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Nr. 314. Neunter Jahrg. Mittwoch, 9. Novbr. 1894. Erscheint: Täglich früh 7 «Hk. Inserate werden angenommen: bis Abends«,Soun- tags bis Mittag» IS Uhr: Martenfirage 18. Abonnement: Bierteljährlich 2vRgr° bei unentgeldlichcricü«» serung in'S Hau». Durch die Königl. Prst vierteljährlich 22 Ngr. Einzelne Nummern 1 Ngr. Anzeig, in dies. Blatte, das jetzt in 19,060 Exemplaren erscheint, finden eine erfolgreiche Verbreitung. '1 Tageblatt für Unterhaltung nnd Geschäftsverkehr. Mitredacteur: Theodor Arabisch. Inseratenpreise: Für den Raum einer gespaltenen Zeile: t Ngr. Unter „Einge sandt" die Zeile 2 Ngr. Druck und Eigenthum der Herausgeber: Klkpsch 4k Nkichardt. — Verantwortlicher Redacteur: JullUS Reichardt. Dresden, dm 9. November — Ce. Maj. der König hat genehmigt, daß der von Semm Maj. de« Könige von Preußen zum Ehrenritter des Johanniter-Ordens ernannte Kammerherr Karl Graf von Rex auf Ober-Ortmannsdorf die mit diesem Orden verbundenen Insignien anlege. — Heute findet das große geistliche Concert der Dresdner „Liedertafel" zum Besten des hiesigen Bürgerhospitals in der erleuchteten Kreuzkirche statt. — Herr Consistörialrath v. Käuffer ist zum Geh. Kirchenrach ernannt worden. — Am 7. früh wurde beim Gutsbesitzer Pfützner in Grvmbach dessen 1j Jahre alter Knabe durch Kohlenoxydgas erstickt aufgefunden. Zwei Mägde, nainens Neinhardt und Sieber, elftere 18, letztere 16 Jahre alt, lagen bewußtlos in dieser Kammer. Der sofort gerufene Arzt erklärte, daß die Mägde, wenigstens die Sieber, wieder genesen würde. Die Mägde hatten Abends vor dem Schlafengehen Feuer im Ofen angebrannt, dabei aber die in der Ofenthüre befindliche Klappe nicht geöffnet und dadurch dem Feuer die nöthige Zugluft entzogen. Im Ofen lag eine Menge unverbrannter Stein kohlen, und man sah, daß der Rauch zwischen Thüre und Ofen in die Kammer gedrungen war. Im vergangenen Jahre brannte das Pfützner'sche Gut ab. - — Gestern Mittag trafen abermals 50 kranke öster reichische Soldaten von verschiedenen Truppengattungen aus Schleswig hier ein. Sie werden im Laufe des heutigen Ta ges mittelst der böhmischen Bahn von hier in ihre Heimath transportirt werden. — — Bei dem hier abgehaltenen Viehmarkte waren 399 Pferde, 23 Ochsen, 6 Kühe, 1 Kalbe, 148 Schweine und 792 Ferkel zum Verkauf gestellt worden. Von diesen wurden ver kauft: 120 Pferde, 9 Ochsen, 2 Kühe, 80 Schweine und circa 650 Ferkel. Die Preise anlangend, so sind für Pferde — es waren größtentheils gute Arbeitspferde vom Landschlage und vom dänischen Schlage, weniger als sogen. Luxuspferde zu bezeichnende Stücke am Platze — 100 bis 200 Thlr., ein zelne selbst mit 300 Thlr. bezahlt, geringere mit von 30 Thlr. an aufwärts und „Mähren" mit 10 bis 30 Thlr. bezahlt worden; Ochsen mit 40 bis 84 Thlr., Kühe mit 30 bis 35 Thlr., Schweine mit 4 bis 12 Thlr. pro Stück, Ferkel mit 2 bis 4 Thlr. pro Paar. Der Absatz und der Verkehr ward durch die günstige Witterung schließlich so gestaltet, daß er verhältnißmäßig ziemlich allgemein befriedigte. — In einem hiesigen Institut, in dem hauptsächlich nur Söhne vornehmer Familien Pension und Unterricht genießen, wurden in den letzten Monaten hin und wieder silberne Löffel vermißt, deren Zahl endlich gegen 20 Stück betragen haben soll. Man erzählt sich, daß man in diesen Tagen dem Vor fall auf die Spur gekommen und den Spitzbuben in der Per son eines Schülers der Anstalt selbst mit Hülfe der Behörde entdeckt hat. Dem jungen Herrchen scheint das Taschengeld, das ihm seine Eltern zugcmessen, zur Befriedigung seiner Be dürfnisse nicht gelangt zu haben, deßhalb scheute er sich nicht, sich an fremdem Eigenthum zu vergreifen, dasselbe nachträglich zu verkaufen, um den dadurch erzielten Geldbetrag zu ver geuden. — In Betreff des desertirten Artillerist, über dessen Verbleib bisher immer noch nichts in Erfahrung zu bringen gewesen ist, geht uns die unsere frühere Notiz bestätigende Mittheilung zu, daß derselbe bereits vor seiner Aushebung zum Militär die deutlichsten Spuren von momentanem Irrsinn gezeigt hat. Es gewinnt hiernach immer mehr und mehr die Vermuthung an Raum, daß er von diesem Zustande plötzlich wieder überfallen worden ist und sich in Folge dessen das Leben genommen hat. — — Auf dem Belvedere der Brühlschcn Terrasse, wo bisher nur immer Tüchtiges im Bereich der Tonkunst geboten wurde, wird nächsten Donnerstag, Freitag und Montag der Unterhaltung ein neuer Reiz verliehen werden. Es hat sich Herr l r. Lichtenstcrn aus Wien mit dem Herrn Stadtmusik direktor Puffhold dahin geeinigt, daß er inmitten der Concert- stücke Vorträge aus der Literatur halten wird und sich an genannten Abenden die drei Concerte zu einer musikalisch-de klamatorischen Akademie gestalten werden. In dem heutigen Extraconcert wird Herr Mörtzsch mit seinen» Jägerchor zum ersten Mal auf dem Belvedere der Terrasse spielen. — Herr Stadtpostverwalter Wagner schließt mit dem heutigen Tage den 25 jährigen Zeitabschnitt seines Wirkens als Staats- resp. Postbeamter ab. Zu Ehren dieses Tages versammelten sich heute Morgen 5 Uhr sämmtliche Stadtbrief- Iräger des Hofpostamts, um ihrem geschätzten Vorgesetzten einen musikalischen Morgengruß und als Erinnerungszeichen an diesen wichtigen Zeitabschnitt eine schöne Stutzuhr darzubringen. — Wir hatten dieser Tage Gelegenheit ein Prachtstück der Pianofortebaukunst, einen äußerlich sowohl höchst geschmack voll als im Ton großartig imponirenden Concertflügel bei Herrn Hofpianoforte-Verfertiger Kaps zu bewundern, ge wissermaßen ein Jubiläumsinstrument, denn es ist der lOOste Flügel, welcher binnen kurzem Zeiträume aus den geschickten Händen des vorgenannten Meisters hervorgehl. - Auch di»---mein eig'nes Reich!" äußerst lebhaften Anklang fand. Stadtverordneten, was dem Herrn Bürgermeister Neubert Ver anlassung gab. seinen Blick auf den glücklichen Ausfall der näch sten Urwahlen hinzulenken. In gebundener Rede erinnerte sodann Herr Hofrath Ackermann an „das Recht, das Alle glücklich macht", wo sodann die Schlußstrophe: „Vivat, mein Haus, difficilsten Musikkenner zollten in unserer Anwesenheit dem Prachtwerke ihre volle Anerkennung. — Das Bestreben vielfacher Theaterdirectoren: Herrn Dawisvn als Gast zu gewinnen, läßt selbige zu pccuniären Opfern Hinreißen, die für ihre Verhältnisse allerdings bedeu tend sind. So hat jetzt der Director des Nürnberger Stadt theaters, Herr Reck, obgenanntem ein Gastspiel von sechs Rollen offerirt und zwar jede Gastrolle mit fünfzig Friedrichsd'or. Macht jeden Abend 275 Thlr. und für sechs Darstellungen mindestens 1650 Thlr. Die Schröder-Devrient bekam in ihrer Blüthezeit in Leipzig unter Ningelhardt's Direktion für jede Gastrolle erst 25 und später 30 Friedrichsd'or. — Das Festmahl der hiesigen Bogenschützen-Gesell- schaft vereinigte am Montag im Meinhotd'schen Saal 350 Personen, worunter hochgestellte Männer unserer Stadt dem Nus als Ehrengast gefolgt waren. Inmitten derselben an der prächtig arrangirtcn Festtafel hatte der dießjährige Schützen könig Platz ergriffen, wo die Reihe der Toaste durch Herrn Oberbürgermeister Pfotenhauer mit einem Hoch auf Se. Majestät den König eröffnet wurde. Es erfolgte hierauf der Gesang eines, auf Sachsen bezüglichen Liedes, nach der Melodie: „den Frauen Heil!" welches von dem Kaiser!. Russischen Hofopern sänger a. D. Herrn Weiß, schön und kräftig vorgetragen wurde. Herr Kammerherr von Polenz, als Königl. Commiffar, formte alsdann seine Worte zu einem Hoch auf die Gesellschaft der Bogenschützen, indessen Herr Vorsteher Kretzschmar des Schützen königs in der Person des Herrn Stadtrath Flath gedachte, welcher im Folge dieser Ehrenspende nicht versäumte, der Bo- genschützen-Gesellschaft den Tribut des Dankes zu bringen. Die rhetorisch-bewegten Wellen auf dem Meer der Redefreiheit schlugen jetzt auch an die Brust des Herrn Advooat Hehden- reich, dessen längere Rede am Schluffe im Gedenkniß der Herren Staatsminister und deren Vorstande ihren Ankergrund fand. Auf das Hoch, welches Herr Roch den Gesandten und Bevollmächtigten auswärtiger Staaten, sowie den Spitzen un serer Behörden widmete, erhob sich der bayersche Ministerresi dent, Herr Baron von Gise, welcher abermals der Bogen- schützen-Gesellschaft eingedenk war. In Bezug auf die Worte: „Liebe zu König und Vaterland, Achtung dem Gesetz!" ließ sich der Herr Oberappellationsgerichts-Präsidcnt wirkl. Geh Rath vr. von Langenn in trefflicher Rede vernehmen, welche ihren Schluhpunkt darin fand: dem Schützenbund und den Ziegeln desselben eine Libation des Bachus zu spenden, was denn auch mit Begeisterung von sämmtlichen Festgenossen ge schah. In Erinnerung des ausgebrachten Hochs auf die Staatsminister und deren Vorstand, erhob sich jetzt der Herr Staatsminister von Beust, und Aller Blicke richteten sich aus diese geistig-belebende Kraft, welche des Sachsenlandes Stolz und Zierde ist. Der Redner ließ sich ungefähr wie folgt vernehmen: Ein altes, ehrwürdiges Herkommen vereinige all jährlich die Bogenschützen-Gesellschaft zu einer Festivität, und jenes Herkommen bringe es mit sich, daß diese Versammlung kurz vor dem Schluß des Jahres stattfinde. Unwillkührlich richte sich dann der Blick auf den Zeitabschnitt, der im Leben des Einzelnen, wie im Leben der Staaten und Völker zähle. Da möge wohl Jeden bei diesem Gedanken das Gefühl er greifen, daß das abgelaufene Jahr an Ereignissen und Wech- selfällen reicher als sonst eines gewesen. Wie sich immer auch dabei Gefühle und Erinnerungen mischen, bald zu gehobener, bald zu ernster Stimmung, Eines sei gewiß, wir dürften uns mit Genugthuung sagen, daß das Jahr, welches seinem Ende entgegenrile, besser für Deutschland abschließe, als man er wartet habe. „Ich hoffe", ließ sich der Redner weiter ver nehmen, „unserm Vaterlande Sachsen wird das Zeugniß ge sichert sein, daß es seine Schuldigkeit gethan hat. Wir wol len daher auch den kommenden Tagen mit ruhigem Muthe entgegengehcn und der Zukunft Deutschlands ebenso vertrauen, als der Zukunft unseres geliebten engern Vaterlandes, das, so Gott will, fortfahren wird, ein pflichtgetreues und geach tetes Glied der deutschen Gesammtheit zu sein. Ich gebe sol chen Gefühlen ganz besonders gern Ausdruck in diesem Kreise, wo ein aufgeklärter Patriotismus herrscht, wo das Bürger thum sich treu, wacker und wahr erhalten hat, und zu Ehren dieses Bürgerthumes, das eine Stütze der Staaten, ein Hebel der Wohlfahrt ist, diesem Bürgerthum zu Ehren leere ich mein Glas!" — Diese Worte fanden ein zündendes Echo in der reichen Versammlung. In dem weiteren Verlauf der Festfreude gedachte Herr vr. Vierling des Schützendirectors in der Person des Herrn Oberbürgermeister Pfotenhauer und hierauf Herr Tietz des Stadtrathes und der Vorstände der rend sodann noch der Herr Deputirte Pfund des Königl. Commissars, Herrn Kammerherrn von Polenz, gedachte, der sich ein Monument im Herzen aller Bogenschützen gebaut, rief Herr Advocat Heydenrcich die Erinnerung an den Ausflug der Bogenschützen nach Stolpen wach, worauf der aus Stol- pen anwesende Herr Gerichtsamtmann Hahn sich ein Wieder kommen erbat, und Herr Pastor Kuhn aus Stolpen in ge wandter Rede das Banner der Bogenschützen: „Dem Worte fügt sich schnell die Thal!" zum Stoff eines mit großem Bei fall aufgenommenen Toastes machte. Nachdem noch die Her ren Nückert, Böhmer und Actuar Lesky gesprochen, wo das fernere Gedeihen der Bogenschützen und ihrer Führer, sowie ein Hoch auf die Gäste und den fröhlichen Sinn der Schützen in Anregung kam, endete die Tafelfreude Abends um 7 Uhr. Gönnen wir allen Vertretern des Bürgerstandes diese frohen Stunden, welche auf Wohlstand in der Stadt hindeutcn und das Gemeinwesen kräftigen. Ucberall pünktlicher Gehorsam gegen Obrigkeit und in eifriger Treue für gemeinnützige An stalten, nie Entfernung aus der Bahn der Pflicht durch Rang sucht und kleinliche Standesrücksicht. Das ist's, was dem er worbenen Bürgerrecht erst volle Geltung verleiht und dis Bürgerkrone zu einer unverwelklichen macht. — -s Oeffentliche Gerichtsverhandlung vom 8. November 1864. Der Handlungsrcisendc Friedrich Wilhelm Bahlich ist der Unterschlagung und des Betrugs beschuldigt. Er hat Gelder für seinen Principal eingezogen und nicht ab geliefert. Sein Principal war der Kaufmann Moritz Lehmann in Meißen. Er war von ihm als Provisionöreisender engagirt. So kassirte er beim Restaurateur Eisoldt zu Dresden 2 Thlr. ein. Heut sagt er, er hätte sich das Geld geborgt. Es war zur Zeit der Vogelwiese. Eisoldt hatte bei Bahlich 1000 Stück Cigarren zu 9 Thlr. bestellt, da ließ er sich 2 Thlr. drauf geben, die er in seinem Nutzen verwendete. 11 Thlr. 27 Ngr. in zwei verschiedenen Posten ließ er sich vom Bäcker meister Neichelt Hierselbst geben, vom Restaurateur auf dem Schusterhause 7 Thlr. 8 Ngr.; beim Gastwirth Leubner in Wehlen 3 Thlr., beim Gastwirth Lessner in Tharandt 3 Thlr.» beim Schänkwirth Handrick in Grund 12 Thlr. 15 Ngr., bei einem Schänkwirth in Söbrichcn 8, beim Floßaufseher Biclich in Riesa 6 Thlr. 8 Ngr., beim Restaurateur Leßmann eine Partie Cigarren, ebenso unterschlug er Essenzen im Werthe von 9 Thlrn., die für einen gewissen Kurzrciter in Moritz burg bestimmt waren. Als Lehmann den Bahlich engagirte, wurde ein schriftlicher Contrakt nicht gemacht, nur ein münd licher und nach diesem war festgesetzt, daß der Angeklagte nie mals berechtigt sein sollte, Gelder einzuziehen. Bahlich's Pro vision betrug 10 Procent für Spirituosen, für Cigarren soll ihm das als Provision geblieben sein, was er über 8 Thlr. einnahm. Er entschuldigt sich damit, er habe zu wenig ver dient, deshalb sei er in die Unterschlagungen verfallen. Lehmann soll ihm unter Andern zu einer Reise nach Großenhain „fünf zehn Neugroschen" gegeben haben. Herr Staatsanwalt Heinze geht noch einmal auf die einzelnen Gruppen der Vergehen des Angeklagten ein, und bezieht sich dabei auf seine offenen Ge ständnisse. Auch das hält Herr Heinze zumeist für erwiesen, was Bahlich nicht eingestandm. Nur bei wenig Kleinigkeiten läßt die k. Staatsanwaltschaft die Anklage fallen, beantragt aber die Bestrafung des Angeklagten in allen andern Fällen wegen Unterschlagung. Zur Charakteristik des Angeklagten diene noch, daß er im kräftigen Manncsaltcr steht, daß er vor wenig Wochen Hierselbst wegen Betrugs eine zwölftägige Gefängnißstrafe verbüßt hat, die ihm das Gerichtsamt Reichen bach zudictirte. Auf der' Anklagebank benimmt er sich sehr frei, seine Sprache aber läßt auf keinen großen Bildungsgrad schließen; denn er verwechselt „Präsident" stets mit „Präsi dent." Bahlich erhielt 16 Monate Arbeitshaus. Der Ange klagte. der vorher nicht in Hast war, ging auch heut frei nach Hause. Angekündigte Gerichtsverhandlung. Morgen den 10. d. M. Vormittags 9 Uhr wider den Webergesellen Carl August Schräder von Auerbach und Carl Heinrich Franz von Lengefeld wegen Diebstahl bez. Bedrohung. Vorsitzender Gerichtsrath Ebert. Tagesgeschichte. Dresden, am 8. November. Der Text des Wiener Friedcnsabschlusses vom 30. October liegt jetzt vor. — Nach dem in den ersten zwei Artikeln enthaltenen Formalitäten rc. agt Artikel 3 daß Dänemark zu Gunsten Oesterreichs un3 Preußens auf die Herzogthümer Holstein, Schleswig und