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lettsuiten gearbeitet. Die Überschriften über jedem Satz weisen das Werk aber in die Bezirke der Programmusik. Die Ballettsuite op. 130 ist entsprechend dem Verlauf des Auftritts einer Bailettgruppe in einem Zirkus aufgebaut. Der erste Satz — Entree genannt, was Aufmarsch oder Einzug bedeuten kann — ist musi kalisch ein Marsch mit fanfarenähnlichen Motiven, die den etwas pompösen Gesamtauftritt der Ballettgruppe mit ihren graziösen Tänzerinnen und robusten Harlekins unterstreichen. Im zweiten Satz stellt sich Colombine, das „Täub chen", wie Harlekin seine Geliebte zu nennen pflegt, vor, etwas schwermütig und sehr gefühlvoll. Dann tritt Harlekin im dritten Satz selbst auf. Er ist eine lustige, sich sehr lebhaft bewegende und überraschend handelnde Person, be gabt mit Mutterwitz und heiterer Listigkeit. Nach ihm zeigen sich im vierten Satz Pierrot und Pierrette. Wir kennen die weißgekleideten und weißgepuder ten Gestalten, immer etwas melancholisch und sehr ineinander verliebt. Es ist anzunehmen, daß Reger im nun folgenden Valse d'amour (Liebeswalzer) die beiden Liebespaare, Colombine und Harlekin, Pierrot und Pierrette, einen sü ßen und zärtlichen Walzer tanzen läßt. Dieser Liebeswalzer hat sich die Her zen aller Hörer erobert. Ein zündendes Finale, ein kichernder Kehraus, schließt das Werk ab. Zu bewundern ist die großartige Instrumentationskunst Regers, welche die Klangfarben der Instrumente zur Charakterisierung der angeführten Personen und der mit ihnen verknüpften Stimmungen glücklich und sehr geschickt heran zieht, Sie strebt nach einem wirklich durchsichtigen und klaren Gesamtklang und kommt damit Regers Ideal, Mozart, immer näher. Das 1910 in Paris durch das Djagilew-Ballett uraufgeführte Ballett „Der Feuervogel' 1 gehört zu den beliebtesten Schöpfungen Igor Stra winskys, des am 6. April 1971 im Alter von 89 Jahren in New York ver storbenen Meisters. Die aus diesem Werk zusammengestellte Konzersuite hat sich wegen ihres bestrickenden Klangzaubers und ihrer lyrischen Verhalten heit, die mit barbarischer Wildheit wechselt, einen Stammplatz im Repertoire vieler Orchester der Welt errungen. Von der Suite gibt es drei Fassungen: die von 1910 für sehr großes Orchester, die heute erklingende von 1919 für mitt leres Orchester, ganz dem Zuge der Sparsamkeit nach dem ersten Weltkrieg und der Entwicklung Strawinskys folgend, und die von 1945 für normales Orchester mit einigen Instrumentationsretuschen. Die Fabel des Balletts folgt einem russischen Märchen vom Prinzen Iwan, der im Zaubergarten des Menschenfressers Kaschtschei dem Feuervogel begegnet, ihn einfängt und gegen Überlassung einer Feder wieder freiläßt. Gefangene Prinzessinnen tanzen im mondbeschienenen Park, Prinz Iwan verliebt sich in eine von ihnen, der er trotz aller Warnungen ins Schloß folgen will. Der Zau berer Kaschtschei tritt ihm entgegen, um ihn in Stein zu verwandeln. Der durch die Feder herbeigerufene Feuervogel verrät dem Prinzen das Lebensgeheimnis des Zauberers. Der Prinz tötet ihn und befreit dadurch alle Gefangenen und Verzauberten. Die geliebte Prinzessin ist eine Zarentochter, mit der er sich ver lobt. Die Suite gibt die wichtigsten Episoden des Balletts wieder. Die Introduktion (Einleitung) läßt den Zaubergarten aufblühen. Eine Figur wächst aus dunkler Tiefe (Violoncello, Kontrabässe) zu einer lyrischen Melodie der Oboe. Die Far bigkeit, durch eine zauberhafte Instrumentation hervorgerufen, versetzt den Hö rer sofort in eine märchenhafte Stimmung. Ein bunter Vogel, der Feuervogel, schwirrt plötzlich in diesem Zaubergarten umher. Das Schwirren, durch spiele rische Figuren zweier Flöten und einer Klarinette, durch Tremoli und das Pizzi cato der Streicher, durch Glissandi des Klaviers und der Harfe unterstrichen, ist musikalisch äußerst suggestiv gestaltet. In einem Pas de deux (Tanz zu zweien) wird die Begegnung des Prinzen mit dem Feuervogel geschildert. Dann tanzen die verzauberten Prinzessinnen (Scherzo). Ein Rondo erzählt von der aufkeimenden Liebe des Prinzen zu der schönsten Prinzessin. Hier hat Strawins ky eine Oboenmelodie von anmutiger Süße geschaffen. Ihr steht eine Violin- melodie von ähnlicher Lieblichkeit und lyrischer Verhaltenheit zur Seite. Aber der Zauberer Kaschtschei bannt zunächst alle in seine höllischen Fänge; der barbarisch-wilde Tanz, in dem, nach einem Wort Debussys, die „rhythmische Gewaltherrschaft" der Musik beginnt, hat etwas Brutales an sich, durch Schlag zeugpassagen und synkopische Melodiefetzen gekennzeichnet. Hier sind die Ansätze, die später im „Sacre du Printemps" zur Vorherrschaft gelangen, die den Rhythmus in den Vordergrund rücken. Strawinsky läßt auf dieses entfes selte Stück ein Wiegenlied des Feuervogels folgen, das nicht nur durch den gewaltigen Kontrast, sondern auch durch den bestrickenden Liebreiz der Melo die (Fagott) einen tiefen Eindruck hervorruft. Eine Hymne krönt die Ballett suite, in der er allen moskowitischen Prunk und Reichtum aufleuchten läßt, so wie ihn auch viele der alten Märchen Rußlands enthalten. Die Hornmelodie steigt über die Violinen und Flöten immer höher empor, wird immer reicher harmonisiert und immer verführerischer im Klang ausgestattet. Sie wird me trisch vom Drei-Halbe-Takt zum Sieben-Viertel-Takt umgewandelt, und vor der endgültigen Steigerung werden durch Klavier- und Harfenakkorde, durch Pau ken und tiefste Instrumente Glockeneffekte erzielt. Musikalisch wird der Ein druck einer gewaltigen, feierlich-großartigen Prozession im alten Rußland her vorgerufen. Strawinsky ist in diesem Werk Folklorist, nicht nur, weil seine Melodien Volks liedcharakter haben, sondern auch, weil die Harmonik so spezifisch russisch ist, der Klang (trotz aller impressionistischen Anklänge, die aber auch bei Rimski- Korsakow zu finden sind) den Zauber des Rußlands der alten Märchen be schwört und der Rhythmus die Kraft dieses großartigen Landes und Volkes zum Ausdruck bringt. VORANKÜNDIGUNGEN : Mittwoch, den 24. Januar 1979, 20.00 Uhr, (Freiverkauf) Donnerstag, den 25. Januar 1979, 20.00 Uhr, (AK J) Festsaal des Kulturpalastes Dresden 4. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Dirigent: Peter Schreier, Dresden/Berlin Solist: Theo Adam, Dresden/Berlin, Baß Chor: Kammerchor des Philharmonischen Chores Dresden Einstudierung: Herwig Saffert Werke von Händel, Bach und Schumann Sonnabend, den 3. Februar 1979, 20.00 Uhr, (Anrecht A 1) Sonntag, den 4. Februar 1979, 20.00 Uhr, (Anrecht A 2) Festsaal des Kulturpalastes Dresden Einführungsvorträge jeweils 19.00 Uhr Dr. habil. Dieter Härtwig 6. PHILHARMONISCHES KONZERT Dirigent: Konstantin lliew, VR Bulgarien Solistin: Veronica Jochum, BRD, Klavier Werke von lliew, Hindemith und Franck Programmblätter der Dresdner Philharmonie - Spielzeit 1978/79 - Chefdirigent: Prof. Herbert Kegel Redaktion: Dr. habil. Dieter Härtwig Die Einführungen in Regers Ballettsuite und in Strawinskys „Feuervogel"-Suite stammen von J. P. Thilman Druck: GGV, Produktionsstätte Pirna - 111-25-12 2,85 T. ItG 009-75-78 EVP 0,25 M »InillnarnooMi 5. PHILHARMONISCHES KONZERT 1978/79