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MMufferTageblalt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Das »Wilsdruffer Tageblatt- erscheint an allen Werktagv» nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis: Bei Abholung in der Geschüftsstelle und den Ausgabestellen 2 RM. im Monat, bei Zustellung durch die Boten 2,30 RM., bei Postbeftellung 2 SiM. zuzüglich Abtrag- gebühr. Einzelnummern 15Apfg.AlleP»stanstalten Wochenblatt für Wllsdrufs u. Umaeaend Postboten und unscreAus- tragerund Geschäftsstelle» " - - nehmen zu jeder Zeit Be ¬ stellungen entgegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung der Zeituug oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beilicgt. für Bürgertum/ Beamte/ Angestellte u. Arbeiter. Anzeisenpreis: die 8 gespaltene RaumzeUc M Rxsg., di-< gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Reichs, psennig, die »gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile 1 Reichsmark. Nachw-isungsgebiidi LV Reichspsennigc. Por. gesckr'edeneErscheinungs- rage und Platzv^rschrijken werden nach Möglichkeit Fernsprecher: Amt Wilsdrun 9er. 6 beriicksichtist. Anzctgcn. annabme bis rorm.lOUHr. ' ' Für die Richtigkeit der durch Fernruf übermitteltenAnzeigen übernehmen wir keine Garantie. Jeder Aadat anspr. ch ec .cht, rvenn der Betrag durch Klage eingczo^en werden mutz oderderAuftraggcberin Konkurs gerat. Anzeigen nehmcn alle Vermittlungsstellen entgegen. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauplmannschaft Meißen, des Amts- gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstremamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Freitag, den 4 Oktober 1929 Nk 232 — 88. Jahrgang Telegr.-Adru „Amtsblatt* LBitSdrUff-DresdeN Postscheck: Dresden 2640 Zum Tode der ReilhMbeimmsters Zr. Nresemm Dr. Stresemann. Man wußte seit langem, daß der deutsche Außen minister krank war, nicht ungefährlich krank. Vor ein paar Jahren war ein Ohnmachtsanfall im Reichstag schon ein erstes Signal gewesen für das, was in der Nacht vom 2. zum 3. Oktober eintrat. Vergebens hat er in langer Urlaubszeit versucht, den Körper so weit wieder zu kräftigen, daß dieser besser den ungeheuer schweren Anforderungen des Amtes genügte, den restlosen An strengungen des Geistes wieder ein zuverlässiger Diener würde. Jetzt hat mit schneller Hand der Tod nach ihm gegriffen. Immer war es Bismarcks, des Deutschen Reiches ersten Außenministers, Wunsch gewesen, „in den Sielen" zu sterben. Den späten Nachfolger warf der plötzliche Tod vom Arbeitsplatz ins Grab. Und auf seinen Grab stein wird man in historischer Wahrheit einen anderen feierlichen Spruch setzen: „katriao inssrvwnäo oonsuinptns K8t", „er hat sich verzehrt im Dienst am Vaterland". Dem werden auch seine politischen Gegner zustimmen. Und dieser Satz gilt, wie auch das Urteil sich gestalten mag, das einst die Geschichte über diesen Mann und sein Wirken, über sein Wollen und sein Handeln, über die ganze, mehr als ein Dutzend Jahre umfassende politische Tätigkeit des Abgeordneten, Parteiführers, Reichs kanzlers und oftmaligen Ministers fällen wird. Daß diese Tätigkeit ganz in den Dienst am Vaterland ein gespannt war, wird ihm auch der Großteil jener Kreise zugestehen, die sein Handeln und seine Ziele nicht billigten. Dr. Stresemann durfte mit Stolz fügen, daß er alles, was er erreichte, mit eigener Kraft erkämpft hat. Schon der noch Jugendliche errang sich Einfluß und Beachtung in der deutschen Industrie und über dieses Sprungbrett hinüber kam er zum Reichstag. In die Nationalliberale Partei hinein. Dort wuchs der erst 29jährige allmählich in die Führerschaft hinauf; während des Krieges spielte er hier schon eine sehr maßgebliche Rolle. Politisch-welt anschaulich durchaus rechts gerichtet, hat er aber schon 1817 bei den Ereignissen um den Sturz Bethmann-Holl wegs die „Tuchfühlung" nach links nicht aufgegeben. Denn trotz seines festen Glaubens an einen entscheidenden Endsieg Deutschlands, trotz seines „Annexionismus", den Wan ihm später sooft vorwarf und der dann auch seiner Politischen Laufbahn schwere Hemmnisse bereitete, sah er, wie das Alte, das Erbe der Vater, allmählich, aber unauf haltsam verschwand. Schwer trafen ruesen Mann die Novemberereignisse, erschütterte den Monarchisten der Sturz des Kaisertums. Die neue Ära wollte von lchn nichts wissen, aber ihn ver drängen konnte man Nicht. Weu ihn di. Neuen nicht haben wollten, gründete er „ferne , die Deutsche Volkspartei. Immer ist sie, trotz mancher Gegnerschaft in den eigenen Reihen, doch immer „ferne Partei geblieben, die dem Willen des Führers in entscheidenden Augenblicken, wenn auch bisweilen murrend, nachgab. Noch ein paar Stunden vor dem Tode dieses Mannes fugte sie sich seiner Tatkraft, die die gegenwärtige Koalitionskrise aus der Welt räumte. Aus dem Monarchisten, der noch 1919 dem ehemaligen Deutschen Kaiser nach Dvorn emen Huldigungsgruß tele graphierte, dessen Partei noch 1919 gegen die Verfassung stimmte, 1920 und 1921 nur das Schwarz-Wcitz-Rot als nationale Farben anerkannte, aus dem Bekämpser der rein formalen Demokratie wird alimahltch ein anderer Mensch. Seine Partei sitzt bald mit im Kabinett, allerdings ohne erheblichen Einfluß. Er macht die Versuche der deutschen Politik mit, in den Jahren bis zum Ruhreinbruch einen Ausgleich mit der Entente herbeizufuhren. Männer seiner Partei sitzen im Kabinett Cuno, dem dieser Ruhrkamps selbst aufgczwungen wird, führen den deutschen Wider stand. Bis dann am 12 August 1923 dieses Kabinett dem Ansturm der Parteien von der Sozialdemokratie bis zum Zentrum^ plötzlich erlag, aber Dr. Stresemann Reichs kanzler, Führer der Großen Koalition wurde. Dieser Tag und diese ^at sind der äußerliche Wendepunkt in dem politischen Handeln und Wollen dieses Mannes. Der Widerstand an Ruhr und Rhein war nach seiner Meinung hoffnungslos geworden; die Reichsmark sank ins Bodenlose, Hungerkrieg, ja Revolu tion drohten — all dem beugte sich Stresemann und zog aus diesen „Realitäten" die naheliegenden Folgerungen. Er wollte sich ganz in die Wirklichkeit Hinemstellen. Auch mit seinen Anschauungen über das neue Deutschland und seine Staatsform. All dieses wurde für ihn das allem Entscheidende und damit war er außen- wie innenpolitisch ein anderer geworden. Einer, der die Dinge nur so nehmen wollte, wie sie sind. Oder wie er sie auffatztc. Das Wünschen verstummte. Und seine vielberufene Er füllungspolitik wollte in langsamer Arbeit wieder einen Boden schaffen, auf dem ein freies Deutschland sich bewegen sollte. Er hielt dieses Ziel für erreichbar — seine Gegner nicht. Er griff als vielqewandter Mann nach allem, was er als Mittel zur Erreichung dieses Zieles für verwendbar hielt, seine Gegner bestritten, daß wir damit aus dem Wege vorwartskamen. Sie klagten ihn an, daß er äußerem Schein zuliebe deutsche Lebenswerte hingegeben habe, den Weg zur Freiheit da mit verbaue, nur an den Augenblick denke, nur mit ihm rechne, nicht auf die Zukunft fchaue. Er, der sich auf dem Boden jedes Verhandlungszimmers, der Volks versammlung, des Reichstages geschickt zu bewegen ver stand, hat eine scharfe Klinge den innenpolitischen Gegnern gegenüber gebraucht. Aber er vermied es fast immer, in die Niederungen persönlichen Kampfes hinab zusteigen, suchte sachlich zu überzeugen, daß ein neues Deutschland nur auf dem Wege erstehen könne, den er zeige und auf dem er vorangehe. Und daß für das Deutschland von heute nicht viel mehr und nicht viel Befferes aus den gegebenen Verhältnissen der Gegenwari herausgeholt werden könne, als er bemüht sei, zu er reichen. Sechs Jahre laug Hai er Viesen Weg entscheidend be stimmt und ihn wohl auch vorgezeichnet für die nächste Zukunft. Ob er zum Ziel führt oder nicht — erst diese Zukunft wird es entscheiden. Und wird damit auch das Urteil darüber fällen, ob Dr Stresemann sein Vaterland wieder einem besseren Morgen näher brachte oder ob er sich durch die Irrlichter einer falschen Politik, einer uto pischen Zielsetzung ins Verderben locken ließ. Wir Deutsche von heute wissen es noch nicht. Aber groß oder klein — das macbt beim Staatsmann erst: der Erfolg. * Trauerkundgebungen für Or. Stresemann. Ein Staatsbegräbnis. Der Tod des Reichsaußenministers Dr. Stresemann ist der breiten Öffentlichkeit völlig überraschend ge kommen. Noch am Tage vor seinem Tode hat Dr. Strese mann lebhaften Anteil an den Verhandlungen ge nommen, die zur Beilegung einer Regierungskrise wegen der Reform der Arbeitslosenversicherung geführt wurden. Seine ihn behandelnden Ärzte haben allerdings schon seit längerer Zeit mit seinem Ableben gerechnet, da sich bei ihm infolge der aufreibenden und aufregenden Tätigkeit starke Ermüdungssymptome zeigten und er alle ärztlichen Mahnungen zur Zurückhaltung immer wieder ausschlug. — über die letzten Stunden Dr. Stresemanns werden folgende Einzelheiten bekannt: Von der Krankenschwester, die dauernd im Schlaf zimmer anwesend war, um bei einer plötzlichen Ver schlechterung des Befindens sofort zur Hand zu sein, ließ er sich am Mittwoch abend Mundwasser und Zahnbürste reichen. Während er Glas und Zahnbürste in der Hand hielt, verzerrten sich seine Gesichtszügc plötzlich, er ließ Heides fallen, machte mit dem rechten Arm einige hilflose Vewegungen in der Lust, versuchte zu sprechen, konnte lber nur noch unverständlich lallen und sank in die Kisten ,urück. Professor Dr. Kraus und Professor Dr. H. Zon- »ek, die sofort herbeigerufcn wurden, konnten nur fest- tellen, daß ein Schlaganfall eingetreten sei. Strese- nann war ohne Bewußtsein, röchelte schwer, die rechte Seite war vollkommen gelähmt. Die Ärzte, die uchrere Stunden am Krankenbett verbrachten, konnten eine sichere Prognose stellen. Es erschien möglich, Ltresemann noch am Leben zu erhalten, aber als körper- ich und geistig siechen Mann. Mit der Schwester wachte >ann der diensthabende Arzt die ganze Nacht hindurch im Schlafzimmer. Kurz vor 146 Uhr hörte das stöcheln auf und der Arzt stellte fest, daß der Tod in getreten sei, ohne daß Stresemann das Bewußt- Das Auswäriige Amr Hai ebenso wie die übrigen öffentlichen Gebäude Berlins anläßlich des ^odes Dr. Stresemanns halbmast geflaggt. tztn wiedererlangt hatte. Ein zweiter Schlaganfall hat ms Leben beendet und Stresemann vor einem qualvollen Liechlum bewahrt. Tie Familie wurde verständigt und fand sich alsbald m Sterbezimmer ein. Die Leiche war auf dem Bett auf- lebahrt, das Gesicht zeigte einen friedlichen Ausdruck, eine Spur eines schweren Todes. Eine schier unübersehbare Fülle von Bei eidstelegrammen sind im Trauerhause ein- icqcmgcn. Reichspräsident von Hindenburg, der einen urzen Urlaub auf dem Gut Neudeck in Westpreußen ver edle, sandte an Frau Stresemann folgendes Telegramm: Tiefbewegt sende ich Ihnen und den Ihren den Ausdruck meiner herzlichen Teilnahme an dem plötzlichen Tode Ihres Gatten, der bis zum letzten Atemzuge so treu für sein Vaterland gearbeitet hat, und zeichne von Hindenburg. Ter Reichspräsident hat sofort seinen Urlaub ab- lebrochcn, um nach Berlin zurückzukehren. Auch bei den »emschen Auslandsvertretungen sind zahlreiche Beileids- »ezeugungen eingelaufen, unter anderem haben Briand, Nussolini, das englische Kabinett, der Völkerbund usw. hre Anteilnahme der deutschen Regierung zum Ausdruck »ringen lassen. Die Beisetzung Dr. Stresemanns wird auf Staatskosten erfolgen. Seine sterbliche Hülle wird im ßlcnarsttzungssaal des Reichstages aufgebahrt werden ind vor der Beisetzung soll dort eine große Trauerkund- zcbung stattfinden. Da man eine gewaltige Beteiligung m der Beisetzung Voraussicht, ist beabsichtigt, die über- uhrung so zu gestalten, daß möglichst weite Kreise Gelegenheit haben, den Trauerzug zu sehen. Die Bei- etzung selbst soll nur im engsten Familien- und Freundes- rns erfolgen. Beileidstelegramm des Reichstags. Präsidium und Vorstand des Reichstages haben fol gendes Telegramm an Frau Reichsminister Dr. Strese mann gesandt: „Tief erschüttert durch das unerwartet plötzliche Ableben Ihres Gatten, unseres langjährigen hervorragenden Mitarbeiters im Reichstag und uner müdlichen Vorkämpfers um die Wiederanfrichtung und Anerkennung des deutschen Volkes im Auslande, sprechen wir Ihnen und Ihren Söhnen den Ausdruck ausrichtigen und herzlichen Beileides aus." Beileidstelegramm des Reichskanzlers. Reichskanzler Müller hat im Namen der Neichs- regierung ein Beileidstelegramm an die Neichstags- fraktion der Deutschen Volkspartei gerichtet, in dem er zu dem schweren Verlust die aufrichtigste Teil nahme ausspricht. Reichsaußenminister Dr. Strese mann sei ein Opfer seiner großen Pflichterfüllung geworden. Seine Verdienste um die deutsche Außen politik werden erst nach seinem Tode voll gewürdigt werden. Weit über die Deutsche Volkspartei hinaus betrauere die überwältigende Mehrheit des deutschen Volkes in ihm eine der größten Persönlichkeiten der Gegenwart. * Trauer in Sachsen Das Beileid -er sächsischen Negierung. Die sächsische Negierung hat solgendes Telegramm an die Rcichsrcgierung gesandt: „Ties erschüttert von dem plötzlichen Ableben des Herrn Neichsaußenminifters Dr. Stresemann spricht die sächsische Regierung der Reichsregierung ihre aufrichtige Teilnahme aus. Der Verlust dieses Staatsmannes, der aus schicksalsschweren Verhandlungen so jäh herausgcrisscn wurde, bedeutet für die deutsche Rcichspolitik einen schweren Schlag. Seine Pflichttreue im Dienste des Vaterlandes, die bis zur Selbstaufopferung ging, und die überragende Be deutung seiner Persönlichkeit sichern ihm in der deutschen Geschichte einen Ehrenplatz. Der Freistaat Sachsen, von dem aus Dr. Stresemann seinen staats- und wirt schaftspolitischen Aufstieg erleben konnte, verehrt in ihn: einen verständnisvMen Freund seiner Wirtschaft und Kultur und wird ihm ein dauerndes Andenken be wahren." Oie Teilnahme des Landtages. Der Sächsische Landtag hat an Frau Außen minister Dr. Stresemann solgendes Beileidstele gramm gesandt: „Hochverehrte Frau Dr. Stresemann! Im Namen des Sächsischen Landtages bekunde ich Ihne» und Ihren verehrten Angehörigen beim Ableben Ihres hochgeschätzten Gatten, des Herrn Reichsaußenministers, herzliche Teilnahme. Seine lange und schwere Arbeit im Dienste der Deutschen Republik wird nicht vergessen werden!" An die Rcichsrcgierung hat der Sächsische Landtag solgendes Telegramm gerichtet: „Im Namen des Sächsischen Landtages spreche ich der Neichsrcgierung beim Ableben des Herrn Dr. Stresemann berrlicke ^.en-