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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 02.08.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-08-02
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110802010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911080201
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911080201
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-08
- Tag 1911-08-02
-
Monat
1911-08
-
Jahr
1911
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Tel.-Anschl. 140-2 lNdchlonIchlu»; 14 69» 14 694 Amtsblatt des Rates und des Volizeiamtes der Ltadt Leipzig. «ilr Inserat« au» Leipjia und Umgebung di« llpaltrge Petittetl« LPf.,di« Nekla«e »eile l MT' von auswärt» all PI^ Reklamen lchvMk.' Inserat« von Behörden im amt. lichen Teil di« Petit,eile 5V PI- »,lchält»an,et,rn mit Vladvorschristen u. in der Abendausgabe im Preise erhöht Rabatt nach Tarif, «erlagegebuhr l^elaml- auflage ö Mk. p. Tausend «ikl. Poslgedutzr. Teilbeilage hoher. Fefterteill« Auftrage können nicht «urälk- gezogen werden. Für da» Erscheinen an bestimmten Tagen und Plätzen wird kerne Garantie übernommen. Anzeigen < Annahme' Ioh»nni»g«N« 8, bei sämtlichen Filialen u allen Annoncen- Expeditionen de» In- und Ausland«». rr»« »,» Verl,, de» U«i»,i,ee I „ blaite» L Pol,. Inhaber Paul ttürste». Nedakrio» UN» >ieschäil»It«ll«: Iohannisgass« 8. Haupt-Filiale Te«»d«a: Se«!tratz« 4, l (Telephon 4821«. Nr. 212 Mittwoch, den 2. ttugusi lSll. 105. Ishrgsng. Tie vorliegende Angabe umfaßt 16 Leiten. Das Wiktttiglte. * Der „Rcichsanzeiger" veröfsentlichl das Zweck svcrbandsgesetz vom 10. Juli »911. * Von der portugiesischen National versammlung wurde der Paragraph der Ver fassung abgelehnt, durch den ein Recht auf A u s - stand und Aussperrung anerkannt wird. lS. Ausland.) * In Petersburg sind die Hafenarbei ter in den Ausstand getreten. lS. Letzte Dep.) * Zur Feier des Breslauer Universi tät s j u b i l ä u m s sind über siebentausend Fremde eingetroffen. (S. bes. Art.) * Das Kurhaus von Pyrmont wurde durch einen Brand zerstört. (S. bes. Art.) * Unter dem Namen „Tierpark Hella brunn" wurde in München ein Zoologi scher Garten eröffnet. (C. bes. Art.) * Wegen schwerer Beleidigungen der Freien Studentenschaft wurde in Göttingen eine studentische .Korporation suspendiert. lS. To.-erchr.) * In Jena wurden nach schweren nächt lichen Ausschreitungen acht Stu^: .en festgen o m m c n. Sine Mage s-' KMeM mn Schorlemer! Das den Ostmarkenverein verdächtigende ge heimnisvolle Rundschreiben ohne Kopf und tlirterschrisr, das über die Ostmark hinaus in alten nationalen Kreisen Befremden und Miss trauen hervorgcrufen hat, endete bekanntlich mit einer direkten Berufung auf den derzeitigen preussischen Landwirtschaftsminister Freiherrn von Schorlemer: „Wir haben keinen Anlast, an der Festigkeit der Regierung in der Wahrung und Stärkung des Deutschtums in unserer Pro vinz zu zweifeln, wir halten insonderheit die vom Landwirtschcntsminister abgegebene Er klärung für volkommen ausreichend und seine Absage an die Leitung des Ostmarken- vercins angesichts der in seiner Presse erhobenen schweren Borwürfe undBerdächtigungen für durch aus berechtigt. Jede Gemeinschaft mit diesem Borgehen des Ostmarkenvereins müssen wir un bedingt ablehnen." Diese Apostrophierung des Herrn v. Schorlemer hat sofort beim Erscheinen der anonymen Kundgebung die Vermutung hier und dort laut werden lassen, der Landwirt- schaftsminisier könne mit dem Vorgang in Zu- lammenhang stehen; eine Vermutung, die wiederum den Wunsch auslöste, Herr von Schor- lemer möge Veranlassung nehmen, einen solchen Zusammenhang in Abrede zu stellen. Jedoch ist inzwischen nichts geschehen, als dast die „Deutsche Tageszeitung" bestritt, dast der Bund der Land wirte mit der Sache etwas zu tun habe. Jetzt aber lästt sich die „Tägl. Rundschau" von wohl unterrichteter, ostmärkischer Seite" folgende Einzelheiten über das Schriftstück mitteilen, dessen Urheber in illoyaler Weise mit ihrem Namen zurückhalten: „Die berühmte anonyme „Erklärung" gegen den Ostmarlenoereln ist ohne Unterschrift erschienen; aber in der Provinz sind die Namen ihrer Urheber durchaus nicht unbekannt. Sie haben, uni selbst in der Reserve bleiben zu können, auf der Straste und hinicr den Zäunen geworben, und so ist das, was zunächst noch ein Geheimnis bleiben sollte, vor zeitig in die Oeffentlichkeit geraten. Unter den Hauptaktcuren befindet sich ein naher Ver wandter eines früheren Oberpräsidenten, der die goldcneZeit desCaprivismus wieder aufrichten möchte und vermöge dieser Plattform zu parlamen tarischen Ehren zu gelangen hofft. Man hört jetzt von verschiedenen Seiten in Posen, wie königliche Do- mäncnpächtcr in den Dörfern herumfahren, um Handwerker. Bauern und Tagelöhner für die Kund gebung gegen die Enteignung und den Ostmarken- Verein zu werben. Ein Grundbesitzer schickt seinen polnischen (!) Inspektor zu den Ansiedlern, um sie zu gleichem zu veranlagen; und da dieser an die Luft gesetzt wird, glaubt er jetzt, dast polnische Unter schriften schließlich den gleichen Effekt erzielen werden. Ein Dritter bietet den Eingcladcncn Freibier, um ihre 'Neigung zur Unterschrift zu kräftigen, und er muntert die Hartnäckigen mit der Begründung, der Landwirtschafrsminister stehe auf seiner Seite." Schließlich aber versichert das gleiche Blatt, nach Mitteilungen von zuverlässiger Seite er klären zu können, dast „Herr v. Schorlemer mit diesen Vorgängen nicht bloß in intellektuellem, sondern in direktem persönlichen Zusammen hänge steht". Angesichts dieses schwer kompro mittierenden Angriffs scheint es uns für den Herrn Landwirtschaftsminister nicht mehr ver meidlich, der Oeffentlichkeit auf die Frage, ob oder inwieweit die anonymen Verfasser der Schmähschrift sich auf ihn mit Recht berufen können, eine klare Antwort zu erteilen. Frei herr von Schorlemer soll infolge persönlicher Familicnbcziehungen ultramontaner Beein flussung besonders stark ausgesetzt sein. Er hat sich, nachdem er kaum in die Lage gekommen war, amtlich mit den Ostmarkenverhält nissen vertraut zu machen, zu persönlich ge reizten und völlig unmotivierten An griffen gegen einen alten, nationalen Verein von höchsten Verdiensten hinreisten lasten; einen Verein, der seine segensreiche und unent behrliche Abwehrarbeil in deutscher Treue auch dann noch verrichten wird, wenn Herr von Schorlemer längst nicht mehr das Landwirt schaftsrestort verwaltet. Frhr. v. Schorlemer hat seinen politischen Kredit schon damals in den weitesten Kreisen untergraben. Sollte es in der Tat auf Wahrheit beruhen, dast er sich nunmehr anon y mcrMittlcr bedient, um die Caprivipolitik, deren öffentliche Ver tretung ihm den nationalen '.'»willen eintrug, insgeheim zu fördern und zu propagieren, so würde ihm das den letzten Rest seines per sönlichen Kredits, den Ostmarrdeutschen den letzten Rest an Vertrauen in die Aufrichtigkeit amtlicher Regierungserklärungen rauben. Darum haben auch wir den aufrichtigen Wunsch, Herr von Schorlemer möge in der Lage sein, jeden Zu sammenhang mit den heimlichen Wühlern gegen den Ostmarkenverein in Abrede stellen zu können. Denrschlsnüs Schulde«. Das letzte Vierteljahrsbcit zur Statistik des Deutschen Reichs enthält eine Statistik der Schulden last des Deutschen Reichs und seiner Bundesstaaten, die ein weiteres Anwachsen der Neicbsschulden und auch der Schulden von verschiedenen Bundesstaaten erkennen lästt. Um Mißdeutungen gerade in der jetzigen ernsten Zeit oorzubeugen, sei jedoch von vorn herein sestgestellt, dast die finanzielle Lage des Reichs und vor allein des qröstten Bundesstaats Preusten — trotz der an dieser Stelle schon öfters als unerfreulich bezeichneten Entwickelung — keineswegs bedrohlich erscheint. Denn gerade die preußischen Schulden sind wirtschaftlich absolut unbedenklich, da sie in der Hauptsache Erwerbsanstaltcn — in erster Linie Eisenbohnunternebmungen — zugute kommen, wie denn überhaupt die Enenbahnschnlden der Einzel staaten 10,9 Millionen Mart von insgesamt 14,72 Millionen Mack Siyulden betragen. Die Zusammen stellung der genannten Zeitschrift bietet im einzelnen folgendes Bild: Die gesamten fundierten Reichs- und Staatsschulden beliefen sich auf 10285 Millionen Mark gegen 17573 Millionen i. L. 1909, 10573 i. I. 1908, 16 386 i. I. 1007, 15691 i. I. 1906, 15 205 i. I. 1905 und 13112 Millionen i. I. 1901. Die Steige rung war also mit 1712 Millionen Mk. im letzten Jahre erheblich gröster als in einem der vorauf gegangenen Jahre; ihr Maximum hatte sie vorher cm Jahre 1909 init genau einer Milliarde Mk. ge habt. ?n den neun Labren seit 1901 hat sich die Schuldenlast um 6173 Millionen Mk.. also um mehr als 6 Milliarden Mr. oder (7 v. H. erhöht. Das Reich hatte zu Beginn des Rechnungsjahres 1910 4557 Millionen Marl Schulden gegen 3894 i. I. 1909 und 3644 i. I. 1908. so dast im Rechnungs jahre 1909 eine Zunahme von nicht weniger als 663 Millionen Mk. stattgefunden hat. In den letzten neun Jahren hat sich die fundierre Reichs;chuld um 2241 Millionen Mk. oder 95 v. H. erhöht. Die Schulden der Bundesstaaten betrugen 14 729 Millionen Mark gegen 13 679 i. I. 1909, 12 929 i. I. 1908, 12 712 i. I. 1907, 12307 i. I. 1906. 12181 i. I. 1935 und 10 797 i. I. 1904. Jin letz.en Jahre hat hiernach eine Zunahme um 1050 Millionen Mark stattgefunden gegen 749 i. I. Il'09 und 188 i. I. 1908. Trotzdem allo nuch bei den Staatsschulden in letzter Zeit eine starke Steigerung der Ziffer ein getreten ist, haben sic verhältnismäßig nicht so sehr zugcnommen wie die Reichsschulden; in den letzten neun Jahren beträgt die Steigerung 3932 Millionen Mark oder 35 v. H. Die Vermehrung der Schulden war also beim Reich fast dreimal so grost als bei der Gesamtzahl der Bundesstaaten. Preusten hatte zu Beginn des Rechnungsjahres 1910 8777 Millionen Mark fundierte Schulden gegen 8225 i. I. 1909, 7619 i. I. 1908, 7620 i. 2. l9O7, 7229 i. I. 1906 , 7209 i. I. 1905 und 660'3 i. I. 1901. Die Zunahme war also im letzten Jabrc mir 552 Millionen Mark nichr jo grost wie im vv'-aurgcgangenen Jahre, in dem sic kl^o Millionen Mark betragen hatte, aber immerhin war sie noch recht bedeutend, besonders wenn man sie mit dein langsamen Ansteigen der früheren Jahre vergleicht. In den neun Jahren seit 1901 betrug die Steigerung 2174 Millionen Mark oder 33 v. H.; sie war mirhin ein wenig geringer als die Geiamtzunahme der Schulden der Bundesstaaten. Die Staatsschuld Bayerns betrug 2166 Millionen Mart gegen 1795 Millionen Mark zu Beginn des Rechnungsjahres 1808 (siir 1909 fehlen Angaben) und 1363 Millionen i. I. 1901: ne hat also in den letzten zwei Jahren um 371 Millionen Mark und in neun Jahren um 803 Millionen Mark, also 59 v. H. zu gcnommen. Das Königreich Sachten hat in der letzten Zeit seine Staatsschulo von Jabr zu Jahr, im letzten Jahre wieder um l Millionen Mark, herab setzen können; von 1903 dis 1910 ist eine Abnahme von 980 auf 893 Millionen Mark erfolgt. Im König reich Württemberg ist die Staatsschuld im letzten Jahre von 585 auf 606 Millionen Mark ersolgt, nachdem im vorausgegangenen Jahre eine Herabsetzung um 1 Million Mark test gestellt worden war. Gegenüber dem Jahre 1901 hat eine Steigerung um 110 Millionen Mark oder 23 v. H. stattgefunden. Baden hat im letzten Jahre seine Schuldenlast weiter um 51 (im Vorjahre um 36> Millionen Mark erhöht, io dast sie jetzt mit 557 Millionen Mark um 222 Millionen Mark oder 66 v. H. über der des Jahres litOI liegt. In Hessen, wo die Staatsschuld in den früheren Jahren ziemlich stark gestiegen war, bat im letzten Jahre eine Herab setzung um 1'', Millionen Mark erfolgen können. Die Schuld liegt mit 429 Millionen Mark um 50 v. H. über der des Jahres 1901. Die Staatsschuld von Els ast-Lothringen bat sich im letzten Jahre uni 2 Millionen Mark erhöht; sic beträgt nur knapp 40 Millionen Mark. In Mecklenburg Schwerin und in Br au» schweig ist die Staatsschuld iin letzten Jahre um je 1 Million Mark zurückgegangen. Von den Hansastädten hatte Hamburg wieder eine recht beträchtliche Zunahme der Staatsschuld, die li54 Millionen Mark betrug gegen 608 i. I. 19 9, 564 i. I. 1908 und 458 i. I. 1903. Die Staatsschuld von Bremen ist nach vorheriger starker Steigerung im letzten Jahre um 10,, die von Lübeck um 0, Million Mark gesunken. Verhältnismäßig sehr stärk (von 58 auf 71 Millionen Mark) ist die Staats- Ichuld von Oldenburg gestiegen, die in den vorauf gegangenen drei Jahren ein wenig zurückgegangen war. Anhalt und Reust ältere Linie haben über haupt keine Staatsschulden. Auf den Kopf der Bevölkerung kommen im Reiche 242,88 (im Jahre 1909 225.58» Mark Staats schulden und 75.14 (64,21) Mark Reichsschulden, zu sammen also 318,02 Mark gegen 289,79 Mark im Jahre 1901» und 273.30 Mark i. 2. 1908. Die Staatsschuld ist am grössten in Bremen mit 991»,97 Mark auf den Kops, demnächst folgen Hamburg mit 748,01, Lübeck mit 605,63, Hessen mit 354,51, Bayern mit 331,98, Baden mit 277,10, Württemberg mit 263,35, Preusten mit 235,34, Mecklenburg-Schwerin mit 207,29, Sachsen mit 198.08 und Oldenburg mit 168,27, während auster Anhalt und Reust ä. L. am günstigsten dastchen Sachsen-Altenburg mit 4,27, Großherzogtum Sachsen mit 6,08 und Reust j. L. mit 7,20 Mark aus den Kopf. Da aber der Berechnung nach die Bevölterunosziffer von 1905 zu Grunde ge legt ist. oie sich inzwischen in fast allen Staaten wesentlich erhöht hat, ermästigt sich in Wirklichkeit die auf den Kopf entfallende Staatsschuld um etwas. Marokko nnü üas Völkerrecht. Professor Dr. Niemeyer-Kiel, der bekannte Völterrcchtslehrer, veröffentlicht in der neuesten Num mer der „Deutichen Juristenzeitung" über Marokko und das Völkerrecht einen Artikel, der sich mit der derzeitigen Lage Marokkos befasst. Der Verfasser führt u. a. folgendes aus: Nachdem am 7. April 1906 die Algeciras-Akte unterzeichnet war, durfte als das Wesentliche des Vorganges der Sieg der europäisch-amerikanischen Kulturjolidaritüt über die marokkanische Unkultur bezeichnet werden, und es konnte hinzugcfügt werden, dast die Bedeutung der Algeciras-Konferenz über das besondere Interesse der Marokkofrage hinaus rage, indem sie das allgemeine Zutrauen zu dem Fortschreiten völkerrechtlicher Kulturorganisation wesentlich gestärkt habe. Inzwischen sind neue Stürme über das scherifische Reich dahingegangen, und die elektrische Spannung hat sich wieder zu solcher Druckhöhe gesteigert, dast das Erscheinen eines deutschen Kanonenbootes vor Agadir die ganze politische Welt in Unruhe zu setzen vermochte. Völkerrechtspessi misten sagen: Die Algeciras-Akte ist gesprengt, ikr Recht hat sich als eitel Papier erwiesen, Macht geht vor Recht. Vom objektiven Standpunkte der poli tischen Entwickclungsgeichichte betrachtet, stellen sich die neuesten Ereignisse der Marokloangelegcnheit als die naturgemäße Fortsetzung der mit dem Jahre 1890 begonnenen europäischen Afrika-Politik dar. Nicht etwa die Madrider Konvention von 1880 (sie regelte ja nur eine Spestalfrage — die Rechtsver hältnisse der Schutzbefohlenen in Marokko — und wurde erst 1906 durch Algeciras berühmt) ist ge meint. wenn jenes Jahr hervorgehoben wird; viel mehr ist es der nationalägyptische Aufstand Arabi Paschas und die an die Beschiestung Alexandriens sich anschließende Besitznahme Aegyptens durch Eng land, wodurch damals die graste afrikanische Frage ausgerollt wurde. Und um diese handelt es sich in Wahrheit auch jetzt; die Marokkofrage ist nur ein Ausschnitt jener Weltangelegenheit. Nur eine Phase in dieser Gesamt entwickelung ist die englisch französische Abmachung vom 8. April 1904, durch welche Marokko den Fran zosen, Aegypten den Engländern überantwortet werden sollte. Die Landung des Kaisers in Tanger und die Ein'prache Deutschlands gegen jenes Sonder abkommen lagen in derselben Richtung wie die Bc- mühungcn der Berliner Kongokonserenz im Jahre 1885, deren ausgleichende Tendenz und Wirkung in Algeciras 1906 ihre Fortsetzung in Anwendung auf Marokko fand. Auch heute, und zwar heute erst recht, bleibt es dabei, dast es in Algeciras weder Sieger noch Besiegte gegeben hat, sondern dast das wohlverstandene Interesse aller an der Afrikapolitik beteiligten und interessierten Staaten gefördert wurde, indem die Diagonale im Parallelogramm der Jnieressen gesucht und im wesentlichen gefunden wurde. Es must zugegeben werden, dast weder die Polizeiorgnniiation noch die Marokkobank, weder die Zollverhältnisie noch das Fremvenrccht der Algeciras- akte alle Wünsche befriedigt haben und dast die internationale Organisation in Marokko sehr der Vervollkommnung bedarf. Die Regierung und die Bevölkerung Marokkos Haden durch Bruderkrieg. Ausstände und Fremdenverjolgungcn aufs neue die Intervention der Kulturstaaten herausgcsordert. Nachdem die französische Aktion und deren ver kleinerte spanische Nachbildung diese Intervention eingeleitet Haden, hat mit der Entsendung des „Panthers" das Deutsche Reich den Zeigefinger er hoben und mit ruhiger, aber deutlicher Gebärde auf die europäische Jntercssensolidaritäl und die Not wendigkeit völkerrcchtsgcmästcr Behandlung der Marolkofrage als eines Aufschnittes der gesamten Asrikafraae hingewieken. Dast dies in lediglich plato nischen! Sinn geschehen, wird niemand glauben oder fordern; nur wer Karten in der Hand hat. kann mitspielen; wer keine Realbealaubigung bcibringt, dem fehlt hier die Sachlegitimation. Selbnverständ- lich fordert das Deutsche Reich nicht nur theoretische Anerkennung der offenen Tür, sondern in irgend einer Form deren vruktiiche Gewährleistung. Deutsch land darf aber nach seiner Mitwirkung bei der Kongo- und Algeciras Akte siir sich die Präsumptivn bean spruchen, dast es auch seine besonderen Interessen lediglich im Zusammenbang der internationalen Kultur- und Reckitsgemeinschast zur Geltung bringen will, welche mit gesamter Hand die Airikafragc zu regeln berufen ist. Die Völkerrechtsirage macht dabei, trotz ihrer Verwickeitheit im Verhältnis der Kulturslaaten weniger Schwierigkeit, doch noch größer: Schwierigkeiten in dem Verhältnis zu der moham medanischen Welt, deren innere Solidarität, von Kamerun bis Indien, nicht nur Energie, sondern gleichzeitig allergrößte Vorsicht gebietet, auch wo ihre fanatische Haltung gegenüber der abendländischen Kultur zweifellos den völkerrechtlichen Titel der Intervention in jedem Sinne des Wortes be gründet. Es darf nicht vergessen werden, dast nur diejenige Intervention erfolgreich und darum berechtigt ist, welche an die Stelle der be stellenden Staats- und Nechtsfonnen wirkl-ch Besseres setzt und den Bestand rechtlicher Ordnung gewährleistet. Ordnung und Gereckckiqkeit sind die ewig gültigen Kennzeichen wie alles Rechtes, >o auch des Völkerrechtes. Tic Diplomatie wird hier neue Formen internationaler Vergesellschaftung zu suchen haben und sie nach dem Prinzip der Kultur- »olidarität und gemäß den guten oder schlechten Er fahrungen z B. der türkischen ,.«lette ,nchiiee", der ägyptischen Schuldcnverwaltung, der internationalen Finanzkommission in Griechenland und sonstiger in ternationaler Spezial-Organisationen, vor allem aber in der organischen Fortbildung und Erweiterung der durch die Algeciras-Akte geschaffenen Verbältn-sic zu finden wissen. Die Loge im belgischen Kongo. Es ist nicht leicht, über die heutige Lage im Kongo, insbesondere über die Wirrungen Ser Reforincrlasse ein tlarcs Bild zu gewinnen; die Be richte, auch seitens der Missionare, fliesten spärlich, was sicher teilweise daraus zu erklären ist, dast man vorerst der neuen Entwicklung abwartend gegenüber siebt. Besonders empfindlich und fast auffallend ist das Fehlen ocr englischen Koninlarberlchtc, die sonst für die Beurteilung der Zustände eine der besten Oucllen waren. Welchen Zweck die englische Regie rung in der Unterdrückung dieser Berichte verfolgt, deren Veröffentlichung von der englischen Kongo- Liga und englischen Handelskammern wiederholt energisch gefordert worden ist, ist nicht recht ersichtlich. Soviel ist indes sicher, dast in verschiedenen Teilen des Kongo eine erhebliche Besserung der Zustände schon eingetreten ist. So sagt der Brief eines Missionars von Bolobo: „Jia vorigen Jahre (1909» seufzten die Eingeborenen noch unter der unerträg lichen Last der Kautschukstcucc. Nicht lange nach meiner Reise wurde dies System geändert; eine Geldsteucr von 10 Frcs. wurde allen männlichen Er wachsenen an Stelle der Kautschukliescrungen aus erlegt. Allerdings war auch dies noch eine Härte, da die Leute fast keine Gelegenheit halten, sich Geld zu erwerben. Es bedeutete deshalb für sic eine un geheure Erleichterung, als einige Angestellte einer Handelsgesellschaft kamen und in dem Distrikt Fak toreien errichteten. Sie legten sofort eine graste Kautschukpflanzung an und gaben so 200—300 Ar beitern Beschäftigung. Außerdem machten sie be kannt. dast sie Kautschuk in jeder beliebigen Menge zu 4 Frcs. das Kilogramm kaufen würden. Daneben kauften sie Hühner und Enten in ansehnlichen Quantitäten. So haben die Leute jetzt genügend Ee legenheit, sich Geld zu verdienen und ihre Steuern zu bezahlen. Ausserdem ist jetzt die Steuer von 19 auf 5 Frcs. ermästigt worden, so dast sie nun in keiner Weise mehr drückend ist. Es war mir eine groste Freude, einen so bedeutenden Wandel zum Besseren zu sehen." Aus Upoto schreibt ein Missionar: „Die Zustände um uns herum bessern sich sehr, die Leute entwickeln einen grosten Eifer, viel Geld zu verdienen. Wir hören allerdings, Last jenseits des Flusses, in dem von der -Gesellschaft aus ¬ gebeuteten Gebiet, das alte System noch fortdauert." Reo. Clark von der amerikanischen Baptisten mission bestätigt ebenfalls, dast in dem Gebiet der früheren Kronüomäne, soweit er es bereist hat, die Lage sich „wundervoll gebessert" habe; allerdings seien die zugänglichen Teile der Krondomäne so gut wie völlig von Kautschuk entleert. Ein anderer amerikanischer Missionar. Dr. Copperqe, der den britischen Vizekonsul auf ciner Reise in den Kasai begleitete, berichtet auch dorther von Besserungen Sehr erfreulich ist, dast auch hier Prioatkaufleutc Niederlassungen gegründet haben. Aus dies:« Berichten ergibt sich jedenfalls soviel, dast wenigstens in manchen Teilen der für den Handel geöffneten Distrikte die Durchführung der Reformgesetze angestrcbt wird, dast dem freien Handel Niederlassungen möglich gemacht und auf diese Weise der Bevölkernng bedeutende Erleichterungen zuteil werden. Dagegen scheint in den noch nicht geöffneten Teilen wenig verändert zu sein. Der belgische Ab geordnete Vanderoclde selber glaubt, dast hier die Zustände so schlecht wie nur je sind. Unklar ist be sonders noch das Verhältnis zu den Konzessions gesellschaften. Zwar hat die Regierung sich mit der mächtigen Kasaigesellschast abgefundcn, indem die letztere dem belgischen Staate 12 Millionen Franken zahlt, der ihr dafür die aus König Leopolds Zeit stammenden 50 Prozent Aktien zuriickgibt; sämtliche
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