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Dienstag. .N 66. 21. August 1869 Erscheint Dienstags und Freitags. Zu beziehen durch alle Postanstalten. Weißerih-Zeitung Preis pro Quartal 10 Ngr. Inserate die Spalten-Zeile 8Pfg. Amts- und An)tigt-Dlatt der Königlichen Gerichts-Ämter und Stadtrathe zu Dippoldiswalde und Frauenstein. Ncruntwortlicher Nkd-icteur: Lari Zehne in Dippoldiswalde. Zur Dippoldiswaldaer Schulfrage. Zu den Vorschlägen und Wünschen, welche in Be zug auf eine Organisation unseres Schulwesens laut geworden sind, gehören auch ganz besonders diejenigen, welche die Errichtung einer Selecta bevorworten. Noch haben dieselben zur Zeit das Stadium der all gemeinen Debatte nicht überschritten, und wir halten eö daher für zweckmäßig, diesen für das Gemeinwohl so außerordentlich wichtigen Gegenstand auch an diesem Orte zur Besprechung zu bringen, zumal über die Be deutung und die Ausführung des Projektes noch nich allenthalben die nöthige Klarheit zu herrschen scheint. Daß eine weitergehende Schulbildung, als sie von der gewöhnlichen Volksschule gewährt werden kann, für Jeden, der bei den fortgeschrittenen Anforderungen der Zeit sich möglichst selbstständig behaupten will, dringend nothwendig ist: das lehrt die tägliche Erfahrung und Manchem zu seinem großen Leidwesen und Schaden. — Wo nun zur Erreichung dieser weitergehenden Bildung eine völlige Umgestaltung des Volksschulwesens nicht thunlich ist (und es wird diese nur ausnahmsweise möglich sein), da macht sich neben der allgemeinen Volksschule die Einrichtung besonderer Anstalten nöthig. Reichen die Kräfte dazu nicht aus, so wird man mit der Errichtung einiger, das Gewöhnliche überragenden Klassen zufrieden sein müssen. Solche mit der Volks schule verbundene, über das schulgesetzlich gesteckte Ziel hinausstrebende Klassen sind es, die man vorzugsweise mit dem Namen Testeten bezeichnet. Diese Selecten nun haben den Zweck, durch tiefere (intensivere) Behandlung der in der Volksschule vor kommenden Unterrichtsgegenstände, vorzugsweise der so- 'genannten Realien (Geschichte, Geographie, Naturkunde) und des Rechnens, dann aber auch durch Hinzufügung neuer, in der gewöhnlichen Volksschule sonst nicht vor kommender Disciplinen, nämlich des fremdsprachlichen Unterrichts (Lateinisch und Französisch), der Geometrie und des Zeichnens, u) nicht nur Dem, der nach der Confirmation eine weitere Schulbildung (mit Ausnahme der etwa in Sonntagsschulen gebotenen) nicht sucht, eine bessere Vorbildung für die Anforderungen des späteren Lebens zu geben, sondern auch b) als Vorbe reitungsanstalten, zunächst für Realschulen, aber auch für andere höhere Unterrichtsanstalten zu dienen. Die Erreichung dieses letzteren Zweckes ist es namentlich, warum man sich fast allerorten um die Errichtung solcher Selecten bemüht. „Aber," wird man fragen, „haben wir denn nicht die sechsklassigen Realschulen selbst? wozu da noch neue Anstalten errichten?" — Darauf ist zu erwidern, daß gut eingerichtete Realschulen selbstverständlich nicht überall bestehen können und also Eltern, welche begreifen, daß die frühzeitige Bekanntschaft mit den Lehrgegen ständen der Realschulen, vorzüglich der Sprachen, besser ist, als ein erst in später« Jahren gemachter Anfang, genöthigt sind, ihre Kinder in noch sehr zartem Älter von Haus und Familie wegzugeben. Daß das aber mit mannichfachen Nachtheilen (und nicht blos pecuniären) verbunden ist, bedarf wohl keines Nachweises. Deshalb eben strebt man darnach, durch Errichtung von Selecten die Vortheile wenigstens der unteren drei Klassen der Realschule sich zu verschaffen und den erwähnten Uebel- ständen abzuhelfen. — Die Erreichung des oben unter b) bezeichneten Zweckes der Selecten macht es aber nothwendig, sich in den für dieselben aufzustellenden Lehrplänen nach denen der Realschulen zu richten, d. h. Lehrgegenstände, Lehrzeit, Lehrmittel genau nach jenen zu bestimmen. Die in den Realschulen behandelten Unterrichtsgegenstände sind außer denen, die auch in der Volksschule schon vorkommen (die allerdings intensiver zu behandeln sind): Geometrie, französische und lateinische Sprache, Zeichnen. Wir sprechen nämlich hier nur von den unteren drei Klassen, denn weiter, als auf eine Vorbereitung für die III. Klasse der Realschule, könnte sich eine Selecta, die nur Schüler bis zum 14. Lebensjahre behält, — also auch eine eventuell hier zu errichtende — plange mäß nicht erstrecken; Ausnahmen, durch ganz besondere Begabung von Schülern gegeben, natürlich nicht aus geschlossen. Die wöchentliche Stundenzahl in der VI., V., IV. und III. Klasse der Realschule schwankt zwischen 31—38.*) Da zu einer Durcharbeitung der untersten drei Klassen der Realschule in der Regel 3—4 Jahre nöthig sein werden, so ergiebt sich daraus, daß eine Selecta, die sich das mehrfach angedeutete Ziel steckt, im voll endeten 10. Lebensjahre an die Vorarbeiten der Volks schule anknüpfen, von da an aber ganz selbstständig für sich bestehen müsse. Eine fortgehende theilweise Ver bindung mit der Volksschule ist unter allen Umständen nachtheilig und darum entschieden zu verwerfen. Alle diese allgemeinen Bemerkungen mußten wir vorauöschicken, ehe wir auf die Punkte übergehen können, deren Erledigung bei der Errichtung einer Selecta in Dippoldiswalde (neben der Beachtung der durch die Realschulen selbst gegebenen Bedingungen) außerdem nothwendig erscheinen wird. *) Vergl. das Osterprogramm der Realschule zu Neustadt- Dresden von 1869.