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und TagMM. Amtsblatt für die königlichen nnd Mischen Behörden zn Freiberg und Brand. Verantwortlicher Redakteur Julius Braun in Freiberg. . ... - -- ZK, Jahrgang, -». >. „ . - " -- Erscheint jedm Wochentag Abends 6 Uhr für den . Inserate werden bis Vormittags t l Uhr angenom- a 122. Sonntag, den ^b. M-l. I 18<8. NachbtsteUungtn auf dm , für dm Monat I« «i werdm von sämmllicheu Postauftalteu wie von der «nterzeichnetm Expedition und den bekannte« Aus gabestellen zum Prelle von 75 Pf. angenommen. LxpvMion äv8 „fi-vibergsn ^nrtzigvr". Vas Sozialistengesetz im Reichstage. Mit großer Majorität hat gestern der dentsche Reichs tag sein Votum gegen das Sozialistengesetz abgegeben, so da« die Reichsregierung sich zur Zurückziehung des Ent wurfs veranlaßt sah. Dieser Ausgang war vorherzusehen, denn in wenig Tagen lieferte die gesammte Presse ein so umfangreiches Material zur Benrtheilung der vorliegenden Frage und brachte damit die öffentliche Meinung zu so klarem Ausdruck, daß ein anderes Resultat nicht erwartet werden konnte. Es ist ja richtig, noch immer und überall werden die Gefahren erwogen, womit die Sozialdemokratie die bestehende rechtliche und sittliche Ordnung bedroht; darum aber hat man auch mit demselben Ernst die Trag weite der Maßregeln geprüft, für welche die Regierungen die Zustimmung des Reichstages beanspruchten. Man hat bei dieser Prüfung gefunden, daß diese Maßregeln den Zweck, welchem sie zu dienen bestimmt sind, die bestehende rechtliche urd sittliche Ordnung vor der Untergrabung durch die Bestrebungen der Sozialdemokratie zu schützen, nicht würden erreichen lasten, daß sie dagegen eine allgemeine Unsicherheit in Betreff der Ausübung von Rechten, die in den meisten Bundesstaaten den Staatsbürgern verfassungs mäßig gewährleistet sind, herbeiführen mühten. Ein mora lischer Belagerungszustand, sozusagen, würde über ganz Deutschland und nicht blos über die deutsche Sozialdemo kratie verhängt worden sein, wenn das Gesetz Annahme fand; denn um von Vielem nur eins zu erwähnen, wäre es in die Hand jedes beliebigen Individuums, das dazu Neigung verspürt, oder Anleitung erhält, gegeben, über Vereine und Versammlungen, worin über politische, religiöse, soziale, wirthschaftliche Fragen diskuttrt wird, durch Anträge oder Reden, die den Zielen der Sozialdemokratie dienen, ein Verbot bezw. die Auflösung herauf zu beschwören. Zur gestrigen Reichstagsverhandlung übergehend, wurde zunächst die erste Lesung weiter fortgesetzt. Abg. Gneist führte aus, die sozialistische Bewegung sei deshalb noch nicht unterdrückt, weil die liberalen Vereine und die libe rale Presse für die arbeitenden Klaffen unzugänglich seien. Infolge dessen hätten sich die Arbeiter schroff von allen an deren Ständen abgeschlossen, an und für sich seien daher alle Bestrebungen, der Obrigkeit gegenüber den Sozialdemo kraten größere Macht zu verleihen, gerechtfertigt. Die Vor lage selbst errege indeffen viel juristische Bedenken, trotzdem sei sie amendtrungSfähig. Redner ersucht das Haus, ein von ihm gestelltes Amendement anzunehmen. Hierauf sprach Wtndthorst (Meppen) gegen die Vor lage. — Minister Hofmann verwahrt sich gegen die von den Abgg. Jörg und Windthorst seitens der vorgestrigen Aeußerungen über die der Kirche gegebenen Deutungen; er habe nur von einem Kirchenthum gesprochen, das mit dem Staate Hand in Hand gehe und die Autorität des Staates achte. Der Kulturkampf, wie ihn die katholische Kirche durch ihre Presse und sonstigen Dogmen führe, habe der staatlichen Autorität mehr Schaden zugefügt als die Sozialdemokratie. Abg. Moltke giebt die Verbefferungssähigkeit der Vor lage zu, weist aber auf die allgemein verbreitete Uebei - zeuzung hin, daß man eines besseren Schutzes vor den den Staat bedrohenden Gefahren der Sozialdemokratie bedürfe. Gegen Noth, Elend und Armuth könne keine Regierungs form, kein Gesetzgeben schützen, Revolutionen hätten n ch nie geholfen und ihre Anstifter und Führer würden stets zuerst verzehrt. Man solle der Regierung die nöthiqe Macht geben, die Gefahren von der bürgerlichen Gesellschaft bei Zeiten abzuwehren. Die Geschichte der Pariser Kom mune zeige, welche Folgen entständen, wenn die Regierung sich die Zügel der Gewalt entschlüpfen ließe. Die Zustände und Begebenheiten unter der Herrschaft der Kommune würde man für unmöglich halten, wenn sie nicht unter den Augen -er Okkupationsarmee sich zugetragen hätten, die Gewehr bei Fuß gezwungen war, von jedem Eingreifen Abstand zu nehmen Solche Dinge seien eine verständliche Mah nung für die Ordnungspartet. Der Reichstag könne das Gesetz heute ablehnen, in der Erwartung, daß die Regie rung stark genug sei, den Ausschreitungen mit den Waffen in der Hand entgegenzutreten, dadurch werde aber nur augenblicklich geholfen, die Schäden würden nicht gründlich geheilt. Wenn mit der Vorlage der Weg gezeigt werde, durch vorbeugende Maßregeln, durch verständige Beschrän kung der gemißbiauchten Freiheit beklagenSwerthen Uebeln abzuhelfen, so müsse der Reichstag dazu die Hand bieten. Der leidende Theil der Bevölkerung gewinne nicht durch gewaltsamen Umsturz, sondern auf langsamem Wege der Gesetzgebung den erforderlichen Schutz ; Abg. Lasker tritt der Behauptung entgegen, daß die liberale Partei daS Anwachsen der Sozialdemokratie ge fördert habe; mit gröberem Rechte treffe solcher Vorwurf die konservative Partei, die durch ihre Jntriguen und Machinationen zur Untergrabung der öffentlichen Sittlich keit betgetragen habe, auch die Regierungen hätten die Sozialisten gegenüber den Liberalen begünstigt, wie dit namentlich bei den letzten Wahlen in Sachsen geschehen sei. Die Bestimmungen des Entwurfes seien in vielen Stücken ganz unausführbar, auch nicht verbesserungsfähig, der darau bezügliche Versuch Gneist's sei ein mißglückter und er und seine Partei würden »b irato gewachten Gesetzen niemals zusttmmen. Minister von Nokitz-Wallwitz erklärt die Be hauptung des Abg. Lasker bezüglich der Begünstigung der Sozialisten dmch die sächsische Regierung bet den letzten Wahlen für unwahr. — Damit schloß die erste Lesung. Das Haus trat sofort in die zweite Berathung ein. Abg. Lucius spricht für unveränderte Annahme des 8 1, Abg. Beseler für das von ihm und Gneist etngebracht» Amendement, welches namentlich in 8 1 die Ziele der^ Sozialdemokratie, die von d.m Gesetze getroffen werden sollen, bestimmter bezeichnet. Minister Hofmann empfiehlt daS Gneist-Beseler'sche Amendement und verwahrt die Vor lage gegen den Vorwurf, daß dieselbe absolut nicht ver- besserungssähig sei. Das Amendement Gnttst-Beseler wurde unter namentlicher Abstimmung mit 243 gegen 60 Stimmen abgelehnt; eb.nso 8 1 der Regierungsvorlage mit 2bl gegen 57 Stimmen. Minister Hofmann erklärt, die Regierung lege nunmehr auf die Weiterhe- rathung keinen Werth. Hierauf erfolgte derSchungS- schluß. Alands 7'/, Uhr wurde die Semon des Reichs tages geschloffen Lagesjchau. Freiberg, 25. Mai. In der Zeit vom 10. bis 20. Juni wird in Paris ein allgemeiner landwirthschaftlicher Kongreß stattfinden, an welchem auch die deutsche Landwirtschaft theilnimmt. Unter den zur Verhandlung kommenden Fragen ist für Deutschland die wichtigste die wegen Herstellung inter nationaler Maßregeln gegen die Biehseuchen. Die seitens des deutschen Reiches zur Abwehr der Rinderpest getroffenen gesetzlichen Maßregeln erweisen sich als zum Theil illusprisch, so lange nicht in jenen Ländern, wo sich die Seuche spontan entwickelt, umfassende Sicherheit-Maßregeln ergriffen werden. Die modernen Transportmittel führen da» in der Regel bereits angest ckte Vieh au» den Steppen Rußlands, Oesterreichs und Rumänien» binnen 4 6 Tagen vlS in das Herz von Deutschland, während die Pestkrankheit de» Rindviehs sich erst erkennbar in 8—10 Tagen entwickelt. So kann es nicht Wunder nehmen, wenn plötzlich mitten in Deutschland die Rinderpest mit allen ihren zerstörenden Konsequenzen für den Nationalwohlstand und die Ber kehrsfreiheit zum Ausbruch kommt. Rußland und Oester reich sind namentlich die Länder, in w-lchen die tue ganzen übrigen Europa nur auf dem Wege der Ansteckung ent stehende Seuche sich spontan entwickelt. In derben Ländern sind die vete inärpolizeilichen Maßregeln so unzulängtrch, daß d»lt die Rinderpest konttnuirlich mehr oder weniger verbreitet herrscht. In Rußland, mit AuSnahmn von Polen und den Ostseeprovinzen, wo ein ähnlich s, wenn auch weniger Garantie gewährendes Tttgungsverfavren an gewendet wird, wie in dem mittleren Europa, tödtet und verscharrt man höchstens die wirklich erkrankten Thiere, während in den Ländern der ungarischen Krone noch die chwankenden Bestimmungen des Gesetzes von 1859 gelten, welches beim Ausbruch der Rinderpest den Versuch ge- tattit, durch Parzelliren der verseuchten Heerden einen Theil der verdächtigen Thiere am Leben zu erhalten. Demnach steht, die Notwendigkeit interuationalerMaßregeln fegen di« Viehseuchen außer Zweifel. — Bezüglich der steife. Dispositionen des Kaisers wird jetzt offiziös be tätigt, daß der Kaiser am 11. Juni Abends nach Bad kms abrellen wird, lieber die Dauer des Aufenthalt» -»selbst, sowie über die Weiterreise nach Gastein rc. find definitive Bestimmungen noch nicht getroffen worden In >er ersten Hälfte des August beabsichtigt der Kaiser wieder in Berlin einzuireffen. ' Gegenüber der Meldung einiger österreichischer Blätter von Bemühungen der Anglobank, in Paris Änen Vorschuß auf den 60-Millionen-Kredit Namens des gemeinsamen Finanzministers auizubrtngen, kann die „Presse" auf'Grund authentischer Mrttheilung erklären, daß hierzu wedet von Seiten des gemeinsamen Finanzministers, noch von Seiten des österreichi chen Finanzministers irgend Jemand beauf tragt worben sei. Ueber einen Zug deutscher Pilger nach Jlnlte« meldet man untrrm gestrigen Tage aus Nom: Der Papst empfing die „deutschen Pilger", in deren Namen Herr v. Los eine Ergebe»hettsadr. sse verlas, dankte denselben und sprach seine Befriedigung darüber aus, daß die deutschen Katholiken fest zu ihrem Glauben ständen. Er empfahl denselben, ihren Glauben zu bewahren und auch ihre Kinder darin zu erzuhen und schloß mit dem Wuniche, daß die Gegner der katholischen Kirche die Wohlthaten erkennen möchten, die sie aus dem Bliitande der Kirche ziehen könnten. In Frankreich gilt es für sicher, daß vier Mitglieder des früheren Kadrnet« Broglie in Anklagezustand versetzt werden. Höchst wahrscheinlich wird aber das Urtheil nicht scharf lauten. Broglie selbst glaubt fest an seine Bestraf ung und läßt daher sein Hab und Gut. so wett die» möglich ist, nach England bringen. — In Betreff der Sätularfeier für Voltaire hat der Kardinal Erzbischof von Paris an den Klerus seines Sprengels einen Brief ge richtet, in welchem er zuerst einen Angriff auf die Feier selbst erhebt, und dann zur Sühne für das Aergernitz vorfchr-ibt, die Geistlichkeit solle die frommen Seelen er mähnen, daß sie am 30. Mat mit dem Gedanken der nationalen Buß« kommuniziren; für den darauf folgenden Sonntag schreibt er öff ntliche Gebete vor. Alle anderen französischen Bischöfe ordneten ähnliche kirchliche Maßregeln an. Der „Temps" äußert über die Briese deS Bischof» von Orleans gegen die Voltaire-Feier: „ES ist immer derselbe heftige und gemeine Ton. dieselbe Mißachtung jedes Maßt« und jeder Gerechtigkeit, dasselbe Verfahren, das darin besteht, Cttate anetnandrrzurethen, ohne ihren inneren Zusammenhang zu acht-n und ihre Herkunft zu bestimmen. Die Broschüren des Msqr. Dupanloup könnten, außer in einigen Stellen von überhitzter Rhetorik, von seinem Sekretär oder vielmehr von feinem Bedienten gemacht sein. Die euglische« Blätter find sehr mittheilsam über die angeblichen Erfolge, welche die Reise des Grafen Schuwa- lvff erzielt haben soll. Wie gestern bereits telegraphisch gemeldet, will der „Standard" wissen, die neuerlichst gehegten günstigen Erwartungen wären anscheinend ge rechtfertigt, eS sei zwar noch nichts fest geregelt, der Kon greß werde aber, falls nicht besonders störende Zufälle sich etnfiuden sollten, zusammentreten. Die Elemente zu einer Verständigung zwi'chen England und Rußland seien ge wonnen, der Kaiser von Rußland sei England mit erheb lichen Zugeständnissen entgegengekommen und wenn auch noch viere Schwierigkeiten zu überwinden wären, so dürfe doch eine fn bliche Lösung erwartet werden, falls die gegen wärtige Stimmung des russisch n KabinetS anvauern sollte. — Die „Mornin.post" sagt in einem als tnspirtrt ange sehenen Artikel, Graf Schuwalcff überbringe die Ver sicherung, daß die FriedenSnetgung in Petersburg der in Lond n bestehenden vollständig glnchkomme. Graf Schuwa- loff tei anch der T-äger gewisser Ausdrücke der Berett- willt^kelt, den .ngl swen Anschauungen entgegenzukommen wd eines allg.m.in.n Ploies zur E'zeelung einer Ver- löhnung. Tu ru suche Re. i.rung lehne rS zwar ab, den