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Erscheint ttglich nachm, mit Ausnahme der Sonn- ». Festtage. «ezngSpretS r Merteljährl. 1 Mk.SO Pf. (ohne Bestellgeld). Post-Bestellnummer S888. Bei autzerdeutschen Postanstalten laut ZeitungS-PreiSliste. Einzelnummer 10 Pfennige. Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit. vucdHrucrterrl, HeHalttlon und LrrcdäNrrtrNr: Dresden, Pillnitzer Straße 43. Inserate werden die 6 gespaltene Petitzeile oder deren Raum mit 18 Pf. berechnet, bei Wiederholung bedeutender Rabatt. Redaktions-Sprechstunde: 11—1 Uhr. Fernsprecher: Amt I. Nr. 1360. Nr. Ä49. Katholiken: Wolsgang. Sonnabend, den 31. Oktober 1903. Protestanten: Reformationöf. Ä. AahrgMIg« Die konfessionelle Volksbewegung in Sachsen. Der Bekenntniswechsel ist in Sachsen im Jahre 1902 sehr" häufig gewesen, wie Nr. 6 des Kousistorialverordnungs- blattes anfweist. 1023 Personen traten zur Landeskirche über, aber 1300 verlieben sie. Die Uebertritte erfolgten, wie wir mit schmerzlichen Gefühlen konstatieren müssen, hauptsächlich ans der römisch-katholischen Kirche. Nicht weniger als 354 Personen verließen die Muttcrkirche und traten zur Landeskirche über; nur 53 Evangelische wurden römisch-katholisch. Aus dem Berichte ersehen wir, daß die Uebertritte ans der römisch-katholischen Kirche am zahl- ^ reichsten in Dresden (100) waren. Dann folgt Chemnitz I i mit 140, Leipzig I mit 135, Dresden Landephorie 54, ; Plauen mit 30. Pirna mit 33, Zwickau mit 20 ?c. Ab trünnigen. Eine Zusammenstellung der Zahlen aus den letzten j fünf Jahren ergibt, daß 441, 009, 703, 1027 und 1023 Uebertritte in die Landeskirche erfolgten. Es traten aber noch mehr Personen aus der Landes- kirche aus, als in sie ein. Nicht weniger als 1300 ver ließen sie. Und wohin gingen sie? 450 wurden Geye- rianer (neuapostolische Gemeinde), 277 Methodisten, ! 129 traten zur altapostolischen Gemeinde, 70 zu den Deutsch katholiken, 199 zur Tempelgemeinde, 40 zu den Baptisten, 15 zu den Separierten, 1 zu dem Judentum über, 50 wurden konfessionslos. Doch damit ist die Vielseitigkeit des Protestantismus noch lange nicht erschöpft. Da kommen noch in Frage die Darbysten in Vielau (Zwickau), die im letzten Jahre 17 Personen gewannen, die Mormonen, die Siebeutags-Adventisten, die Heilsarmee und noch kleinere Sekten. Insgesamt betrugen im letzten Jahrfünft die ^ Uebertritte: den Katholiken gegenüber -ff 3105 (Gewinn > für die Landeskirche) — 238 (Verlust für die Landes kirche), also -ff 2807; Apostolische (alter und neuer Ordnung zusammen) -ff 106, — 1770, also —1010; Methodisten -ff 130, —912, demnach —782; Deutschkatholiken -ff 70, ! — 218, also —142; Baptisten -ff 36, — 170, mithin — 140; Konfessionslose -ff 117, —170, d. i. —09; Separierte -ff 53,— 124, somit —71; Tempelgemeinde -ff 53, — 508, somit — 455. Das „Neue Sachs. Kirchenblatt" macht bei den Ueber- tritten zu den Deutschkatholiken folgende interessante Be merkung: „Die Uebertritte zu den Deutschkatholiken erfolgten in größerer Anzahl nur in Chemnitz (41) und in Leipzig (27). Sie sind zum Teil auf sozialdemokratischen Einfluß zurückzuführen; der Austritt zu ihnen bedeutet nicht viel anderes, als Religionslosigkeit. Daß ihre „Taufe", die § ohne Wasser vollzogen wird, nicht als christliche Taufe i anerkannt werden kann, ist vor nicht langer Zeit festgestellt worden." Das sind recht bittere Bemerkungen; der Protestantismus ist ja so tolerant, daß er jeden nach seiner Fasson selig , werden läßt. Warum sollen nun die Deutschkatholiken von der Grundlehre des Protestantismus ausgenommen > werden? Mau schiebt den Uebertritten zu ihnen politische Motive unter; bei der Los von Nom-Bewegung in Böhmen hat man diese nicht getadelt. Man tadelt ihre Taufe. Das Kirchenblatt möge sich daran erinnern, daß auch in den Landeskirchen Pastoren sind, welche die Taufe ebenso wenig für nötig halten, um den Namen Christ zu tragen, als den Glauben au die Gottheit Christi. Warum ereifert man sich so gegen die Deutschkatholiken? Fast dünkt das Wörtchen „Katholik" im Namen den Unmut also zu erregen. ! trotzdem cs keine „römischen", sondern nur „deutsche" sind. ^ Die große Anzahl der Uebertritte aus der römisch- ! katholischen Kirche verdient noch einige Bemerkungen. — Es wurde unlängst ans den Umstand hingewiesen, daß fast ^ die Hälfte der in Sachsen wohnenden Katholiken Ausländer ^ sind; es wnrde auch als das Heimatsland eines großen Prozentsatzes Böhmen genannt. Wer die religiösen Verhält nisse in Böhmen nur einigermaßen ans eigener Anschauung kennt, wird sich nicht wundern, wenn diese Leute wie ein ^ schwankes Rohr vom Winde gebogen werden. In den ! konfessionell gemischten Ländern ist der Katholik gestählt im ; fortwährenden Kampf um seine (Überzeugung, er nennt ! ohne Zögern seine Konfession, weil er es so gewöhnt ist. j Das vom politischen und teilweise vom kirchlichen Liberalis mus verseuchte Böhmen kennt teilweise so etwas nicht. Bis ! vor wenigen Jahren war es dort Sitte, daß man sich liberal nannte und damit auf denselben Knlturkampfstandpnnkt ^ stellte wie die protestantischen Nationalliberalen in Deutschland; inan war katholisch getauft, aber nicht katholisch überzeugt. Nun kommen diese Leute in ein Land das protestantisch ^ der Konfession nach und sozialdemokratisch der Politik nach zn sein vorgibt. Besonders für jenen, der sich in Ab- ! hängigkeitsverhältnissen befindet, ist Manucsmut nötig, sich hier als Katholiken zu bekennen; jene, die es von Hause ! aus gewöhnt sind, tun es, jene, die es nicht gewöhnt sind, ! werden durch äußere Umstände leicht dazu gebracht, in ihrer Nückgratlosigkeit mit dem allgemeinen «ptrom zu schwimmen. Es wäre ein dankbares Beginnen, den Gründen nach- j zuforschen, welche die einzelnen Apostaten zu ihren lieber- ^ tritten bestimmten. Gemeiniglich verschließen sie aber ! diese sorgfältig bei sich. Ihr sSeelsorgec, dem sie ^ vollständig fremd sind und dessen Fürsorge sie sich entfremdet haben, kann in ihr Herzenskämmerlein nur selten Eintritt erlangen. An äußeren Vorwänden mangelt es nicht, wenn der Apostat welche angebeu will. Zn eiuerwahrheitsgemäßen An gabe darf er nicht genötigt werden. Daher wird man den j eigentlichen Beweggrund selten erfahren. Es find nur j wenige Katholiken, die sich nicht schämen, ihren Seelsorger ins Gesicht zn sagen, daß lediglich die vorgenommene Ver ehelichung mit einem Protestanten oder einer Protestantin der Grund des (Übertrittes ist. Der Bräutigam oder die Eltern der Braut verlangen den (Übertritt und der Katholik ist so schwach und wechselt seine Konfession wie ein Hemd, um die eheliche Verbindung eiugehen zu können. Verdient ein solcher Katholik schon unsere Verachtung, so läßt es in einen Abgrund von Jndifferentisums blicken, wenn man, wie cs in Dresden nicht selten vorkommt, wegen einiger Mark, welche die Katholiken an Schulanlage mehr zahlen müssen als die Protestanten, die Drohung hört, man wolle protestantisch werden; es ist traurig, zu geben zn müssen, daß es so charakterlose Personen gibt, welche diese Worte in die Tat umsetzeu und für einen Judas gewinn ihre Konfession wechseln. Noch andere irdische Be weggründe spielen oft mit. Spekulative Geister suchen durch den Glaubenswechsel rascher Karriere zn machen, manchmal sind sogar nur vorübergehende geschäftliche Vor teile das Motiv. Mauchen mag auch die Annehmlichkeit eines pro testantischen Glaubens genügen; für solche, welche sich nicht vorher zum Wahrhalten der katholischen Lehren anfzu- schwiugen vermögen, ist es verlockend, sich im Gewissen dazu nicht gebunden zu erachten, sondern sich den Glauben selbst nach eigenem Gutdünken zurecht zu legen oder auch nichts von den ganzen Bekenutnisschrifteu mehr zu glauben, weil cs die moderne Theologie so gestattet. Es mag auch manchem die kleine Zahl der Uebertritte zum Katholizismus auffallcn. Und selbst unter diesen 53 mag noch mancher gewesen sein, den irdische Beweggründe, meistens Heiraten, dazu bewogen. Dennoch prüft die katholische .Kirche jedes Oiesuch um Aufnahme gewissenhaft; sie bereitet den Konvertiten durch Unterricht in den katho lischen Glaubeuswahrheiteu gründlich vor, um ihm jenen Fond zu schaffen, der nötig ist, daß er ein überzeugungs- treuer Katholik werde. An der Zahl der geringen Ueber tritte zur katholischen Kirche spielt auch jenes Gesetz eine große Rolle, welches den Geistlichen verbietet, Religions unterricht einem Andersgläubigen zu erteilen, so lange er nicht aus der anderen Konfession ansgetreten ist. Wer aus Ueberzeuguug übertreten will, muß sich vorher den Inhalt der Lehre mitteilen und seine aufsteigeuden Zweifel widerlegen lassen. Der Geistliche darf das nicht. Die Sache ist sehr günstig. In eine der vielen protestantischen Kirchen kann man ohne viele Formalitäten, ohne langen Unterricht ausgenommen werden. Oft genügt, daß der Petent nicht mehr an der katholischen Lehre festhält, um ihn genügend vorbereitet zu halten. Anders ist es mit den Protestanten, welche katholisch werden wollen; sie suchen vorher die Ueberzeuguug von der Wahrheit, die ihnen aber von jenen Stellen nicht gesagt werden darf, welche von Christus dem Herrn dazu berufen Blei iiir Herzen. Erzählung von I. R. von der Lans. Aus dem Holländischen übersetzt von L. van Heemstede. <39. Fortsetzung.» (Nachdruck verboten.) Selbst der Herr des Hauses schien sich in der behag- lichcn Atmosphäre, die ihn umgab, recht wohl zu fühlen. ^ Seine Frau hatte ihm absichtlich seinen Platz zwischen zwei ^ Gästen angewiesen, die von ihr beauftragt waren, ihn in ! eine heitere Stimmung zu bringen, und es war dieses ! sowohl der Iran Neiuders, die einen gemütlichen Plauderton anzuschlagen wußte, als dem Doktor Diukes, der dem Kollegen gerne ein wenig schmeichelte, augenscheinlich wohl gelungen. Frau de Vries schien den Augenblick für besonders ! günstig zu halten und gab Herrn Neinders, dein dicken, würdevollen Beamten, der ihr von Zeit zu Zeit schon einen flüchtigen Blick des Einverständnisses zugeworfen hatte, ein Zeichen, indem sie unvermerkt mit dem Auge zwinkerte. Er klopfte ein paar Mal leise mit seinem Messer an ^ das Weinglas, und bei der plötzlichen Stille, die darauf entstand, langsam und feierlich sich erhebend, sagte er, indem er sich nach allen Seiten hin ehrerbietig verbeugte: „Geehrte Gastfrau, geehrter Gastherr, werte Gäste, mit mir an diesem gastfreien Tische vereint, wollet mir vergönnen, das Wort zn ergreifen und Ihnen eine Mit teilung zu machen, die Ihnen Allen gewiß eine äußerst j angenehme Ueberraschung bringen wird ..." Hier räusperte er sich aber, indem er sich mit einem siegesbewußten Blick rings im Kreise umschallte. Aller Augen waren in ungeduldiger Spannung auf ihn gerichtet. Nur Frau de VrieS guckte bescheiden auf ihren Teller. ! als wenn sie wüßte, was folgen würde. Der Doktor ! schaute dem Redner offen in daö wohlgenährte, glattrasierte Gesicht. „So manchmal schon, geehrte Gastfrau und geehrter ! Gastherr!" fuhr er mit einer neuen Verbeugung fort, „haben Sie uns hier in Ihrem gastfreien Hanse die angenehmsten ! (leberraschuugeu bereitet. Demgegenüber sehe ich es als ' ein hohes Vorrecht au, Ihnen hellte abend meinerseits eine Ueberraschung bringen zu dürfen." Wieder eine kleine Pause. „Die großen Verdienste, Herr Doktor, die Sic sich für die medizinische Wissenschaft wie für die leidende Menschheit erworben haben, sind schon lauge von der hohen Regierung bemerkt worden. Besonders die aufopfernde Hingabe, wo mit Sie sich während der jüngsten Epidemie den Armen ; gewidmet und Hunderte vor der schrecklichen Krankheit be- ! wahrt haben, konnte ihr nicht verborgen bleiben. ES hat daher Ihrer Majestät der Königin behagt, die unschätzbaren Verdienste, wodurch Sie sich das ganze Vaterland zn Danke verpflichtet haben, fürstlich zn belohnen und Sie zum Ritter des niederländischen Löwen zu ernennen." Eine allgemeine Bewegung freudiger Begeisterung schien hier die weiteren Worte des Redners abschneiden zn ! wollen; mit einer leichten Handgeberdc gelang es ihm aber, die Stille wieder herzustellen und sich noch weiter Oiehör zu verschaffen. „Morgen", so fuhr er fort, „wird der Staatsanzeiger es dem ganzen Lande verkünden, daß die Verdienste eines ^ seiner edelsten Bürger öffentlich durch die LaudeSfürslin an erkannt und belohnt wurden. Ich bin in der angenehmen Lage. Ihnen schon einen Abzug der betreffenden Nummer zur Hand stellen zn können." Damit zog er ein Papier aus der Tasche hervor, das ^ er auseinauderfaltete und so vor dein Doktor auSbreitete, daß ein mit Blaustift eingerahmter Bericht ihm sofort in ! die Augen fallen mußte. „Ich glaube", so fügte Herr Reinders noch hinzu, ^ „der Dolmetsch aller hier versammelten Gäste zn sein, wenn ich ihnen meinen herzlichsten Glückwunsch ausspreche zu dieser AuSzeichuuug. die, darin werden alle mit mir eins sein, keinem Würdigeren hätte zuerkanut werden können!" „Bravo!" riesen die Herren, die schon aufgestnuden waren und mit dem Glas in der Hand bereit waren, um mit dein geehrten Gastgeber auzustoßen. „Hlirrah!" jubelten die Studenten, „es lebe der uen^ Ritter!" Keiner blieb auf seinem Platze. Alle mußten dem Doktor, seiner Frau, seinem Sohn und seiner Tochter zur Beglückwünschung die Hand drücken. Von allen Seiten wurde der würdige Manu, der noch immer auf die blau umränderte Nachricht starrte, bestürmt. Seine Frau flog ihm um den Hals und gab ihm einen Kuß, so herzlich, wie sie ihm vielleicht seit Jahren nicht auf die Lippen ge drückt hatte. Konrad ergriff die eine, Henriette die andere Hand des Vaters, von allen Seiten streckte man ihn» die Hände entgegen. Er wußte nicht, was ihn überkain, und war seiner Sinne kaum mehr mächtig. Nie hatte er bei seiner rastlosen Arbeit und nner- müdcten Hingabe an eine solche Auszeichnung gedacht, wenn auch seine Frau oft genug darauf eingespielt Patte. Er hatte nur gearbeitet und sich abgemüht, um die Stimme seines Gewiffeus, die fortwährend Sühne heischte, znm Schweigen zn bringen. Nie batte er nach Lob oder Aner kennung getrachtet, immer hatte er sich als Schuldner ge- fühlt, der nur zu zahlen sucht, ohne zn fragen, ob er noch nicht genug getan hat. da er nur zn gut weiß, daß dies nie der Fall sein wird. Und nun wird ihm plötzlich dieser Srdeu in den Schoß geworfen, während alle einmütig beteuern, daß niemand dieser Auszeichnung so würdig ist. als er. So unerwartet wie sie ihm da kam, schien sie ihm wirklich höheren Ortes herzukommeu, nicht von der Königin, sondern von dem höchsten Gebieter, der Herzen und Nieren diirebschaul. Sie schien ihm wie eine Ermutigung, wie ei» Wink von oben, auf dem Wege der aufopferungs vollen Tätigkeit, der Gemigtmmg und Buße fortzufahren und zum ersteumale seit vielen Jahren fühlte der Manu, der im Bewußtsein seiner Schuld selbst dann, wenn er Gutes that, kaum anfzublickeu wagte, einen süßen Trost, als wenn er wieder zn Gnaden ansgenommen würde, dort, wo er mir eine strenge, unerbittliche Zurückweisung er- wartet hatte. (Fortsetzung folgt.) Wegen des Reformationsfestes erscheint die nächste N,immer Montag, den 2. November, nachmittags.