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»abenauer Anzeiger und Zeitung für Seifersdorf, Groß- und Kleinölsa, Obernanndorf, Hainsberg, Eckersdorf, Cotzmaunsdorf, Lübau, Borlas, Gpechtritz re. Erscheint Dienstag, Donnerstag n. Sonnabend, dlbonnementspreis einschliesttich der iltnstrirten Beilagen „Gitte Geister" n. „Zeitbilder" sowie des illnstr. Wigblattes „Seijenblnsen" 1,50 Mk. Inserate kosten die Gpaltenzeile oder deren Raum 10 Pf., für auswärtige Inserenten 15 Pf. Tabellarische Inserate werden doppelt berechnet. Annahme von Anzeigen für alle Zeitungen. Mit verbindlicher Publikationskraft für amtliche Bekanntmachungen. Nummer 136. Douuerstag, deu 25. November 1897. 10. Jahrgang. Jur de» Monat Dezember nehmen alle Postanstalten und Briefträger, sowie sämmtllche Zeitnngsboten Bestellungen auf diese Zeituug entgegen. Aus Nah uud Feru. Wer Weihnachtsreklame macht, lange nicht zu spät damit an! Jetzt ist eine Anzeige vielfach wirk samer, als in der Hochfluth der Anzeigen nm Weihnachten herum. Die Wünsche und Entschließungen der Käufer bestimmen sich ost schon sehr früh. „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst," kann man hier wie anderwärts sagen. Durch frühzeitige Reklame uud durch Hervorhebung der natür lichen Vortheile des rechtzeitigen Einkaufs uud Gewährung angemessener Preisnachlässe bis zum Beginn der svgenann-! ten goldenen Sonntage könnte das Publikum sehr wohl dazu erzogen werden, nicht bis zum letzten Augenblick mit der Deckung seines Bedarfs zu warten. Ein leichterer, angenehmer Geschäftsgang, größerer Umsatz und Verminde rung der Geschäftsunkosten dürste das Resultat einer ge- schickten und frühen Reklame zum Weihnachtsgeschäft sein. — Von der Glücksgöttin bedacht wurde in Bvderitz der Sattlermeister S. Derselbe fiel mit seinem Loose (ein! Zehntel) in einen 15000 Mark-Gewinn und erhielt 1200 ! Mark ausgezahlt. — Der dankbare Kriegskamerad. Ein aus i Bohlsbach bei Offenburg in Baden gebürtiger junger Mann, der als Freiwilliger am Feldzuge 1870/71 theilnahm, be-. merkte nach einer heißen Schlacht in einem Graben einen schwer verwundeten Offizier. Er schaffte ihn noch recht zeitig nach dem Spital der uächstgelegenen Stadt und rettete ihm so das Leben. Der glücklich Wiedcrgeuesene versprach seinem Lebensretter, daß er seiner immer gedenken wolle. ! Dies hat er jetzt bewiesen. Es verheirathete sich nämlich die dem Bvhlsbacher Veteranen seiner Zeit geborene Tochter, bei welcher der Offizier Pathe gewesen ist. Aus diesem Anlasse fand sich der damals Gerettete, jetzt ein hoher Offi zier, unvermuthct in dem bescheidenen Heim des Bvhls bacher Bauern ein, nahm an der Hochzeit Theil und er freute die jungen Eheleute bei seiner Abreise durch ein Hvchzeitsgeschenk von 25000 Mark. — Die Kugel im Herzen. In einem Walde bei Linz in Oesterreich sand ein Gendarm die Leiche eines ungefähr 20jährigen Mädchens. Die Unbekannte war modern gekleidet. Reben der Tvdten lag ein Revolver und eine Handtasche, in der die Photographie eines jungen Mannes und 75 Liebesbriefe mit der Unterschrift W. G. aufbewahrt waren. Ein Schreiben, das von der Hand der Selbstmörderin herrührt, enthielt folgende Zeilen: „Mein liebster Wolfgang! Sei recht glücklich mit der Therese. In meinem Herzen hast nur Du — oder eine Kugel Platz." Die Kugel, welche die Unglückliche gegen sich abschoß, hatte ins Herz getroffen. Sagenttmwobene Plätze im Lektiontzgebiete. (Schluß.) Mit der cm der Ruine der Barbarn-Kapelle oder Klausenkirche emgegrabeneu Juschnst: „War uns das Alter vererbt, schone da» junge Geschlecht!" zum Schlüsse übergehend, möchte ich bemerken, daß solche Inschrift nicht nur sich auf altehrwürdige Baudenkmäler, sondern vor allem auch auf die Sagen aus grauer Vorzeit zu beziehen hat. Entbehren auch die Sagen innerhalb unseres Sektionsgebietes wohl meist einer historischen Grundlage, sind sie vielmehr zu bezeichnen als bloße Gerüchte oder schön ausgeschmückte Dichtungen, so enthalten sie für uns doch wohl wenigstens ein Körnlein Wahrheit. Lagen nicht im Schlosse zu Rabenau ivie in der Rabeuauer Mühle und au einzelnen Stellen des Rabeuauer Grundes dereinst wirklich reiche Schätzt verborgen? Ist nicht sür unser heutige» Ra benau aus jenen sagenumwobenen Stellen ein reicher, köstlicher Segen ausgegaugen? Vom Schlosse her der Ansporn zu einer segentreichcn Entwickelung regsten Gewerbefleißes und thatkräftigster Industrie, so daß jetzt Rabenau al» Industriestadt saft eine» Weltrufe» sich er freut, von der Rabenauer Mühle und den anderen idyllischen Punkten des Grunde» her die Aufforderung einer fröhlichen Wanderung durch unsere heimischen Berge und Thäler! Und wenn heute noch da« Fräulein auf dem Schloßhofe zu Rabenau mit Hellem, weithin strah lendem Lichte ruhelos umheiwaudelte, wir wüßten wohl das Wort der Erlösung: Gewerbefleiße» rege» Mühn, Der Berg' und Thiiler hold Erblühn Dir Segen strahl, im deutschen Gau! Glück aus, Glück auf, mein Rabenau! Darum, und das wollen wir besonders auch durch die Sagen erlernen, wollen wir unser Rabenau allezeit recht lieb haben mit seinen fleißigen Bürgern, mit seinen schattigen Gründen, seinen duf tenden Wäldern und all' seinen sagenumwobenen Plätzen in der Nähe und weiten Ferne! Wir wollen sie wieder und immer wieder gern aussucheu und uns ihrer als schöner Gottesgabe herzlich erfreuen! Aber auch unsere Kinder wollen wir fleißig hinführen und ihnen dabei erzählen an» längst entschwundener Zeit, damit auch sie inniglich lieben lernen ihr liebliches Heimathland, damit auch sie dereinst, wenn wir langst unter moderndem Gestein zu Erde und Asche geworden, in dankbarem Gedenken noch flüstern: „Au» der Jugendzeit, au» der Jugendzeit Klingt ein Lied mir immerdar; O wie liegt so weit, o wie liegt so weit, Was mein einst war!" — Dresdner Schlachthofbericht. Montag, den 22. Novbr. Anftrieb: Ochsen 320, Kalben und Kühe 150, Bullen 168, Kälber 290, Schafe 1039, Schweine 1658. Preise wurden sür 50 Kilogr. Schlachtgewicht wie nachstehend gehalten: Ochsen: erste Sorte 68 bi» 70 Mk., zweite Sorte 64 bis 65 Mk., dritte Sorte 58 Mk. Kalben und Kühe: erste Sorte 64 Mk., zweite Sorte 62 Mk., dritte Sorte 59 Mk. Bullen: erste Sorte 62 Mk., zweite Sorte 58 Mk., dritte Sorte 54 Mk. Geschäftsgang langsam. Kälber: erste Sorte 66 Mk., zweite Sorte 60 Mk., dritte Sorte 55 Mk. Geschäft»» gang langsam. Schafe: erste Sorte 67 Mk., zweite Sorte 61 Mk., dritte Sorte 56 Mk. Geschäftsgang ruhig. Schweine: erste Sorte 65 Mk., zweite Sorte 63 Mk., dritte Sorte 61 Mk. Geschäfttgang langsam. iNachbrncl vecbolen.) verwegenes Spiel. Roman Vvn F. Siemers von Ostermann. Rudolf starrte seinen Vater mit weitgeöffnelen Augen ungläubig au. „Du hältst mich zum Narren," sagte der junge Mann niedergeschlagen. „Ich spreche im Ernste. Der Besitzer des Gutes Engelbert ist ein junges Mädchen, das heute aus der Schule kommt. Sie hat in ihrer Schule in Frankreich ein wahret Nonnenlebeu geführt und kennt noch keinen jungen Mann. Sie wird sofort von Werbern umgeben sein, und derjenige, der zuerst kommt, hat die beste Ge legenheit, sie zu gewinnen. Ich will haben, daß Du Dich um ihre Liebe bewirbst und sie heirathest." Rudolf von Schwarz erbleichte. Dieser Vorschlag überwältigte ihn beinahe; er erschien ihm wnnderbar. „Ich war erstaunt, daß Du Dich hier in Torgelow befindest, Vater," sagte er. „Du bist wohl hier, weil Du selbst eine Absicht ans diese junge Erbin hast? Kennst Du sie?" „Nein, aber ich kenne ihre Stiefmutter, welche die Vormundschaft über sie hat," erklärte Herr von Schwarz. „Erinnerst Du Dich noch der schönen Wiltwe, der Frau Hartwig, die Du im Theater gesehen hast, als Du mit mir gingst? Sie heirathete den Baron Engelbert. Er starb voriges Jahr in Tirol und hat ihr ein ansehnliches Vermögen ausgesetzt- Kurz, Rudolf, ich bin mit der Ba ronin Engelbert verlobt, und die Hochzeit wird im Okto ber statlfinden. Geh' uud gewinne die junge Baronesse Engelbert!" Rudolf wurde noch bleicher als zuvor, uud seine Stimme klang heiser, als er fragte: „Uud dies ist also Dein Plan, um mich reich zu machen?" „Ja," antwortete der Vater. Rudolf hatte es schwer gefunden, zu arbeiten und noch schwerer, seine Arbeit zn verwerthcn. Alle Bitter keiten und Mühseligkeiten seines Looses stiegen in ihm auf; sie bildeten einen schreienden Kontrast mit dem Glanze und der Schönheit, mit denen der begünstigte Liebhaber der jungen Marie von Engelbert umgeben sein würde. Er erhob sich von seinem Platze und schritt hastig im Zimmer ans und ab, während ein Ausdruck schrecklicher Oual und noch heftigeres Verlangen in seinen Augen zu lesen war. Sein Vater beobachtete ihn verstohlen, wie die Katze eine Maus beobachtete. Es war nvthwendig für seine Pläne, daß sein Sohn Marie von Engelbert heirathen solle, und er war sangninisch genug, um zu denken, daß er diese Heirath zustande bringen würde. „Nun?" sagte er, da er des schnellen und hastigen Auf- und Abgehen seines Sohnes müde war. „Was sagst Du dazu?" „Es ist unmöglich," erwiderte Rudolf kurz, „ganz un möglich !" „Weshalb denn, wenn ich fragen darf?" fragte sein Vater sanft, obwohl er etwas die Stirn runzelte. „Weil — weil — die junge Dame kann ja eine andere Neigung haben! Ich kann sie nicht des Geldes wegen heirathen, — ich kann Lieschen nicht aufgeben!" stotterte Nudoiß „Die — die junge Person, welche Klavierstunden giebt? Ich glaube von Dir vernommen zu haben, daß sie die Tochter eines Gemüsehändlers ist," entgegnete der Vater. „Und Du ziehst sie einer reichen jungen Dame, einer Baronesse Engelbert vor? Für einen jungen Mann, der so erzogen ist wie Dn, ist das ein merkwürdiger Ge schmack. Was hat denn dieses Lieschen, das Du nicht aufgeben willst, für Reize? Ist sie so schön?" „In meinen Augen ist sie schön?" „Was so viel heißt, daß niemand anders sie schön findet," erwiderte Herr von Schwarz. „Die Schönheit, welche dnrch die Brille der Liebe gesehen werden muß, ist häßlich für alle, nur nicht für den Geliebten. Von niederer Geburt, mit einem Haufen armer, ungebildeter Verwandten, häßlich, ivie Du selber eingestehst, — was für eine brillante Partie würde sic für den Sohn des Herrn von Schwarz sein." „Sie hat gar keine Verwandte, ausgenommen eine Großtante, deren Namen sie nicht kennt und die wahr scheinlich nichts von ihrer Existenz weiß." „Ich will wissen, ob Du Marie von Engelbert hei rathen und reich sein oder ob Du Dein Lieschen heirathen und verhungern willst! Wenn Du dies für Dich wählst, wirst Du es auch für Lieschen wählen. Bei Deinen hoch- fliegenden Ideen über Ehre wundere ich mich, daß Du dieses Mädchen eine Ehe eingehen lassen willst, die nur ein langsamer Tod für sie sein wird." Ein tiefes Stöhnen entschlüpfte der Brust des jungen Mannes. Er rang die Hände, und das Geheimniß seiner Ver mählung lag ihm auf der Zunge; doch er wagte nicht zu sprechen. Er hatte große Scheu vor seinem Vater, und außerdem hoffte er von ihm Hilfe zu erlangen. „Ich kann sie nicht aufgeben," sagte er leise. „Ich bitte Dich, Vater, hilf mir auf irgend einer Weise und laß mich gehen! Ich weiß, Du bist nicht reich, aber Du hast Einfluß; Du könntest mir bei der Regierung eine Anstellung verschaffen. Vater, sei barmherzig, hilf mir und laß mich meiner Wege gehen!" „Bei Gott, ich will nicht, antwortete der Vater rauh. „Wenn Du nicht vvn dein Mädchen läßt, dann sollst Du nicht einen Pfennig von mir haben, und eine Empfehlung gebe ich Dir niemals; das schwöre ich Dir!" Herr von Schwarz äußerte die letzten Worte in solch unerbittlichem Tone, daß Rudolf erbleichte; er wußte, daß eher der Himmel einstürzen, als daß sein Vater sich er- weichen lassen würde. Verzweiflung erfaßte ihn, und er rang die Hände, als er auSrief: „Ich kann nicht von ihr lasten, Vater! Verstoße mich, wenn Du willst, verfluche mich, aber - Lieschen ist meine Gattin!" Herr von Schwarz war einen Augenblick wie betäubt; dann bedeckte eine dunkle Röthe sein Gesicht, und seine Augen leuchteten verhängnißvoll. „Deine Gattin? Deine Gattin?" murmelte er, kaum wissend, was er sprach. „Ja, sie ist meine Gattin!" wiederholte Rudolf, indem seine Stimme Festigkeit gewann- „Ich habe sie vor drei Monaten geheirathet. O Vater —" „Schweig'!" rief Herr von Schwarz. „Du hast das Mädchen geheirathet? Das will ich nicht glauben! Hast Du einen Trauschein?" „Ja; hier ist er," sagte Rudolf und zog ein zusammen gefaltetes Papier aus seiner Brieftasche. „Lies ihn, und Du wirst scheu, daß ich Dir die Wahrheit gesagt!" Herr von Schwarz nahm das Papier und überflog cs nachdcnkend, während die dunkle Röthe noch immer sein Gesicht bedeckte. Als er geendet, zerriß er den Trauschein langsam in kleine Stücke. Rudolf stieß einen Schrei aus und sprang vorwärts, um das werthvolle Dokument zu erfassen, aber sein Vater winkte mit befehlender Geberde ab. „Armer Narr!" sagte Herr von Schwarz dann. „Deine Heirath würde durch die Vernichtung dieses Papiers nicht ungültig werden, wenn sie gültig wäre. Sie ist aber nicht gültig!" (Fortsetzung folgt.)