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MlsdrufferTageblatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Dl» Mlrdrvff» Toseblatt' erschein» an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis: Bei Abholung in »er DeschilstsstcUc >«d Sen Ausgabestellen 2 RM. im Monat, bei Zustellung durch die Boten 2Fu AM., dm Poitbeftellung r BW. Abtrag. —. gebühr. Einzelnummern Ep,,.Ail.B°b-nft--en Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend Postbote»und-., t^I,erund»eschSslsstellen ! nehmen zu ,eder Zei» B«. llellungeu entgegen. Im Fallt höherer Dewal», Krieg oder sonstiger Betriebsstbrungen besteh» Hein Anspruch aus Lieserung der grtwug oder Kürzung des Bezugspreises. — Bahnsendung ringesandter Schriftstück« erfolgt nur, wenn Porto deiliegt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Anzeigenpreis: di« 8 gespalten, Raum,eile 2V Rptg., di« t-Urai»«»« Z«il« »er amtlich«» Bcdanntmachuugr» sa ««ich», psenmg, die Lgespallene Reklamez«il« im textlich«» Tei'' . Reichsmark. Nachweijungsgebützr 20 Reichspsennig«, Bor- geschrrebe»eL-schri»ung«. — , . Mae und PlaSporschriste, «^«rnsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 berü-ksicha,.. annabme dtv oorm.lOUHr. — - ' — " Für ^te d« durch Fernruf üdermttteltenAnzetgrn übernehmen wir Heine Garantie. Jeder Stadananspruch eriifcht, wenn derBetrag dnrch Klage erngezogen werden mutz oder der Auftraggeber in Kontmrs gerit. Anzeigen nehmen alle Vermittlungsstellen entgegen. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts- gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Rr 1. — 88. Jahrgang Telegr.-Adr.: »Amtsblatt* Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 264k l Mittwoch, den 2 Januar 1S2S Wünsche und Enttäuschungen. Gewöhnlich sind ja Neujahrsieden offizieller Natur nur der Austausch höflicher Floskeln, Allgemeinheiten, politischer Selbstverständlichkeiten unpersönlichster Art. Nur einmal war eine solche Rede von größter politischer Bedeutung. — aber es ist schon gerade 70 Jahre her, als Napoleon Hl. auf dem Neujahrsempfang dem österreichi schen Gesandten mitteilte, er bedauere feststellen zu müssen, daß das Verhältnis zwischen Frankreich und Österreich nicht derart sei, wie es im Interesse des Friedens sein sollte; ein paar Monate später brach ja dann auch der Krieg aus. Aus dem diesmalien N c u j a h r s e m p f a n g des Diplomatischen Korps beim deutschen Reichspräsidenten schwang die Rede Hindenburgs einen Ton. der doch trotz aller selbstverständlich gebotenen Zurückhaltung der Deutlichkeit nicht entbehrte. Hatte der Nuntius als Sprecher der ausländischen Gesandten von dem allge meinen Fortschritt im Friedenswillen gesprochen, an dem die sofortige Zustimmung Deutschlands zum Kellogg-Pakt erheblich beigetragen hat, so gab Hindenburg in seiner Antwort der tiefen Enttäuschung des deutschen Volkes Ausdruck, daß es immer noch auf einem großen Teil seines Heimatlandes die Freiheit, die Selbstbestim mung entbehren muß, daß die Nichtbefreiung des Rheinlandes also eine der schwersten Enttäu schungen und Rückschläge im vergangenen Jahre ge wesen ist. „Nach göttlichem und menschlichem Recht haben wir Anspruch auf diese Frei heit und ihre Wiedererlangung hat Deutschland längst erhofft." Friedensgemeinschaft der Völker — das bleibt solange ein leeres Wort, als nicht — Hindenburg unter strich das wiederholt""— Vertrauen, Gleichberechtigung und wirkliche Freiheit aller gegenüber allen dort obwal ten. Leider ist davon in der Praxis keineswegs die Rede, -bleiben immer wieder „herbe Enttäuschungen" RA „ Ai ^eim Empfang des Rcichskabinetts klangen ähnliche, "«oer natürlich noch deutlichere Töne. Auch der Reichskanzler Müller sprach davon, daß auf außenpolitischem Gebiet die Hoffnungen und Wünsche, die jeder Deutsche hege, nicht in Erfüllung gegangen seien, besonders in der Rheinlandfrage; daß man selbstverständlich trotz dem nicht davon ablasscn werde, zu hoffen, nach den Enttäuschungen die Wünsche schließlich doch zur Erfüllung gebracht zu sehen. Ter Krieg ist eben immer noch nicht liquidiert, weder innerlich noch äußerlich; die äußere Li quidierung, nämlich die Regelung der Neparations- frage, soll ja nun kommen, aber sie wird nicht gerade er leichtert durch den Glauben des Auslandes, Deutschlands Wirtschaft befinde sich in höchster Blüte. Man hat im Ausland eben gar keine Ahnung, welche großen Schwierigkeiten, welche Sorgen sich auf dem Wege zu einer wirklichen Gesundung entgegenstellen; man sieht im Ausland nur, wie Deutschland vor zehn Jahren aussah und Wie es jetzt aussicht. Gewiß, es geht vorwärts, »ber langsam, und das Ausland, unsere offenen Feinde von einst und heimlichen Gegner von heute, erleichtern uns das Vorwärtskommen durchaus nicht. In seiner Antwortrede beklagte auch der Reichs präsident, wie groß die Enttäuschung im deutschen Volke über diesen Widerstand des Auslandes, besonders hinsichtlich der Räumung des Nheinlandes geworden ist. Daß heißeste Wünsche vergeblich blieben. Dabei sind unsere Sorgen im Jnlande um das Schicksal unserer Wirtschaft nicht minder groß. Mit tiefer Dankbarkeit wird es die deutsche Landwirtschaft, besonders die des Ostens, vernehmen, daß der Reichspräsident in überaus dringlicher Form es der Reichsregierung ans Herz legte, den deutschcn Laudwirteu in ihrer schwe - renNotzu helfen und immer wieder zu helfen. Er freulicherweise haben sich im Laufe der zehn Jahre eine ganze Reibe innenpolitischer Spannungen gelöst, so daß man etwas klareren Auges, parteipolitisch weniger beein flußt, an hie Regelung schwerwiegendster wirtschaftlicher Probleme Herangehen kann. Notwendig genug ist's ja. Wie hoch ist das Mich verschuldet? Schon damals war es nicht richtig, was die Sachver ständigen der Dawes-Kommission behaupteten, daß nämlich infolge der Inflation nicht bloß Reich. Länder «nd Gemeinden schuldenfrei seien, sondern auch die deutsche Wirtschaft; denn die dritte Steuernotverordnung hatte allein schon die Auswertung — nach Ordnung der Ncparationsverpflichtungen — vorgesehen. Inzwischen ist alles anders geworden. Ebenso wie auf der Wirtschaft lasten auf Reich, Ländern und Gemeinden ganz ungeheure Schuldensummen und namentlich die Verschuldung des ,Reiches ist eine außerordentlich hohe geworden. Gering freilich ist die Summe, die das Reich zunächst aus den Inflationszeiten in die der stabilisierten Währung hinübernahm; da sind, im Betrage von etwa 20 Millionen „Goldmark", u. a. die berühmten „X-Schätze", die Schatzanweisungen des Jahres 1923, die aber erst 1935 Eingelöst zu werden brauchen. Der Dawes-Plan brachte Nun aber eine Niesensumme an Reichsschulden mit sich. Da ist zunächst die vom Ausland, und zwar zur Hälfte von Amerika ausgebrachte „Dawcs-Anleibe" 1924 im Betraue KllnWilM zum ZOesmkW Aeujahrsempsänge beim Reichspräsidenten. Was Deutschland vom neuen Jahr erwartet. Der offizielle Neujahrstag beim Reichspräsidenten be gann mit der militärischen Wachtparade, die durch das Brandenburger Tor über die Linden und die Wilhelmstraße zum Palais des Reichspräsidenten zog und deren Meldung der Reichspräsident vor dem Portal des Hauses entgegennahm. Hieran schloß sich ein Morgen- ständchen der Kapelle des Wachtregiments im Park des Hauses. Um 12 Uhr mittags empfing Reichspräsident von Hindenburg in der üblichen Weise die Chefs der fremden diplomatischen Vertretungen. Der Apostolische Nuntius Monsignore Pa ce lli brachte als Doyen die Glückwünsche des Diplomatischen Korps in einer Ansprache zum Ausdruck, in der er u. a. folgendes ausführte: „Trotz unvermeidlicher Enttäuschungen, trotz schmerz licher Hemmungen, trotz zeitweiliger Rückschläge schreitet die Menschheit auf dem majestätischen Wegedes Frie dens entschlossen voran. Deutschland selbst hat sich, in dem es gleich im Anfänge dem Pakt zum Verzicht auf den Krieg als Instrument der nationalen Politik beitrat, feierlich zum friedlichen Ausbau der Beziehungen zwischen den Staaten bekannt. Möge das beginnende Jahr die glückliche Lösung der wichtigen und heiklen Aufgaben bringen, von denen die Ruhe Europas abhängt, und M-Nmstein bilden auf dem lichten und sO einen ANI? erfolgreichen Pfade zum brüderlichen Einigung aller Menschei-^A..., Der Reichspräsident antwortete hieraus söig^ReME , „Sie haben von den Enttäuschungen und Rückschlägen gesprochen, von denen die Völker in ihrem Streben nach friedlicher Entwicklung betroffen wer den. Seien Sie versichert, daß kein Land solche Ent täuschungen und Rückschläge härter empfindet als Deutsch land, das trotz seiner ernsten Bemühungen um Herstellung einer wahren, auf Vertrauen und Gleichberechtigung be ruhenden Friedensgemeinschaft noch immer von der Sorge um die Erfüllung berechtigter Erwartungen bedrückt Wird. Mit besonderer Bitterkeit empfindet es das gesamte deutsche Volk gerade heute, am Eintritt in das neue Jahr, daß einem großen Teil unseres Gebietes immer noch die Freiheit vorenthalten Wird, aus die wir nach göttlichem und menschlichem Recht Anspruch haben und deren Wiedererlangung Deutsch land längst erhoffte. Wir wollen trotz herber Ent täuschung hoffen, daß im neuen Jahre dem deutschen Volke die volle Selbstbestimmung zurückgegeben wird. Denn nur zwischen freien Völkern können die hohen Gedanken der Verständigung, des Friedens und der Entwickelung der Menschheit voll zur Auswirkung ge langen." Nach dem Austausch der Ansprachen begrüßte der Reichspräsident die einzelnen Botschafter, Gesandten und Geschäftsträger und wechselte mit ihnen Neujahrswünsche. An dem Empfang nahmen teil: Reichskanzler Hermann M üller, Reichsminister des Auswärtigen Dr. St re s e- m ann, die Staatssekretäre Dr. v. Schubert und Dr. Meißner, sowie der Chef des Protokolls, Gesandter Köster. Im Anschluß hieran empfing der Reichspräsident den Reichskanzler, sowie die Reichsminister und die Staats sekretäre der Reichsregierung. Der Reichskanzler begrüßte den Reichspräsidenten mit einer Ansprache, in der er u. a. folgendes ausführte: Am Beginn eines neuen Jahres pflegt man Umschau zu halten; man schaut zurück und man hlickt vorwärts. Das vergangene Jahr hat die Hoffnungen und Wünsche auf außenpolitischem Gebiet, die jeder Deutsche hegt, nicht in Erfüllung gebracht. Das wird uns nicht abhatten, un ablässig wie bisher an ihrer Verwirklichung zu arbeiten und auf ihre Erfüllung zu drängen, bis Rhein, Saar und Pfalz von fremdem Druck befreit sein werden. Hoffentlich wird uns hierin das neue Jahr endlich weiterbringen. Die bevorstehende Zusammen kunft der Sachverständigen wird, fo hoffen wir, die für Reich und Volk so entscheidend wichtige Neparations frage in Fluß bringen und damit die vormals krieg führenden Nationen der völligen Liquidierung des Krie ges näher führen. Seit der Staa^smuwälzung ist ein Jahrzehnt ver flossen, und wir können heute trotz all dem Furchtbaren, das unser Volk in dieser Zeit erlitten hat, doch feststellen, daß sich unsere innere Lage gefestigt hat und daß es vorwärts geht. Manchmal will es uns aber scheinen, als wenn die Fort schritte, die wir gemacht haben, übertrieben werden und manche ausländische Beobachter Deutschland in einem Zustand der Blüte sehen, der nicht den Tatsachen ent spricht. Denn genug Sorgen und Sch wierig- >a -.iien lasten auf uns, und wir haben ost in kurzer Zeit NnMen. — —— Epochen ern Aufgaben ». /«Niederweist^ E Zeit er- Vkelsaches der uns /a.- forderten. -- m^tx/ung Gestärkt haben uns in nuferer Arbeit dis Leistungen, die deutscher Wagemut und Knteruehmungs- gZist gezeitigt und die uns in der Welt wieder Sym pathien und Freunde geschaffen haben. Sie sind ein Be weis dafür, daß unsere Zuversicht nicht trügt, die an den Wiederaufstieg und die Zukunft unseres Volkes glaubt. Möge auch im neuen Jahre der Weg aufwärts gehen und möge es bessere Tage bescheren für unser Volk, dem unsere ganze Arbeit gilt. Reichspräsident von Hindenburg erwiderte mit Worten des Dankes und Glückwünschen und fuhr dann u. a. fort: Mein erster Gruß gilt unsere,i Brüdern und Schwestern im besetzten Gebiet, deren ich mit dem gesamten deutschen Volke in schmerz licher Anteilnahme gedenke. Es war die schwerste Ent täuschung des vergangenen Jahres, daß die berechtigte Erwartung, die wir für die endliche Befreiung des be setzten Gebietes von fremder Militärgewalt hegten, bis heute noch keine Erfüllung fand. Mit Befriedigung be grüße ich daher die Erklärung, daß die Reichsreaierung von 200 Millionen Dollar, die aber zu 105 Prozent zurück gezahlt werden muß, übrigens aus den Reparationszahlun gen verzinst und amortisiert wird und zurzeit eine Kapital schuld von etwa 870 Millionen Mark darstellt. Des weiteren lieh sich das Reich von der Rentenbank im gleichen Jahre zwecks Währungsunterbauung eine Summe von 1200 Millionen Mark, von denen jetzt noch etwa 750 Millionen zurückzuzahlen sind. Und schließlich kam die Aufwertung bzw. der Umtausch der alten Markanleihen des Reiches durch die Anleiheablösungsschuld teils mit Auslosungs- rccht — für den Altbesitz —, teils ohne dieses. Dis Aufwertung des Bltbesitzes ergab eine Summe von 960 Millionen, da aber diese Besitzer bei der Auslosung ihrer Stücke der Ablösungsschuld den fünffachen Betrag des Nominalwertes erhalten, so stellt diese Schuld eine Summe von nicht weniger als 4,8 Milliarden dar. Außerdem müssen die noch nicht ausgelosten Stücke verzinst werden, wozu noch über drei Milliarden notwendig sind; mithin beträgt allein aus der Aufwertung des Anleihealtbesitzes die Verschuldung des Reiches weit über acht Milliarden. Und hierzu kommen noch rund 700 Millionen Anleihe ablösungsschuld für den Neubesitz, so daß insgesamt an neun Milliarden Aufwertungsschulden des Reiches nicht viel fehlen mag. Das führt gleich auf eine ähnliche Verpflichtung des Reiches, die freilich noch nicht endgültig festgesetzt ist: die Entschädigung der Liq nidationsgeschädigten. Selbst wenn — entsprechend der Hypothekenaufwertung — nur ein Viertel der erhobenen Forderungen im Be trage von 3 Milliarden Mark wirklich ausgezahlt wird, so find das über 2 Milliarden, die im laufenden Haushalt auszubringen nicht möglich sein wird. Schulden des Reiches — deren Verzinsung und Amortisation freilich auch durch die Reparationszahlungen erfolgt — sind aber auch die 11 Milliarden Nepara- t i o n s s ch u l d v e r s ch r e i b u n g e n der Deutschen Eisenbahngesellschaft und die 5 Milliarden Jndustrieobligationen, zusammen also 16 Milliarden Mark Schuldverschreibungen, von denen zum mindesten ein Teil zu „kommerzialisieren", also in Privathände unterzubringen dringendster Wunsch namentlich Frank reichs und Belgiens ist. Gar nicht mehr in Frage kom men natürlich die 6 Milliarden Mark deutschen Papier geldes, die in den Kellern der Belgischen Staatsbank liegen. Aber das ist längst noch nicht alles. Das Deutschs Reich hat — unter schwerem Mißerfolg — 1926 eine innere Anleihe in Höhe von 500 Millionen Mark begeben, von denen die Banken 300 Millionen Mark übernehmen mußten. Dazu kommt ein Pump von etwa 200 Millionen, den das Reich bei der Neichsbank gemacht hat; das wird aber etwa durch die Summen ausgeglichen, die das Reich der Eisenbahngesellschast und der Neichspost geliehen hat. Eine riesige Schuldenlast also! Rechnet man alles zusammen, so ergibt sich eine Verschuldung des Reiches, die von 30 Milliarden nicht sehr fernbleibt. Offi ziell werden ja heute die Reparationsschuldverschreibun gen, die Jndustrieobligationen, die Entschädigung für die Liquidationsgeschädigten und die Zinslasten für die Anleihcablösungsschuld nicht als Neichsschulden auf geführt; aber sie sind es tatsächlich. Und wenn es zur Beratung einer Revision des Dawes-Planes kommt, dann soll man ein klares, unzweideutiges Bild davon schaffen, wie hoch das Reich wirklich verschuldet ist. Von den Ländern und den Kommunen erst gar nicht zu reden.