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Ottendorfer Zeitung. Vie „Ottendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich I Mark. Durch dir Post bezogen 1,20 Mark. Druck und Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Rioritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahm« »»n Inseraten bi, »»rmittag s» Uhr. Inserate werden mit »o Pf. für die Spaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Verlag von Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Nr. 120. Mittwoch, den 7. Oktober 1903. 2. Jahrgang. Bekanntmachung. Wegen Nemigung äer Amtslokalttäten bleibt das Gemeindeamt Montag, den 12. Oktober d. I. geschlossen. Ottendorf-Moritzdorf, am 6. Oktober 1903. Der Gemeindeoorstand. Lincke. Oertliches und Sächsisches. Ottendorf-Okrilla, s. Oktober 1903. Am Sonntag nachmittag unternahm bei guter Beteiligung der Orts- und Gebirgsvercin unter vortrefflicher Führung des Herrn Wauer eine Wanderung mit Damen durch die herbst lich geschmückte Heide. Der Weg führte über den Buchberg und Schießplatz nach Glauschnitz, Stenz und Königsbrück, Nach Besichtigung des interessanten Zieldorfes mit seinen technischen Einrichtungen ging eö frohen Mutes und bei gutem Wetter durch herrliche Waldungen nach Glauschnitz und Stenz. Unterwegs vereinigten sich noch eine Anzahl per Bahn gekommener Nachzügler mit den Wanderlustigen. Nach aus gezeichneter Bewirtung im Stenzer Gasthof wurde in fröhlicher Stimmung die Heimreise mit dem Dampfroß angetreten und bei der Mutter Anna noch kurzer Aufenthalt genommen. Der wohlgelungene Ausflug wird den Teil nehmern noch lange eine angenehme Erinnerung bleiben und ist es nur zu wünschen, daß der artige Wanderungen in die Umgebung noch recht oft veranstaltet werden. — Pilzsammler berichten, daß gegen wärtig die Ausbeute an Pilzen eine sehr reiche ist. Die Witterung ist dem Wachstum der Pilze sehr förderlich gewesen. — Die Hasenjagd wird diesmal durch ganz Mitteleuropa im großen Ganzen ein wesentlich besseres Erträgnis geben als in den letzten beiden Jahren, da die sogenannten März hasen, die bekanntlich schon in ihrem ersten Lebensjahre Nachkommenschaft zu haben pflegen, infolge der im verflossenen Vorfrühling herrschen den günstigen Witterung gut gediehen sind. Trotzdem ist nach Ansicht der Wildbrethändler auf einen Überfluß an Hasen sowie auf unge wöhnlich billige Preise derselben während der nächsten Zeit aus mehrfachen Ursachen kaum zu rechnen. In erster Linie steht fest, daß ge rade in den wildreichsten Gebieten, als nament lich in den Niederungen Schlesiens, die Hasen durch die dort ausgetretenen furchtbaren Über schwemmungen sehr erheblich vermindert worden, sind und infolgedessen von dorther auch nicht annähernd solche Massen zum Versand kommen können als sonst. Obwohl in Schlesien die Hasenjagd schon seit vollen zwei Wochen aus geübt wird, ist bis jetzt das Angebot von dort auf den Wildbretmärlten fast gleich Null ge blieben. Auch auf nicht wenigen Jagdgebieten Österreichs haben starke Hagelschläge und Über schwemmungen unter den Hasen bedeutenden Schaden angerichtet. Nun hat zwar auch seit einigen Tagen auch in Sachsen, Thüringen usw. die Abschußzeit für Hasen begonnen und ergibt fast durchweg recht gute Ausbeute, allein der erwähnte Ausfall in Schlesien usw. ist kaum wett zu machen, indem z. B. in Sachsen selbst in den besten Hasenjahrer der vorliegende Be darf nicht durch die heimische Jagd gedeckt werden kann. — Ein früher Winter wird von Wetter kundigen oder solchen Leuten, die sich dafür halten, angekündigt. — Für die sächsischen Bahnlinien wird frachtfreie Rückbeförderung der ausge stellten Tiere und sonstigen Gegenstände von folgenden Ausstellungen gewährt: Landwirt schaftliche Ausstellung in Groß-Umstadt vom 26. bis 28. September; Wanderausstellung der „Freien Vereinigung deutscher Installateure" in Hannover vom 3. bis mit 7. Oktober; Ausstellung lebender Fische in Bautzen am 24. und 25. Oktober und in Chemnitz am 7. und 8. November; Geflügelausstellung in Olbernhau vom ^21. bis 23. November, in Rötha bei Leipzig vom 28. bis 30. November, in Coswig, Wurzen und Bischofswerda vom 5. bis 7. Dezember. — Gestern trat für den Verkehr der Dampfer der Sächsisch-Böhmischen Dampfschiffahrts gesellschaft ein neuer Fahrplan in Kraft, der mit Rücksicht auf die vorgeschrittene Jahreszeit weitere Einschränkungen bringt. Klotzsche-Königswald. Nach Beschluß der Königlichen Amlshauptmannschaft Dresden- Neustadt wurde die hier erscheinende „Dresdner Heide-Zeitung" vom 1. Oktober ab zum Amts blatt für die Gemeindeverwaltung zu Klotzsche erhoben. Dresden. In Sachen der von hier ver- chwundenen Oberin Elise Weinhold, welche in Großröhrsdorf Kleidungsstücke in Verwahrung gegeben hat haben dort Vernehmungen statt gefunden, die möglicherweise zur Ermittelung des derzeitigen Aufenthaltsortes der Genannten beitragen, resp. führen können. — In Vorstadt Cotta hat sich am Freitag ein entsetzlicher Unglücksfall ereignet. Die Arbeitersehefrau Schlemmer war mit ihrem etwa 7jährigen Sohne zu einer in der Nähe befindlichen Drehmangel gegangen, um Wäsche zu mangeln. Hierbei geriet der Knabe, während die Drehmangel in Betrieb war, zwischen diese und die Wand, sodaß Kopf und Brust breit gequetscht wurden. Die sofort herbeigeeilten Aerzte konnten leider nur den bald nach ihrer Ankunft eingetretenen Tod des Knaben konsta tieren. — Das Dunkel über den Selbstmörder Schlicht in Hamburg ist gelichtet. Seine Braut, die ihren Vorsatz, sich zu töten, nicht ausführte, rekognoszierte, nachdem die Polizei sie ermittelt halt-, den angeblichen Schlicht als den Ge schäftsreisenden Otto Teichmann aus Dresden. Radeburg. Das königliche Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts hat dem Lehrer an unsrer Bürgerschule, Herrn Julins Robert Müller in Anerkennung seiner lang jährigen, treuen und ersprießlichen Wirksamkeit den Titel „Oberlehrer" verliehen. — Das Schießhaus-Etablissement ging dieser Tage durch Kauf in die Hände des Herrn Paul Nagel aus Großenhain über. — Bei den Ausschachtungs arbeiten zur Rohrlegung für das in Angriff genommene Wasserwerk fand man in dem Gäßchen bei Herrn Stellmachermeister Ziller einen guterhaltenen Schädel, sowie Knochen eines Menschen. Da sich in alten Zeiten in dieser Nähe ein Kloster befunden haben soll, so dringt man diesen Fund hiermit in Zusammen hang. — Am Donnerstag früh in der 8. Stunde brannte eine auf Riltergutsflur Nieder-Rödern befindliche, über 100 Schock Garben enthaltende Kornfeime nieder. Der Brand ist durch zwei Knaben, welche bei der Feime mit Streich hölzchen spielten, veranlaßt worden. Die Feime war versichert. Großenhain. Durch einen beklagenswerten Unglücksfall wurde die Familie des Maurers Seibt, Naundorfer Straße 13, in tiefe Trauer versetzt. Die neunjährige Tochter Martha sie beim Fensterputzen aus einem Fenster des ersten Stockwerkes in den Hof, wo sie regnungslos liegen blieb. Sie ist, ohne zum Bewußtsein zu kommen, verschieden. — Am Sonnabend wurde von der Stadt polizei ein steckbrieflich verfolgter Handarbeiter aus Jannowitz festgenommen und dem königl. Amtsgerichte zugeführt. Strand b. Königstein. Ein recht bedauer licher Unglücksfall ereignete sich hier am Elb- ufer. Die Frau des Tagearbeiters Ulbricht aus den Elbhäusern von Königstein war mit ihrem 1'/üährigen Söhnchen nach Strand ge gangen, um ihrer Mutter beim Kartoffeln ausmachen behilflich zu sein. Während dieser Arbeit übergab sie das Kleine mit samt dem Kinderwagen ihrer achtjährigen Schwester, welche an die Elbe fuhr und den Wagen auf dem Elbdamme stehen ließ. Durch eine Bewegung des Kleinen ist dann der Wagen in einem un bewachten Augenblicke ins Rollen gekommen und in die Elbe gestürzt, worin der Knabe einen Tod fand. Chemnitz. Dem Lokomotivführer Franz Richard Geißler und dem Feuermann Karl Hermann Zanger von hier ist wegen ihres um sichtigen und entschloßenen Handelns bei Rett ung eines Kindes aus der Gefahr, am 30. Juli von einem Eisenbahnzuge überfahren zu werden, die Anerkennung der Generaldirektion der Staatsbahnen ausgesprochen und dem Feuermann Langer außerdem eine Geldbelohn ung bewilligt worden. Wurzen. Der Plan zur Errichtung eines Bismarckturmes, der auf dem nahen Wachtel berg in Dehnitz zu stehen kommen soll, nimmt greifbare Gestalt an. Es ist ein Ausschuß ge- üldet worden, an dessen Spitze die hervor ragendsten Persönlichkeiten Wurzens stehen. Leipzig. Die Mitteilung, der Staatsanwalt habe gegen das freisprechende Urteil im Palmen- garten-Prozeße Berufung eingelegt, bestätigt sich nicht; die Königliche Staatsanwaltschaft hat in dieser Sache keine Berufung eingelegt und das Urteil ist rechtskräftig geworden. Crimmitschau. Einige an der Textil arbeiterbewegung beteiligte Arbeiter haben aus eigener Initiative den Bürgermeister jetzt um seine Vermittlung behufs Herbeiführung von EinigungSverhandlungen gebeten. Die Fabri kanten haben die Vorschläge der betreffenden Arbeiter abgelchnt, indem sie an den Bürger meister folgendes Schreiben richteten: „Bezug nehmend auf die mit unserm Vorsitzenden am Sonnabend gehabte Unterredung betreffs weiterer Unterhandlung mit der Lohnkommissi.m teilen wir Ihnen den Beschluß unserer Vorstands sitzung vom 26. d. M. nachfolgend ergebenst mit: Wir haben uns vor Ausbruch des Streikes unter der Bedingung, daß der Streik vermieden bliebe, bereit erklärt, die Arbeitszeit auf all gemein 10^/, Stunden herabzusetzen. Die Streikführer haben dies Zugeständnis, welches uns gegenüber unserer vorherrschend 11 Stunden bei billigeren Löhnen arbeitenden Konkurrenz weit in Nachteil setzt, abgelehnt und den Streik erklärt. Dieser nunmehr über 5 Wochen währende Streik hat uns schwere Verluste ge bracht, daß wir nicht mehr in der Lage sind, eine Verkürzung der Arbeitszeit eintreten zu laßen, sondern unsere Betriebe nur zu alten Arbeitsbedingungen wieder öffnen können. Wir versprechen aber in Gemeinschaft mit unserer Konkurrenz eine allgemeine Verkürzung der Arbeitszeit anzustreben. Wir bitten um ge fällige Kenntnisnahme und zeichnen mit vor züglicher Hochachtung. Der Spinner- und Fabrikantenverein, Lukas Schmidt, Vorsitzender." Crimmitschau. Der Königlich Sächsische Militärverein „Albert" hier gewährt denjenigen Mitgliedern, welche vom Textilarbeiterstreik be troffen werden, aber einer Organisation nicht angehören und von einer solchen Unterstützung nichts erhalten bez. annehmen, wöchentlich 6 M Unterstützung. Meerane. Erschoßen hat sich am Sonn tag der selbständige Maschinensticker Gustav Leibnitz. Derselbe hinterläßt Frau und Kinder. Schlechte finanzielle Verhältnisse werden als das Motiv der Tat angesehen. Zwickau. Eine heftige Gasexplosion fand am Sonntag nachmittag im Martinswerk der Cainsdorfer Hütte statt. Der Materialschaden fft beträchtlich, Menschen sind nicht verletzt. — Der gefährliche Einbrecher, ehemalige Brief träger Blei aus Rothenkirchen, der zuletzt im Gefängnis in Hohenstein-Ernstthal interniert war, ist in das hiesige Untersuchungsgefängnis eingeliefert worden. Plauen i. V. Wegen Beteiligung an den Ausschreitungen bei dem diesjährigen Maurer- treik hierselbst, wo die öffentliche Sicherheit tark gefährdet war, wurde der Maurer Hassel mann aus Halberstadt vom hiesigen Landge richt zu der empfindlichen Strafe von 15 Monaten Gefängnis und 4 Wochen Haft verurteilt. Trebsen. Sonntag vormittag brannte das auf der Walziger Höhe liegende stattliche Gut des Gemeindevorstandes E- Zehrfeld. In kurzer Zeit waren Stallgebäude, die Scheune, sowie )as Wohngebäude bis auf die Umfassungs mauern eingeäschert und alle reichen Ernte vorräte vernichtet. Das Vieh und zum größten Teil auch das Mobiliar konnte gerettet werden. Das 6 Meter entfernte Vormannsche Seiten gebäude mit der Ernte und im Hofe aufge- chichtete reiche Holzvorräte wurden ebenfalls ein Raub der Flammen. Leider hat Bormann nicht versichert. Aus der Woche. Das Schmerzenskind der europäischen Diplo matie, die Balkanfrage, geht scheinbar einer friedlichen Lösung entgegen. Bulgarien muß einsehen, daß ihm keine Pomeranzen blühen und daß es auf keinen Fall einen Rückhalt bei den Mächten findet. Der Besuch des Zaren n Wien hat in dieser Beziehung auch die letzten Zweifel verscheucht. Das Morden und Brennen der türkischen Horden in Mazedonien wird ja auch bald sein natürliches Ende in der Tatsache finden, daß kein christliches Dorf mehr niederzubrennen und kein Christ mehr nieder zumetzeln ist. Bis dahin also nur Geduld. In Mazedonien wird Ruhe eintreten — die Ruhe eines Friedhofes — und ehe dort wieder kampffähiger Nachwuchs vorhanden sein wird, haben wir wiederum zehn bis fünfzehn Jahre Ruhe. Tausend Pfund hat der Grohherr für die Wiederaufrichtung der niedergebrannten christlichen Dörfer in Mazedonien hergegeben. Dafür läßt sich schon etwas leisten, wenn das Geld durch die vielen Beamtenfinger bis auf die Bedürftigen herniederrieselt. Und dann die Reformen, die dem Großherrn durch Rußland und Österreich abgedrängelt worden sind! ES wird zwar noch so manches Jahrzehntchen dauern, bis sie durchgeführt sind, dann aber wird Mazedonien ein Paradies sein! — Und ebenso wie dort, beßern sich auch die Verhältniße in Serbien. Das schwere Disziplinarvergehen der Nischer Offiziere, entsprungen aus moralischem Abscheu und dem Ärger darüber, nicht selbst so dicht an der Futterkrippe zu stehen, wie die patriotischen Mörder, hat seine Sühne gefunden und nachdem das Gesetz gesprochen, wird König Peter bei der ersten besten Gelegenheit Gnade walten laßen. Die beiden radikalen Parteien des Landes, die die große Mehrheit bilden, haben ein Bündnis geschloßen und sind dadurch regierungsfähig. Sie werden nun, allseitigen guten Willen vorausgesetzt, für ihr Land das Beste leisten und die schweren Wunden heilen können, die die Dragawirschaft ihm geschlagen hat. In Österreich-Ungarn dagegen ist noch alles beim alten. Verkleisterte Krise hier und offene Krise dort. Rußland hat mit dem „Öktoberumzug", der Räumung der Mandschurei, zu tun. Da es 50000 Mann im fernen Osten zur Verfügung hat, die doch alle beim „Umzug" helfen könnten, sollte man sich die Sache doch garnicht als so schwer vorstellen. Aber die Chinesen laßen sie ja nicht fort; die Rußen sind eben zu liebe Leute.