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und 273 Dienstag, Sen 24. November Interesse erregten durch die indirekte Bezugnahme auf die mit stürmischen Bravos aufgenommenen Rede, die er von lichkeitcn zu sichern, und trotzdem ist die erhoffte Beruhigung der Gemüter noch immer nicht eingetreten. Selbst die Ver handlungen über die hochwichtige Finanzreform-Vorlage im Reichstage vcrniögen das weit verbreitete Verlangen, Genaueres über jene Audienz zu erfahren und greifbare Garantien der gewünschten Art zu erhalten, nicht zu beschwichtigen. Abge- Bürgern meiner Haupt- und Residenzstadt Berlin zu weilen. Die Städteordnung ist im Feuer der Freiheitskriege geschaffen und durch treue Opfcrwilligkeit der Bürger weiter ausgebildet worden. Das gibt mir die Hoffnung, daß sie der Geist echten Bürgertums auch in Zukunft bewahren, und daß sich nichts zwischen Fürst und Volk drängen wird. Der Kaiser fügte dann noch hinzu, daß er zur Erinnerrung an den Tag und zum Zeichen seiner huldvollen Gesinnung der Stadt Berlin sein Bildnis verliehen habe. Seit seiner 20jährigen Regierungszeit nahm der Kaiser am vergangnen Sonnabend "Waldenburg, 23. November 1908. Acht Tage sind seit der bedeutungsvollen Potsdamer- Audienz des Reichskanzlers beim Kaiser verstrichen, seit acht Tagen besitzt das deutsche Volk die im amtlichen Teile des der Rednertribüne an die Versammelten richtete, etwa Fol gendes: Es war mir eine besondere Freude, an der Jahr hundertfeier der Städteordnung teilzunehmen und unter den dcrtjahr-Feier der Städteorduung bei. Inmitten der Ver treter der Reichshauptstadt ergriff der Kaiser nach einer Huldigungsansprache des Oberbürgermeisters das Wort zu kurzen, aber bedeutsamen Ausführungen, die noch besonderes eine Unterbrechung erfährt. Dann kommen die Anträge, Wegen eines Gesetzes über die Ministerverantwortlichkeit und nähme an der Hundertjahr-Feier der Städteordnung und die bei dieser Gelegenheit gehaltene Rede des Kaisers zeigen in erhebender Weise, wie sehr dem Monarchen daran gelegen ist, jeden Schatten zwischen sich und seinem Volke hinweg zuräumen. Der Monarch hatte feine Rede, deren wesent lichster Satz wörtlich lautete: „Wenn nach den Worten des deu aus Anlaß der Festlichkeit vom Kaiser durch Ordensver leihungen ausgezeichnet. Als ein politischer Akt nach den Vorgängen der vergangenen Wochen ist vielfach die Teil nahme des Hofes an der Festfeier der Reichshauptstadt auf gefaßt worden. Als politische Sensation des Tages wurde es aufgefaßt, daß der Kaiser nicht frei sprach. Der Kanzler war ihm zum Podium gefolgt und hatte ihm mit tiefer Ver beugung ein Schriftstück überreicht. Es war der Text der Rede, die der Kaiser verlas. Der deutsche Kronprinz und seine Gemahlin, die eine Sammlung für die Hinterbliebenen der auf der Zeche Radbod Verunglückten veranstalten, bitten durch einen Aufruf Jeden, der bereit ist, durch Stiftung einer Geldsumme die große Not lindern zu helfen, sich an dieser Sammlung zu beteiligen. Eine in Essen abgehaltene außerordentliche Generalversamm lung des Bergbauvereins stiftete anläßlich der Radboder Katastrophe einen Unterstiitzungsfonds von 100,000 Mk. Es steht noch nicht fest, ob der Reichskanzler Fürst Bülow, der sich gesundheitlich jetzt ganz wohl befindet, im Dezember einen Urlaub antreten wird. Möglich ist, daß der Fürst nach dem Beginn der parlamentarischen Weihnachtsferien, vorausgesetzt, daß die politische Konstellation es zuläßt, etwa zwei Wochen im Süden, wahrscheinlich in Rom, verleben wird. Die Beilegung der inneren Krisis wird jetzt in der „Nordd. Allg. Ztg." besprochen. Das halbamtliche Blatt freut sich über die Befriedigung der deutschen Presse; gegen vereinzelte Blätteräußerungen entgegengesetzter Art im gegen wärtigen Augenblick Stellung zu nehmen, liege kein Bedürf nis vor. In der hohen Auffassung der Herrscherpflichten, die aus der kaiserlichen Entschließung spreche, besitze die deutsche Nation eine Bürgschaft für die Fortdauer des wieder gewonnenen Vertrauensverhältnisses zwischen Krone und Volk, aus dem in der Vergangenheit so herrliche Taten hervorge gangen seien. Die Aussichten für das Zustandekommen der Reichs finanzreform in der Fassung der Regierungsvorlage find nach dem bisherigen Verlauf der Reichstagsdebatten sehr ungünstig. Freilich der erfahrene Abg. Paasche hat Recht, es kommt oft ganz anders, als es nach den Reden der ersten Lesung hätte erwartet werden müssen. Immerhin verdient ein Vorschlag der „Voss. Ztg.'- Beachtung, die Jagden in den fiskalischen Forsten zu verpachten, wodurch eine jährliche Mehreinnahme von mindestens 30 Millionen Mk. ohne neue Steuern erzielt werden würde. Vielleicht verdichtet sich der Vorschlag zu einem Antrag im Reichstag. Am Sarge Bismarcks in Friedrichsruh erschienen, wie alljährlich, so auch am Vorabend des diesjährigen Toten sonntags alldeutsche Ostmärker aus Wien, Nieder- urd Ober österreich, Böhmen, Mähren, Tirol und Salzburg zur Ab haltung einer stillen Totenfeier. Die Erschienenen wurden von einem Vertreter des fürstlichen Hauses empfangen und in die Gruft geleitet. Am Sarge Bismarcks hielt der Ab geordnete v. Schönerer eine Ansprache, nach der die mitge brachten Kränze niedergelegt wurden. Die Deputierten be gaben sich daun nach Hamburg, wo am Sonntag im großen Saale des Patriotischen Gebäudes eine würdige Gedenkfeier für Bismarck abgehalten wurde. Der Alldeutsche Verband hielt am vergangenen Sonn tag in Leipzig eine Sitzung ab, der ein gemeinsames Essen im Ratskeller folgte. In der Verbandssitzung sprach der Vorsitzende, Rechtsanwalt Claß-Mainz, über den Zusammen bruch der reichsdeutschen Politik, der böhmische Landtags abgeordnete Rcitterer-Budweis über die Kämpfe des Deutsch tums in Oesterreich-Ungarn. Oesterreich-Ungarn. Am vergangenen Sonntag fand ein gemeinsamer Minister rat statt, der sich mit dem serbischen Handelsverträge, der türkischen Boykottbewcgung und den Vertragsverhandlungen mit Rumänien beschäftigte. die Erweiterung der Rechte des Parlaments zur Verhand-^ luug. Da wird es noch ein paar heiße Tage in dem in- schriftlosen Hause am Königsplatze zu Berlin geben, und man weiß nicht, ob der Wirrwarr nachher nicht noch größer wer-! den wird, als er vordem war. Die Lage ist fortdauernd! Filialen: in Aitstadtwatdenbucg bei H«>« Otto Förster; in Callenberg beiHrn.Ttrmspf- Wirker Fr. Herm Richter; inkaufunge» bei Herrn Fr. Janaschek; in Langrnchnrsdori i Herrn H. Stiegler: in Penig bei Herrn M - helm Tadler; in Wolkenburg bei Herr» Herm. Wildenhain; in Ziegelheim bei Herr? Eduard Kirsten aus eignem nur die Worte hinzugefügt: Gort segne meine Haupt- und Residenzstadt Berlin! Nach dem Kaiser betrat Bürgermeister Reicke die Tribüne, um die Festrede zu halten. Der Kaiser folgte den ohne Konzept vorgetragenen freimütigen Worten des Redners, die den Freiherrn v. Stein, den geistigen Städteerbauer, feierten, den Bureaukratismus geißelten und die Heranziehung des Laienelementes zur Erledigung der eigentlichen Verwaltungsgeschäfte des Staates als Fortsetzung und Ausbau der Steinschen Reformen forderten, mit gespan ter Aufmerksamkeit. Die Rede Reickes war in ihren Aus blicken auf die Zukunft eine ausgesprochen politische Rede. Sie war insofern eine Sensation, weil ihr Text, wie stets bei derartigen Gelegenheiten, der zuständigen Instanz, also in diesem Falle wohl dem Reichskanzler, vorgelegen hatte, und weil sie trotzdem gehalten werden durfte. Der Kaiser machte die Kaiserin wiederholt auf drastische Schilderungen aufmerksam, die der Redner von Personen und Qualitäten der Stadtoberhäupter in der guten alten Zeit des Absolutis mus gab. Als der Vortragende gegen die Bureaukratie und den Formelkram zu Felde zog, wandte sich der Kaiser zum Reichskanzler Fürsten v. Bülow um und nickte ihm lächelnd zu. Nach der Rede schüttelte der Kaiser dem Bürgermeister Reicke die Hand und begann mit ihm ein längeres Gespräch, in das auch der Oberbürgermeister und der Stadtverordneten- Vorsteher hineingezogen wurde. Als Reicke bei der Frage über die Erwerbung des Tempelhofer Feldes darauf anspielte, daß die Schwierigkeiten beim Preußischen Ministerium des Innern lägen, in dem der Kronprinz zur Zeit arbeitet, wandte sich der Kaiser zu dem Thronfolger und sagte: Das seid also Ihr! Als nach einem dreifachen Hurra der Hof sich entfernte, sagte eine bekannte Persönlichkeit aus dem Gefolge des Kaisers, so berichtet die „Tägl. Rundsch." zu einem wegen seiner Länge allbekannten und populären General: „Na, die Habens gehörig abgekriegt!" „Na ja!" lachte der General. „Was wollen Sie? Neue Aera!" Der Oberbürgermeister und verschiedene andre Stadtvertreter wur- SMr-cher Nr^?. Amtsblatt für das Königliche Amtsgericht und den Stadtrat zu Waldenburg. Zugleich weit verbreitet in den Städten Penig, Luuzeua«, Lichtenstein-Callnberg und in den Ortschaften der nachstehenden Standesamtsbezirke:; Rrkstadt-Waldenburg, Braunsdorf, Callenberg, Ehrenhain, Frohnsdorf, Falken, Grumbach, Kaufungen, Langenchursdorf, Langenleuba-Nicderhain, Langenleuba-Oberhai» Niederwiera, Oberwiera, Oberwinkel, Oelsnitz i. E., Reichenbach, Remse, Schlagwitz, Schwaben, Wolkenburg und Ziegelheim. täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festlagen. A«u»hMe von Inseraten für die nächster- fHebende Nummer bisBormln«gs'/,1Nthr. Ler LbormementSvreiS beträgt vierreliäbri M t Mk. «v Pf., monatlich KS «A. Ginzetne Ren. 10 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., für auswärts lü Ps. und absetzen kann, nicht aber auch dem Bundesrat und dem Reichstage. Was bedeutet da die verfassungsmäßige Ver antwortlichkeit, deren Sicherung der Kaiser zugesagt hat? Hier liegt eine offenbare Unklarheit vor, trotz der das Reich sich zwar 38 Jahre lang wohl befunden hat, die anderer seits aber dem Zentrum und der Sozialdemokratie die Waffen zu ihren Anträgen liefert. Die Forderung im gegenwärtigen Augenblicke, jene Unklarheit zu beseitigen, muß in der Tat als ein Mißtrauensvotum des Reichstags gegenüber der Ver- traucnskundgebung des Kaisers vom 17. d. aufgefaßt werden. Man nahm die Situation indessen weniger tragisch in der Voraussetzung, daß das Vorhaben des Zentrums und der Sozialdemokratie an dem geschlossenen Widerstande der Block parteien scheitern würde. Diese Voraussetzung ist jedoch eine irrtümliche. Auch die Freisinnigen und nicht wenige aus den Reihen der Nationalliberalen unterstützen den Antrag des Anvblocks auf die Einbringung eines Kanzler-Verantwortlich- keits-Gbsctzes. Nur die Konservativen halten sich mit vollem Vertrauen an das Wort des Kaisers und erachten jede wei- terc Diskussion der für sie damit erledigten Angelegenheit für überflüssig. Neue Stürme stehen uns also bevor und werden schon in den allernächsten Tagen ausbrcchen. Fürst Bülow ist kein Jüngling mehr, die Anstrengungen der jüngsten Wochen haben den mit laufenden Arbeiten überbürdeten Staatsmann Witterungsbericht, ausgenommen am 23. November, Nachm. 3 Uhr. VsrvmeterstlMd 747 WM reduziert auf den Meeresspiegel. Thermometerstand -s- 6,.° O. (Morgens 8 Uhr -s- 4° 0. Tiefste Nackttemperatur -s- 4» 0.) Feuchtigkeit- gehslt der Luft nach Lambrechts Polymeter 78°/tz. Taupunkt -s- 2,5° 6. Windrichtung: Süd. Niederfchlagsmenge in den letzten 48 Stunden bis früh 7 Uhr: 10,z WW Daher Witterungsaussichten für den 24. November: Wolkig mit Niederschlägen. sehen von den konservativen Rednern haben die der übrigen Reichstagsparteien in der Debatte über die Finanzreform mehr oder weniger deutlich auf die Krise angespielt und hin gewiesen, die durch die Audienz vom 17. d. nach alledem ; doch nur als vorläufig bcigelegt angesehen werden kann. Die! erste Lesung der Finanzreform, diese ist an sich ja ein spröder; und nüchterner Stoff, der sich besser für die Kommissions- als für die Plenarverhandlungen eignet, Wird möglicherweise zum ersten Male an einem Feste der Stadt Berlin in deren oder sogar wahrscheinlich bereits in dieser Woche erledigt, eignen Räumen teil. Am Sonnabend erschien der Kaiser trotzdem sie am Dienstag durch die Besprechung der Inter-! auch in Begleitung der Kaiserin im Rathaus, das er bisher pellation wegen der Grubenkatastrophe auf der Zeche Radbod, nur ein einziges Mal, gleich nach seinem Regierungsantritt, ' " "" " und zwar allein, besucht hatte. Der jüngste Besuch zur Teil- 4908. scharf mitgenommen. Es heißt, der Kanzler werde während der parlamentarischen Weihnachtsfericn einen Erholungsurlaub nehmen, und der Staatssekretär des Auswärtigen Amts v. Schön noch in dieser Woche nach Berlin zurückkehren. Neue Sorgen tauchen auf, und grau wie der November himmel liegt noch immer unsere politische Zukunft vor uns. Politiseke Rundschau. Deutsches Reich. Der Kaiser und die Kaiserin, das kronprinzliche Paar und andre Mitglieder der kaiserlichen Familie wohnten am Sonnabend voriger Woche im Rathaus zu Berlin der Hun- Rcichsanzcigers publizierte Erklärung, der Kaiser erblicke seine Interesse erregten durch die indirekte Bezugnahme auf die Vornehmste Aufgabe darin, die Stetigkeit der Politik des! jüngsten hochpolitischen Vorgänge. Der Kaiser sagte in seiner Reiches unter Wahrung der verfassungsmäßigen Verantwort- mit stürmischen Bravos aufgenommenen Rede, die er von kritisch und ungewiß. ! Preußenliedes nicht immer Heller Sonnenschein leuchten kann, Nach der Vm-fassung ist der Reichskanzler allein dem! und es auch trübe Tage geben muß, so sollen aufsteigende Kaiser verantwortlich, der ihn nach freiem Ermessen ernennen! Wolken ihren Schatten niemals trennend zwischen mich und ' „.^.t mxjn Volk werfen," von einem Blatt Papier abgelesen und