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»xprtz. u. Redakk».. Dre-Ven-NeuftaVt tl. Meitzner Sasse 4. Die Zeitung erscheint Dienst«,, D,»»erft«> und G,n«aben» früh. Ad»«ne«ent»- PrelSr diertrljLhrl. M. 1,80. Zu beziehen durch die kaiserlichen Post- mchaktrn und durch unsere Boten. Bet freier Lieferung in» HauS erhebt die Post noch eine Ge- Ähr von 25 Pf. ächsischk VorßeitmS. Lin unterhaltendes Blatt für den Bürger und (andmann. Amtsblatt für die kgl. Amtshauptmannschaften Dresden-Altstadt und Dresden-Neustadt, für die Ortschaften des kgl. Amtsgerichts Dresden, sowie für die kgl. Forstrentämter Dresden, Tharandt und Moritzburg. Verantwortlicher Redakteur und Verleger Kerr«««« Müller in Dresden. Inserate M^en biS Montag, Mittwoch u. Freitag Mittag angenommen und kosten: di« 1 spalt. Zeile SO Ps. Unter Lingesandn 40 Pf. Inseraten» A»atz«eftellt«: Invalidendank. Haasenstem L, Boaier, Rudolf Mosse, G. L. Daube L M Dresden, Leip Frankfurt a M V. Sohl, KesselSd-rf, Hugo Mitchler. Sotzschenbroda u. s. w. Wr. 9. Sonnabend, den 19. Januar 1901. 63. Jahrgang. Die Kanalvorlage. Der Gesetzentwurf, betreffenv die Herstellung und den Nurbau von Kanälen und Flußläufen im Interesse des Schifffahrt-Verkehres und der Landeskultur, über welchen der preußische Landtag zu berathen haben wird, soll der Schifffahrt die folgenden Wege eröffnen. Eine Verbindung zwischen Rhein, Elbe und Weser, einen Großschifffahrtsweg Berlin-Stettin, eine Straße zwischen Oder und Weichsel und zwischen Echtesten und dem ! Oder-Spreekanal. Als Kosten der Ausführung find planmäßig 389.010,700 M. festgestellt worden. Die Begründung der Vorlage erhofft von diesem Ausbaue des deutschen Kanalnetzes namentlich die Ver billigung der Transportkosten sür Massengüter und die Erschließung breiterer Absatzgebiete für die deutsche Produktion. Die Ausführung deS Baue- soll sich über einen Zeitraum von 15 Jahren erstrecken. Eine be- sondere Beachtung verdient die strategische Bedeutung der geplanten Wasserstraßen. Zur Erfüllung der vielfachen Anforderungen, die während eines Kriege- an die öffentlichen Verkehrs- ! Wege sowohl seitens der Kriegführung wie auch seitens der nationalen VolkSwirthschast gestellt werden, ist eS von größter Bedeutung, daß neben den Landstraßen und Eisenbahnen Wasserwege zur Verfügung stehen, die die anderen Verkehrswege, im Besonderen die Eisen bahnen, entlasten und ergänzen können. Während die Wasserstraßen vorzugsweise zur Beförderung von Massen gütern und zum Transport von Kranken und Ver wundeten sich eignen, können die Schiffsgefäße mit ihrem großen FassurgSraume als schwimmende beweg liche Magazine, deren Standort je nach der Kriegslage sich verlegen läßt und als bewegliche Krirgslazarethe nutzbar gemacht werden. Die Bedeutung der Wasser straßen im Einzelnen sür militärische Zwecke ist von ihrer Lage zum Kriegsschauplätze, ihrer Leistungsfähig keit und den vorhandenen Schiffen nach Anzahl und FaffungSraum abhängig. Unter den projektirten Wasser straßen ist die strategisch wichtigste der Rhein-Elbe- Kanal, weil er in Verbindung mit den bereits vor handenen natürlichen und künstlichen Wasserstraßen einen Zubringer sowohl zu unserer OperationSbafis im Westen (Rhein), wie im Osten (Weict sel, Warthe, Oder) darstellt und weil er eine selbstständige OperationSbafis bei einer Verthetdigung unserer Nordseeküste bildet. Durch die geplante Verbindung der fünf großen, in die Nord- und Ostsee mündenden Ströme (Rhein, Weser, Elbe, Over, Weichsel) untereinander wird ein leistungsfähige- Wafferstraßennetz geschaffen, daS mit seinen vielfachen Verzweigungen fast daS gesammte prcuhische EtaatSgebtet umfaßt. Die Wasserstraßen werden bei einem feindlichen Angriff auf die West-, Nord- und Ostgrenzen des deutschen Reiches sür die glückliche Durchführung deS Kriege- von allergrößtem Werthe sein. Die Schlagfertigkeit der in einem künftigen Kriege austretenden gewaltigen HeereSmaffen wird wesent. lich gesördert, wenn die KriegSlettung neben den Land straßen und Eisenbahnen auch über eine leistungSsühige Binnenschifffahrt verfügt. Indem diese die Eisenbahnen entlastet und ergänzt, können die Schienenwege in um- faffendster Weise als „strategische Waffe" sür die eigent lichen Truppentransporte auSgenutzt werden. Diese Ausnutzung der Eisenbahnen ist nicht nur beim ersten Aufmarsch deS Feldheeres geboten, sondern auch während de- ganzen Kriege-, um am entscheidenden Punkte möglichst starke Streitkräfte schnell und überraschend zu versammeln. Die- gilt besonder-, wenn wir gleich zeitig die West- und Ostgrenze vertheidigen müssen. Die Stimmung sür die Vorlage, die bereits einmal früher eine verhängnißvolle Abweisung erlitten hat, ist denn auch nicht ungünstig; eS steht vielmehr zu er- warten, daß sie mit einigen Aenderungen und Abstrichen zum Gesetze erhoben werden wird. Als Jahresleistung würde der Bau dem preußischen Staate etwa 9,9 Millionen Mark auferlegen. Politische Weltscha«. Deutsche» Reich. In seiner 27. Sitzung vom 16. Januar fetzte der Reichstag die Berathung über verschiedene GewerbegerichtSanträge fort. Bekanntlich will ein socialdemokratischer Antrag die Gewerbegerichte obligatorisch machen, ihre personelle und materielle Zu- ständigkeit erweitern und u. B. auch den Frauen da- Wahlrecht geben. Der Antrag Trimborn will die obligatorische Einführung nur sür Städte über 20 000 Einwohner, ebenso soll die Zuständigkeit nicht zu sehr erweitert werden. Bbg. Hitze (Centr.) befürwortete vor Allem die Annahme einer von seiner Partei und den Nationallibrralen unterstützten Resolution, in welcher die Regierung aufgrfordert wird, für die Pflege deS Friedens zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern gesetzliche Bestimmungen über die Formen herbeizusühren, in denen die Arbeiter durch Vertreter, welche ihr Ver trauen besitzen, an der Regelung gemeinsamer Angelegen« heilen betheiligt und zur Wahrnehmung ihrer Interessen bei Verhandlung mit den Arbeitgebern und mit den Organen der Regierung befähigt werden. Zur Sache führte Abg. Oertel (kons.) aus, daß die Gewerbe gerichte bis zu einem gewissen Grade segensreich wirken; allerdings wird die konservative Partei sür den obli gatorischen Charakter der Gewerbegerichte nicht zu haben sein. Auch ist sie dagegen, daß die land- und forst- wirthschasllichen Arbeiter diesem Gerichte unterstellt werden. Schließlich wurden die beiden fraglichen An träge einer Kommission überwiesen und die Resolution Hitze angenommen. Bei der Fortsetzung der zweiten Etatslesung in der 28 Sitzung deS Reichstages vom 17. Januar hielt Abg. v. Kardorff (Rp) eine Rede gegen die Socialdemokraten und erläuterte an Beispielen, wie berechtigt die in letzter Zeit laut gewordenen Klagen über socialdemokrattsche Arbeitgeber seien. Sodann kam er auf die Landwirthschaft zu sprechen, die in banger Sorge sei, ob die Handelsverträge wirklich ge kündigt werden. Eie wünscht dringend, baß sie klaren Wein ringeschenkt bekommt: WaS soll mit ihr geschehen und wie will man ihr helfen? Hat man überhaupt die Absicht, zu Helsen? Schöne Versprechungen hat fie seit 1890 genug gehört und fie hofft nun endlich etwa» w'iter zu kommen. Sic verlangt als einzige Möglich keit dauernder Hilfe erhöhte Schutzzölle und rechtzeitige Kündigung der Handelsverträge. Wenn dies al- Brot- vertheuerung und Brotwucher bezeichnet wird, so kann nur mit den treffenden Worten deS Grasen Klinckowström erwiedert werden: Kein Mensch in Deutschland kann den Anspruch erheben, Brot billiger zu haben, als eS in Deutschland selbst hergestellt werden kann. (Sehr wahr! rechts) Schließlich wurde ein VertagungSantrag angenommen; der Gehalt des Staatssekretär- Grafen Posadowsky ist somit immer noch nicht bewilligt worden. Am Donnerstag haben in Berlin die Jubiläums- seterltch ketten deS 200 jährigen Bestände- des preußt. schen Königreiches ihren Anfang genommen. Im Zeug hause fand im Beisein deS Kaisers, sämmtlicher Prinzen und einer glänzenden Versammlung eine Erinnerung-- feier und darauf ein Fest deS hohen Orden- vom Schwarzen Auler, dem im königl. Schlosse auch Se. königl. Hoheit Prinz Georg von Sachsen, beiwohnte und eine Festfeier der königl. Akademie der Künste statt. Zu den Feierlichkeiten ist eine große Reihe von Fürst lichkeiten erschienen. Ara«krei<h. Der Kriegsminister Andr^ hat gegen den General GeSlinS de Bourgogne eine Untersuchung wegen einer Rede angeordnet, dre dieser vor einigen Monaten gehalten hat. Er seierte in dieser Rede die Jesuiten und bekannte sich als Royalist. Bei einer PretSvertheilung im Jesuitenkollegium sprach der General die folgenden Sätze: „Wir sind hier unter Waffen, brüdern auf diesem historischen Boden, auf dem unsere Großväter gefallen find in Treue für Gott und den König. Dre Jesuiten find auch Soldaten fie find Soldaten Christ» und bilden die Avantgarde der Armee, indem fie das Kreuz vorantragen im Kampfe gegen Keuilleton. Kalliope Mavros. Erzählung von Adolf Flach-. (Nachdruck verboten.) (8. Fortsetzung.) Frau Jadwiga sah sich vor einer Aufgabe, der sie nicht gewacylen zu sein glaubte; sie mühte ihren Geist ab, sie wollte eine Aktion ersinnen, die alle Möglichkeiten der Wiederkehr solcher Gefahren ein sür alle Mal zu beieiligen im Stande wäre. Ab,r V rstand und Phantasie ließen sie duSmal »mStich. Uno sie wußte sich begnügen, zu warten und inzwisch n die Feindin aufmerksam zu be obachten. An Kalliope war keine auffällige Verände rung zu bemerken. Sie blieb, wie sie früher gewesen — ruhig, sanft, ernst. Nur ihre Augen hatten jetzt «inen freundlicheren, freudigeren Blick. Frau Jadwiga sann darüber nach, wußte aber nicht zu enifcheiden, ob da- daher kam, daß fie jetzt häufiger Briefe au- Koostantiropel erhielt, daß Doktor Kärmhner ihr öfter Besuche abstattete oder daß Henryk sich jetzt soviel mit ihr adgab. Eine- Tage- kam Doktor Kärnthner wieder ein mal zu Frau Jadwiga, um zu sehen, wie e- mit ihren neuralgischen Kopfschmerzen stehe. Frau Jadwiga wagte bei dieser Gelege» heit ein kühne- Wort: „Herr Doktor, ich habe vor Kurzem einer» Roman „DoppcUtede" gelesen. Der Held liebt zu gleicher Zeit zwei Mädchen — da- eine »st seine Braut, eine Deutsche, da- andere eine iutereffante Russin. Halten Sie so etma- io» wirklichen Leden sür möglich?" Doktor Kärnther war feuerroth geworden und spielte verlegen mit seiner Uhrtette. Er runzelte nach, denklich die Stirn und sagte dann: „Gnädige Frau, ich glaube nicht recht daran. Ich urtbette eben nach mir. Der Mann kann doch in einer bestimmten Zeit nur eine Frau lieben. Im Uebrigen, im Vertrauen ... ich habe keine Braut . . . da- war eine Nothlüge, weil . . ." „Ich begreife Sie, Herr Doktor", fiel Frau Jad wiga ein. „Sie müssen eS nicht erst au-sprechen. Und die interessante — Russin, die Sie verehr» n. . ." „Ist, wie Sie richtig vermuthen. Fräulein Kalliope!" ergänzte mit erregter Stimme der Arz». ES war ihm nun leichter zu Muthe; schon oft hatte er die Absicht gehabt, du- Frau Jadwiga mitzutheilen; Kalliope lebte ja »n ihrem Hause und eS schickte sich, seine häufigen Besuche zu motiviren. „Und Sw hoffen?" fragte Fra» Jadwiga ge spannt. „Ich darf hoffen..." erwiederte, Freude in seinem Blick, der Arzt. Frau Jadwiga gratulierte ihm mit aufrichtiger Herzlichkeit; fie jauckzte innerlich; da-wird StantSlauS von seinem Wahn heilen und auch idrrn Gatten zur Vernunft dring«n. Sie beeilte sich, diesen in die Sache eiozawnhev. Auf Herrn von Kochanowski wirkte die Nachricht veistimmend. Er ließ sich von seiner Frau leicht überreden, nach Paris zu reisen, um Stani-lau- vorsichtig uud schonuvgtvoll von dem bevorstehenden Ereignisse zu unterrichten. Zwischen Kalliope uud Doktor Kärnthner war - voch u»cht zu einer Au-sprache gekommev. Bei seine« Besuchen, die er ihr regelmäßig dreimal in der Woche abstattete, plauderten fie über alle- Mög liche in der ungezwungensten Weise. Der häufigere Verkehr hatte einen vertraulicheren, freundschaftlicheren Ton gezeitigt, indessen waren Beide darauf bedacht, sich nicht zu wärmeren Worten Hinreißen zu lassen — eS war, als hätten sie sich ausdrücklich verabredet, die Klärung ihrer Beziehungen nicht za beschleunigen, sondern die- der Zett oder besonderen zufälligen Um- ständen zu überlassen. Aber, wa- der Mund ver schwieg, da- verrietben mitunter die Blicke, die sich nicht immer dem Willen aoordnen wollen oder können. Mehrere Male la- er in ihren Augen seltsame Ge danken und Gefühle, die ihm da- Blut freudig auf wallen machten, die ihn auch berechtigten, Frau Jad wiga zu sagen, er dürfte hoffen. Und Kalliope wieder fühlte seinen Uebeerfüllten warmen Blick ost genug auf sich ruhen. Zwei Wochen waren seit der Abreise de- Herrn von Kochanowski verstrichen; seine ersten Briese, in denen er Stani-lau-' Berzweislung schilderte, hatten in Frau Jadwiga die Ansicht erweckt, gleichfalls nach Pari- zu reisen, in der Hoffnung, daß e- ihr leichter gelingen werde, ihren Sohn.za beruhigen; doch wurde dieser Plan dann gegenstand-io-, da die späteren Nach- richten günstiger waren. Nun milderte sich auch ihr Haß gegen Kalliope und sie hatte fast da- Gefühl einer angenehmen Genugthuvu', wenn fie da- ver liebte Paar in angeregter Sitwmung sah. Da- geb ihr die Beruhigung, daß fie um den Gatten und den Sohn nicht mehr zu zittern brauchte. Da fie nun von diesen schweren Sorgea besrett war, empfand fie etr-