen, wurde aber ausgcpsiffen und nieder- geschrien. Darauf griff die Polizei, die von den Studenten mit einem Steinhagel empfangen wurde, scharf durch, wobei auch mehrere Schüsse sielen. Eine Anzahl Personen wurde verletzt. Der Rektor hat die Universität schließe» lasse». . Aalten un- -te deutsche Krise Von noovron» rümlsekon Lorrooponckavtav Die Franzosen haben den Krieg gewonnen, weil sie es glänzend verstanden, in der ganzen Welt für sich Stimmung zu machen. Es war ihnen dabei gleich, ob Neger, Kulis oder Abschaum der australischen Großstädte, wenn sie nur alle mit ans den Boche Jagd machten. Bei uns haben viele noch nicht begriffen, dasi wir allen Anlaß haben, auch heute noch jeden herzlich zu begrüßen, der uns etn freundliches Ge sicht z e i g t. Wir haben cs verdammt nötig. Aber da wird gemäkelt über Hearst und über Nothermcre, anstatt dasi wir uns freuen, wenn wirkliche Weltbeherrschcr — denn das sind sie beide — sich jwas immer ihre Absichten sein mögen) aus einmal für uns einsctzen. Und nicht viel anders ist es mit Italien, bas heute auf dem Kontinent die zweite Militärmacht und so ziemlich der einzige glatt funktionie rende Staatsapparat ist und dessen Negierung und Volk uns täglich Beweise ihrer Wohlgcsinnthctt geben. Aber wir reden weiter von „Trcubruch" tder längst widerlegt ist) und eine Presse, die cs mit unseren Roten nicht verderben will, schreibt gönnerhaft von Mussolini und vom Faschismus, die wohl tm Grunde mit ihrem Vatcrlandsgercöe nicht ernst zu nehmen seien. Diese Leute wissen nichts von dem, was in den letzten acht Jahren aus Italien geworden ist, und wenn dann etn Theodor Wolfs hinfährt und vor der Macht der Tatsachen wohl oder übel kapitulieren muß, dann wird er totgeschwiegen. Deutschland aber, das heißt wir alle, haben den Schaden davon! Die Italiener beobachten uns sehr genau; alle Augen blicke fahren, unabhängig von den täglich reichlich aus Berlin herüberdrahtenden Korrespondenten, Sonderberichterstatter zu uns lso kürzlich zum Koblenzer Stahlhelmtag) und ver raten oft les gibt natürlich auch andere) eine erstaunliche Kenntnis unserer Verhältnisse. Der Leipziger Neichöwehr- prozetz beherrschte die ganze Woche lang die erste Sette aller großen Blätter Italiens und wurde durchaus tm Sinne des nationalen Deutschlands kommentiert; denn — wohlverstanden — diesem und nicht dem sich heute noch verzweifelt an die Macht klammernden Novembcrklüngcl ge hören die Gefühle dcö stramm national fühlenden Italien jund niemand sage, daß das nur faschistische Tünche sei!). In aller Deutlichkeit muß auch gesagt werden, dasi hier der Weggang des hochverdienten Botschafters Freiherrn von Neurath nicht nur aus das lebhafteste bedauert, sondern einfach nicht verstanden wird. Er war es, der in den letzten Jahren immer wieder die Wilhelmstraße dahin bringen wollte, Italien nicht die kalte Schulter zu zeigen. Und jetzt, nach der Rhcinlandräumung und nachdem maßgebende Leute, die von einer solchen Politik nichts wißen wollten, nicht mehr da sind, hätte er Aussicht haben müssen, endlich burch- zudringen. Aber in diesem Augenblick holt man ihn gegen seinen eigenen Wunsch weg und schickt ausgerechnet einen Mann, der für die Faschisten mit dem Odium von Locarno behaftet ist. Hoffen mir das Beste! Die Italiener sind, wie ihre französischen Vettern, nicht mit allzu großer Geduld begabt; wenn wir an ihrem Ent gegenkommen dauernd vorbctschen, werden sic auch einmal anders können. Eben jetzt stellen die römischen Blätter mit sichtlicher Verärgerung fest, dasi bei der großen Befrciungs- feier in Kärnten kein Redner und kein Blatt an das dortige Eingreifen Italiens im Herbst 1S20 gedacht habe, durch das der Vormarsch der Jugoslawen angehalten und die drohende Hungersnot beschworen wurde. Das sollte wohl zugegeben werden, auch wenn Italien sicherlich damals aus eigenstem Interesse handelte. Man sollte sich auch daran erinnern, dasi bas kürzliche Aufschäumen des tschechischen Nattonalgcsühls sich nicht nur gegen die Deutschen, sondern auch gegen die Ita liener gerichtet hat. Man hat in Rom durchaus die Auf fassung, das, Tschechen wie Südslawcn für uns gemeinsame Gegner sind, und vielleicht morgen noch mehr sein werden. Man hat bedauert, dasi dies z. B. auf dem Brüsseler Stu- dcntenkongrcß nicht genug zum Ausdruck kam, weil die Ita liener angesichts der französisch-slawischen Präpotcnz den Saal verließe» und die Deutschen erst am folgenden Tage, während ein gemeinsamer Auszug natürlich einen weit größeren Eindruck gemacht hätte. Man kann nicht von dem Verhältnis Deutschlands zn Italien sprechen, ohne an Oesterreich zu denken. Auch unsere überkorrekte Diplomatie hat ja immer den Stand punkt eingenommen, daß Südtirol eine „österreichische Angelegenheit" sei. Es ist bekannt, baß seit dem Schober kurs, aber auch jetzt unvermindert, in der „Provinz Bozen" ein ruhigerer Wind weht, der besonders das Verdienst des Präfekten Marziali ist swas ihm gewisse radikale Faschisten sehr übelnehmen). Die letzten Tage haben sogar eine erfreuliche Wendung in der italienischen Sprachen- Politik tu Südtirol durch die Zulassung von deutschen Privat- schulen und Komplementärklassen gebracht. Das ist eine Be stätigung für Hitlers Ansspruch in einem kürzlich gegebenen Interview, baß cS für die Südtiroler weit ersprießlicher ist, wenn Deutschland und Italien sich über ihren Köpfen nicht bekämpfen, sondern die Hände reichen. Sollte aus der jetzigen Uebergangslage in Oesterreich bas junge Führerelement, ver körpert durch den Fürsten Starhemberg und Dr. Hueber, am