Volltext Seite (XML)
ächMeNolksreitimg Bei-a«pr,i»> UiiSaab« t mit 2 Beilagen vierteljLhrllch it.lv g„ Dresden durch Bote» !t,4« FS. In «ans Deutschland srel Haus it.Iiit Fl! tn Oesterreich 4.4S IO RedaMonS-Sviechstunde: 1« bi» ll Uhr vonnitiagS. ssür Rückgabe ctngclaiidtcr Schriststücke macht sich die Redaktion II cht verbindlich! Rücksendung erfol'i, wenn Rückporto bet- gesügt ist. Brieflichen «nsragen ist Antwortsporto bcizufügen Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit mit Unterhaltungsbeilage Die illustrierte Zeit und Sonntagsbeilage Feierabend «u,»t,«, Annahme »on »eschüstSanzeigen bl» lv Uhr, doa Ftimilter» onzetgen di» li» Uhr. Brei» sttr dt« Petit-Spaltzetlc SV im ReklameteU vv 4- Für undeutlich geschriebene, sowie durch Fernsprecher auf. gegebene Anzeigen können wir die Verantwortlichkeit sür die RichtigkcU de» LexteS nicht übernehmen. EeschüftSslelle und Redakttou Dresden, Holbetnstratze SS Nr. 2 Fernsprecher 1386 Freitag, den 3. Januar 1913 Fernsprecher 1366 12. Jahrg. Des neuen Zahres Anfang Am Jahresanfang zeigt die inteniationale Lage durch aus teiu erfreuliches Bild. Die Balkankrise ist immer iwch ungelöst, und das Ergebnis der Verhandlungen der Frie- densdelegierten in London ist bisher gleich Null gewesen. In der 'Sitzung am letzten Montag erklärten abwechslungs- halber die Türke», das; ihre Instruktionen .mwollstündig seien, das; sie nach Konstantinopel berichten müssten, und die Konferenz vertagte die Weiterverhandlnngen in das nene Jahr hinein. Es scheint nachgerade ausgeschlossen, das; die Konferenz durch eigene Kraft den Frieden zustande bringe. Sollte ihr dies überhaupt gelingen, dann mir unter einem Druck der Mächte, der aber nicht sehr sanft sein darf. Heute liegt die Entscheidung nur noch bei den Großmächten; nur die zwei Möglichkeiten bestehen: Ent- weder lassen die Grofzmächte die Balkanstaaten und die Türkei mit aller Bestimmtheit wissen, daß das Frage- und Antwortspiel nun lange genug gedauert hat und daß man .endlich ein Resultat von den Verhandlungen erwartet, oder aber man laßt die Konferenz gewähren — und das würde nichts anderes als erneuten Ansbruch der Feindseligkeiten bedeuten. Vermutet man ja jetzt schon — und nicht ohne Grund — daß die Türkei die Friedensverhandlungen mit Absicht hinausziehe und die Zwischenzeit dazu benutze» wolle, um bessere Vorbereitungen für die Wiederaufnahme dcr Feindseligkeiten zu treffen. Desgleichen kommen aus Serbien Nachrichten, nach denen dort die Kriegslust unver mindert fortbesteht. Serbien würde allerdings von einer Wiederaufnahme der Feinüscligkeiten Vorteil haben inso- fern, als seine Beziehungen mit Bulgarien sich zweifellos besser gestalten würden. Ob nun die Türkei bei einem Scheitern der Friedensverhandlungen ebenfalls etwas zu gewinnen hat, ist eine andere Frage. Man geht kaum fehl in der An nahme, daß sie dabei mehr zu verlieren hat. Ein völliges Scheitern der Friedensverhandlungen müßte in erster Linie eine Wiederaufnahme der Feindseligkeiten zwischen der Türkei und Bulgarien zur Folge haben. Die Pforte aber hat ein Interesse daran, snti für die Zukunft gerade mit Bulgarien ans guten Fuß zu stellen. Diese beiden Mächte können sogar natürliche Bundesgenossen werden, sobald eine für beide Teile annehmbare Auseinandersetzung zwischen ihnen erfolgt ist. Wenn die Türkei das nicht ver kennt, werden sich die Aussichten für eine Lösung der Balkankrisis günstiger gestalten. Bei den Balkanbündlern (von Serbien abgesehen) scheint die Kriegsstimmung nicht allzu groß zu sein. Das darf man wohl aus der Tat sache schließen, daß sie ihre Drohungen, die Pforte in der Montagssihung „an die Wand zu drücken", nicht wahr ge macht, sondern sich darein gefunden haben, im neuen Jahre weiter zu verhandeln. Ob nun die Mächte eingreifen werden, ist noch Kag- lich, scheint aber wahrscheinlicher, als das Gegenteil. Ein Eingreifen der Mächte wäre um so erwünschr''r, als man der Türke! nachsagt, sie spekuliere nur ans die Uneinigkeit der Großmächte und hoffe, dos; gelegentlich doch an irgend einer Ecke ein Brand ausbreche, ans dem sie ihren Profit ziehen würde. Wenn den Machten daran gelegen ist, einen Wiederansbruch der Feindseligkeiten aus dem Balkan zu verhindern — und es ist ihnen daran gelegen — dann darf I vor allem in der Türkei nicht der Glaube an große Mei- ! nnngsverschiedenheite» zwischen den Mächte» aufkommen. Dem können aber die Mächw nur dadurch wirksam ent- gegeiitreteii, das; sie die Türkei wie auch die Balkanstaaten über ihren entschiedenen Willen, einen Wiederansbruch der Feindseligkeiten nicht zu dulden, nicht im Umklaren lassen. Gewiß sind noch manche Schwierigkeiten unter den Groß mächten selbst zn erledigen. Aber man darf trotzdem wohl erwarten, das; sie ihren Einfluß zur Erzielung einer Ver ständigung zwischen den Balkc nstaaten und der Türkei und damit auch zur Lösung der Balkankrisis benützen werden. Das ist ein Lichtblick in dem sonst so düsteren Bild der internationalen Lage. Das Jahr 1912 ist ein Merkstein gewesen. Not im Innern (110 Sozialdemokraten) und rot im Auslande! Ehina schnitt die Zöpfe ab und setzte den Kaiser ab; das älteste Kaiserreich wurde zur modernsten Republik, deren Bestand zwar nicht gesichert ist, aber deren Grundideen China öffnen werden vielleicht als größte Gefahr für Europa. Auch in den Vereinigten Staaten hat sich ein großer politischer Umschwung vollzogen; Teddy fiel durch, Taft unterlag schmählich; am 4. März 1913 zieht ins Weiße Haus Präsident Wilson. Die Demokraten haben also ge- siegt und zwar auf der ganzen Linie. Ob sie nun ganz durchgreifen und die Wirtschaftspolitik ändern, kann heute niemand lagen: jedenfalls werden einige Maßnahmen gegen die Kartelle zu erfolgen haben. 1913 bietet vorläufig noch wenig Aussicht ans Besse rung der Lage. Immerhin kann man konstatieren, daß wenigstens ein Zusammenstoß der Großmächte im be gonnenen Jahre ausgeschlossen erscheint. Und die Beseiti gung dieser Gefahr ist gewiß ein kostbares Weihnachts- und Neujahrsgeschenk. Vom Balkan Neuerliche Vertagung der FriedeuSkoufereuz Aus London wird gemeldet: Die Friedenskonferenz hat sich am 1. Januar nach einer vierstündigen Sitzung, in der über verschiedene Punkte Einigkeit erzielt wurde, auf Freitag vertagt. Nach einem am 31. Dezember abgehaltenen Ministerrat in Konstantinopel wurden den türkischen Bevollmächtigten in London neue Instruktionen gesandt, auf Grund deren man glaubt, daß die Verhandlungen von nun ab einen entscheidenden Schritt vorwärts machen werden. Differenzen in der österreichisch.serbischen Frage Der französische Ministerpräsident hatte Besprechungen mit dem österreichischen und mit dem russischen Gesandten. Ec übergab dem österreichischen Gesandten, Graf Szecsen, einen Vorschlag Über die Abgrenzung Albaniens. ES stellte sich bei den Besprechungen aber heraus, daß zwischen der österreichischen Anschauung und der des Dreiverbandes noch sehr wesentliche Verschiedenheiten bestehen, namentlich hin- sichtlich des Serbien für dessen wirtschaftliche Bedürfnisse abzutretenden Hakens. Man versichert, daß Poincarä von dieser zutage getretenen Differenz sehr überrascht war und sich zu der Aeußerung verpflichtet fühlte, daß er hierüber mit den Botschaftern Rußlands und Englands angelegent lichst konferieren müßte. Man versichert in diplomatischen Kreisen, daß diese Frage vor allen anderen Fragen die Botschafterkonserenz in London beschäftigen werde. Erst von der Stellungnahme des Dreiverbandes bei der definitiven Regelung der Adriahasen-Angelegenyeit macht Oesterreich seine Zugeständnisse für die Abgrenzung Albaniens abhängig. Das friedliebende Rußland Der russische Kriegsministerj hat sich in Berlin gegenüber einem Vertreter der „T. R." geäußert: „Ein Kriegsminister ist kein Politiker und daher nicht bevoll mächtigt, die Richtlinien der Politik seines Landes in sür die Oeffentlichkeit bestimmten Unterredungen bekanntzngeben. Aber das kann ich Ihnen versichern, daß die russische Regierung durchaus friedfertig ist und an einen Krieg nicht denkt. Der beste Beweis dafür ist der längere Urlaub, den ich, der russische Kriegsminister, angetreten habe. Wären wir kriegerisch gesinnt, so würde ich Petersburg gewiß nicht aus mehrere Wochen verlassen haben." — Es hätte uns mehr Freude bereitet, wenn der Minister gesagt hätte, er werde die Massen Soldaten entlassen, die an der deutschen Grenze stehen. Wir haben unsere Soldaten über die Feiertage in Urlaub gehen lassen. Rußland hat den letzten Jahrgang bet den Waffen behalten und mobil gemacht. Telegraphisch wird weiter gemeldet: London, 1. Januar. Im ersten Teile der heutigen Sitzung der Friedenskonferenz führte der griechische Mi nisterpräsident Venizelos den Vorsitz. Die Verhandlungen wurden dadurch eingeleitet, daß Reschid Pascha die tür kischen Gegenvorschläge verlas und sie darauf schriftlich unterbreitete. Sic lauten: 1. Die Türkei tritt alles Gebiet westlich des Vilajets Adrianopel ab. 2. Albanien wird autonom. Die Bestimmung seiner Grenzen und seiner poli tischen Verfassung wird den Großmächten überlassen. 3. Wegen des Vilajets Adrianopel schlägt die Türkei vor, mit Bulgarien über die Feststellung der türkisch-bulgarischen Grenze allein zu verhandeln. Die Verbündeten stimmten dem türkischen Vorschläge betr. Albanien zu. Auf den dritten Punkt der türkischen Vorschläge erwiderten die Ver bündeten, daß alle Verhandlungen mit den Verbündeten zusammen geführt werden müßten. Die Türken erklärten sich dann damit einverstanden. 4. Hinsichtlich Kretas wiesen die türkischen Vorschläge darauf hin, das; es sich empfehlen würde, bevor man eine Entscheidung treffe, die Mächte um ihre Meinung zn befragen, da die Insel den Mächten in Depot gegeben worden sei. Die Verbündeten antworteten, daß sie sich selbst an die Möchte wenden würden. Jetzt verlangten sie, daß die Türkei alle Rechte anfgebe, die sie in Kreta besitze. 6. Bezüglich der Aegäischen Inseln er klärten die Türken, daß diese zu Kleinasien gehörten. Die Verbündeten erwiderten, das; sie auf der Abtretung der Inseln bestehen müßten. Im Verlaufe der Debatte über Adrianopel sagten die Vertreter der Balkanstaaten, daß die türkischen Mitteilungen über die Feststellung der Grenze zu unbestimmt seien und ersuchten die Türken, in der nächsten Sitzung eine Landkarte vorznlegen, die die vorgeschlagene Grenzlinie zeigen solle. Rcächid Pascha erkläre dann, er werde, weitere Instruktionen von Konstantinopel erhalten. London, 1. Januar. Die heutige Sitzung der Friedenskonferenz wurde im allgemeinen dadurch gekenn zeichnet, daß die Sprache der ottomanischen Delegierten viel versöhnlicher war. In den Kreisen der Balkanvertreter gab man der Zufriedenheit mit dem Ergebnis der heu tigen Sitzung Ausdruck. Amerika und die Baufachausstellung Leipzig 1913 Im Aufträge des Direktoriums der Internationalen Baufachausstellung unternahm Herr Ingenieur Dr. Probst. Berlin, eine Reise durch die Vereinigten Staaten, um an Maßgebender Stelle das Interesse für die Baufachausstel lung zu erwecken und eine möglichst umfangreiche Beteili gung der Regierung, der Städte, Vereine, Industriellen usw herbcizusühren. Nach seiner Rückkehr hielt er in Leip zig einen Vortrag über seine Reise, aus dem wir folgendes entnehmen: Die Negierung steht dem Leipziger Unternehmen sehr sympathisch gegenüber. Die Städte Neuyork, Chicago, Philadelphia, San Franziska, ferner die American Bridge Co., die älteste und größte Brückenbaufirma Amerikas und die Kanadische Eiscnbahngesellichaft werden typische Mo delle und Photographien von Wolkenkratzern, Brücken, Städtebildern, Schulen, Wasstranlagen usw. ausstellen. Die eigenartigen geologischen, klimatischen und Verkchrsver- bältnisse stellen den Ingenieur in Amerika vor recht ver wickelte Aufgaben. Die Ausstellung will nun ein geschlosse nes Bild darüber geben, in welcher Weise diese Aufgaben im Osten, in der Mitte und im Westen des Landes gelöst werden. Von sehr wesentlicher Bedeutung für die Art, wie schnell und mit welchen Mitteln in Amerika geballt wird, sind die außerordentlich hohen Arbeiterlöhne, die bis zu 5 bis 6 Dollar pro Tag betragen können, ferner das fast gänzliche Fehlen baupolizeilicher Vorschriften. Erstcres, die hohen Löhne, haben dazu geführt, wo nur irgend angängig. Menschenkraft durch Maschinen zu ersetzen, das fast gänz liche Fehlen der polizeilichen Vorschriften haben an man chen Orten der Spekulation die Wege geebnet, oft sehr zum Schaden der Gebäudesicherheit. Dies trat so recht nach dem Erdbeben in San Franzisko in die Erscheinung, als man bei Prüfung der Fundamente eingcstürzter Häu ser feststellte, daß diese in leichtfertigster Weise aufgeführt waren. Mit anerkennenswerter Energie ist man dann aber an den Aufbau einer neuen Stadt gegangen, die in bau- technischer Hinsicht als einwandfrei zu bezeichnen ist. Auf der Internationalen Baufachausstellung werden Beispiele t on modernen Bauten dieser zweiten schönen Stadt zu sehen sein. Was die Anlage der einzelnen Städte betrifft, so hob der Redner lobend hervor, daß fast überall eine strenge Trennung von Geschäfts- und Wohnvierteln zu bemerken ist, wie sie in Europa — außer in England — noch nicht durchgeführt ist. Aber abgesehen davon wäre die Regel losigkeit, mit der drüben 30- und mehrstöckige Häuser neben gewöhnlichen vier- bis fünfstöckigen stehen, durchaus nicht vorbildlich. Große amerikanische Jngenieurvcrbände sind aber dabei, den ästhetischen und hygienischen Forderungen, die bisher total vernachlässigt wurden, ihre Aufmerksam keit znzuwenden, und da diese Fragen ans der Internat»'- nalen Baufachansstellung eingehend erörtert werden, so be- absichtigen sie, die Ausstellung zahlreich zn besuchen. Als verbreitetstes Baumaterial bezeichnte Dr. Probst für Amerika den Eisenbeton. Fast überall bei größeren Bauten ist eine ingeniöse Einrichtung für dessen Verweil- düng in Gebrauch: Ein Turm mitten auf der Baustelle mit einer schrägen nach unten zeigenden und verstellbaren Rinne, durch die der Beton in die Verschalungen fließt, lieber Chicago machte Dr. Probst einige interessante An gaben. Man wäre hier sehr unglücklich über das Fehlen einer direkten Wasserverbindung mit dem Meere. Es ist aber das Projekt eines gewaltigen Tiefscekanals in Arbeit, über das bei der Bausachaiisstellung Einzelheiten gebracht werden sollen. Kanada ist infolge seiner Fruchtbarkeit und der Naturschönheiten das Land der Zukunft und eröffnet vor allem auch dem Bauingenieur ein großes Feld der Tätigkeit. Dr. Probst erwähnte schließlich noch die Namen der beiden bedeutendsten amerikanischen Ingenieure Lin» denthal und Hornborstel, die Modelle ihrer Werke auf die Ausstellung schicken werden. Ersterer ist durch seine geni alen Brückenbauten bekannt geworden, letzterer dadurch, daß er die gesamten Stiftungsbanten Carnegies, die Bildnngs- und Wohltätigkeitsanstalten im Werte von über 60 Millio nen Mark, ausgeführt hat.